(19)
(11) EP 1 857 429 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
21.11.2007  Patentblatt  2007/47

(21) Anmeldenummer: 06405217.8

(22) Anmeldetag:  19.05.2006
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C06B 45/10(2006.01)
C06B 25/34(2006.01)
C06B 25/18(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IS IT LI LT LU LV MC NL PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL BA HR MK YU

(71) Anmelder: Nitrochemie Wimmis AG
3752 Wimmis (CH)

(72) Erfinder:
  • Schaedeli, Ulrich
    1737 Plasselb (CH)
  • Andres, Hanspeter
    3006 Bern (CH)
  • Ryf, Kurt
    3752 Wimmis (CH)
  • Antenen, Dominik
    3665 Wattenwil (CH)
  • Vogelsanger, Beat
    3604 Thun (CH)

(74) Vertreter: Rüfenacht, Philipp Michael et al
Keller & Partner Patentanwälte AG Schmiedenplatz 5 Postfach
3000 Bern 7
3000 Bern 7 (CH)

   


(54) Antrieb zur Beschleunigung von Geschossen


(57) Der Antrieb zur Beschleunigung von Geschossen basiert auf Nitrocellulose und enthält einen kristallinen Energieträger auf Nitramin-Basis und einen inerten plastifizierenden Zusatzstoff. Die Nitraminverbindung enthält ein Strukturelement der allgemeinen chemischen Formel R-N-NO2, wobei R ein Rest ist. Die Nitraminverbindung ist in einer Konzentration im Bereich von 1 - 35 Gew.-%, insbesondere im Bereich von 5 - 25 Gew.-% vorhanden. Die Nitraminverbindung ist vorzugsweise RDX. Der inerte plastifizierende Zusatzstoff ist eine wasserunlösliche Polyoxoverbindung bei Bedarf in Kombination mit einer Carboxylhaltingen Substanz. Es kann in oberflächennahen Schichten eine erhöhte Konzentration vorgesehen sein. Der inerte plastifizierende Zusatzstoff liegt in einer Konzentration von 1 - 5 Gew.-% vor.




Beschreibung

Technisches Gebiet



[0001] Die Erfindung betrifft einen Antrieb zur Beschleunigung von Geschossen, welches auf Nitrocellulose basiert sowie ein Verfahren zur Herstellung eines Antriebs.

Stand der Technik



[0002] Eine für Munitionshersteller wichtige Erkenntnis der in neuerer Zeit ausgetragenen kriegerischen Konflikte besteht darin, dass die im Einsatz stehenden Waffen- und Munitionsplattformen nur einen ungenügenden Schutz gegenüber feindlichen Angriffen zu bieten vermögen. Diese neuen Bedrohungsszenarien bestehen im Wesentlichen in einem feindlichen Beschuss von leicht- und mittelschwer gepanzerten Fahrzeugen, wobei deren Panzerung relativ leicht durchschlagen wird. Die Bedrohung wird zusätzlich verschärft, indem die Waffen, von welchen die Bedrohung ausgeht, leicht transportierbar sind und sich in grossen Stückzahlen unkontrolliert im Umlauf befinden. Es besteht hiermit ein ausgeprägter Verbesserungsbedarf bezüglich der Widerstandsfähigkeit gegenüber mechanischen Einwirkungen, hervorgerufen durch Beschuss der Munition mit z.B. einem Hohlladungsstrahl, heissen Metall-Fragmentsplittern oder Gewehrkugeln. Die Verwundbarkeit einer Munition ist zwar ein Systemaspekt, wobei das Treibladungspulver jedoch einen starken Einfluss ausübt.

[0003] Zudem hat die jüngere Vergangenheit aufgezeigt, dass das Risiko von Konflikten in warmen Klimazonen als deutlich zunehmend einzustufen ist. Derartige "out-of-area"-Einsätze in warmen Klimazonen verlangen generell nach einer Verbesserung der chemischen Stabilität eines Treibladungspulvers, damit dessen Sicherheit während Handhabung, Gebrauch und Lagerung vollumfänglich gewährleistet bleibt. Weitere Beispiele, wo eine Verbesserung der chemisch-thermischen Stabilität gefordert wird, sind die in modernen Kampfflugzeugen auftretenden extrem starken thermischen Wechselbelastungen der mitgeführten Munition mit Temperaturspitzen von über 100°C ("fast cook-off"), oder die Widerstandsfähigkeit einer Munition gegenüber Bränden ("slow cook-off"). Die chemische Stabilität eines Treibladungspulvers, welche sowohl dessen Gebrauchslebensdauer als auch dessen "cook-off" Temperatur bestimmt, stellt hiermit ein weiteres Tätigkeitsgebiet mit Verbesserungsbedarf dar.

[0004] Seit mehreren Jahren sind daher Entwicklungen im Gange, welche darauf abzielen, Treibladungspulver mit hohem Leistungspotenzial und verbesserten Eigenschaften bezüglich Verwundbarkeit (d. h. bezüglich mechanischer Einwirkung) und "Cook-off" (d.h. bezüglich thermischer Einwirkungen) bereitzustellen. Hierbei besteht die Herausforderung darin, dass ein für militärische Zwecke zu nutzendes Treibladungspulver eine möglichst hohe Energiedichte aufweisen muss, gleichzeitig jedoch eine möglichst geringe Verwundbarkeit bei mechanischen und thermischen Einwirkungen aufweisen sollte. Diese Anforderung ist für geschlossene Räume wie etwa in Panzern, Schützenpanzern oder Kriegsschiffen von herausragender Bedeutung.

[0005] Seit geraumer Zeit wird versucht, diese Anforderung mittels so genannter "Insensitiver Munition" (IM) zu erfüllen, wozu neue LOVA-Treibladungspulver (Low Vulnerability Ammunition) entwickelt wurden. Diese Treibladungspulver enthalten typischerweise zwischen 60 - 80 Gew.-% eines kristallinen Explosivstoffes und zirka 10 - 25 Gew.-% eines inerten oder energetischen Binders. Typische Explosivstoffe in LOVA-Treibladungspulver sind Cyclotetramethylenetetranitramine (HMX) und Cyclotrimethylenetrinitramine (RDX). Bisherige LOVA-Treibladungspulver bestehen typischerweise aus einem synthetischen inerten oder energetischem elastomeren Polymerbinder, in welchen die Kristalle des jeweiligen Sprengstoffes eingebettet sind. Typische Binder sind CAB und HTPB (inert) und GAP, poly-AMMO und poly-BAMO.

[0006] Bei Treibladungspulvern (kurz: TLP) für Waffenanwendungen unterscheidet man zwischen "homogenen" und "composite" (heterogenen) Formulierungen, wobei homogene Formulierungen ein- und zweibasige Treibladungspulver umfassen. In ausführlichen IM-Tests wurde gefunden, dass ein auf einem inerten Binder basierendes LOVA-Treibladungspulver gegenüber thermischer Einwirkung (cook-off) Vorteile im Vergleich zu konventionellen Pulvern aufweist. Demgegenüber wurde gezeigt, dass derartige Rezepturen bei mechanischer Einwirkung detonieren können, was deren breite Einführung und Gebrauch bisher verhinderte (vgl. z.B. L.M. Barrington, Australian Defence Force (ADF), DSTO-TR-0097).

[0007] Ein Beispiel eines LOVA-TLP mit einem energetischen synthetischen Binder ist in US 6,228,190 beschrieben, wobei der Binder aus einem nitratoalkyl-substituierten Alkylether-Prepolymer mit reaktiven Hydroxy-Endgruppen und einem Vernetzer auf Basis einer mehrwertigen Isocyanat-Verbindung besteht. Aus der Praxis ist bekannt, dass aus derartigen Bindern aufgebaute Pulver kaltspröde sind und dass deren Herstellung sehr teuer und schwierig ist.

