[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Gegenständen aus Magnesium,
insbesondere aus Magnesium-Knetlegierungen.
[0002] Weiters bezieht sich die Erfindung auf ein Werkzeug zum Fließpressen und auf Gegenstände
aus vorgenannten Legierungen.
[0003] Das Umformvermögen eines Werkstoffes wird allgemein von vielen Faktoren beeinflusst:
den Werkstoffeigenschaften (Kristallgitter, chemische Zusammensetzung, Gefügezustand,
Anisotropie), den thermodynamischen Bedingungen (thermisch aktivierte Prozesse, Umformgeschwindigkeit),
dem Umformverhalten (Reibung, Geometrie der Umformzone, Werkzeuggeometrie, Umformgeschichte)
und dem Spannungszustand bei der Umformung.
[0004] Magnesiumlegierungen sind aufgrund ihrer hexagonalen Gitterstruktur bei Raumtemperatur
nur sehr bedingt umformbar. Metallen mit hexagonaler Gitterstruktur steht bei Raumtemperatur
nur ein Gleitsystem (Gleiten in der Basisebene), sowie Zwillingsbildung für eine plastische
Verformung zur Verfügung, im Gegensatz zu Metallen mit kubisch-flächenzentrierter
Gitterstruktur mit 5 unabhängigen Gleitsystemen. Erst bei einer Temperatur über 225°C
werden weitere pyramidale Gleitebenen aktiviert.
[0005] H.-W. Wagener ["Deep drawing and impact extrusion of magnesium alloys at room temperature",
Advanced Engineering Materials 2003, 5, No. 4 und "
Fließpressen von Magnesium-Knet- und Gusslegierungen", Blech, Rohre, Profile, UTF
Science I/2002] versuchte bei Fließpressexperimenten mit Magnesiumlegierungen das geringe Umformvermögen
durch Vergrößerung des hydrostatischen Druckanteiles zu kompensieren. Die Druckspannungsüberlagerung
wird durch die Verwendung eines geschlossenen Werkzeuges mit nicht hinterdrehten Matrizen
bzw. nicht hinterdrehten Stempeln (Vorwärts-Fließpressen) erreicht. Während der Umformung
wirken entgegen der Fließpressrichtung ein oder zwei kraftbeaufschlagte Stempel. Versuche
bei Raumtemperatur mit ZK60A mittels Voll-Vorwärts-Fließpressens mit Gegendruck liefern
kein befriedigendes Ergebnis. Aber eine Erhöhung der Probentemperatur auf 250°C -
400°C führt auch bei nicht erwärmten Werkzeugen zu fehlerfreien Werkstücken. Aufgrund
der begrenzten Duktilität der untersuchten Legierungen (AE42HP, AM20HP, AM70HP, AZ91
HP, AZ31 B, AZ80, ZK60A) ist ein rissfreies Vorwärts-Fließpressen mit Gegendruck nur
bedingt möglich. Durch das Voll-Vorwärts-Fließpressen mit Gegendruck können einwandfreie
Werkstücke nur mit erhöhtem Gegendruck oder bei höheren Umformtemperaturen erzielt
werden.
[0006] Die Erfindung setzt sich zum Ziel, ein Verfahren anzugeben, mittels welchem Gegenstände
aus Magnesium, insbesondere Magnesium-Knetlegierungen fehlerfrei bei niedrigen Temperaturen
fließgepresst werden können.
[0007] Eine weitere Aufgabe der Erfindung ist die Schaffung eines verbesserten Werkzeuges
zur Herstellung von Gegenständen aus Magnesium, insbesondere Magnesium-Knetlegierungen.
[0008] Das Ziel wird bei einem Verfahren der eingangs genannten Art erreicht, indem in einem
ersten Schritt aus einem Gussbolzen durch Umformprozesse, wie Strangpressen, mit einem
Verformungsgrad von größer 1:20 ein Halbzeug hergestellt wird, aus welchem in einem
zweiten Schritt Fließpressbutzen gefertigt werden und diese in einem dritten Schritt
bei einer Temperatur von unter 200°C zu Gegenständen fließgepresst werden.
[0009] Für den Fachmann überraschend hat sich gezeigt, dass Magnesium oder eine Magnesium-Knetlegierung,
wenn dieses (diese) im ersten Schritt einer Verformung, insbesondere einer Warmumformung,
mit einem Verformungsgrad von größer 1:20 unterworfen wird, in der Folge ein Fließpressen
mit einer Temperatur von unter 200°C, also im Bereich einer hexagonalen Atomstruktur
ermöglicht ist. Die durch die Erfindung erreichten Vorteile sind eine wesentlich einfachere
und wirtschaftliche Fertigung der Gegenstände, sowie eine verbesserte Güte der Teile.
