[0002] Abgasturbolader werden zur Leistungssteigerung von Brennkraftmaschinen (Hubkolbenmotoren)
eingesetzt. Ein Abgasturbolader besteht aus einer Abgasturbine im Abgasstrom der Brennkraftmaschine
und einem Verdichter im Ansaugtrakt der Brennkraftmaschine. Das Turbinenrad der Abgasturbine
wird vom Abgasstrom des Motors in Rotation versetzt und treibt über eine Welle das
Laufrad des Verdichters an. Der Verdichter erhöht den Druck im Ansaugtrakt der Brennkraftmaschine,
so dass beim Ansaugen eine größere Menge Luft in die Brennkammern gelangt. Abgasturbinen
werden auch als Nutzturbinen eingesetzt. In diesem Fall treiben sie nicht den Verdichter
eines Abgasturboladers an, sondern einen Generator oder über eine Kupplung ein anderes,
mechanisches Nutzteil.
Laufräder von Abgasturbinen - oder von anderen thermischen Strömungsmaschinen, wie
etwa Dampf- oder Gasturbinen - weisen eine Vielzahl von Laufschaufeln auf. Die Laufschaufeln
weisen an ihren radial äusseren, freien Enden häufig Deckbänder - in der Fachsprache
"Shroud" genannt - auf. Ein Deckband setzt sich aus einzelnen Segmenten zusammen,
die mit jeweils einer Laufschaufel integral verbunden sind.
Im Betrieb des Abgasturboladers können sich unter bestimmten Umständen Schmutzschichten
an den Oberflächen der Turbine aufbauen, was zu Betriebsproblemen - bspw. Schaufelspitzenverschleiss,
dadurch Wirkungsgradverlust oder ein Festhängen des Turbinenrades beim Start aufgrund
der Schmutzablagerungen im Bereich der Schaufelspitzen - des Abgasturboladers führen
kann. Die Verschmutzung ist besonders ausgeprägt, wenn die Brennkraftmaschine mit
Schweröl als Kraftstoff betrieben wird. Die hohen Oberflächentemperaturen an den Bauteilen
der Abgasturbine führen dabei zu besonders harten Schmutzschichten. Besonders problematisch
für den Betrieb des Abgasturboladers sind Schmutzschichten im Bereich zwischen den
Spitzen der Turbinenlaufschaufeln und der Gegenkontur des Strömungskanals.
Die heute gängigste Methode dem Aufbau der Schmutzschicht entgegenzuwirken, ist das
regelmässige Einspritzen einer reinigenden Substanz, wie zum Beispiel Wasser, in den
Abgaskanal vor der Turbinenbeschaufelung. Die Reinigungswirkung im Bereich der Schaufelspitze
ist aber oft eingeschränkt, da die Reinigungssubstanz in diesen Bereich kaum vordringt,
vorher bereits verdampft oder durch den Shroud gänzlich abgeblockt wird.
WO 2006/134222 offenbart eine gattungsgemässe Abgasturbine mit einer Zuführung im Bereich der Laufschaufelspitzen
zur Verhinderung des Aufbaus einer Schmutzschicht. Zugeführt werden können Flüssigkeiten
oder gasförmige Stoffe unter erhöhtem Druck.
[0003] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, den Bereich zwischen den Spitzen
der Turbinenlaufschaufeln und der Gegenkontur des Strömungskanals derart zu gestalten,
dass ein Aufbau einer Schmutzschicht verhindert werden kann.
Erfindungsgemäss wird dies durch Mittel zur Einblasung von Sperrluft in den Bereich
stromauf der Spitzen der Laufschaufeln erreicht. Dabei wird durch Durchführungen in
den Gehäuseteilen gezielt Sperrluft in den Bereich zwischen Deckband-Segmenten an
den Spitzen der Turbinenlaufschaufeln und der Gegenkontur des Strömungskanals eingeführt.