[0008] LOVA-TLP mit einem elastomeren polyurethanhaltigen Binder stellen eine weitere bekannte Klasse von LOVA-TLP dar und sind u.a. in US 4,925,503, US 4,923,536 und US 5,468,312 beschrieben. Der kettenverlängerte Polyurethane-polyacetal Elastomer-Binder wird durch Reaktion eines dihydroxy-terminierten Polyacetal-Homopolymers mit einem Alkylene-diisocyanate, anschliessender Umsetzung des resultierenden isocyanatterminierten Prepolymers mit einem dihydroxy-terminierten Polyacetal-copolymer und finaler Reaktion dieser elastomeren Zwischenstufe mit einem organischen Polyisocyanat erhalten. Da die Herstellung dieses elastomeren Bindersystems über mehrere Syntheseschritte erfolgt, sind die Kosten sehr hoch. Zudem hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Reproduzierbarkeit grosse Probleme bereitet, so dass die erhaltenen LOVA-TLP nicht mit der gewünschten Gleichförmigkeit der Produkteeigenschaften gefertigt werden können. Aus diesen Gründen haben sich LOVA-TLP auf dieser Basis bisher nicht auf breiter Front durchsetzen können.

[0009] Eine weitere Klasse von LOVA-TLP verwendet Cellulose-acetat oder Derivate hiervon (z.B. Cellulose-acetat-butyrat, CAB) als elastomere Binder. Derartige Rezepturen sind u. a. in US 6,984,275 beschrieben.

[0010] Die bekannten LOVA-Rezepturen sind unbefriedigend, da ihre Reproduzierbarkeit nicht ausreichend gewährleistet ist und die Herstellungskosten relativ hoch sind. Sie sind daher praktisch nicht zur Anwendung gekommen.

Darstellung der Erfindung



[0011] Aufgabe der Erfindung ist es, einen dem eingangs genannten technischen Gebiet zugehörenden Antrieb zu schaffen, welcher eine geringe Sensitivität auf mechanische Einwirkungen, gute "Cook-off" Eigenschaften und gleichzeitig ein hohes Leistungspotenzial hat.

[0012] Die Lösung der Aufgabe ist durch die Merkmale des Anspruchs 1 definiert. Gemäss der Erfindung enthält der Antrieb als Basis Nitrocellulose, sowie einen kristallinen Energieträger auf Nitramin-Basis. Zudem ist ein inerter plastifizierender Zusatzstoff vorgesehen.

[0013] Überraschend ist, dass durch Zufügen von nur relativ kleinen Mengen (z.B. < 10 Gew.-%) an inerten plastifizierenden Zusatzstoffen die Widerstandsfähigkeit gegenüber mechanischen Stimuli deutlich verbessert werden kann. Je nach Anwendung können auch Kombinationen von mehreren inerten Zusatzstoffen zur Einstellung der gewünschten thermodynamischen Eigenschaften wie Leistung oder Temperaturcharakteristik eingesetzt werden. Der Kornaufbau derartiger Antriebe wird auf die spezifische Anwendung angepasst (Einstellen der Abbrandcharakteristik auf Rohrlänge, Geschossgewicht etc. des Waffensystems).

[0014] Zum Verbessern bzw. Optimieren der gewünschten Effekte können optional zusätzlich geringe Mengen (von meist weniger als 5 Gew.-%) energetischer Weichmacher, z.B. auf Basis Metyl-NENA (CAS-Nr. 17096-47-0), Ethyl-NENA (CAS-Nr. 85068-73-1) oder Butyl-NENA (CAS-Nr. 82486-82-6) verwendet werden.

[0015] Vergleichbare einbasige Antriebe, welche die neuartige Kombination von Zusatzstoffen nicht enthalten, weisen keine IM-Eigenschaften auf.

[0016] Ein weiterer grosser Vorteil der erfindungsgemässen Antrieb ist deren überraschenderweise hoher Energieumsetzungsgrad, was zu einem hohen innenballistischen Leistungsvermögen führt. So wurde gefunden, dass der thermische Wirkungsgrad, d.h. der in kinetische Mündungsenergie umgesetzte Anteil des TLP-Energieinhalts, bei Vollkaliber-Munition bis zu 44% beträgt. Bei unterkalibriger KE-Munition (KE = Kinetische Energie), d.h. bei Munition mit einem Treibspiegel, wurden thermische Wirkungsgrade von bis zu 36% gefunden. Dies entspricht im Vergleich zu konventionellen einbasigen Treibladungspulvern einer Erhöhung des Energieumsetzungsvermögens von bis zu 10% auf vergleichbarem Leistungsniveau. Dies äussert sich in der zuvor erwähnten Erhöhung des innenballistischen Leistungspotenzials ohne Verschlechterung der Rohrerosion, da die Flammtemperatur im Vergleich zu einem normalen einbasigen TLP praktisch nicht erhöht wird.

[0017] Die erfindungsgemässen Antriebe zeichnen sich zudem durch eine weitgehend neutrale Temperaturcharakteristik aus. Dies bedeutet, dass sich unabhängig von der Pulverbetttemperatur über einen weiten Temperaturbereich praktisch dieselben innerballistischen Leistungsdaten einstellen, was für einen Einsatz in heissen und kalten Klimazonen sehr erwünscht ist. So wurde beispielsweise in einer 30 mm Vollkaliber-Munition für eine Airburst-Anwendung gefunden, dass die Mündungsgeschwindigkeit innerhalb der Temperaturspanne von -32°C bis +52°C nur um 12 m/s variiert. Die höchste Mündungsgeschwindigkeit stellt sich typischerweise um 21°C ein und nimmt mit zunehmender Erwärmung resp. Abkühlung kontinuierlich ab. Ein analoger Verlauf wurde auch für den Spitzengasdruck gefunden. Konventionelle einbasige TLP weisen typischerweise einen linearen Anstieg der Mündungsgeschwindigkeit von 0.5 - 1.0 m/s pro °C auf, so dass bei einbasigen TLP die Mündungsgeschwindigkeit in demselben Temperaturbereich um 40 - 80 m/s schwankt.

[0018] Im Unterschied zu den weiter oben genannten, vorbekannten LOVA-Rezepturen basiert der erfindungsgemässe Antrieb nicht hauptsächlich auf dem kristallinen Energieträger. Vielmehr überwiegt der Anteil an Nitrocellulose am Gesamtgewicht (> 50 Gew.-%, insbesondere >60 Gew.-%). Durch die Verwendung von Nitrocellulose wird erreicht, dass die mittleren Abstände zwischen den einzelnen Kristallen des kristallinen Energieträgers ausreichend gross sind, resp. dass sich die einzelnen Kristalle überwiegend nicht berühren. Dies führt dazu, dass bei Einwirkung externer mechanischer Stimuli der Schockimpuls nicht von einem Explosivstoff-Kristall an die benachbart liegenden Kristalle weitergegeben werden kann. Es wird verhindert, dass der primär einwirkende Schockimpuls multipliziert und über die gesamte Pulvermenge übertragen wird.

[0019] Ein weiterer unterschied zwischen der Erfindung und den vorbekannten LOVA-Rezepturen besteht darin, dass der Wasserstoff-Gehalt in den Verbrennungsgasen nicht erhöht ist. Im Vergleich zu den vorbekannten LOVA-Rezepturen mit kristallinen Energieträgern wird somit die Rohrerosion wegen hohen Wasserstoff-Anteilen vermieden. Es können ohne Probleme mehrere tausend Schuss gefeuert werden, wie es die üblichen Abnahmebedingungen vorschreiben.

[0020] Nitrocellulose wird durch Nitrierung von Cellulose (Baumwoll-Linters, Zellstoff) gewonnen und stellt seit über hundert Jahren das wichtigste Ausgangsmaterial für die Herstellung von ein-, zwei- und dreibasigen Treibladungspulvern dar. Nitrocellulose ist in grossen Mengen zu günstigen Preisen verfügbar und wird mit einer grossen Spannbreite an verschiedenen chemisch-physikalischen Eigenschaften wie Stickstoffgehalt, Molekulargewicht oder Viskosität angeboten. Diese Unterschiede erlauben, dass sich Nitrocellulose zu den verschiedenen homogenen Treibladungspulvertypen verarbeiten lässt. Der Energieinhalt von Nitrocellulose wird über den Stickstoffgehalt eingestellt. In einbasigen Rezepturen ist Nitrocellulose der alleinige Energieträger, was bedeutet, dass die Energiedichte von Nitrocellulose im Vergleich zu anderen synthetischen Binderpolymeren relativ hoch ist.