[0010] Wenn, wie in günstiger Weise vorgesehen sein kann, im zweiten Schritt des erfindungsgemäßen
Verfahrens die Fließpressbutzen quer zur Umformrichtung des Halbzeuges entnommen werden,
so ergibt sich daraus ein verbesserter Materialfluss beim Fließpressen.
[0011] Dieser vorgenannte Effekt kann weiter verstärkt werden, wenn im dritten Schritt des
Verfahrens die Butzen senkrecht zur Verformungsrichtung des Halbzeuges fließgepresst
werden.
[0012] Als besonders vorteilhaft wurde erkannt, wenn im ersten Schritt des erfindungsgemäßen
Verfahrens eine Mikrostruktur des Werkstoffgefüges quer zur Umformrichtung mit einer
Korngröße von weniger als 20µm eingestellt wird. Ein Fachmann kann mittels seines
Wissens einen entsprechenden Umformgrad des Gussbolzens und/oder durch eine Wärmebehandlung
die erfindungsgemäße Werkstoffstruktur vorsehen.
[0013] Wenn gemäß einer Variante der Erfindung durch Zusatz von mindestens einem Element
aus der Gruppe Zink (Zn), Mangan (Mn), Calcium (Ca), Silicium (Si), Antimon (Sb),
Silber (Ag) zum Magnesium bei der Herstellung des Gussbolzens eine Magnesiumlegierung
erstellt und/oder durch Zusatz von Zirconium (Zr) bis zu 2.0 Gew.-% eine Kornfeinung
der Mikrostruktur des Werkstoffes vorgenommen wird, können besonders günstige Eigenschaften
und/oder eine wirksame Feinkornstruktur des Werkstoffes erreicht werden, was sich
höchst vorteilhaft auf die Fließpressbedingungen beim dritten Schritt des Verfahrens
auswirken und die Güte auch kompliziert geformter und dünnwandiger Gegenstände verbessern
kann.
[0014] Verfahrenstechnisch, aber auch wirtschaftlich hat es sich als besonders günstig erwiesen,
wenn im dritten Schritt die Butzen schmiermittelfrei fließgepresst werden. Diese Erkenntnis
war besonders überraschend für einen Fachmann auf dem Gebiete des Fließpressens von
Leichtmetallen.
[0015] Wenn nach der Erfindung die geometrische Form der Fließpressbutzen insbesondere im
Kantenbereich der Form der Werkzeuge angepasst wird, können die Bedingungen für ein
Fließen des Werkstoffs und insbesondere die Randbereiche der Gegenstände in ihrer
Güte verbessert werden.
[0016] Produktionstechnische Vorteile, aber auch hohe Wirtschaftlichkeit sind gegeben, wenn
gemäß der Erfindung die Butzen mit Raumtemperatur (RT) in das Werkzeug eingebracht
und fließgepresst werden.
[0017] Für besondere Formate der herzustellenden Gegenstände und gegebenenfalls für eine
Erhöhung der Zähigkeit der Werkzeuge kann auch vorgesehen sein, dass im dritten Schritt
ein Fließpressen des Butzens mit Werkzeugen erfolgt, die eine erhöhte Temperatur,
jedoch von höchstens 200°C, aufweisen.
[0018] Die weitere Aufgabe der Erfindung, ein verbessertes Werkzeug für ein Fließpressen
zur Herstellung von Gegenständen aus Magnesium, insbesondere Magnesium-Knetlegierungen,
bestehend im Wesentlichen aus einer Matrize und einem zu dieser relativ bewegbaren
Pressstempel, wird dadurch gelöst, dass der Seitenspalt zwischen Matrize und Stempel
gegen die Pressrichtung vergrößert ist. Durch diese Werkzeuggeometrie kann das Fließen
des Werkstoffes im Spalt vorteilhaft verbessert werden.
[0019] Ein Gegenstand aus Magnesium oder einer Magnesium-Knetlegierung, hergestellt durch
Fließpressen nach dem erfindungsgemäßen Verfahren, aus einem Pressbutzen mit hexagonaler
Gitterstruktur des Werkstoffes bzw. mit einer Temperatur von unter 200°C und einem
Wandstärkenbereich von 0.1 - 13.6mm, vorzugsweise von 0.5mm und geringer, insbesondere
hergestellt mittels eines Werkzeuges mit obiger Geometrie, weist eine verbesserte
Güte bei geringen Fertigungskosten auf.
[0020] Anhand von Beispielen aus den Entwicklungen soll die Erfindung näher erläutert werden.