Ein Sperrluftkanal führt die Sperrluft vom Eintritt in das Turbinengehäuse bis zum
Austritt in die Hauptströmung des Abgases. Die erfindungsgemässe, geometrische Ausgestaltung
des Sperrluftkanals im Bereich zwischen den Spitzen der Turbinenlaufschaufeln und
den stehenden Gehäuseteilen führt dazu, dass selbst bei zeitlich und/oder räumlich
ungleichmässiger Verteilung der Abgasströmung eine zeitlich und über den Umfang der
Turbine gleichmässige Sperrwirkung gegenüber den über das Deckband eindringenden Abgasen
erzielt wird.
Dieser Aspekt ist daher von Bedeutung, da die Abgasströmung in der Turbine erstens
aufgrund des Verbrennungsprozesses in der Brennkraftmaschine stark pulsieren kann
und zweitens aufgrund der Gestaltung des Gaseintrittsgehäuses des Abgasturboladers
über den Umfang ungleichmässig verteilt sein kann. Letzteres ist insbesondere bei
mehrflutigen Gaseintrittsgehäusen der Fall.
[0005] Fig. 1 zeigt eine Axialturbine eines Abgasturboladers. Wie eingangs beschrieben,
weist die Turbine ein Turbinenrad 1 mit einer Vielzahl von Laufschaufeln 2 auf. Im
Strömungskanal 6 ist in Strömungsrichtung vor den Laufschaufeln 2 des Turbinenrades
ein Düsenring 3 angeordnet. Der Düsenring umfasst mehrere Leitschaufeln 31. Die Leitschaufeln
31 des Düsenrings 3 sind mit zwei Gehäuseringen 32 zusammengehalten. Anstelle von
zwei Gehäuseringen 32 können die Leitschaufeln 31 auch nur mit einem äusseren, bzw.
einem inneren Gehäusering verbunden sein. Radial gegen aussen ist der Strömungskanal
6 durch ein Turbinengehäuse 4 begrenzt. Das Turbinengehäuse ist in der Regel mehrteilig
ausgebildet, um durch Entfernen des einen oder anderen Gehäuseteils den Zugang zum
Turbinenrad zu ermöglichen.
Wie der detaillierter gestalteten Fig. 2 zu entnehmen ist, weisen die einzelnen Laufschaufeln
2 der Abgasturbine an ihren radial äusseren, freien Enden jeweils ein Deckband-Segment
22 auf. Im montierten Zustand reihen sich die einzelnen Deckband-Segmente 22 zu einem
umlaufenden Deckband zusammen. Über die Breite der Laufschaufelspitzen, also in axialer
Richtung, können die Deckbandsegmente die gesamte Laufschaufel abdecken, oder aber
eine Bereich der Eintrittskante unbedeckt lassen (partial shroud). Optional weisen
die Laufschaufeln 2 radial ausserhalb der Deckband-Segmente 22 einen oder mehrere
Dichtstege 21 auf, welche analog dem Deckband zu einem umlaufenden Dichtsteg zusammengesetzt
sind. Radial ausserhalb der Laufschaufeln ist die Gegenkontur des Strömungskanals
6 aus mehreren Gehäuseteilen 41, 42 und 43 gebildet. Diese Gehäuseteile können optional
auch einteilig ausgebildet sein, je nach Bauart der Abgasturbine ergibt sich die Gestaltung
der Gehäuseteile um den Strömungskanal 6. Aufgrund der engen Tolerierung des Radialspiels
zwischen den Spitzen der Turbinenlaufschaufeln und dem Gehäuse, kann der Gehäusebereich
unmittelbar radial ausserhalb der Spitzen der Turbinenlaufschaufeln als separater
Abdeckring ausgeführt sein.