[0021] Im Rahmen der Erfindung wurde nun überraschenderweise gefunden, dass sich Nitrocellulose als Ausgangsmaterial zur Herstellung von Antrieben mit IM-Eigenschaften verwenden lässt. Einerseits wurde unerwartet festgestellt, dass bereits durch Einarbeitung von relativ geringen Anteilen einer kristallinen Nitraminverbindung sich die chemische Stabilität im Vergleich zu einem nitraminfreien Antrieb deutlich zu verbessern vermag. Hiermit wird die Widerstandsfähigkeit gegenüber thermischen Stimuli massiv verbessert, wodurch die erwünschte Verbesserung der Cook-off-Temperatur realisiert werden können.

[0022] Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Ausgangsstoffe preiswert und leicht verfügbar sind und dass keine aussergewöhnlichen ("exotischen") Prozessschritte im Fertigungsprozess erforderlich sind.

[0023] Der Antrieb ist vorzugsweise in Form von Körnern (engl. grain) ausgebildet, welche z. B. eine kreiszylindrische Geometrie haben mit in axialer Richtung verlaufenden Längskanälen (z.B. 1 Kanal, oder 7 oder 19 Kanäle). Ein solches Treibladungspulver ist infolgedessen schüttbar (bzw. rieselfähig), was wichtig für die industrielle Abfüllung von Hülsen ist. Das Treibladungspulver kann während des Abfüllens in die Hülsen also ähnlich wie eine Flüssigkeit gehandhabt werden. Für grosskalibrige Munition kann das Material auch in Form von Streifen vorliegen oder direkt in eine bestimmte, für Rohrwaffen geeignete Form extrudiert werden. (Allerdings geht es nicht um einen grossvolumigen, gegossenen Block, wie er für Feststoffraketen verwendet wird.)

[0024] Das zylindrische Pulverkorn hat als Verhältnis von Länge (L) zu Durchmesser (D) typischerweise (aber nicht zwingend) einen Wert im Bereich von L/D = 0.25 bis L/D = 5. Die Länge des Kreiszylinders liegt z.B. im Bereich von 0.3 - 10 mm und der Durchmesser im Bereich von 0.3 - 10 mm.

[0025] Statt Zylinderformen können auch Streifenformen verwendet werden. Darunter fallen typischerweise Formen, bei denen die Breite viel kleiner (z.B. mindestens 5 Mal oder mindestens 10 Mal) ist als die Länge und die Dicke ihrerseits viel kleiner ist (z.B. mindestens 5 Mal oder mindestens 10 Mal) ist als die Breite. (Die Dicke liegt z.B. bei 1-2 mm, die Breite bei 10 mm oder mehr und die Länge bei 100 - 150 mm.)

[0026] Ebenfalls denkbar sind sog. "Formkörper", d.h. hohlzylindrische Formen für eine Munition, bei welcher die Hülse fehlt bzw. durch den hinter der Anzündung angeordneten "Formkörper" ersetzt ist.

[0027] Vorzugsweise enthält die kristalline Nitraminverbindung ein Strukturelement der allgemeinen chemischen Strukturformel R-N-NO2 (R = Rest). Dabei soll der Anteil des Nitramin-Strukturelements am Gesamtmolekül möglichst hoch sein, um einen einsprechend hohen Energiegehalt zu erreichen.

[0028] Anstelle einer Nitraminverbindung von der Art R-O-NO2 wäre z.B. auch ein Nitratester denkbar. Allerdings ist letzterer chemisch weniger stabil als die Nitraminverbindung.

[0029] Die kristalline Nitraminverbindung wird vorzugsweise in einer Konzentration im Bereich von 1 - 35 Gew.-% eingesetzt. Besonders bevorzugt sind Konzentrationen im Bereich von 5-25 Gew.-%. Bei höheren Gewichtsanteilen an kristallinem Energieträger sind die Kristalle statistisch betrachtet zu nahe aufeinander und die Verwundbarkeit steigt stark an. Bei Gewichtsanteilen bis zu 20 % bleibt die Verwundbarkeit auf einem sehr tiefen Niveau.

[0030] Mit einem inerten plastifizierenden Weichmacher in der Kornmatrix und/oder einer Oberflächenbeschichtung kann die Verwundbarkeit bei gegebenem Gewichtsanteil der kristallinen Nitraminverbindung etwas abgeschwächt werden. Es ist dadurch ohne weiteres möglich, an der oberen Grenze (d.h. bei ca. 25 Gew.-% kristallinem Nitramin) zu arbeiten.

[0031] Es hat sich im Rahmen der Erfindung gezeigt, dass RDX zwei Effekte hat. Zum ersten wirkt es als Energieträger bzw. -lieferant (bekannte Eigenschaft). Zum zweiten steigert es in dem erfindungsgemässen Kontext die chemische Stabilität des Antriebs (neue Eigenschaft). Die Stabilisierungseigenschaft kommt schon ab ca. 1 Gew.-% zum Tragen. Sie steigt danach mit zunehmendem Gewichtsanteil nur noch unwesentlich an.

[0032] Ist die Nitraminverbindung als Energieträger vorgesehen, dann wird ihr Gewichtsanteil im Pulverkorn meist mehr als 10% betragen. Zur Stabilisierung können auch an sich bekannte Wirkstoffe wie z.B. Akardit II verwendet werden.

[0033] Als kristalline Nitraminverbindung eignen sich Hexogen (RDX, Cyclotrimethylentrinitramin, CAS-# 121-82-4), Oktogen (HMX, Tetramethylenetetranitramin, CAS-# 2691-41-0, Hexanitroisowurtzitan (CL-20, CAS-# 14913-74-7), Nitroguanidin (NIGU, NQ, CAS-# 70-25-7, N-Metylnitramin (Tetryl, N-Methyl-N,2,4,6-tetranitrobenzolamin, CAS-# 479-45-8) sowie Nitrotriazolon (NTO, CAS# 932-64-9) unt Triaminotrinitrobenzol (TATB, CAS# 3058-38-6). Diese Verbindungen können einzeln oder miteinander kombiniert eingesetzt werden. Die kristalline Nitraminverbindung ist z.B. RDX mit einer mittleren Korngrösse von 6 Mikrometer.

[0034] RDX ist von allen genannten kristallinen Energieträgern der interessanteste. Festzustellen ist, dass das im Markt angebotene "insensitive" RDX (auch I-RDX oder RS-RDX genannt) im erfindungsgemässen Kontext keine Verbesserung mit sich bringt, obwohl die I-RDX-Variante gerade wegen angeblich geringerer Verwundbarkeit angeboten wird.

[0035] Oktogen ist relativ teuer im Vergleich zu RDX. Andere Nitraminverbindungen (wie z.B. NIGU etc.) haben relativ wenig Leistung im Vergleich zu RDX.

[0036] Der inerte plastifizierende Zusatzstoff (Weichmacher) ist grundsätzlich im ganzen Korn (d.h. in der Kornmatrix) verteilt. Er kann dabei in zwei verschiedenen Varianten präsent sein. Er kann in der Kornmatrix mehr oder weniger homogen verteilt sein. Er kann aber auch in oberflächennahen Bereichen stärker konzentriert sein als im Inneren des Pulverkorns. Letzteres kann die angestrebte Wirkung verstärken.

[0037] Bei homogener Verteilung liegt die Konzentration des inerten plastifizierenden Weichmachers in der Kornmatrix im Bereich von 1.0 - 20 Gew.-%. Vorzugsweise liegt die Konzentration im Bereich von 1.0-10 Gew.-%. Insbesondere genügen schon 1 - 5 Gew.-%. Je geringer der Anteil an inertem Weichmacher ist, desto höher kann der Anteil an energiereichen Stoffen im Korn sein. Bei homogener Verteilung des plastifizierenden Weichmachers sollte dessen Gewichtsanteil unter 10% sein, namentlich für Mittelkaliberanwendungen.

[0038] Bei Kleinkaliberanwendungen kann der Gewichtsanteil des Weichmachers dagegen durchaus auf 15 Gew.-% steigen (bedingt durch das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen im Treibladungspulver).

[0039] Der inerte plastifizierende Weichmacher in der Kornmatrix kann z. B. eine im Wesentlichen wasserunlösliche organische Polyoxoverbindung wie z. B. eine Polyester- oder Polyetherverbindung mit einem Molekulargewicht von 50 - 20'000 g/mol sein. Ist der inerte Weichmacher in der oberflächennahen Zone des Antriebs angereichert, ist er eine praktisch wasserunlösliche organische Verbindung (typischerweise organische Verbindung enthaltend Carboxylgruppen (bevorzugt Campher und/oder aromatische Harnstoffverbindungen).