[0021] Das verwendete Probematerial wies die nachfolgend angeführte, chemische Zusammensetzung
auf:
Werkstoff |
Zn |
Mn |
Zr |
Mg und Verunreinigungen |
ZK31 |
3.0 |
|
1.0 |
Rest |
ZM21 |
2.0 |
1.0 |
|
Rest |
[0022] Stranggussbolzen aus ZM21 (Korngröße ca. 1
- 2mm) und aus ZK31 (Korngröße ca. 80µm) wurden mit unterschiedlichem Pressverhältnis
(1:5, 1:9, 1:14, 1:20, 1:26) stranggepresst.
[0023] Die metallographische Untersuchung des stranggepressten Vormaterials ergab, dass
die Pressverhältnisse 1:5 und 1:9 zu gering sind, um eine vollständige Durchknetung
zu erreichen.
[0024] Strangpressen mit einem Pressverhältnis von 1:20, insbesondere von 1:26 führt hingegen
zu einer deutlichen Reduzierung der Korngröße. Die Gefügeausbildungen des Gusszustandes
und des stranggepressten Materials (Pressverhältnis PV = 1:26) sind in den Fig. 1a
- 1 d dargestellt. Die Fig. 1 a zeigt ein Schliffbild einer Guss-Probe der Legierung
ZM21 mit einem dendritischen Gefüge mit Korngrößen von 1 - 2mm. Durch Strangpressen
mit einer Pressrate von 1:26 wird eine Reduktion der Korngrößen auf < 200µm erzielt
(Fig. 1 b). Die Fig. 1 c veranschaulicht das Schliffbild einer Gussprobe der Legierung
ZK31, die im Ausgangszustand eine mittlere Korngröße von 80µm aufweist. Durch Strangpressen
mit einer Pressrate von 1:26 wurde die Korngröße auf < 30µm reduziert. (Fig. 1d).
[0025] ZM21 und ZK31 Strangpressprofile mit einem Pressverhältnis von 1:9 und 1:14 wurden
gewalzt bzw. geschmiedet und wärmebehandelt.
[0026] Aus Gussblöcken mit einem Durchmesser von 109mm wurde Vormaterial der Legierungen
ZM21 und ZK312 mit einem Pressverhältnis von 1:9 stranggepresst und in der Folge zu
Platten mit einer Dicke von 22mm gewalzt. Die Walzplatten wurden anschließend bei
350°C eine Stunde wärmebehandelt. Die Butzen für die Fließpressversuche wurden den
Walzplatten senkrecht zur Walzrichtung entnommen.
[0027] Mit einem Pressverhältnis von 1:9 und 1:14 stranggepresste Profile aus ZM21 und ZK31
wurden durch Schmieden weiter umgeformt. Die ZM21 Profile wurden vor dem Schmieden
auf 390°C und die ZK31 Profile auf 450°C aufgewärmt. Die Korngrößenverteilung der
geschmiedeten ZM21 Profile war wegen des geringen Pressverhältnisses inhomogen.
[0028] Bei ZK31 mit einem Pressverhältnis von 1:14 ist die Korngrößenverteilung nach dem
Schmieden signifikant homogener als beim ZM21. Die geschmiedeten Profile wurden anschließend
bei 375°C eine Stunde wärmebehandelt. Die Butzen für die Fließpressrichtung wurden
den Schmiedeproben senkrecht zur Schmiederichtung entnommen.
[0029] Vorerst erfolgte mit einer hydraulischen 100t Presse sowie einer 600t Kniehelbelpresse
im Temperaturbereich 300°C - 120°C aus dem ZM21- und ZK31-Vormaterial ein Fließpressen
von becherartigen Teilen mit einer Wandstärke von 3.6mm und einer Schenkellänge von
20mm. Bis zu einer Temperatur von 150°C konnten durchwegs Gutteile hergestellt werden.
Fließpressversuche bei 100 °C waren in dieser Versuchsreihe bei keiner Legierung erfolgreich.
[0030] Die metallographische Untersuchung der Fließpressteile ergab, dass im kritischen
Umformungsbereich am Becherboden bei höheren Temperaturen (T > 150°C) und hohem Pressverhältnis
der Fließlinienverlauf nahezu parallel zur Fließpressrichtung verläuft. Bei Fließpressversuchen
bei niedrigen Temperaturen bzw. geringerem Pressverhältnis des Vormaterials kommt
es in dieser Zone zu einer Verwerfung und infolgedessen auch zur Rissbildung.
[0031] Durch eine Verbesserung der Gefügestruktur erbrachten die Fließpressversuche mit
einer Wandstärke von 1.5mm und 90mm Schenkellänge bei Verwendung der Legierung ZK31
mit einen Werkzeug gemäß Fig. 2 durchwegs einwandfreie Teile. Bei der Legierung ZM21
traten am Becherrand vereinzelt kleine Risse auf.
[0032] Um eine weitere Verbesserung der Umformbarkeit zu erzielen, wurden, aufbauend auf
den Erkenntnissen der ersten Versuche, die Geometrien der Fließpresswerkzeuge modifiziert.
Die Fig. 3 zeigt ein solches, für das Fließpressen von Magnesium optimiertes Werkzeug
mit einer Hinterdrehung im Bereich B.
[0033] Die nächsten Versuche wurden mit diesem optimierten Werkzeug durchgeführt, wobei
Muster mit Wandstärken von 1.5mm, 0.7mm, 0.5mm, 0.35mm sowie 0.25mm gepresst wurden.
[0034] Das Werkzeug wurde durch spezielle Heizelemente in der Matrize, als auch im Stempel
auf eine Temperatur von unter 200°C aufgeheizt. Bei diesen Versuchen wurde auch das
Vormaterial (Magnesium) auf eine Temperatur von unter 200°C vorgewärmt.
[0035] Da der Prozess des stabilen Butzenvorwärmens mit ca. 200°C in der Serienproduktion
eine technische Herausforderung darstellt und zusätzliche, beträchtliche Produktionskosten
verursacht, war es auch ein Ziel der vorliegenden Erfindung, Magnesium wie Aluminium
bei Raumtemperatur umzuformen. Hierzu wurde bei den Versuchen mit 0.5mm Wandstärke
die Butzenvorwärmtemperatur kontinuierlich gesenkt, bis es gelungen ist die Legierung
ZK31 auch bei Raumtemperatur mit vorgeheizten Werkzeugen zu verpressen.
[0036] In der letzten Versuchsreihe erfolgte bei Einzelteilen die Herstellung von Bechern
mit einer Wandstärke von 0.35mm in einer fehlerfreien Umformung bei Raumtemperatur.
1. Verfahren zur Herstellung von Gegenständen aus Magnesium, insbesondere Magnesium-Knetlegierungen,
durch Fließpressen, wobei in einem ersten Schritt aus einem Gussbolzen durch Umformprozesse
wie Strangpressen mit einem Verformungsgrad von größer als 1:20 ein Halbzeug hergestellt
wird, aus welchem in einem zweiten Schritt Fließpressbutzen gefertigt werden, und
diese in einem dritten Schritt bei einer Temperatur von unter 200°C zu Gegenständen
fließgepresst werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei im zweiten Schritt die Fließpressbutzen quer zur
Umformrichtung des Halbzeuges entnommen werden.
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, wobei im dritten Schritt die Butzen senkrecht
zur Verformungsrichtung vom Halbzeug fließgepresst werden.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei im ersten Schritt eine Mikrostruktur
des Werkstoffes quer zur Umformrichtung mit einer Korngröße von weniger als 20µm eingestellt
wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei durch Zusatz von mindestens einem
Element aus der Gruppe Zink (Zn), Mangan (Mn), Calcium (Ca), Silizium (Si), Antimon
(Sb), Silber (Ag) zum Magnesium bei der Herstellung des Gussbolzens eine Magnesiumlegierung
erstellt und/oder durch Zusatz von Zirconium (Zr) bis 2.0 Gew.-% eine Kornfeinung
der Mikrostruktur des Werkstoffes vorgenommen wird.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, wobei im dritten Schritt die Butzen schmiermittelfrei
fließgepresst werden.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, wobei die geometrische Form der Fließpressbutzen,
insbesondere im Kantenbereich der Form der Werkzeuge angepasst wird.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, wobei die Butzen mit Raumtemperatur (RT)
in das Werkzeug eingebracht und fließgepresst werden.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, wobei im dritten Schritt ein Fließpressen
des Butzens mit Werkzeugen erfolgt, die eine erhöhte Temperatur, jedoch von höchstens
200°C, aufweisen.
10. Werkzeug für ein Fließpressen zur Herstellung von Gegenständen aus Magnesium, insbesondere
Magnesium-Knetlegierungen, bestehend im Wesentlichen aus einer Matrize und einem zu
dieser relativ bewegbaren Pressstempel.
11. Gegenstand aus einer Magnesium-Knetlegierung, hergestellt nach dem Fließpressverfahren
gemäß den Ansprüchen 1 bis 9 aus Pressbutzen mit hexagonaler Gitterstruktur des Werkstoffes
bzw. mit einer Temperatur von unter 200°C und einem Wandstärkenbereich von 0.1 - 13.6mm,
vorzugsweise von 0,5mm und geringer, insbesondere mittels eines Werkzeuges nach Anspruch
10.