Die erfindungsgemässe Anordnung umfasst einen Sperrluftkanal, welcher Sperrluft durch
das Turbinengehäuse in die Hauptströmung des Abgases stromauf der Deckband-Segmente
22 an den Spitzen der Turbinenlaufschaufeln 2 führt. Der in den Fig. dargestellte
Sperrluftkanal umfasst dabei einen äusseren Versorgungsringkanal 51, welcher in das
Turbinengehäuse eingebetet ist und der den Strömungskanal 6 umschliesst. Vom Versorgungsringkanal
51 gehen mehrere, radial nach innen gerichtete Durchführungen 52 aus, durch welche
die in den Versorgungsringkanal 51 eingebrachte Sperrluft in Richtung des Strömungskanals
6 entweicht. Bevor die Sperrluft den Strömungskanal 6 im Bereich der Spitzen der Turbinenlaufschaufeln
erreicht, wird sie in einer, den Strömungskanal 6 ringförmig umschliessenden Mischkammer
53 nochmals über den Umfang gleichmässig verteilt. Von der ringförmigen Mischkammer
53 aus geht sowohl ein Sperrluftmassenstrom 54, welcher stromauf der Deckband-Segmente
22 an den Spitzen der Turbinenlaufschaufeln in die Hauptströmung des Abgases mündet,
als auch ein Radialspaltmassenstrom 55, welcher durch den Radialspalt ausserhalb des
Deckbandes 22 und allfälliger Dichtstege 21 in den Diffusor stromabwärts des Turbinenrades
eintritt.
Bei Deckbändern, welche die Turbinenlaufschaufeln über die gesamte Tiefe überdecken,
kann die engste und damit die den Abgasstrom sperrende Stelle des Sperrluftkanals
in Form eines Axialspalts 56 zwischen den Deckband-Segmenten 22 und dem Turbinengehäuseteil
42 bzw. dem Gehäusering 32 des Düsenrings unmittelbar vor der Eintrittskante der Laufschaufel
angeordnet sein, wie dies in Fig. 2 dargestellt ist. Ein Vorteil dieser Konstruktion
mit einem solchen Axialspalt 56 ist die Vermeidung jeglicher Kavitäten auf der Abgasseite,
in denen es zu Verwirbelung des Abgases und allfälligen Schmutzablagerung kommen könnte.
Ein weiterer Vorteil ist, dass der Axialspalt 56 eng toleriert und der Sperrluftmassenstrom
damit gering gehalten werden kann, weil er gegenüber den radialen Verformungen der
Turbine und des Gehäuses unempfindlich ist. Die radialen Verformungen sind aufgrund
der Fliehkraftbelastung der Turbine sowie der grossen thermischen Dehnungen bei thermischen
Strömungsmaschinen besonders ausgeprägt. Diese Konstruktion kann für Deckbänder 22
mit oder ohne radiale Dichtstege 21 ausgeführt werden.
Fig. 3 zeigt, wie für Deckbänder 22 mit einem oder mehreren radialen Dichtstegen 21
der Axialspalt 56 zwischen Dichtsteg 21 und Gehäuse bzw. Düsenring ausgeführt werden
kann. Diese Ausführung ist auch für so genannte teilweise Deckbänder (partial shroud)
geeignet, also für Deckbänder, welche die Turbinenlaufschaufel nur über einen Teil
der axialen Breite überdecken.
Dieselbe Ausführung kann gemäss Fig. 4 auch mit einem Radialspalt 57 zwischen dem
Deckband 22 und dem Gehäuseteil 42 bzw. dem Gehäusering 32 des Düsenrings anstelle
eines Axialspalts als engste Stelle des Sperrluftkanals realisiert werden. Diese Ausführung
ist bei Turbinen mit grossen axialen Verschiebungen der rotierenden Laufschaufeln
gegenüber dem Gehäuse zur Gewährleistung eines im Betrieb möglichst konstanten Spaltmasses
von Vorteil. In diesem Fall ist das Deckband 22 und das Gehäuseteil 42 bzw. der Gehäusering
32 des Düsenrings derart ausgeführt, dass eine ausreichende axiale Verschiebbarkeit
der verschiedenen Bauteile zueinander gewährleistet werden kann.