[0040] Indem der Weichmacher praktisch wasserunlöslich ist, kann das Pulver im Verlauf des Produktionsprozesses in Wasser gebadet werden, um die Restlösungsmittel (wie Alkohol, Diäthyläther oder Äthylacetat) auszuwaschen, welches für die Extrusion im Pulverteig enthalten ist. Der wasserunlösliche Weichmacher bleibt somit im Korn. Alternativ kann das Lösungsmittel auch durch Lufttrocknung entfernt werden. Es ist dann nicht nötig, dass der Weichmacher wasserunlöslich ist.

[0041] Als besonders geeignet haben sich (wasserunlösliche) Citratester, Adipinsäureester, Sebacinsäureester oder Phtalsäureester (resp. hydrierte Cyclohexylderivate hiervon) mit einem Molekulargewicht von 100 - 20'000 g/mol oder Kombinationen hiervon erwiesen.

[0042] In der Kunststoffindustrie (vgl. z. B. Handbook of Plasticizers, ISBN 1-895198-29-1) sind verschiedenste Weichmacher (engl. plasticizer) bekannt, die gute Gelatinatoren für Nitrocellulose sind.

[0043] Wenn der plastifizierende Zusatzstoff zusätzlich in den oberflächennahen Zonen des Pulverkorns eingebracht ist, wird eine carboxylgruppenhaltige organische Verbindung mit einem Molekulargewicht von 100 - 5000 g/l bevorzugt. Der Gewichtsanteil am Gesamtkorn ist vorzugsweise nicht mehr als 10 Gew.-%, insbesondere weniger als 6 Gew.-%.

[0044] Es können aber auch Konzentrationsbereiche des in den oberflächennahen Zonen des Antriebs lokalisierten inerten Weichmachers unter 15 Gew. °6 geeignet sein. Allerdings erreicht man mit 1-2 Gew.-% bei Mittelkaliber gute Ergebnisse. Unterhalb von 1.0 Gew.-% konnte nur eine ungenügende Wirkung festgestellt werden.

[0045] Der inerte plastifizierende Zusatzstoff, welcher auf den oberflächennahen Zonen des Antriebs lokalisiert ist, ist vorzugsweise Campher (CAS-# 76-22-2). Ebenfalls kommen aromatische Harnstoffderivate wie Diethyldiphenylharnstoff (CAS-# 85-98-3), Dimethyldiphenylharnstoff (CAS-# 61 1-92-7), Ethyldiphenylcarbamate (CAS-# 603-52-1), N-Methyl-N-phenylurethane (CAS-# 2621-79-6) oder Esterverbindungen wie Diethylphthalat (CAS-# 84-66-2), Dibutylphthalat (CAS-# 84-74-2), Diamylphthalat (CAS-# 131-18-0), Di-n-propyladipat (CAS-# 106-19-4) in Frage oder Verbindungen analog denjenigen, welche homogen in der Kornmatrix verteilt sind. Der inerte plastifizierende Zusatzstoff kann auch als Kombination mehrerer Einzelverbindungen appliziert werden.

[0046] Beispiele für den inerten plastischen Zusatzstoff sind Acetyltriethylcitrat (CAS-#: 77-89-4), Triethylcitrat (CAS-#: 77-93-0), Tri-n-butylcitrat (CAS-#:77-94-1), Tributyl-acetylcitrat (77-90-7), Acetyltri-n-butylcitrat (CAS-#: 77-90-7), Acetyltri-n-hexylcitrat (CAS-#: 24817-92-3), n-Butyryltri-n-hexylcitrat (CAS-#: 82469-79-2), Di-n-butyl-adipat, Diisopropyl-adipat (CAS-#: 6938-94-9), Diisobutyl-adipat (CAS-#: 141-04-8), Di-ethylhexyl-adipat (CAS-#: 103-23-1), Nonyl-undecyl-adipat, n-Decyl-n-octyl-adipat (CAS-#: 110-29-2), Dibutoxy-ethoxy-ethyladipat, Dimethyl-adipat (CAS-#: 627-93-0), Hexyl-octyl-decyl-adipat, Diisononyl-adipat (CAS-#: 33703-08-1), di-n-Butyl-sebacat (CAS-#: 109-43-3), Dioctyl-sebacat (CAS-#: 122-62-3), Dimethyl-sebacat (CAS-#: 106-79-6), Di-n-butyl-phthalat (CAS-#: 84-74-2), Di-n-hexyl-phthalate (CAS-#: 84-75-3), Di-nonyl-undecyl-phthalat (CAS-Nr. 111381-91-0), Nonyl-undecyl-phthalat (685-15-43-5), Gemische weitgehend linearer C4-C11-alkylphthalate (CAS-#: 85507-79-5, 111381-91-0, 68515-45-7, 68515-44-6, 68515-43-5, 111381-89-6, 111381-90-9, 28553-12-0), Dioctyl-terephthalat (CAS-#: 6422-86-2), Dioctyl-isophthalate (CAS-#: 137-89-3), 1,2-Cyclohexandicarbonsäurediisononylester (CAS-#: 166412-78-8), Dibutyl-maleat (CAS-#: 105-76-0), Dinonyl-maleat (CAS-#: 2787-64-6), Diisooctyl-maleat (CAS-#: 1330-76-3), Dibutyl-fumarat (CAS-#: 105-75-9), Dinonylfumarat (CAS-#: 2787-63-5), Dimethyl-sebacat (CAS-#: 106-79-6), Dibutyl-sebacat (CAS-#: 109-43-3), Diisooctyl-sebacat (CAS-#: 27214-90-0), Dibutyl-azelat (CAS-#: 2917-73-9), Diethyleneglycol-dibenzoat (CAS-#: 120-55-8), Trioctyl-trimelliat (CAS-#: 89-04-3), Trioctylphosphat (CAS-#: 78-42-2), Butylstearat (CAS-#: 123-95-5), Glycerol-triacetat (CAS-#: 102-76-1), epoxidiertes Sojabohnenoel (CAS-#: 8013-07-8), epoxidiertes Leinensamenoel (CAS-#: 8016-11-3).

[0047] Die inerten plastifizierenden Zusatzstoffe werden zum Teil auch unter folgenden Handelsnamen angeboten: Hexamoll Dinch der Firma BASF, Citroflex Typen der Firma Reilly-Morflex Inc., Greensboro, North Carolina USA, u.a. A-2, A-4, A-6, C-2, C-4, C6, B-6, Paraplex Typen der Firma C. P. Hall Co. Chicago, Illinois USA, u.a. G25, G30, G51, G54, G57, G59, Santicizer Typen der Firma Ferro Corporation, Cleveland, Ohio USA, 261, 278, Palatinol-Typen der Firma BASF, Deutschland.

[0048] Ist der inerte plastifizierende Zusatzstoff in den oberflächennahen Zonen des Pulverkorns lokalisiert, hat er eine Eindringtiefe von einigen wenigen 100 Mikrometern. Die Eindringtiefe (d.h. die Tiefe, bis zu welcher mindestens 95 Gew.-% des Zusatzstoffes enthalten sind), beträgt z.B. maximal 400 Mikrometer. Ist der Zusatzstoff auf diese Weise ins Korn eingebracht, kann mit minimalen Mengen ein grösstmöglicher Effekt erreicht werden. Das heisst, das Kornvolumen beinhaltet nicht mehr inerte Stoffe als nötig, was bei vorgegebener Pulvermenge eine grösstmögliche Menge an energiehaltigem Material ergibt. Vorzugsweise wird mit Eindringtiefen im Bereich von 100 - 300 Mikrometern gearbeitet.

[0049] Der erfindungsgemässe Antrieb eignet sich vorzüglich für Klein- und Mittelkaliber-Munition, d.h. die Pulverkörner haben eine maximale geometrische Ausdehnung von 20 mm.

[0050] Die geometrischen Abmessungen der erfindungsgemässen Treibladungspulver werden primär durch den Kaliberbereich bestimmt. So können die Pulverkörner für KleinkaliberAnwendungen (Kaliberbereich von ca. 5.56 bis ca. 20 mm) einerseits zylinderförmige Geometrien mit Durchmesser von ca. 0.5 - 3 mm aufweisen, wobei die Länge eines Pulverkorns typischerweise ca. 0.5-2.0x des Wertes des jeweiligen Korndurchmessers beträgt. Zudem können zylinderförmige Pulver zur Beeinflussung des Abbrandverhaltens in axialer Richtung verlaufende Längskanäle enthalten. In der Praxis haben sich 1-, 7- und 19-Lochgeometrien besonders bewährt, wobei der Durchmesser der Lochzonen typischerweise zwischen 0.05 bis 0.5 mm beträgt.

