[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum elektrochemischen Polieren von
Oberflächen aus Titan oder Titan-haltigen Legierungen. Dieses Verfahren eignet sich
besonders für Legierungen, die einen Gehalt an Titan von mindestens etwa 50 Mol-%
aufweisen, beispielsweise die Nickel-Titan-Legierung Nitinol. Hierfür wird ein Elektrolyt
verwendet, der Methansulfonsäure sowie eine oder mehrere, gegebenenfalls substituierte
Alkandiphosphonsäuren umfasst. Die vorliegende Erfindung betrifft ebenfalls die Verwendung
eines solchen Elektrolyten zum Elektropolieren von Oberflächen aus Titan und/oder
Titan-haltigen Legierungen, wie etwa Nitinol.
Hintergrund der Erfindung
[0002] Das elektrochemische Polieren oder Elektropolieren, wie auch das Glänzen und Entgraten
von Metalloberflächen, ist ein häufig in der Technik angewendetes Verfahren, um die
Oberflächen von Werkstücken und Gegenständen aus Metall zu behandeln. Eine solche
Behandlung dient der Verbesserung der Oberflächenqualität, etwa durch die Entfernung
von Graten an Kanten und Flächen, durch Glätten, Reinigen und Glänzen, sowohl für
dekorative als auch für technische Zwecke. Weiterhin können durch das Elektropolieren
Spannungen in den äußeren Werkstoffschichten abgetragen werden.
[0003] Die zu bearbeitenden Werkstücke werden dabei an geeigneten, elektrisch leitenden
Haltevorrichtungen angeordnet, oder auch in Körben oder Trommeln aus elektrisch leitendem
Material. Diese mit den Werkstücken versehenen Vorrichtungen werden in ein Polierbad
getaucht, das einen Elektrolyten enthält, und anodisch geschaltet, wobei ein Gleichstrom
angelegt wird. Durch die Einwirkung des Stroms und des Elektrolyten wird Metall von
der Werkstoffoberfläche abgetragen, wodurch die Oberfläche geglättet und entgratet
wird. Anschließend wird das Werkstück wieder aus dem Polierbad genommen und abgespült.
[0004] Im bisherigen Stand der Technik werden zur Behandlung von Titan und Titanlegierungen
folgende Gemische eingesetzt:
- 1. Perchlorsäure und Essigsäureanhydrid;
- 2. Flusssäure, Schwefelsäure und Essigsäure;
- 3. Flusssäure, Schwefelsäure und Essigsäureanhydrid;
- 4. Schwefelsäure, Flusssäure, Phosphorsäure und Ethylenglykol;
- 5. Schwefelsäure, Ammoniumdifluorid und Hydroxycarbonsäuren.
Beispiele hierfür sind etwa in
WO 01/00906 A1 und
DE 103 20 909 A1 beschrieben.
[0005] All diese Elektrolyte sind zwar in der Lage, befriedigende Elektropolierergebnisse
auf Oberflächen aus reinem Titan und einer Auswahl von Titanlegierungen zu erzielen,
sie sind jedoch nur teilweise in der Lage, Nitinol, eine Nickel-Titan-Legierung, die
aus etwa 50 Mol-% Ni und etwa 50 Mol-% Ti besteht und häufig auch als "Memory-Legierung"
bezeichnet wird, in befriedigender Qualität zu elektropolieren.
[0006] Außerdem haftet all diesen Elektrolyten der Nachteil an, dass ihr Einsatz mit erheblichen
technischen und gesundheitlichen Risiken verbunden ist. So besteht etwa bei der Elektrolytmischung
gemäß Nr. 1 bei unsachgemäßer Handhabung Explosionsgefahr, während die übrigen Elektrolyte
insbesondere durch ihren Gehalt an Fluoriden stark gesundheitsgefährdend sind.
[0007] Die Verwendung dieser Elektrolyte und Verfahren, in denen diese Elektrolyte eingesetzt
werden, im industriellen Rahmen erfordert aufwendige und teure Einrichtungen und Vorkehrungen
zur Einhaltung von Verfahrensparametern, sowie zum Arbeits- und Umweltschutz. Meist
erfordert die Durchführung dieser Elektropolierverfahren zudem ein aufwendiges Kühlsystem,
damit die meist sehr niedrigen Arbeitstemperaturen eingehalten werden können und,
bei Verwendung von Fluorid-haltigen Elektrolyten, eine Kapselung der Elektropolieranlagen,
sowie eine Abluftreinigung.
[0008] In
EP 1 354 986 A2 ist eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Elektropolieren von Titan und Titanlegierungen
(Titan Grad 1 bis 10) beschrieben, das einen Elektrolyten aus Schwefelsäure und Alkoholen
verwendet. Neben der Gesundheitsgefährdung durch die offenbar bevorzugte Verwendung
von Methanol und die damit verbundene Entstehung von hochgiftigem und krebserregendem
Dimethylsulfat während des Prozesses, besitzt dieses Verfahren den weiteren Nachteil,
dass aufgrund der leichten Entflammbarkeit dieses Elektrolyten eine aufwendige Kühlung
des Elektrolyten auf Temperaturen unter 15°C erforderlich ist, in Verbindung mit automatischen
Löschanlagen zum Feuerschutz.
[0009] Die Patentanmeldung
DE 100 37 337 A1 beschreibt ein Verfahren und eine Halterung zum Elektropolieren von Körpern aus Titanlegierungen
oder Nickel-Titan-Legierungen wie Nitinol, wobei der Elektrolyt Formamid und Sulfaminsäure
umfasst.
[0010] Es besteht daher ein erheblicher Bedarf an einem Elektropolierverfahren, mit dem
Titan und Titan-haltige Legierungen wie etwa Nitinol effizient und mit hoher Qualität
geglättet und entgratet werden können, ohne dass dabei größere Belastungen bzw. Gefährdungen
für Mensch und Umwelt auftreten, und wobei auf kostspielige Kühlanlagen und Sicherheitsvorkehrungen
verzichtet werden kann.
Beschreibung der Erfindung
[0011] Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist ein Elektropolierverfahren zum elektrochemischen
Glätten und/oder Entgraten von Oberflächen aus Titan oder Titan-haltigen Legierungen,
das die vorgenannten Nachteile nicht aufweist. Diese Verfahren basieren auf der Verwendung
eines Elektrolyten, der Methansulfonsäure und eine oder mehrere Alkandiphoshonsäuren
umfasst, wobei die eine oder mehreren Alkandiphosphonsäuren gegebenenfalls mit einer
oder mehreren Hydroxy- und/oder Aminogruppen substituiert sein können.
[0012] In einer bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens dieser Erfindung beträgt die
Konzentration an Methansulfonsäure im Elektrolyten mindestens 95 Gew.-%, bezogen auf
das Gesamtgewicht des Elektrolyten. In der Regel wird daher konzentrierte Methansulfonsäure
mit einem Gehalt von mindestens 98 Gew.-%, beispielsweise Methansulfonsäure mit einem
Gehalt von mehr als 99 Gew.-%, eingesetzt, der die eine oder die mehreren Alkandiphosphonsäuren
als Reinstoff(e) zugegeben werden.
[0013] Eine besonders geeignete Alkandiphosphonsäure zur Verwendung in den hier beschriebenen
Verfahren ist 1-Hydroxyethan-1,1-diphosphonsäure (HEDP, auch als Etidronsäure bezeichnet).
So kann als Elektrolyt, der in dem hier beschriebenen Verfahren verwendet wird, HEDP
alleine oder in Kombination mit anderen Alkandiphosphonsäuren in konzentrierter Methansulfonsäure,
wie zuvor definiert, eingesetzt werden.
[0014] Die Konzentration der einen oder mehreren Alkandiphosphonsäuren im Elektrolyten beträgt
vorzugsweise zwischen 1 und 50 g/kg Elektrolyt, beispielsweise zwischen 3 und 25 g/kg
Elektrolyt. Insbesondere wird bevorzugt, dass die eine oder mehreren Alkandiphosphonsäuren
zwischen 5 und 20 g/kg Elektrolyt eingesetzt werden.
[0015] In einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung besteht der Elektrolyt im Wesentlichen
aus Methansulfonsäure und einer oder mehreren Alkandiphosphonsäuren Dies bedeutet,
dass keine sonstigen Substanzen zugegeben werden und solche sonstigen Substanzen nur
in geringen Mengen, beispielsweise von weniger als 3 Gew.-%, vorliegen, etwa durch
Verunreinigungen der Methansulfonsäure bzw. der Alkandiphosphonsäuren, oder aufgrund
des Betriebs im Zuge des Elektropolierens (beispielsweise abgetragene Ionen). So wird
auch bevorzugt, dass der Elektrolyt, der gemäß dem vorliegenden Verfahren eingesetzt
wird, kein oder nur geringe Mengen an Wasser enthält. Der Wassergehalt des Elektrolyten
liegt daher vorzugsweise bei höchstens 2 Gew.-%, noch besser unterhalb von 1 Gew.-%,
bezogen auf das Gesamtgewicht des Elektrolyten.
[0016] Bei der Durchführung eines Verfahrens gemäß der vorliegenden Erfindung erfolgt das
Elektropolieren vorzugsweise bei einer Temperatur im Bereich von 20°C bis 70°C, beispielsweise
zwischen Raumtemperatur und 60°C, und insbesondere bei einer Temperatur zwischen 25°C
und 50°C. Die anodische Stromdichte, bei der die Werkstücke elektropoliert werden,
können aus einem weiten Bereich gewählt werden. Dieser liegt vorzugsweise im Bereich
von 2 bis 50 A/dm
2, insbesondere zwischen 5 und 30 A/dm
2. Die angelegte Spannung kann dabei häufig im Bereich von 10 bis 35 V liegen.
[0017] Die Dauer des Elektropoliervorgangs richtet sich natürlich nach der jeweiligen Rauheit
des zu bearbeitenden Werkstücks und der gewünschten Glättung bzw. Entgratung. Die
optimale Einwirkzeit kann der Durchschnittsfachmann im Rahmen von Routineexperimenten
in Abhängigkeit von der eingesetzten Stromdichte, der Temperatur, dem Elektrolyten
und der eingesetzten Vorrichtung ohne sonderlichen Aufwand ermitteln. In der Regel
genügt eine Behandlung des Werkstücks für wenige Minuten.
[0018] Im Anschluss an den Elektropoliervorgang wird das bearbeitete Werkstück aus dem Elektropolierbad
entnommen und mit Wasser, vorzugsweise entionisiertem Wasser gespült. Dabei ist es
nicht entscheidend, dass das Werkstück sofort vom Elektrolyten befreit wird. Der hier
beschriebene Elektrolyt greift die bearbeitete Oberfläche nicht an, was die Bearbeitung
erleichtert und keine weiteren Anforderungen an die eingesetzten Apparaturen stellt.
[0019] Dieser hier beschriebene Elektrolyt kann sowohl für Reintitan als auch für Titan-haltige
Legierungen verwendet werden. Diese Titan-haltigen Legierungen können insbesondere
Titan in einem Anteil von mindestens 50 Mol-% umfassen. Eine wichtige solche Legierung,
die Titan in einem Anteil von etwa 50 Mol-% umfasst, ist die Nickel-Titan-Legierung
Nitinol, die auch als "Memory-Legierung" bezeichnet wird. Bei Versuchen mit dem hier
beschriebenen Elektrolyten stellte sich heraus, dass insbesondere auch Werkstücke
aus Nitinol mit einem Verfahren gemäß der vorliegenden Erfindung effizient und mit
gutem Ergebnis elektropoliert werden können. Die Verwendung eines Elektrolyten, der
Methansulfonsäure und eine oder mehrere Alkandiphosphonsäuren umfasst, zum Elektropolieren
von Oberflächen aus Titan, Titan-haltigen Legierungen und Nickel-Titan-Legierungen,
wie etwa Nitinol, ist ebenfalls ein Aspekt der hier beschriebenen Erfindung.
[0020] Diese Elektrolyte erfordern bei ihrer Verwendung - im Gegensatz zu den Elektrolyten,
die im bisherigen Stand der Technik verwendet wurden - keine technisch aufwendigen
Einrichtungen, sondern können in üblichen industriellen Elektropolieranlagen, wie
sie beispielsweise auch zur Behandlung von Edelstahl verwendet werden, eingesetzt
werden. Insbesondere ist ein Elektrolyt, wie er gemäß der vorliegenden Erfindung verwendet
wird, nicht brennbar, nicht besonders korrosiv und einfach zu handhaben. Bei einer
normalen Handhabung besteht sowohl für die Menschen, die die Elektropolieranlage bedienen
bzw. in der Nähe dieser Anlage arbeiten, als auch für die Umwelt keine erhöhte Gefährdung.
Insbesondere setzt der hier beschriebene Elektrolyt keine schädlichen Gase oder Dämpfe
frei.
[0021] Die hier beschriebenen Verfahren und Elektrolyte sind bei der Behandlung von Titan-haltigen
Oberflächen nicht nur einfacher zu bedienen, sondern sie ermöglichen es auch, eine
Glättung bzw. Entgratung der Oberflächen zu erzielen, die den Verfahren, wie sie im
Stand der Technik beschrieben sind, zumindest ebenbürtig, wenn nicht in vielen Fällen
sogar überlegen sind.
[0022] Die Erfindung wird in den folgenden Beispielen näher erläutert. Diese Beispiele stellen
jedoch nur mögliche Ausführungsformen des hier beschriebenen Elektropolierverfahrens
dar und sollen in keiner Weise eine Beschränkung auf die hier verwendeten Bedingungen
implizieren.
Beispiele
Beispiel 1: Titanlegierung TiAIV4
[0023] Ein Blech der Abmessung 50 x 50 x 1,0 mm mit geschliffener Oberfläche und einer Rauhigkeit
von Ra = 0,8 µm wurde in einem Elektrolyten, bestehend aus 990 g Methansulfonsäure
100%-ig und 10 g 1-Hydroxyethyl-1,1-diphosphonsäure elektropoliert.
[0024] Die dabei verwendeten Arbeitsdaten waren wie folgt:
Temperatur: 30°C
Stromdichte: 20 A/dm2
Polierzeit: 7 min
[0025] Das Blech wurde vor der Behandlung entfettet, mit Wasser gespült und getrocknet.
Nach dem Elektropolieren wurde das Blech aus dem Elektrolyten genommen und nach einer
Wartezeit von 5 min in entionisiertem Wasser gespült und getrocknet. Die Oberflächen
waren hochglänzend, ohne Ätzangriff und wiesen eine Rauheit von Ra = 0,3 µm auf. Die
Kanten waren glatt und gratfrei.
Beispiel 2: Nitinol
[0026] Ein Draht aus Nitinol mit einem Durchmesser von 0,8 mm wurde in einem Elektrolyten
gemäß Beispiel 1 elektropoliert.
[0027] Die dabei verwendeten Arbeitsdaten waren wie folgt:
Temperatur: 25°C
Stromdichte: 10 A/dm2
Polierzeit: 4 min
[0028] Der Draht wurde gemäß Beispiel 1 vor- und nachbehandelt.
[0029] Das Ergebnis war eine hochglänzende und glatte Oberfläche ohne Ätzangriff auf das
Gefüge.
1. Verfahren zum Elektropolieren und/oder elektrochemischen Entgraten von Oberflächen
aus Titan oder Titan-haltigen Legierungen, dadurch gekennzeichnet, dass der dabei verwendete Elektrolyt Methansulfonsäure und eine oder mehrere Alkandiphosphonsäuren
umfasst, wobei die eine oder mehreren Alkandiphosphonsäuren gegebenenfalls mit Hydroxy-
und/oder Aminogruppen substituiert sein können.
2. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Konzentration der Methansulfonsäure im Elektrolyten mindestens 95 Gew.-% beträgt,
bezogen auf das Gesamtgewicht des Elektrolyten.
3. Verfahren gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die eine oder mehreren Alkandiphosphonsäuren 1-Hydroxyethan-1,1-diphosphonsäure umfassen.
4. Verfahren gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Konzentration der einen oder mehreren Alkandiphosphonsäuren zwischen 1 und 50
g/kg Elektrolyt liegt.
5. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Konzentration der einen oder mehreren Alkandiphosphonsäuren zwischen 5 und 20
g/kg Elektrolyt liegt.
6. Verfahren gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Elektrolyt im Wesentlichen aus Methansulfonsäure und einer oder mehreren Alkandiphosphonsäuren
besteht.
7. Verfahren gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es bei einer Temperatur zwischen 20°C und 70°C durchgeführt wird.
8. Verfahren gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren bei einer anodischen Stromdichte von 2-50 A/dm2 durchgeführt wird.
9. Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren bei einer anodischen Stromstärke von 5-30 A/dm2 durchgeführt wird.
10. Verfahren gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Titan-haltigen Legierungen Titan in einem Anteil von mindestens etwa 50 Mol-%
umfassen.
11. Verfahren gemäß Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Titan-haltige Legierung Nitinol ist.
12. Verwendung eines Elektrolyten gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6 zum Elektropolieren
von Oberflächen aus Titan und/oder Titan-haltigen Legierungen.
13. Verwendung gemäß Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass die Titan-haltige Legierung Nitinol ist.