Der Radialspaltmassenstrom 55 hat einen ausgeprägten Einfluss auf die Wirkung des
Diffusors und damit auf das thermodynamische Verhalten der Turbine. Durch Justierung
der Spaltgeometrien über und vor dem Deckband kann eine für die Diffusorwirkung optimale
Massenstromverteilung gewählt werden. Zur Vermeidung des Anstreifens der Turbinenlaufschaufeln
an den radial ausserhalb angeordneten Gehäuseteilen müssen Mindestbreiten der Radialspalte
eingehalten werden. Um die erforderliche Dichtwirkung zu erreichen, kann die Dichtung
des Radialspaltes optional als Labyrinth ausgeführt sein. Die radialen Dichtstege
des Labyrinths können dabei in unterschiedlicher radialer Höhe ausgeführt werden (gestuftes
Labyrinth). Neben der Dichtwirkung können die radialen Dichtstege 21 auch die Steifigkeit
des Deckbandes erhöhen. Aus mechanischen Gründen kann es vorteilhaft sein, die Steghöhe
innerhalb eines Deckband-Segmentes über den Umfang in der Art zu variieren, dass die
Steifigkeit im mittleren, hochbelasteten Bereich des Deckbandes hoch und im Randbereich
tiefer ist.
Zur Optimierung der Diffusorwirkung kann der Radialspaltmassenstrom 55 mit Drall,
d.h. mit einer Umfangsgeschwindigkeitskomponente beaufschlagt werden. Durch eine drallbehaftete
Zuführung der Sperrluft in die Mischkammer kann ein erwünschter Drall in der ringförmigen
Mischkammer verursacht werden. Beispielsweise kann die Sperrluftzuführung durch radial-tangential,
also in einem Winkel zur radialen Richtung, angeordnete Durchführungen 52 erfolgen,
welche den Versorgungsringkanal 51 mit der Mischkammer 53 verbinden.
Erfindungsgemäss kann das Turbinengehäuse mit einer axialen Trennung zwischen den
Gehäuseteilen 41 und 42 im Bereich der Sperrlufteinblasung ausgeführt sein. Das Gegenstück
des Gehäuses, in dem die ringförmige Mischkammer integriert ist, kann entweder im
Gehäuse oder Düsenring integriert, oder als ein separates, ringförmiges Gehäuseteil
43 ausgeführt werden.
Um bei Abgasturboladern mit mehrflutigen Gaseintrittsgehäusen eine Ausgleichsströmung
der Sperrluft in Umfangsrichtung und einen damit verbundenen lokalen Heissgaseinbruch
in die Kavität vor dem Deckband-Segment 22 zu verhindern, kann die Mischkammer 53
in Umfangrichtung durch Rippen in Segmente unterteilt werden. Die Umfangsposition
der Rippen kann dabei der Trennung des Gaseintrittsgehäuses entsprechen.
Der Versorgungsringkanal 51 hat, abgesehen von seiner Hauptfunktion der Sperrluftversorgung,
die Funktion der Sperrluftvorwärmung. Durch das im Verhältnis zum durchfliessenden
Sperrluftmassenstrom grosse Volumen wird die Sperrluft durch die heissen Gehäuseteile
aufgeheizt. Dadurch kann die durch die kalte Sperrluft thermisch induzierte Beanspruchung
der Gehäuseteile um den Sperrluftkanal und der Turbinenlaufschaufel reduziert werden.
Ein weiterer Vorteil der erfindungsgemässen Anordnung besteht in der Kühlung des Turbinengehäuses
im Bereich der Spitzen der Turbinenlaufschaufeln. Die Anordnung ist so ausgeführt,
dass die Temperatur dieser Gehäusepartie von aussen durch den Versorgungsringkanal
51, seitlich durch die Mischkammer 53 und im Strömungskanal 6 durch den Radialspaltmassenstrom
55 gekühlt wird. Die Kühlung des Gehäusebereiches bringt Vorteile bei der Einhaltung
eines in allen Betriebszuständen möglichst optimalen Radialspaltes zwischen Laufschaufel
und Gehäuse. Ein weiterer, entscheidender Vorteil ist, dass durch Absenkung der Oberflächentemperatur
des Gehäuses die Haftneigung der Schmutzschicht drastisch reduziert wird.