[0051] Für Mittelkaliber-Anwendungen (Kaliberbereich von 20 mm bis ca. 50 mm) hat sich erfahrungsgemäss die zylinderförmige Korngeometrie mit Durchmesser von ca. 1.0 - 10 mm bewährt, wobei die Länge eines Pulverkorns typischerweise ca. 0.5-2.0x des Wertes des jeweiligen Korndurchmessers beträgt. Zur Steuerung der Abbrandcharakteristik sind normalerweise mehrere in axialer Richtung verlaufende Längskanäle im Pulverkorn enthalten. Besonders bewährt haben sich Pulverkörner mit 1, 7 oder 19 Längskanälen, deren Durchmesser typischerweise 0.05 - 0.5 mm betragen.

[0052] Für Grosskaliber-Anwendungen (Kaliberbereich von 60 mm bis ca. 155 mm) hat sich erfahrungsgemäss die zylinderförmige Korngeometrie mit Durchmesser von ca. 3 - 25 mm bewährt, wobei die Länge eines Pulverkorns typischerweise ein 0.5- bis 2-faches des Wertes des jeweiligen Korndurchmessers beträgt. Zur Steuerung der Abbrandcharakteristik sind normalerweise mehrere in axialer Richtung verlaufende Längskanäle im Pulverkorn enthalten. Besonders bewährt haben sich Pulverkörner mit 7, 19 und 51 Längskanälen, deren Durchmesser typischerweise 0.05 - 0.5 mm betragen. Zudem haben sich für Grosskaliber-Anwendungen auch so genannte Streifenpulver bewährt. Deren Querschnitt ist typischerweise rechteckig mit einer Dicke von 0.5 - 5 mm und einer Breite von 3.0 - 20 mm. Die Länge liegt typischerweise im Bereich von 5 - 50 cm.

[0053] Der erfindungsgemässe Antrieb kann auch als so genannter Formkörper ausgebildet sein. Hierbei übernimmt der Antrieb zusätzlich die Funktion der Hülse und kommt in so genannter hülsenloser Munition zum Einsatz. Denkbare Einsatzgebiete liegen in den Kaliberbereichen von 4.6 - 155 mm, wobei die Geometrie derartiger Formkörper der jeweiligen Anwendung angepasst ist.

[0054] Ein Verfahren zur Herstellung eines erfindungsgemässen Antriebs zeichnet sich dadurch aus, dass ein Grünkorn durch Verpressen eines lösungsmittelhaltigen Pulverteigs aus Nitrocellulose und einem kristallinen Energieträger auf Nitramin-Basis in einer Strangenpresse oder mittels Extrusion produziert wird.

[0055] Die durch die erfindungsgemässe Kombination eines kristallinen Energieträgers auf Nitramin-Basis mit einem inerten Zusatzstoff in einer Kornmatrix, deren Binder vorwiegend aus Nitrocellulose besteht, resultierenden Antriebe können auf bestehenden Fertigungsanlagen hergestellt werden. Die festen Rezepturkomponenten können z.B. mit einem Lösungsmittel-Gemisch versetzt werden. Der resultierende Knetteig kann in einem Kneter geknetet und hiernach in einer Presse auf die gewünschte Geometrie extrudiert werden. Die Fertigstellung zum gewünschten Antrieb kann durch Wässerung, Trocknung und Schneiden auf die gewünschte Kornlänge erfolgen. Zur Verbesserung der Anbindung an die gelierte Nitrocellulose-Kornmatrix und damit zur Optimierung der gewünschten Effekte kann die kristalline Nitramin-Verbindung einer geeigneten Vorbehandlung unterzogen werden. Die Schüttdichten der neuartigen Antriebe sind hoch und können, je nach Geometrieform, bis weit über 1060 g/l betragen, was zur Erreichung der hohen innenballistischen Leistung von Bedeutung ist.

[0056] Vorzugsweise wird ein Pulverteig verwendet, der zu einem Grünkorn mit mindestens 60 Gew.-% Nitrocellulose führt, wobei der Stickstoffgehalt der Nitrocellulose zwischen 11-13.5 Gew.-% liegt.

[0057] Besonders bevorzugt beträgt der Stickstoffgehalt der Nitrocellulose zwischen 12.6 - 13.25 Gew.%, der homogen in der Matrix verteilte inerte plastifizierende Weichmacher ist eine Polyesterverbindung (bevorzugt Polyesterverbindung mit 2-10 Estergruppen pro Molekül wie Citrate, Phthalate, Sebacinate und Adipate mit einem Molekulargewicht von 100 - 5000 g/mol, und der in den oberflächennahen Zonen des Antriebs angereicherte inerte Weichmacher ist eine organische Substanz enthaltend Sauerstoffatome und mit einem Molekulargewicht von 100 - 5000 g/mol. Ganz besonders geeignet ist Campher.

[0058] Für das erfindungsgemässe Pulver können selbstverständlich auch weitere, an sich bekannte Zusätze verwendet werden. Zur Stabilitätserhöhung können etwa Natriumhydrogenkarbonat (CAS-#:144-55-8), Calziumkarbonat (CAS-#: 471-34-1), Magnesiumoxid (CAS-#: 1309-48-4), Akardit II (CAS-#: 724-18-5), Centralit I (CAS-#: 90-93-7), Centralit II (CAS-#: 61 1-92-7), 2-Nitrodiphenylamin (CAS-#: 836-30-6) und Diphenylamin (CAS-#: 122-39-4), zur Rohrschonung etwa Magnesiumoxid (CAS-#: 1303-48-4), Molybdäntrioxid (CAS-#: 1313-27-5), Magnesiumsilikat (CAS-#: 14807-96-6), Calciumkarbonat (CAS-#: 471-34-1) oder Titandioxid (CAS-#: 13463-67-7), Wolframtrioxid (CAS-#: 1314-35-8), und zur Feuerscheindämpfung etwa Natriumoxalat (CAS-#: 62-76-0), Kaliumbitarat (CAS-#: 868-14-4), Natriumhydrogenkarbonat (CAS-#: 144-55-8), Kaliumhydrogenkarbonat (CAS-#: 298-14-6), Natriumoxalat (CAS-#: 62-76-0), Kaliumsulfat (CAS-#: 7778-80-5) oder Kaliumnitrat (CAS-#: 7757-79-1) eingesetzt werden. Ferner kann das Grünpulver noch weitere bekannte Zusätze, etwa zur Verbesserung des Anzündverhaltens und zur Modulierung des Abbrandverhaltens, enthalten.

[0059] Aus der nachfolgenden Detailbeschreibung und der Gesamtheit der Patentansprüche ergeben sich weitere vorteilhafte Ausführungsformen und Merkmalskombinationen der Erfindung.

Kurze Beschreibung der Zeichnungen



[0060] Die zur Erläuterung des Ausführungsbeispiels verwendeten Zeichnungen zeigen:
Fig. 1
Eine Munition nach der Einwirkung eines Hohlladungsstrahls;
Fig. 2
eine Munition nach der Einwirkung heisser Fragmente;
Fig. 3
eine Munition nach der Einwirkung eines Hohlladungsstrahls,
Fig. 4
eine Munition nach dem Kugeleinschuss (eng!. Bullet Impact) in einer 35 mm Stahlhülse;

Wege zur Ausführung der Erfindung



[0061] Bei den nachfolgend erläuterten Beispielen sind alle erwähnten Zusätze während der Grünkornherstellung dem Pulverteig zugegeben worden, d.h. sie sind gleichmässig in der Matrix verteilt. Die Gesamtmenge dieser Zusätze im Grünkorn liegt zw. 0-10 Gew.-% gegenüber der Nitrocellulose, bevorzugt zwischen 2-7 Gew.-% . Die Herstellung der Antriebe beinhaltet unter anderem die Prozessschritte "Kneten mit Lösungsmitteln", "Extrusion durch Matrize", "Trocknung" und "Finishing" (Oberflächenbehandlung). Die kristalline Nitraminverbindung, welche zur Verbesserung der Anbindung an die Matrix gegebenenfalls einer Vorbehandlung unterzogen werden muss, und der in der Matrix homogen verteilte inerte plastifizierende Weichmacher werden der Knetmasse zugegeben. Der in der oberflächennahen Zone des Antriebs lokalisierte inerte plastifizierende Weichmacher wird entweder durch Imprägnierung eines "Grünkorns" in wässriger Emulsion oder in einem Oberflächenbehandlungsprozess (Finishing) zusammen mit weiteren Zusatzstoffen wie z.B. Graphit aufgebracht.

Beispiel 1



[0062] Es werden 5 kg eines auf 60°C aufgeheizten 7-Loch-Grünpulvers hergestellt, indem ein Pulverteig aus den festen Anteilen von 25 Gew.-% RDX, 1.8 Gew.-% Akardit-II, 0.4 Gew.-% Kaliumsulfat, 0.2 Gew.-% Kalk, 0.1 Gew.-% Manganoxid, 1.5 Gew.-% eines Phthalsäureesters (welcher vorwiegend aus linearen C9-C11-Alkoholen mit einem mittleren Molekulargewicht von 450 g/mol und mit einer mittleren dynamischen Viskosität bei 20°C von 73 mPa*s aufgebaut ist) und Nitrocellulose mit einem Stickstoffgehalt von 13.20 Gew.-% (Ergänzung auf 100%) zu einem lösungsmittelfeuchten Knetteig verarbeitet werden und dieser durch eine Matrize gepresst (d.h. extrudiert) wird. Die extrudierten Pulverkörner haben 2.53 mm Aussendurchmesser, 3.08 mm Länge, 0.53 mm Wandstärke und 0.12 mm Lochdurchmesser. Das so hergestellte Grünpulver wird in eine auf 60°C vorgeheizte Poliertrommel aus Kupfer mit zirka 50 Liter Innenvolumen gegeben.

[0063] Anschliessend werden der Pulvermasse 7.5 g pulverförmiges Graphit (0.15 Gew.-%) zugegeben, gefolgt von einer Lösung von 200 g Campher in 225 ml Ethanol. Anschliessend lässt man bei einer Drehzahl von 24 Umdrehungen pro Minute während 2 Stunden einwirken, wobei das Lösungsmittel durch die geöffnete Frontöffnung allmählich abdampft. Danach wird das Pulver aus der Poliertrommel entnommen und während 24 Stunden bei 60°C getrocknet.

Das resultierende Schüttpulver hat folgende Eigenschaften:



[0064] Physikalische Eigenschaften: Schüttdichte = 1024 g/l, Wärmeinhalt = 3580 J/g.

[0065] Chemische Stabilität: Verpuffungstemperatur = 179 °C. Wärmeflusskalorimetrie (STANAG 4582) = 12 J/g resp. 14.4 µW (Anforderung nach STANAG 4582: maximale Wärmeentwicklung nach 5 J/g: <114 µW).

[0066] Fig. 1 zeigt, dass die Verwundbarkeit bei Bullet Impact zu einer Reaktion Typ V (Abbrand) führt.

[0067] Fig. 2 veranschaulicht das Ergebnis bei Beschuss durch heisse Fragmente. Fig. 3 zeigt das Ergebnis beim Beschuss mit einem Hohlladungsstrahl. Es ist festzustellen, dass in beiden Fällen eine Reaktion Typ V (Abbrand) vorliegt. Es verbleibt ein einziges Stück, aber das Pulver ist abgebrannt.

Innenballistische Eigenschaften:



[0068] System: 30 mm Vollkaliber-Munition mit Geschossmasse von 405 g, Hülse 30 mm x 173, 30 mm Bushmaster II Druckprüfgerät (MANN-Barrel), Geschwindigkeitsmessung optisch in 2 m und 5 m nach Laufmündung, Druckmessung Kistler 6215 piezoelektrisch.

[0069] Einbasiges Vergleichspulver: Länge = 2.17 mm, Durchmesser = 2.29 mm, Wandstärke = 0.5 mm, Lochdurchmesser = 0.11 mm, Energieinhalt = 3403 J/g, Schüttdichte = 1039 g/l.
Beschusstemperatur -54°C -32°C +21°C +52°C +71°C
           
Pulver aus Herstellungsbeispiel 1          
Ladungsmasse = 174 g          
Mündungsgeschwindigkeit [m/s] 1099 1112 1124 1118 1103
Spitzengasdruck [bar] 3641 3933 4189 3951 3589
           
Einbasiges Vergleichspulver          
Ladungsmasse = 174 g          
Mündungsgeschwindigkeit [m/s]     1091    
Spitzengasdruck [bar]     4329    


[0070] Aus der Tabelle ergibt sich, dass das erfindungsgemässe Treibladungspulver einen flachen Temperaturverlauf hat. Die Geschwindigkeitsvariation von 12 m/s im Bereich von -32°C bis +52°C ist gering. Im Vergleich zum Stand der Technik (einbasiges Vergleichspulver) ist die Mündungsgeschwindigkeit um 30 m/s höher. Zudem ist der Spitzengasdruck kleiner, was eine höhere Geschwindigkeit (ca. +50 m/s) bei optimaler Ausnützung des zugelassenen Gasdrucks erlaubt.

Beispiel 2:



[0071] Analog zum Beispiel 1 wird ein 7-Loch-Grünpulver mit 5.49 mm Aussendurchmesser, 13.60 mm Länge, 0.43 mm Lochdurchmesser und 1.05 mm Wandstärke, aufgebaut aus den festen Anteilen von 10 Gew.-% RDX, 2.0 Gew.-% Akardit-II, 2.0 Gew.-% Kaliumsulfat, 5.0 Gew.-% eines Phthalsäureesters (welcher aus vorwiegend linearen C9-C11-Alkoholen mit einem mittleren Molekulargewicht von 450 g/mol und mit einer mittleren dynamischen Viskosität (20°C) von 73 mPa*s aufgebaut ist) und Nitrocellulose mit einem Stickstoffgehalt von 12.6 Gew.-% (Ergänzung auf 100%) auf die genannte Weise durch Verpressen eines lösungsmittelfeuchten Knetteigs durch eine Matrize hergestellt. Das resultierende Pulver hat folgende Eigenschaften:

[0072] Physikalische Eigenschaften: Schüttdichte = 855 g/l, Wärmeinhalt = 3190 J/g.

[0073] Chemische Stabilität: Verpuffungstemperatur = 178 °C. Wärmeflusskalorimetrie (STANAG 4582) = 7.8 J/g resp. 8 µW (Anforderung nach STANAG 4582: maximale Wärmeentwicklung nach 5 J/g: <114 µW). Stabilitätstest 132°C TL: 2.75 ml NaOH.

[0074] Verwundbarkeit 1: Test: 35mm-Kombinationstest (nach Rheinmetall, Unterlüss, Deutschland). Einwirkung Hohlladungsstrahl: Reaktion Typ V (Abbrand), Einwirkung heisse Fragmente: Reaktion Typ V (Abbrand).

Beispiel 3:



[0075] Analog Herstellungsbeispiel 1 wird ein 7-Loch-Grünpulver mit 2.05 mm Aussendurchmesser, 2.30 mm Länge, 0.13 mm Lochdurchmesser und 0.41 mm Wandstärke, aufgebaut aus den festen Anteilen von 25 Gew.-% RDX, 1.5 Gew.-% Akardit-II, 0.4 Gew.-% Kaliumsulfat, 2.5 Gew.-% eines Phthalsäureesters (aufgebaut aus vorwiegend linearen C9-C11-Alkoholen mit einem mittleren Molekulargewicht von 450 g/mol und mit einer mittleren dynamischen Viskosität (20°C) von 73 mPa*s) und Nitrocellulose mit einem Stickstoffgehalt von 13.2 Gew.-% (Ergänzung auf 100%) durch Verpressen eines lösungsmittelfeuchten Knetteigs durch eine Matrize hergestellt. Analog zu Beispiel 1 werden 5 kg dieses Grünpulvers in der Poliertrommel bei 60°C mit 10 g Graphit (0.2 Gew.-%) und 125 g Campher (2.5 Gew.-%), gelöst in 180 ml Ethanol, behandelt. Das resultierende Pulver hat folgende Eigenschaften:

[0076] Physikalische Eigenschaften: Schüttdichte = 1042 g/l, Wärmeinhalt = 3808 J/g.

[0077] Chemische Stabilität: Verpuffungstemperatur = 178 °C. Stabilität 132°C TL: 5.52 ml NaOH.

[0078] Fig. 4 zeigt eine Munition nach dem Kugeleinschuss (engl. Bullet Impact) in einer 35 mm Stahlhülse; Es liegt eine Reaktion Typ V (Abbrand) vor.

[0079] Innenballistische Eigenschaften: Energieinhalt = 3824 J/g)

[0080] System: 25 mm APFSDS-T-Pfeilmunition mit Geschossmasse von 129g (M919), Hülse 25mm x 137, 25mm Bushmaster M242 Druckprüfgerät (MANN-Barrel), Geschwindigkeitsmessung optisch in 4.2m und 14.9m nach Laufmündung, Druckmessung Kistler 6215 piezoelektrisch. Ladungsmasse = 100.0 g.

[0081] Zu Vergleichszwecken wurde das in der M919-Munition seriemässig eingesetzte Treibladungspulver (Energieinhalt 3956 J/g) mit einer Ladungsmasse von 101.0 g mitgeschossen.
Pulver aus Beispiel 4, Ladung 100 g 21 °C 50°C 71 °C -54°C
         
Mündungsgeschwindigkeit [m/s] 1430 1439 1445 1403
Spitzengasdruck [bar] 4135 4333 4409 3896
Aktionszeit [ms] 2.88 2.78 2.79 3.19
Thermischer Wirkungsgrad [%] 34.5 35.4 35.7 33.2
         
Vergleichspulver, Ladung 101 g 21 °C 50°C 71 °C -54°C
         
Mündungsgeschwindigkeit [m/s] 1425 - 1430 1361
Spitzengasdruck [bar] 4150 - 4404 3436
Aktionszeit [ms] 3.12 - 2.87 3.62
Thermischer Wirkungsgrad [%] 32.7 - 33.0 29.9


[0082] Man erkennt, dass die Mündungsgeschwindigkeit trotz tieferem Energieinhalt und geringerer Ladungsmasse bei 21°C um 5 m/s höher liegt als beim eingeführten Referenzpulver. Im Kaltbereich ist der Abfall von V0 und Pmax deutlich geringer, d.h. die Temperaturcharakteristik ist vorteilhaft. Zudem sind die Aktionszeiten und die thermischen Wirkungsgrade (Energieumsetzung) über den gesamten Temperaturbereich deutlich besser, was in der Praxis zu massiven Vorteilen führt (rückstandsfreie Verbrennung, besseres Trefferbild).

[0083] Die Aktionszeit ist kürzer, d.h. der Abbrand verläuft schneller. Die Geschwindigkeit liegt bei 1430 m/s statt nur bei 1425 m/s. Hervorzuheben ist insbesondere die bessere Energienutzung z.B. 34,5% gegenüber 32,7%.

[0084] Der Test zeigt, dass man trotz 130 J/g geringerem Energieinhalt gegenüber dem Vergleichsbeispiel nach Stand der Technik eine herausragende Leistung bei niedrigerem Gasdruck erhält.

Beispiel 4



[0085] Analog zu Beispiel 1 wird ein 7-Loch-Grünpulver mit 2.32 mm Aussendurchmesser, 2.62 mm Länge, 0.14 mm Lochdurchmesser und 0.47 mm Wandstärke, aufgebaut aus den festen Anteilen von 25 Gew.-% RDX, 1.5 Gew.-% Akardit-II, 0.4 Gew.-% Kaliumsulfat, 2.0 Gew.-% eines Phthalsäureesters (aufgebaut aus vorwiegend linearen C9-C11-Alkoholen mit einem mittleren Molekulargewicht von 450 g/mol und mit einer mittleren dynamischen Viskosität (20°C) von 73 mPa*s) und Nitrocellulose mit einem Stickstoffgehalt von 13.2 Gew.-% (Ergänzung auf 100%) durch Verpressen eines lösungsmittelfeuchten Knetteigs durch eine Matrize hergestellt. Analog zu Beispiel 1 werden 5 kg dieses Grünpulvers in der Poliertrommel bei 60°C mit 12.5 g Graphit (0.25 Gew.-%) und 100 g Campher (2.0 Gew.-%), gelöst in 170 ml Ethanol, behandelt. Das resultierende Pulver hat folgende Eigenschaften:

[0086] Physikalische Eigenschaften: Schüttdichte = 1051 g/l, Wärmeinhalt = 3900 J/g.

[0087] Innenballistische Eigenschaften in 25 mm-Vollkalibermunition mit einer Geschossmasse von 205 g, Hülse 25mm x 137, 25mm Bushmaster M242 Druckprüfgerät (MANN-Barrel), Geschwindigkeitsmessung optisch in 12.5m und 17.2m nach Laufmündung, Druckmessung Kistler 6215 piezoelektrisch. Die Ladungsmasse betrug 92.0 g, was einem Füllgrad von 0.939 entspricht.

+21 °C: v0 = 1151 m/s bei 4095bar. Aktionszeit t4 = 3.55ms.

+50°C: v0= 1154m/s bei 4136bar. Aktionszeit t4 = 3.50ms.

+71 °C: v0 = 1158m/s bei 4275bar. Aktionszeit t4 = 3.43ms.

-54°C: v0 = 1150m/s bei 4084bar. Aktionszeit t4 = 3.56ms.



[0088] Die Mündungsgeschwindigkeit liegt bei +21°C um zirka 70 m/s höher als mit einem normalen einbasigen TLP. Zudem ist die Temperaturcharakteristik über den sehr breiten Temperaturbereich von -54°C bis +71°C extrem flach. Die t4-Aktionszeiten sind über den gesamten Temperaturbereich sehr kurz und dienen als Beweis für die überraschend rasche thermische Umsetzung des neuen Pulvertyps. Bei +21°C beträgt der thermische Wirkungsgrad 40%, d.h. die innere Energie des neuen Pulvertyps wird sehr gut umgesetzt.

Beispiel 5:



[0089] Analog zu Beispiel 1 wird ein 7-Loch-Grünpulver mit 5.56 mm Aussendurchmesser, 13.59 mm Länge, 0.48 mm Lochdurchmesser und 1.03 mm Wandstärke, aufgebaut aus den festen Anteilen von 15 Gew.-% RDX, 2.0 Gew.-% Akardit-II, 2.0 Gew.-% Kaliumsulfat, 2.5 Gew.-% eines Phthalsäureesters (aufgebaut aus vorwiegend linearen C9-C11-Alkoholen mit einem mittleren Molekulargewicht von 450 g/mol und mit einer mittleren dynamischen Viskosität (20°C) von 73 mPa*s) und Nitrocellulose mit einem Stickstoffgehalt von 12.6 Gew.-% (Ergänzung auf 100%) auf in der Pulvertechnik bekannte Weise durch Verpressen eines lösungsmittelfeuchten Knetteigs durch eine Matrize hergestellt. Analog Beispiel 1 werden 5 kg dieses Grünpulvers in der Poliertrommel bei 60°C mit 10 g Graphit (0.2 Gew.-%) und 150 g Campher (3.0 Gew.-%), gelöst in 200 mi Ethanoi, behandelt. Das resultierende Pulver hat folgende Eigenschaften:

Physikalische Eigenschaften: Schüttdichte = 916 g/l, Wärmeinhalt = 3255 J/g.

Chemische Stabilität: Verpuffungstemperatur = 179 °C. Wärmeflusskalorimetrie (STANAG 4582) = 12.1 J/g resp. 14 µW (Anforderung nach STANAG 4582: maximale Wärmeentwicklung nach 5 J/g: <114 µW).

Verwundbarkeit 1: Test: 35mm-Kombinationstest (nach Rheinmetall, Unterlüss, Deutschland). Einwirkung Hohlladungsstrahl: Reaktion Typ A (V, Abbrand), Einwirkung heisse Fragmente: Reaktion Typ A (V, Abbrand)).

Verwundbarkeit 2: Test: Bullet Impact Test in UN-Stahlrohr: Reaktion Typ V (Abbrand)



[0090] Zusammenfassend ist festzustellen, dass die erfindungsgemässen nitrocellulosehaltigen Treibladungspulver, welche einen kristallinen Energieträger auf Nitramin-Basis und einen inerten plastifizierenden Zusatzstoff enthalten, in den Kaliberbereichen von 5.56 mm (Kleinkaliber) bis gegen 155 mm (Mittel- bis Grosskaliber, Mörser) auf breiter Front zur Beschleunigung des jeweiligen Geschosses eingesetzt werden können. Die neuartigen Antriebe haben eine hohe ballistische Leistungsfähigkeit und können damit in Hochleistungsanwendungen wie KE-Munition (Pfeilmunition) oder auch in Vollkaliber-Applikationen (Airburst, Munition in Panzer, Artillerie und Flugzeugen) ohne Abstriche verwendet werden.

[0091] Die Verwendung von Nitrocellulose als Hauptbestandteil der Kornmatrix (= Binder) bietet Vorteile, weil die Ausgangsstoffe frei verfügbar, erneuerbar und kostengünstig sind, weil die Herstellung der Treibladungspulver mit bekannten Prozessen in bestehenden Serieanlagen produziert werden können, sowie bessere Reproduzierbarkeit (hohe Gleichmässigkeit) der Produkteeigenschaften mit sich bringen.

[0092] Die Verwendung von relativ hohen Mengen an Nitrocellulose in der Matrix wirkt sich positiv auf die mechanischen Eigenschaften aus, insbesondere im Kaltbereich bei Temperaturen von < 0°. Die mechanischen Eigenschaften von kunststoffgebundenen LOVA-TLP mit hohen Füllgraden an kristallinem Energieträger sind weniger gut, d.h. derartige TLP sind relativ spröde oder werden mit zunehmender Alterung spröde. Bei mechanischer Einwirkung, wie sie während der Schussabgabe oder durch feindlichen Beschuss der Munition auftritt, können sich derartige Pulverkörner zerlegen, was zu gefährlichen Druckanstiegen resp. zu detonativen Umsetzungen führt. Die neuen zu schützenden IM-TLP weisen hiermit Vorteile bezüglich Kältversprödung auf. Gefährliche Druckanstiege beim Verschiessen der Munition und detonative Umsetzungen der Munition bei feindlichem Beschuss der Munition durch heisse Fragmente, Kugeln oder Hohlladungsstrahlen werden damit wirkungsvoll unterbunden.

[0093] Die neuen IM-Antriebe weisen im Vergleich zu konventionellen einbasigen und nitroglyzerinhaltigen zwei- und dreibasigen TLP eine bessere chemische Stabilität auf, was sich in Verbesserungen bezüglich Cook-off-Festigkeit (Lagerfähigkeit bei hohen Temperaturen) niederschlägt. Dies ist für Anwendungen in Flugzeugmunition mit hohen thermischen Belastungsspitzen oder beim Einsatz der Munition in warmen Klimazonen von grossem Vorteil.

[0094] Die neuen IM-Antriebe zeichnen sich dadurch aus, dass deren Inhalt an chemischer Energie (Wärmeinhalt) in hohen Umsetzungsraten in kinetische Mündungsenergie des angetriebenen Geschosses umgesetzt werden kann. In unterkalibrigen Munitionstypen liegen die Wirkungsgrade unter Einhaltung der waffenseitigen Systemanforderungen bei bis zu 36%, und zwar auf einem hohen Geschwindigkeitsniveau, wie es bisher nur von TLP, wie sie z.B. aus der EP 1'164'116 B1 ("EI®-TLP") bekannt sind, erreicht wurde (d.h. ca. 50 m/s mehr als bei konventionellen einbasigen TLP). In Vollkaliber-Anwendungen werden Wirkungsgrade von bis zu 44% unter Einhaltung der waffenseitigen Systemanforderungen erreicht (zum Vergleich: 39% mit EI®-TLP).

[0095] Die neuen IM-Antriebe zeichnen sich generell durch eine sehr neutrale Temperaturcharakteristik aus, welcher sich über den schichtartigen Aufbau gezielt und steuerbar einsetzen lässt. Dies bedeutet, dass die Werte von Spitzengasdruck und Mündungsgeschwindigkeit bei Warm- und Kalttemperaturen im Vergleich zu den bei 21°C erschossenen Werten nur relativ geringfügig abweichen. Dies bewirkt, dass die Munition unabhängig von der Umgebungstemperatur über den gesamten Temperaturbereich mit praktisch denseiben innenballistischen Leistungsdaten verschossen werden kann. Dieses bereits von EI®-TLP bekannte Verhalten bringt Vorteile im Bezug auf Ersttrefferwahrscheinlichkeit, Ausnützung der systembedingten Leistungsreserven und konstruktiver Einfachheit.


Ansprüche

1. Antrieb zur Beschleunigung von Geschossen, welches auf Nitrocellulose basiert, dadurch gekennzeichnet, dass es einen kristallinen Energieträger auf Nitramin-Basis und einen inerten plastifizierenden Zusatzstoff enhält.
 
2. Antrieb nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass es aus Körnern besteht, die eine kreiszylindrische Geometrie und in axialer Richtung verlaufende Längskanäle haben.
 
3. Antrieb nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der kristalline Energieträger auf Nitramin-Basis eine Nitraminverbindung der allgemeinen chemischen Strukturformel R-N-NO2 enthält, wobei R ein Rest ist.
 
4. Antrieb nach einem Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Nitraminverbindung in einer Konzentration im Bereich von 1 - 35 Gew.-%, insbesondere im Bereich von 5 - 25 Gew.-% vorhanden ist.
 
5. Antrieb nach einem der Ansprüche 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Nitraminverbindung RDX ist.
 
6. Antrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der inerte plastifizierende Zusatzstoff in einer Matrix des Antriebs im Wesentlichen homogen verteilt vorhanden ist.
 
7. Antrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass der inerte plastifizierende Zusatzstoff eine Konzentration im Bereich von 0.5 - 20 Gew.-%. insbesondere im Bereich von 1 - 5 Gew.-% hat.
 
8. Antrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass der inerte plastifizierende Zusatzstoff eine im Wesentlichen wasserunlösliche organische Polyoxoverbindung, insbesondere eine Polyester- oder Polyetherverbindung mit einem Molekulargewicht von 50 - 20'000 g/mol ist.
 
9. Antrieb nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass der inerte plastifizierende Zusatzstoff einen wasserunlöslichen Citratester, einen Adipinsäureester, einen Sebacinsäureester oder einen Phtalsäureester und/oder hydrierte Cyclohexylderivate hiervon mit einem Molekulargewicht von 100 - 20'000 g/mol enthält.
 
10. Antrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass es in oberflächennahen Zonen eine erhöhte Konzentration an inertem plastifizierendem Zusatzstoff enthält und dass in den genannten oberflächennahen Zonen der inerte plastifizierende Zusatzstoff eine carboxylgruppenhaltige organische Verbindung mit einem Molekulargewicht von 100 - 5000 g/l ist und eine Konzentration von nicht mehr als 10 Gew.-%, insbesondere von weniger als 6 Gew.-% hat.
 
11. Antrieb nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass der inerte plastifizierende Zusatzstoff im Wesentlichen Campher ist.
 
12. Antrieb nach einem der Ansprüche 10 oder 11, dadurch gekennzeichnet, dass die erhöhte Konzentration des inerten plastifizierenden Zusatzstoffes in den oberflächennahen Zonen auf eine Eindringtiefe von maximal 400 Mikrometer begrenzt ist.
 
13. Antrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass es aus Körnern einer maximalen geometrischen Ausdehnung von 20 mm besteht.
 
14. Verfahren zur Herstellung eines Antriebs, welcher auf Nitrocellulose basiert, dadurch gekennzeichnet, dass ein lösungsmittelhaltiger Pulverteig auf der Basis von Nitrocellulose und einem kristallinen Energieträger auf Nitramin-Basis und einen inerten plastifizierenden Zusatzstoff hergestellt wird und dass durch Extrudieren des lösungsmittelhaltigen Pulverteigs ein Grünkorn hergestellt wird.
 
15. Verfahren nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass der Pulverteig mindestens 60 Gew.-% Nitrocellulose enthält, wobei der Stickstoffgehalt der Nitrocellulose zwischen 11 - 13.5 Gew.-% liegt.
 




Zeichnung







Recherchenbericht













Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente




In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur