[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft eine Kransteuerung mit aktiver Seegangsfolge für
einen auf einem Schwimmkörper angeordneten Kran, welcher ein Hubwerk zum Heben einer
an einem Seil hängenden Last aufweist.
[0002] Solche Kransteuerungen werden benötigt, um bei einem auf einem Schwimmkörper wie
z. B. einem Schiff, einem Halbtaucher oder einer Barke montierten Kran die unerwünschten
Einflüsse des Seegangs auf die Bewegung der Last auszugleichen, welche ansonsten die
Sicherheit und die Genauigkeit des Hubes beeinträchtigen.
[0003] Für die Installation von Offshore-Windparks und Unterwasserförderungsanlagen besteht
dabei ein zunehmender Bedarf an Schwimmkranen, so dass Kransteuerungen mit Seegangsfolge
eine besondere Beutung zukommt. Eine solche Kransteuerung sollte dabei einen sicheren,
exakten und effizienten Betrieb des Kranes auch unter schlechten Wetterbedingungen
mit starkem Seegang möglich machen, um wetterbedingte Ausfallzeiten zu minimieren.
Zudem sollten die Sicherheit des Bedienpersonals und des Equipments gewährleistet
werden.
[0004] Ist ein Kran auf einem Schwimmkörper montiert, führt eine Bewegung des Schwimmkörpers
durch den Seegang zu einer Bewegung des Lastaufhängepunkts der am Kran hängenden Last.
Zum einen führt dies zu einer entsprechenden Bewegung der Last, was die exakte Positionierung
der Last behindert und das Montagepersonal gefährdet. Soll z. B. ein Rotor an einem
Offshore-Windrad montiert werden, erfordert dies eine äußerst genaue Positionierung
der Rotorblätter an der Nabe, wo diese von Monteuren verschraubt werden müssen. Jede
unkontrollierte Bewegung des Rotorblatts durch den Seegang kann hier katastrophale
Folgen haben. Zudem kann die Bewegung des Lastaufhängepunktes zu kritischen Kraftspitzen
im Seil und im Kran führen, was insbesondere bei Tiefseehüben berücksichtigt werden
muss.
[0005] Bereits bei Kranen gemäß dem Stand der Technik wird versucht, die Bewegung der Last
bei Seegang zumindest teilweise auszugleichen. Zum einen sind dabei passive Systeme
bekannt, bei welchen die Seegangsbewegung durch die Konstruktion von Kran und Hubwerk
passiv ausgeglichen werden soll. Auch sind bereits aktive Steuerungen bekannt, bei
welchen die durch die Seegangsbewegung erzeugte Bewegung des Lastaufhängepunkts durch
eine aktive Gegensteuerung ausgeglichen werden soll. Keines der bekannten Systeme
hat jedoch zu einer wirklich zufriedenstellenden Lösung geführt.
[0006] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, eine verbesserte Kransteuerung mit
aktiver Seegangsfolge zur Verfügung zu stellen.
[0007] Diese Aufgabe wird von einer Kransteuerung gemäß Anspruch 1 gelöst. Die vorliegende
Erfindung stellt damit eine Kransteuerung mit aktiver Seegangsfolge für einen auf
einem Schwimmkörper angeordneten Kran, welcher ein Hubwerk zum heben einer an einem
Seil hängenden Last aufweist, zur Verfügung. Die Kransteuerung weist dabei eine Messvorrichtung
auf, welche eine aktuelle Seegangsbewegung aus Sensordaten ermittelt. Weiterhin ist
eine Prognosevorrichtung vorgesehen, welche eine zukünftige Bewegung des Lastaufhängepunkts
anhand der ermittelten aktuellen Seegangsbewegung und eines Modells der Seegangsbewegung
prognostiziert. Weiterhin ist eine Bahnsteuerung der Last vorgesehen, welche durch
die Ansteuerung des Hubwerkes des Kranes aufgrund der prognostizierten Bewegung des
Lastaufhängepunkts die Bewegung der Last durch den Seegang zumindest teilweise ausgleicht.
[0008] Durch die erfindungsgemäße Prognosevorrichtung ist es damit möglich, anhand der ermittelten
aktuellen Seegangsbewegung und eines Modells der Seegangsbewegung die zukünftige Bewegung
des Lastaufhängepunkts bei der Ansteuerung des Hubwerks zu berücksichtigen, so dass
diese Bewegung des Lastaufhängepunkts durch eine Veränderung der Seillänge ausgeglichen
wird und die Last der vorgesehenen Bahn folgt. Die Bahnsteuerung anhand der von der
Prognosevorrichtung prognostizierten zukünftigen Bewegung des Lastaufhängepunktes
führt dabei im Vergleich zu einer Bahnsteuerung, welche allein auf der aktuellen Bewegung
des Lastaufhängepunktes beruht, zu einer erheblich verbesserten Seegangsfolge. Dies
liegt insbesondere darin begründet, dass die Aktoren eines Kranes insbesondere bei
großen Lasten hohe Totzeiten und erhebliche Zeitkonstanten von bis zu 0,5 Sekunden
aufweisen. Eine Ansteuerung allein auf Grundlage der aktuell gemessenen Bewegung des
Lastaufhängepunktes würde damit zu einer verspäteten Reaktion führen. Erfindungsgemäß
weist die Prognosevorrichtung daher einen Prognosehorizont von mehr als 0,5 Sekunden,
vorteilhafterweise von mehr als einer und weiterhin vorteilhafterweise von mehr als
2 Sekunden auf, so dass trotz der Totzeiten und Zeitkonstanten des Hubwerks ein sicherer
Ausgleich der Bewegung des Lastaufhängepunktes aufgrund der Seegangsbewegung des Schwimmkörpers
vorgenommen werden kann. Vorteilhafterweise berücksichtigt die Steuerung dafür die
prognostizierte Bewegung des Lastaufhängepunkts und die Totzeiten des Hubwerks bei
dessen Ansteuerung.
[0009] Neben der prognostizierten Bewegung des Lastaufhängepunkts geht in die Bahnsteuerung
der Last selbstverständlich auch die gewünschte Bahn der Last ein, welche von einer
Bahnplanung z. B. aufgrund von Steuerbefehlen einer Bedienperson oder aufgrund eines
automatisch vorgesehenen Ablaufs des Hubes generiert wird. Die Bahnsteuerung sorgt
nun erfindungsgemäß dafür, dass die von der Bahnplanung vorgesehene Bahn der Last
trotz der Bewegung des Lastaufhängepunkts, welche von der Seegangsbewegung des Schwimmkörpers
hervorgerufen wird, eingehalten wird. Durch die erfindungsgemäße Kransteuerung lässt
sich damit eine exakte Positionierung der Last gewährleisten. Weiterhin ist sichergestellt,
dass es beim Hub nicht zu Überlastungen des Seils oder des Kranes kommt.
[0010] Vorteilhafterweise ist dabei das in der Prognosevorrichtung verwendete Modell der
Seegangsbewegung unabhängig von den Eigenschaften, insbesondere von der Ausführung
und Dynamik des Schwimmkörpers. Hierdurch kann die erfindungsgemäße Kransteuerung
flexibel für eine Vielzahl von Schwimmkörpern eingesetzt werden. Insbesondere kann
damit der Kran auf unterschiedlichen Schiffen montiert werden, ohne dass die Seegangsfolge
der Kransteuerung hierfür jeweils angepaßt werden müßte, was bei einer von den Eigenschaften
des Schiffes abhängigen Modellierung sehr aufwendig wäre. Das Modell wird damit unabhängig
von den Eigenschaften des Schwimmkörpers allein auf Grundlage der gemessenen Seegangsbewegung
erstellt, wozu die periodischen Anteile der Seegangsbewegung herangezogen werden.
Hierfür wird laufend nicht nur die aktuelle Seegangsbewegung, sondern der Verlauf
der Seegangsbewegung über einen gewissen Zeitraum analysiert.
[0011] Vorteilhafterweise werden dabei die vorherrschenden Moden der Seegangsbewegung aus
den Daten der Messvorrichtung bestimmt, insbesondere über eine Frequenzanalyse, und
anhand der so bestimmten vorherrschenden Moden ein Modell des Seegangs erstellt. Die
Prognosevorrichtung analysiert also die Seegangsbewegung und bestimmt die Frequenzen,
welche die Bewegung des Schwimmkörpers durch den Seegang bestimmen. Z. B. kann hier
eine Fourier-Analyse der Seegangsbewegung durchgeführt werden, aus welcher durch Peak-Detektion
die vorherrschenden Moden bestimmt werden. Vorteilhafterweise werden dabei mindestens
die drei stärksten Moden der Seegangsbewegung berücksichtigt, weiterhin vorteilhafterweise
bis zu zehn Moden. Die Moden werden dabei über eine längerfristige Beobachtung der
Seegangsbewegung bestimmt, wobei sich die Analyse auf einen Zeitraum der vorangegangenen
Seegangsbewegung von mehreren Minuten erstrecken kann, z.B. auf die vorangegangenen
fünf Minuten. Die Prognosevorrichtung erstellt damit auf Grundlage der vorherrschenden
Moden ein vorläufiges Model des Seegangs, welches auf einer längerfristigen Beobachtung
der Seegangsbewegung beruht.
[0012] Vorteilhafterweise wird dabei das so erstellte Modell anhand der Daten der Messvorrichtung
laufend parametrisiert, insbesondere über einen Beobachter, wobei insbesondere Amplitude
und Phase der Moden parametrisiert werden. Neben der Erstellung eines vorläufigen
Modells durch die längerfristige Bestimmung der vorherrschenden Moden erfolgt damit
laufend eine Anpassung dieses Modells an die aktuellen Daten der Messvorrichtung.
Dabei erfolgt ständig ein Abgleich zwischen dem vom Modell prognostizierten und dem
gemessenen Seegang, wobei die Prognosevorrichtung laufend die Amplituden und Phasen
der einzelnen im Modell verwendeten Moden aktualisiert. Ebenso kann die Gewichtung
der einzelnen Moden im Modell laufend aktualisiert werden.
[0013] Erfindungsgemäß ergibt sich so eine zweiteilige Prognose, bei welcher zunächst aufgrund
einer langfristigen Analyse die vorherrschenden Moden er Seegangsbewegung bestimmt
werden, welche die Grundlage für das Modell der Seegangsbewegung liefern. Dieses Modell
wird dann über eine Beobachterschaltung ständig aktualisiert, indem die Amplitude
und Phase der Moden durch einen Vergleich der vom Modell prognostizierten Seegangsbewegung
und der gemessenen Seegangsbewegung nachparametrisiert werden. Die vorherrschenden
Moden werden von dem Beobachter dagegen nicht geändert.
[0014] Vorteilhafterweise wird jedoch bei einer Änderung der vorherrschenden Moden des Seeganges
das Modell jeweils aktualisiert. Diese Änderung der vorherrschenden Moden des Seegangs
wird dabei über eine längerfristige Beobachtung der Seegangsbewegung erkannt, wobei
das Modell aktualisiert wird, wenn die Abweichung der im Modell verwendeten Moden
mit den tatsächlich vorherrschenden Moden eine bestimmte Schwelle überschritten hat.
Z. B. kann eine Aktualisierung der vorherrschenden Moden im Modell des Seeganges alle
20 Sekunden vorgesehen sein.
[0015] Weiterhin vorteilhafterweise weist die Bahnsteuerung erfindungsgemäß eine Vorsteuerung
auf, welche auf Grundlage von Sensordaten stabilisiert wird. Die Bahnsteuerung steuert
damit das Hubwerk aufgrund des prognostizierten Bewegung des Lastaufhängepunktes so
an, dass eine geplante Bahn der Last möglichst genau eingehalten wird. Zur Stabilisierung
der Vorsteuerung wird dabei auf Sensordaten zurückgegriffen, so dass mittels einer
Beobachterschaltung eine genauere Ansteuerung des Hubwerks möglich wird.
[0016] Vorteilhafterweise beruht die Bahnsteuerung dabei auf einem Modell von Kran, Seil
und Last, in welchem eine Änderung der Seillänge aufgrund der Ausdehnung des Seiles
berücksichtigt wird. Da insbesondere bei Tiefenhüben Seillängen von bis zu 4000 m
auftreten können, kann es zu einer großen Ausdehnung des Seiles kommen, welche nun
erfindungsgemäß bei der Bahnsteuerung berücksichtigt wird.
[0017] Weiterhin vorteilhafteniveise beruht die Bahnsteuerung dabei auf einem Modell von
Kran, Seil und Last, welches die Dynamik des Hubwerkes und/oder des Seiles berücksichtigt
und insbesondere auf einem physikalischen Modell der Dynamik des Systems aus Hubwerk,
Seil und/oder Last beruht. Vorteilhafterweise wird dabei die Dynamik des Hubwerks
berücksichtigt, so dass die Vorsteuerung z. B. Reaktionszeiten und Trägheiten des
Hubwerks mit berücksichtigt. Zur Berücksichtigung der Dynamik des Systems aus Seil
und Last wird dieses vorteilhafterweise als ein gedämpfter Oszillator behandelt. Die
sich hieraus ergebende Dynamik wird im System modelliert und geht in die Vorsteuerung
der erfindungsgemäßen Bahnsteuerung ein, wodurch die dynamische Längenänderung des
Seils in der Vorsteuerung berücksichtigt werden kann.
[0018] Vorteilhafterweise ist dabei erfindungsgemäß ein Kraftsensor zum Messen der im Seil
und/oder auf das Hubwerk wirkenden Kraft vorgesehen, dessen Meßdaten in die Bahnsteuerung
eingehen und über welche insbesondere die Seillänge bestimmt wird. Eine direkte Rückkopplung
der Position der Last auf die Bahnsteuerung zur Stabilisierung ist dabei nicht möglich,
da die Position der Last selbst schwer gemessen werden kann. Erfindungsgemäß wird
deshalb die Kraft im Seil bzw. am Hubwerk gemessen und zur Stabilisierung der Ansteuerung
herangezogen. Dabei kann die Seillänge aus der Kraft im Seil auf Grundlage des Modells
für die Dynamik des Systems aus Seil und Last rekonstruiert werden und hierüber die
Position der Last bestimmt werden.
[0019] Weiterhin vorteilhafterweise umfasst die Messvorrichtung der vorliegenden Erfindung
Gyroskope, Beschleunigungssensoren und/oder GPS-Elemente, aus deren Meßdaten die aktuelle
Seegangsbewegung ermittelt wird. Dabei können neben Messvorrichtungen, in welchen
nur einer dieser drei Sensor-Typen zum Einsatz kommt, auch Systeme mit einer Kombination
aus zwei oder drei dieser Sensor-Typen verwendet werden. Insbesondere kommen erfindungsgemäß
Gyroskope zum Einsatz. Eine absolute Positionsbestimmung ist mit solchen Gyroskopen
zwar nicht möglich, für die aktive Seegangsfolge jedoch auch nicht nötig, da hier
lediglich die relativ hochfrequenten Bewegungen des Schwimmkörpers aufgrund der Seegangsbewegung
berücksichtigt werden müssen, während ein langsamer Drift nicht weiter ins Gewicht
fällt. Aus den Daten der Gyroskope werden dann durch einmalige oder zweimalige Integration
die Winkelgeschwindigkeiten bzw. die Position des Messpunktes, an welchem die Gyroskope
angeordnet sind, bestimmt.
[0020] Vorteilhafterweise sind dabei die Sensoren der Messvorrichtung am Kran angeordnet,
insbesondere am Kranfundament, wobei die Messvorrichtung die Bewegung des Lastaufhängepunkts
vorteilhafterweise anhand eines Modells des Kranes und der relativen Bewegung von
Lastaufhängepunkt und Messpunkt bestimmt. Sind die Sensoren am Fundament des Kranes
angeordnet, bewegen sich diese fest mit dem Schwimmkörper mit und messen so lediglich
die Seegangsbewegung des Schwimmkörpers. Anhand des Modells des Kranes kann aus dieser
Seegangsbewegung des Schwimmkörpers die Bewegung des Lastaufhängepunkts ermittelt
werden.
[0021] Vorteilhafterweise wird dabei die Seegangsbewegung des Schwimmkörpers in der Prognosevorrichtung
zur Prognose der zukünftigen Bewegung des Schwimmkörpers herangezogen und daraus anhand
des Modells des Krans die zukünftige Bewegung des Lastaufhängepunktes aufgrund dieser
zukünftigen Bewegung des Schwimmkörpers bestimmt. Durch die Anordnung der Sensoren
der Messvorrichtung am Kran ist dabei sichergestellt, dass die erfindungsgemäße Kransteuerung
flexibel und unabhängig von den Eigenschaften des Schwimmkörpers eingesetzt werden
kann.
[0022] Beispielhaft bestimmt die Prognosevorrichtung dabei lediglich die zukünftige Bewegung
des Lastaufhängepunkts in der Vertikalen. Durch diese Beschränkung auf einen Freiheitsgrad
wird eine besonders einfache Prognosevorrichtung zur Verfügung gestellt, welche mit
vergleichsweise geringem konstruktiven Aufwand dennoch die entscheidenden Daten zum
Ausgleich der Seegangsbewegung liefert.
[0023] Die vorliegende Erfindung umfasst weiterhin einen Kran mit einer Kransteuerung, wie
sie oben beschrieben wurde. Insbesondere handelt es sich dabei um einen Schiffskran.
Neben einem Hubwerk umfaßt der erfindungsgemäße Kran dabei vorteilhafterweise ein
Schwenkwerk und ein Wippwerk, welche ebenfalls von der erfindungsgemäßen Kransteuerung
angesteuert werden.
[0024] Weiterhin umfasst die vorliegende Erfindung auch einen Schwimmkörper mit einem Kran,
wie er erfindungsgemäß beschrieben wurde. Insbesondere handelt es sich dabei vorteilhafterweise
um ein Schiff mit einem Schiffskran.
[0025] Die vorliegende Erfindung umfasst weiter ein Verfahren zur Steuerung eines auf einem
Schwimmkörper angeordneten Krans, welcher ein Hubwerk zum Heben einer an einem Seil
hängenden Last aufweist, mit den Schritten: Ermitteln der aktuellen Seegangsbewegung
aus Sensordaten, Prognostizieren einer zukünftigen Bewegung des Lastaufhängepunkts
anhand der ermittelten aktuellen Seegangsbewegung und eines Modells der Seegangsbewegung,
und zumindest teilweises Ausgleichen der Bewegung der Last durch den Seegang durch
die Ansteuerung des Hubwerkes des Kranes aufgrund der prognostizierten Bewegung des
Lastaufhängepunkts. Offensichtlich ergeben sich durch das erfindungsgemäße Verfahren
dabei die gleichen Vorteile, wie sie bereits bezüglich der Kransteuerung beschrieben
wurden.
[0026] Weiterhin vorteilhafterweise wird bei dem Verfahren zur Steuerung des Krans dabei
so vorgegangen, wie dies bereits bezüglich der Kransteuerung beschrieben wurde. Insbesondere
wird das erfindungsgemäße Verfahren dabei mittels einer Kransteuerung durchgeführt,
wie sie oben beschrieben wurde.
[0027] Die vorliegende Erfindung wird nun anhand eines Ausführungsbeispiels sowie anhand
von Zeichnungen näher beschrieben. Dabei zeigen:
- Fig. 1
- ein Ausführungsbeispiel eines Schiffskranes, bei welchem die vorliegende Erfindung
zum Einsatz kommt,
- Fig. 2
- eine Prinzipdarstellung eines Messverfahrens zur Bestimmung einer Seegangsbewegung
eines Schiffes,
- Fig. 3
- eine Prinzipdarstellung eines Verfahren, mit welchem aus der Seegangsbewegung des
Schiffes und einer Relativbewegung zwischen Lastaufhängepunkt und Messpunkt die Seegangsbewegung
des Lastaufhängepunktes bestimmt wird,
- Fig. 4
- eine Prinzipdarstellung eines Ausführungsbeispiels eines Prognoseverfahrens gemäß
der vorliegenden Erfindung,
- Fig. 5
- eine Prinzipdarstellung einer Modellidentifikation und Vorparametrierung in dem Ausführungsbeispiel
eines Prognoseverfahrens gemäß der vorliegenden Erfindung,
- Fig. 6
- eine Darstellung des i-ten Werts der Bildfolge und dessen komplex konjugiertem Wert
an der Stelle NDFT - i während der Phasenbestimmung zur Vorparametrierung in dem Ausführungsbeispiel
eines Prognoseverfahrens gemäß der vorliegenden Erfindung,
- Fig. 7
- eine Prinzipdarstellung der Korrektur der Modellidentifikation und Vorparametrierung
mittels eines Beobachters in dem Ausführungsbeispiel eines Prognoseverfahrens gemäß
der vorliegenden Erfindung,
- Fig. 8
- eine Prinzipdarstellung eines Ausführungsbeispiels einer Kransteuerung gemäß der vorliegenden
Erfindung,
- Fig. 9
- eine schematische Darstellung eines Modells für die Dynamik des Systems aus Seil und
Last,
- Fig. 10
- eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels eines Prognoseverfahrens
der Seegangsbewegung,
- Fig. 11
- eine Darstellung der Veränderung der vorherrschenden Moden der Seegangsbewegung über
die Zeit,
- Fig. 12
- eine Darstellung einer vorhergesagten und einer tatsächlichen Seegangsbewegung,
- Fig. 13
- eine graphische Darstellung der Lastbewegung mit einer reinen Vorsteuerung ohne Rückkopplung
und ohne Prognose,
- Fig. 14
- eine graphische Darstellung der Lastbewegung mit einem geschlossenen Regelkreislauf,
aber ohne Prognose und
- Fig. 15
- eine graphische Darstellung der Lastbewegung unter Verwendung des Steuerungsverfahrens
gemäß der vorliegenden Erfindung.
[0028] Zunächst wird nun ein Ausführungsbeispiel eines Messverfahrens beschrieben, welches
einerseits auf der Messung der Bewegung des Schiffs und andererseits auf der Bestimmung
der relativen Lage der Auslegerspitze des Kransystems ausgehend von dessen Fundament
basiert. Für die erstgenannte Messaufgabe wird eine Inertialplattform eingesetzt,
welche die gradlinigen Beschleunigungen und rotatorischen Drehraten um alle drei Achsen
des Schiffs misst. Nachfolgend genannte ist von der Sensorik des Kransystems zu absolvieren.
Mit dieser Messanordnung wird eine driftfreie Messung der Tauchbewegung, eine äußerst
geringe Phasenverschiebung im signifikanten Frequenzbereich der Tauchbewegung und
eine maximale Messabweichung ca. 15 % der Amplitude der Tauchbewegung erreicht. Dem
Ausführungsbeispiel eines Verfahrens zur Prognose der Tauchbewegung des Lastaufhängepunktes
liegt ein Modell dieser Bewegung zu Grunde. Da das Modell jedoch nicht a priori erstellt
werden kann, gilt es dieses an Hand der gemessenen Tauchbewegung online zu identifizieren
und zu parametrieren. Die Identifikation wird mittels einer Frequenzanalyse der vertikalen
Bewegung des Lastaufhängepunktes erreicht. Um mit dem Modell der Tauchbewegung diese
stets zutreffend zu beschreiben, erfolgt die Identifikation in regelmäßigen Zeitabständen.
Für eine bestmögliche Parametrisierung der modellierten Tauchbewegung wird ein Beobachter
eingesetzt. Die vorhergesagte Seegangsbewegung wird dann eingesetzt, um den Einfluss
des Seegangs auf die Bewegung der Last durch eine Gegensteuerung mit dem Hubwerk zu
minimieren.
[0029] Das Ausbringen und Bergen von unbemannten Forschungsstationen in mehreren tausend
Meter Tiefe, welche Ressourcenquellen aufspüren und wissenschaftliche Erkenntnisse
der Ozeanographie liefern, ist dabei ohne eine Bestimmung der Seegangsbewegung des
Einsatzschiffs nicht möglich. Zudem werden jährlich zahlreiche Konstruktionen wie
Öl- und Gasbohrinseln oder auch Windparks mit einigen dutzend Windkrafträdern errichtet,
um dem enormen Energiebedarf der Menschheit gerecht zu werden. Die Montage dieser
Anlagen wird dabei von Schwimmkranen durchgeführt, die dem Seegang der jeweiligen
Region ausgesetzt sind. Zur Vermeidung von Kollisionen der Last mit dem Meeresboden
oder dem bereits bestehenden Rohbau muss die durch die Schiffsbewegung verursachte
Höhenänderung der Last durch Seegangsfolgeeinrichtungen kompensiert werden. Hierbei
ist wiederum die Kenntnis der vertikalen Schiffsbewegung von zentraler Bedeutung.
[0030] Für diese Anwendungsbeispiele genügt die Messung der Seegangsbewegung des Schiffs.
Hierunter wird die vertikale Auslenkung des Schiffs um dessen Ruhelage verstanden.
Die Ruhelage eines Schiffs ist dabei als die aktuelle, mittlere Höhe des glatten Meeresspiegels
definiert. Langsame Pegeländerungen, die sich unterhalb einer fest definierten Frequenzgrenze
befinden, sind somit nicht Bestandteil der Seegangsbewegung. Hierunter fallen beispielsweise
die durch die Gezeiten hervorgerufenen Pegeländerungen. Diese sind eindeutig nicht
der Seegangsbewegung zuzuordnen.
[0031] Die vorliegende Erfindung stellt hierfür ein Messverfahren zur Verfügung, welches
in Verbindung mit einem beliebigen Kransystem mit aktiver Seegangsfolge (AHC: Active
Heave Compensation) verwendet werden kann. Dabei ermittelt das Messverfahren einerseits
die Seegangsbewegung des Lastaufhängepunktes und berechnet andererseits eine Kurzzeitprognose
für den weiteren, zeitlichen Verlauf dieser Bewegung. Als Gesamtsystem kann der Verbund
zwischen Kran und fest installiertem Messsystem, der als aktive Seegangsfolgeeinrichtung
bezeichnet wird, auf eine Vielzahl von Schiffen montiert werden, ohne dass erhebliche
Anpassungsmaßnahmen erforderlich sind. Je nach Konstruktion des Krans ist diese Seegangsfolgeeinrichtung
entweder als Schwimmkran, oder aber, auf einem Einsatzfahrzeug befindlich, auch für
den Tiefseehub zu verwenden. Hierfür ist das Messverfahren komplett autonom und agiert
plattformunabhängig. Auf die Kenntnis von schiffspezifischen Daten wie Verdrängung,
Rumpfform, usw. oder auch die Platzierung des Kransystems auf dem Deck des Schiffs
wird dabei bewusst verzichtet. Im Weiteren ist deshalb der Begriff Schiff auch sehr
weitläufig zu verstehen. Er ist gleichbedeutend mit jedem beliebigen Schwimmkörper
und umfasst folglich auch Bargen oder Halbtaucher.
[0032] Dabei versteht man unter einer Seegangsfolgeeinrichtung ein technisches System, welches
in der Lage ist die durch den Seegang angeregte vertikale Lastschwingungen zu reduzieren.
Im Idealfall ist die Last auf einer äquidistanten Entfernung vom Meeresboden zu halten,
unabhängig davon, ob sich der Schwimmkran auf einem Wellenberg oder in einem Wellental
befindet. Zudem soll die Verkippung des Schwimmkrans um die Längs- und Querachse,
welche man Roll- und Stampfbewegung nennt, die Lasthöhe nicht beeinflussen. Wird die
Kompensation der ungewollten Lastschwingung rein konstruktiv bewirkt, so liegt eine
passive Seegangsfolge vor. Hingegen spricht man von einer aktiven Seegangsfolge sobald
der Lastschwingung bewusst mittels Aktoren entgegengewirkt wird.
[0033] Das vorliegende Messverfahren ist dabei in der Lage, die Seegangsbewegung des Lastaufhängepunktes
hochauflösend und zeitlich unverzögert zu bestimmen. Dies wird auch im Offshoreeinsatz
erreicht, bei dem Wellenhöhen von bis zu 10 m zu erwarten sind. Langsame, absolute
Positionsänderungen der Ruhelage des Schiffs sind dabei nicht von Interesse.
[0034] Die Prognose der Seegangsbewegung des Lastaufhängepunktes hat das Ziel den negativen
Einfluss der Totzeiten der Aktuatoren von Seegangsfolgeeinrichtungen auf die Lasthöhe
zu minimieren. Für die Generierung der Solltrajektorie der Lastbewegung kann somit
ein Positionsverlauf des Lastaufhängepunktes vorgegeben werden, der um die Totzeit
des entsprechenden Aktors in der Zukunft liegt, womit eine konstante Totzeit bestenfalls
vollkommen ausgeglichen wird. Da die Lastmassen beim Tiefseehub im Bereich von bis
zu 100 t liegen und bei Kranhalbtauchern sogar an die 14000 t betragen können, sind
Totzeiten von ca. 0,2 - 0,5 s die Regel. Diese begründen sich aus der enormen Energie
welche für die Lastbewegung bereit gestellt werden muss. Für die Erfüllung der geforderten
Aufgabe genügt der Prognose somit ein Zeitfenster von etwa 1 s.
[0035] In Fig. 1 ist ein Kranschiff zu sehen, das hauptsächlich für Installationsaufgaben
überhalb des Meeresspiegels verwendet wird. Deutlich zu erkennen ist, dass Schwimmkrane
in der Regel einen Lastaufhängepunkt besitzen, der sich weit oberhalb des Meeresspiegels
befindet. Seine Lage kann dabei vom Kranfahrer mittels Bedienhebel vorgegeben werden,
womit die Last zielgenau positioniert werden kann. Beim Tiefseehub werden dagegen
größtenteils starre Krankonstruktionen verwendet, die einen möglichst niedrigen Lastaufhängepunkt
aufweisen. Diese haben den Vorteil die Bewegungen des Schiffs nicht unnötig zu verstärken.
Horizontale Lageänderungen der Last werden dabei entweder durch Aktoren am Lasthaken,
oder durch entsprechende Positionierung des Einsatzschiffs erreicht.
[0036] Bezüglich der Seegangsfolge ist der tatsächliche Aufbau des Kransystems nicht von
Bedeutung. Lediglich die vertikale Position des Lastaufhängepunktes muss gemessen
werden können. Da es sich jedoch in der Regel nicht realisieren lässt die Sensorik
direkt am Lastaufhängepunkt zu installieren, ist ein alternativer Anbringungsort der
Sensorik zu wählen. Hier erweist sich eine Befestigung nahe dem Kranfundament als
sinnvoll. Einerseits sind hier die geringsten Vibrationen des Kransystems zu erwarten,
welche die Messergebnisse verfälschen. Andererseits wird hier eine fest definierte
Ausrichtung der Sensorik während des Betriebs erreicht. Diese wäre bei einer Positionierung
der Sensorik an einem beweglichen Teil des Krans beispielsweise nicht gegeben.
[0037] Für diese Erfindung wird daher zur Messung der Schiffsbewegung eine Inertialplattform
(IMU Initial Measurement Unit) verwendet, welche am Kranfundament befestigt ist. Diese
kostengünstige und autonome Messeinheit enthält drei Beschleunigungsaufnehmer für
die Messung der gradlinigen Schiffsbewegungen, als auch drei Drehratensensoren für
die Bestimmung der Roll-, Stampf-, und Gierbewegung des Schiffs. Die Abtastfrequenz
der Messungen liegt bei 40 Hz. Die relevanten Schiffsbewegungen befinden sich hingegen
in einem Frequenzbereich zwischen 0,04 Hz und 1 Hz. Des Weiteren geraten selbst bei
rauher See die Messgrößen im gesamten Einsatzbereich der Schiffskrane nicht in den
Bereich der Messgrößenbeschränkung. Somit ist mittels der gewählten Inertialplattform
eine genaue Bestimmung der Schiffsbewegung in allen 6 Freiheitsgraden möglich.
[0038] Die für die vorliegende Erfindung benutzte Methode für die Messung der Schiffsbewegungen
basiert auf den Messsignalen einer einzigen Inertialplattform, die mit integrierenden
Filtern konstanter Grenzfrequenz die gewünschten Positions- und Winkelsignale berechnet.
Wird im Rahmen der Seegangsfolge eine genauere Messung angestrebt, so ermöglicht die
klare Trennung zwischen Messung und Prognose zudem das Messverfahren jederzeit auszutauschen,
ohne dass weitere Anpassungen notwendig sind.
[0039] Um die Verkippung des Schiffs aus den von den Gyroskopen der Inertialplattform gemessenen
Drehraten zu erhalten, ist eine einfache Integration der notwendig. Zudem gilt es
die typischen Messfehler wie Messrauschen oder Biasfehler zu kompensieren. Dies geschieht
durch die Verwendung je eines einfach integrierenden Filters pro Drehrichtung. Zur
Erlangung der Position der Inertialplattform sind die Beschleunigungsdaten zweifach
zu integrieren. Auch hier sind auftretende Messfehler weitestgehend zu eliminieren,
womit für die drei gradlinigen Bewegungsrichtungen jeweils ein zweifach integrierender
Filter zu verwenden ist. Dies ist schematisch in Fig. 2 dargestellt.
[0040] Unter Verwendung der gerade beschriebenen Signalverarbeitung zur Messung der Schiffsbewegung
kann die komplette Bewegung des Schiffes aus den Messsignalen der Inertialplattform
bestimmt werden. Hierbei werden statische Biasabweichungen vollkommen eliminiert und
ein langsamer Drift in den Messsignalen weitestgehend kompensiert. Auf Grund der notwendigen
Integration der Messwerte wird zudem hochfrequentes Sensorrauschen stark unterdrückt,
womit keine zusätzliche Tiefpassfilterung notwendig ist.
[0041] Da zur Messung der Seegangsbewegung des Lastaufhängepunktes zudem der Abstand zwischen
dem Sensor zur Messung der Schiffsbewegung und der Lastaufhängung notwendig ist, wird
dieser gesondert ermittelt. Die dafür notwendige Sensorik ist jedoch aus konventionellen
Kransteuerungen bekannt. Aus der Messung der Schiffsbewegung und der Kenntnis des
Abstands zwischen dem Sensor zur Messung der Schiffsbewegung und der Lastaufhängung
kann damit, wie in Fig. 3 gezeigt, die aktuelle Bewegung des Lastaufhängepunkts bestimmt
werden.
[0042] Bei dem verwendeten Modell zur Prognose der Seegangsbewegung handelt es sich nicht
um eine a priori bekannte Beschreibung der Dynamik des Schiffs. Das Modell bildet
vielmehr die Dynamik der gemessenen Seegangsbewegung ab. Diese wird während der Laufzeit
der Seegangsfolge bestimmt, womit das Modell ständig neu identifiziert und parametriert
wird.
[0043] Strukturell ist das Verfahren gemäß dem Signalflussdiagramm nach Abbildung 4 aufgebaut.
Die Seegangsbewegung wird dabei als eine periodische Bewegung angesehen werden. Ihr
Modell wird somit aus einer Überlagerung von N Sinusschwingungen, welche im Weiteren
als Moden bezeichnet werden, gebildet. Dabei wird jede Mode vollständig durch ihre
Amplitude A, Kreisfrequenz ω
M und Phase Φ
M beschrieben.
[0044] Für die online durchzuführende Identifikation des Modells der Seegangsbewegung erfolgt
als erster Schritt eine Frequenzanalyse der gemessenen Seegangsbewegung. An Hand dieser
wird zudem eine vorläufige Parametrierung des vollständig identifizierten Modells
vollzogen. Dieses Modell dient daraufhin im Weiteren als Basis eines linearen, oder
aber nichtlinearen Beobachters und wird in fest definierten Zeitabständen aktualisiert.
Dieser führt die exakte Adaption der Modellparameter unter Berücksichtigung der aktuell
gemessenen Seegangsbewegung durch. Mit der Kenntnis des Modells, als auch dessen Parametern
ist es die Aufgabe der Prognose eine Vorhersage der Seegangsbewegung für einen zukünftigen
Zeitpunkt zu berechnen.
[0045] Ziel der Modellidentifikation ist es die Grundstruktur des Modells der Seegangsbewegung
zu bestimmen. Die Bestimmung der notwendigen Anzahl der Moden N beruht dabei auf einer
online durchgeführten, diskreten Fourier-Analyse der gemessenen Seegangsbewegung zum
Zeitpunkt t
i und anschließender Auswertung. Hierzu werden die signifikanten Frequenzen der Seegangsbewegung
an Hand des Amplitudengangs ermittelt. Diese Auswertung des Amplitudengangs erfolgt
zur Laufzeit der Messung mittels der Spitzenerkennung. Neben der Anzahl der für die
Modellidentifikation zu verwendenden Moden N liefert die Spitzenerkennung die Frequenzen
ω
N der erkannten Moden und eine erste Schätzung des Vektors der Amplituden. Die Phasen
der Moden werden anschließend separat aus dem Phasengang der diskreten Fourier-Transformation
bestimmt. Wird das Modell mit diesen Parametern versehen, so liefert es die modellierte
Seegangsbewegung.
[0046] Unter Verwendung der erstellten Zustandsmodelle der Seegangsbewegung ist die gewünschte
Parameteradaption gleich einer Schätzung des aktuellen Systemzustands. Die Problemstellung
der Modellparametrierung kann folglich analog einer Beobachtungsaufgabe formuliert
werden. Ein Beobachter hat stets die Aufgabe aus den gemessenen Ausgangsgrößen einer
Strecke mit Sensorik den vollständigen Zustand dieser Strecke zu schätzen. Der gesuchte
Zustand wird dabei mit Hilfe eines Modells der Strecke bestimmt, das an Hand der Differenzen
zwischen den realen und simulierten Ausgangssignalen korrigiert wird.
[0047] Mit online vergleichenden Beobachtern kann dabei eine zutreffende Vorhersage der
gemessenen Seegangsbewegung für Prognosezeiträume von kleiner 2 s durchgeführt werden.
Wird zudem bedacht, dass die angestrebte Aufgabe der Prädiktion die Kompensation von
Totzeiten im Bereich von ca. 0,5 s ist, so bietet das vorgestellte Prognoseverfahren
die optimalen Voraussetzungen für diese Zielsetzung.
Im folgenden wird nun die Modellbildung der Tauchbewegung näher dargestellt:
[0048] Um die Tauchbewegung der Lastaufhängung vorhersagen zu können, gilt es diese Bewegung
zu modellieren. Wie auch schon bei der Messung der Bewegung des Schiffs angenommen
wurde, kann die Tauchbewegung als eine periodische Bewegung angesehen werden. Ihr
Modell wird somit aus einer überlagerung von N
M Sinusschwingungen, welche im Weiteren als Moden bezeichnet werden, gebildet. Dabei
wird jede Mode vollständig durch ihre Amplitude A
M,k, Kreisfrequenz ω
M,k und Phase ϕ
M,k beschrieben. Zudem ist dem Modell noch ein statischer Offset z
LA,off hinzuzufügen, da sich die Ruhelage der Tauchbewegung nicht im Ursprung der z-Achse
des Weltkoordinatensystems befinden muss. Die modellierte Tauchbewegung der Lastaufhängung
z
LA wird somit, mit der Wahl des Startzeitpunktes t
0 = 0, ohne Beschränkung der Allgemeinheit wie folgt beschrieben:
[0049] Da dieses Modell der Tauchbewegung, wie oben schon kurz angesprochen, in einem Zustandbeobachter
zum Einsatz kommen soll, ist es notwendig daraus ein Zustandsmodell zu erzeugen.
Lineares Zustandsmodell der Tauchbewegung
[0050] Für den linearen Beobachter wird eine Modellstruktur angestrebt, die der in Gleichung
5.2 dargestellten, allgemeinen Beschreibung eines linearen Systems ohne direkten Durchgriff
entspricht.
[0051] Dabei bezeichnet x den Vektor der Zustände des Systems der Ordnung n mit den Anfangsbedingungen
x
0 zur Zeit t
0, welche ohne die Allgemeingültigkeit zu beschränken zu Null gewählt sind. u steht
für die p Eingänge des Systems. Die Matrix A wird als Systemmatrix, B als Steuermatrix
und C als Messmatrix bezeichnet. y charakterisiert den Systemausgang, der aus m unterschiedlichen
Messsignalen besteht. Wird eine einzelne Mode z
LA,k aus Gleichung 5.1 als lineares Differentialgleichungssystem analog Gleichung 5.2
dargestellt, so ist diese als freie, ungedämpfte Schwingung zu modellieren. Mit der
Wahl der Zustände
resultiert ein autonomes System mit nur einem Ausgang, dessen Systemgleichung wie
folgt aufzustellen ist:
[0052] Der skalare Ausgang y
k beschreibt dabei die k-te Mode. Werden die einzelnen Moden aufaddiert und der statische
Offset als letzter Zustand der Systembeschreibung dem Modell hinzugefügt, so setzt
sich das lineare Modell der Tauchbewegung der Lastaufhängung wie folgt aus den einzelnen
Moden gemäß Gleichung 5.5 zusammen:
[0053] Dabei ist zu beachten, dass der Systemausgang y in Gleichung 5.6 so gewählt ist,
dass dieser die Tauchbewegung des Lastaufhängepunktes beschreibt.
[0054] Ein allgemeines, nichtlineares SISO-System ohne direkten Durchgriff wird als Zustandsmodell
durch folgendes Differentialgleichungssystem beschrieben:
[0055] Dabei steht n für die Ordnung des Systems mit dem Ausgang y. Die Zustände x und ihre
Anfangsbedingungen x
0 befinden sich dabei in dem natürlichen Arbeitsraum eines nichtlinearen Systems M
n, der durch die n-dimensionale Mannigfaltigkeit beschrieben wird. Der Eingang des
Systems u liegt dabei in der zulässigen Menge der Eingangsfunktionen U
1. Die Dynamik des Systems wird durch das Vektorfeld f(x) beschrieben, welches somit
das nichtlineare Analogon der Systemmatrix A der linearen Systeme ist. h(x) steht
für die Ausgangsfunktion des Systems und kann mit der Messmatrix C der linearen Systeme
verglichen werden. Soll die Tauchbewegung des Lastaufhängepunktes gemäß der Gleichung
5.1 in der gerade beschriebenen Form angegeben werden, so empfiehlt es sich wiederum
zunächst nur eine einzelne Mode zu betrachten. Mit der nachfolgend gewählten Definition
der Zustände
ergibt sich das autonome nichtlineare Modell der k-ten Mode zu:
[0056] Das vollständige, nichtlineare Modell der Tauchbewegung des Lastaufhängepunktes resultiert
wiederum aus der Zusammenführung der Modelle der Einzelmoden aus Gleichung 5.10 und
der Einführung eines Offset-Zustands. Wird dieser als letzter und somit 3N
M +1-ster Zustand in das Modell eingebunden, so lautet die Beschreibung des Gesamtsystems
wie folgt:
[0057] Der einzige Ausgang des Gesamtsystems ist dabei so gewählt, dass dieser die Tauchbewegung
der Lastaufhängung beschreibt.
Modellidentifikation und Vorparametrierung
[0058] Ziel der Modellidentifikation ist es die Grundstruktur des Modells der Tauchbewegung
zu bestimmen. Da diese bis auf die Anzahl der Moden bereits vorgegeben ist, gilt es
lediglich deren Anzahl zu ermitteln. Die Vorparametrierung des Modells hat die Aufgabe
die Parameter des identifizierten Modells möglichst zutreffend anzupassen.
[0059] Wird Gleichung 5.1 betrachtet, so ist die Tauchbewegung mit der Kenntnis der Parameter
N
M, A
M,k, ω
M,k, ϕ
M,k und z
LA,off vollständig beschrieben. Die Anzahl der zu bestimmenden Parameter ergibt sich somit
zu 3N
M + 2. Damit ist sie linear abhängig von der Anzahl der Sinusschwingungen, welche zur
Nachbildung der Tauchbewegung benötigt werden. Die Ermittlung von N
M ist folglich die erste und wichtigste Aufgabe, da sie der Modellidentifikation gleicht.
Ist die Anzahl der Moden, und somit das Modell der Tauchbewegung erst einmal bekannt,
so können nach und nach die restlichen 3N
M +1 Parameter adaptiert werden.
[0060] Die Identifikation und Vorparametrierung des Modells der Tauchbewegung wird an Hand
der gemessenen, vertikalen Bewegung des Lastaufhängepunktes durchgeführt. Die strukturelle
Vorgehensweise ist in Figur 5 dargestellt. Die Bestimmung der notwendigen Anzahl der
Moden N
M beruht dabei auf einer online durchgeführten, diskreten Fourier-Analyse der gemessenen
Tauchbewegung zum Zeitpunkt t
i und anschließender Auswertung.
[0061] Die signifikanten Frequenzen der Tauchbewegung werden an Hand des Amplitudengangs
ermittelt. Diese Auswertung des Amplitudengangs erfolgt zur Laufzeit der Messung mittels
der Spitzenerkennung. Neben der Anzahl der für die Modellidentifikation zu verwendenden
Moden N
M,DFT liefert die Spitzenerkennung die Frequenzen der erkannten Moden ω
M,DFT,k die zu dem Vektor ω
M,DFT zusammengefasst sind, und eine erste Schätzung des Vektors der Amplituden A
M,DFT. Die Phasen der Moden ϕ
M,DFT werden anschließend separat aus dem Phasengang der diskreten Fourier-Transformation
bestimmt. Wird das Modell mit diesen Parametern versehen, so liefert es die modellierte
Tauchbewegung im Zeitbereich zwischen t
0 und T, welche mit z
LA,DFT bezeichnet ist.
[0062] Mittels diskreter Fourier-Transformation (DFT) wird aus z
LA(t) über das zeitdiskrete Signal z
La,n der Amplitudengang A
DFT,i und der Phasengang φ
DFT,i bestimmt. Z.B. kann die diskrete Fourier-Transformation alle 10 s auf die reale Tauchbewegung
der Lastaufhängung angewandt werden.
Spitzenerkennung
[0063] Das mit der diskreten Fourier-Transformation online bestimmte Amplitudenspektrum
der Tauchbewegung des Lastaufhängepunktes gilt es nun mit Hilfe der Spitzenerkennung
auszuwerten. Dabei können nahezu alle Informationen, die zur Identifikation und Vorparametrierung
des Modells der Tauchbewegung notwendig sind, daraus gewonnen werden.
Ziele der Spitzenerkennung
[0064] Die Hauptaufgabe der Spitzenerkennung ist es das Zustandsmodell der Tauchbewegung
zu identifizieren.
[0065] Dies umfasst die folgenden Ziele:
- Online-Identifikation des Modells der Tauchbewegung
- Bestimmung der Anzahl der Moden NM,SE
- Modellbildung unter Berücksichtigung der maximalen Anzahl der Moden NM,Max
- Online-Parametrierung des Modells der Tauchbewegung
- Bestimmung der Amplituden AM,DFT der Moden
- Bestimmung der Kreisfrequenzen ωM,DFT der Moden
[0066] Die Problemstellung der Detektion der Moden wird beispielhaft durch eine auf den
Amplitudengang angewandte MiniMax-Aufgabe mit Nebenbedingung gelöst. Als Nebenbedingung
kommt dabei eine so genannte Grenzfolge zum Einsatz. Sie bestimmt die minimale Amplitude,
welche ein Maximum überschreiten muss, damit dieses als Mode erkannt wird. Die Festlegung
der Amplitude der Grenzfolge A
DFT,Grenz,i erfolgt dabei adaptiv in Abhängigkeit des jeweiligen Amplitudenspektrums der aktuellen
Tauchbewegung gemäß nachfolgender Gleichung:
[0067] Strukturell berechnet sich diese somit aus einer Offsetverschiebung und einer Mittelwertbildung.
Die Offsetverschiebung definiert eine über das gesamte Frequenzspektrum konstante,
minimale Amplitude der Grenzfolge. Sie bildet sich aus dem Produkt zwischen dem frei
wählbaren Entwurfsparameter c
Grenz und dem absoluten Maximum des Amplitudengangs A
DFT,Max, welches analog Gleichung 5.24 bestimmt wird.
[0068] Der zweite Teil ist eine gleitende Mittelwertbildung angewandt auf ein beschränktes
Frequenzband des Amplitudenspektrums. Der hierfür verwendete Filter ist dabei ähnlich
den bei der Bildverarbeitung eingesetzten Filtern entworfen. Da es auf Grund der Mittelwertbildung
nicht möglich ist die ersten vier Amplitudenwerte der Grenzfolge analog der aufgezeigten
Gleichung zu berechnen, sind diese separat zu bestimmen. Der Einfachheit halber wurden
diese entsprechend der letzten bestimmbaren Amplitude gewählt, womit sich die Anfangswerte
der Grenzfolge zu
ergeben. Die lokalen Maxima des Amplitudengangs der Tauchbewegung werden durch eine
diskrete Differentiation dieses ermittelt. Eine Spitze des Amplitudengangs an der
Stelle i wird somit als solche erkannt, wenn gilt:
[0069] Überschreitet die Amplitude der so detektierten Spitze zudem die Amplitude der Grenzfolge,
ist diese als Mode M
SE,i erkannt. Die Menge aller Moden M
M,SE bestimmt sich somit wie folgt:
[0070] Die zu bestimmende Anzahl der Moden N
M,SE kann nun aus der Kardinalität der Menge M
M,SE ermittelt werden.
Ist die Anzahl der detektierten Moden N
M,SE bestimmt, so gilt es zu überprüfen, ob diese kleiner oder gleich der gewählten maximalen
Anzahl der Moden N
M,Max ist. Tritt dieser Fall ein, so ist ein Modell der Tauchbewegung zu verwenden, das
N
M,SE Moden berücksichtigt. Ansonsten wird die Anzahl der berücksichtigten Moden auf N
M,Max begrenzt, womit sich die für die Modellbildung verwendete Anzahl der Moden N
M,DFT folgendermaßen bestimmt:
[0071] Werden zur Modellierung der Tauchbewegung die Modelle nach Gleichung 5.1, 5.6 bzw.
5.11 verwendet, so sind diese mit der Kenntnis der zu berücksichtigenden Anzahl der
Moden vollständig identifiziert.
[0072] Die Vorparametrierung der Modelle ist nun mit der Menge der für die Modellidentifikation
verwendeten Moden M
M,DFT durchzuführen. Diese ist gleich der Menge der detektierten Moden M
M,SE, falls N
M,SE ≤ N
M,Max ist. Ansonsten ist sie diejenige Teilmenge, welche die N
M,Max Moden mit der größten Amplitude enthält.
[0073] Die Amplitude der k-ten Mode A
M,SE,k ist dabei durch dessen Wert im Amplitudengang bestimmt. Wie schon bei der Einführung
des Amplitudengangs erklärt, ist sie im Frequenzspektrum auf zwei Punkte mit identischer
Höhe verteilt. Sie ergibt sich somit zu
und die Amplituden der Moden des Modells zu
[0074] Die Selektion der dominanten Moden wird, im Rahmen der vorliegenden Arbeit, durch
einen auf die Amplituden der Moden angewandten Sortieralgorithmus durchgeführt. Dabei
gilt zu beachten, dass durch das Umsortieren der Moden die Zuordnung zwischen der
Amplitude, Frequenz und Phase einer Mode nicht verloren geht. Als letzte Aufgabe der
Spitzenerkennung gilt es noch die Kreisfrequenzen ω
M,DFT der Moden zu ermitteln. Diese werden an Hand der Frequenzachse des Amplitudenspektrums
mit folgender Umrechnung bestimmt:
Bestimmung des statischen Offsets
[0075] Für die Bestimmung des statischen Offsets der Tauchbewegung des Lastaufhängepunktes
ist wiederum der online ermittelte Amplitudengang dieser Bewegung heran zu ziehen.
Der Gleichanteil der für die diskrete Fourier-Transformation bereitgestellten Folge
der Messdaten entspricht dabei dem ersten Wert des Amplitudengangs. Für die mathematische
Begründung ist Gleichung 5.16 zu verwenden. Wird i zu Null gewählt, womit der erste
Wert des Amplitudengangs berechnet wird, resultiert:
[0076] Dies entspricht dem arithmetischen Mittel der aufsummierten Folge der Messdaten und
somit dem statischen Offset der Tauchbewegung im betrachteten Zeitintervall.
Phasenbestimmung
[0077] Die Bestimmung der Phasen der einzelnen Moden schließt die Vorparametrierung des
Modells der Tauchbewegung ab. Sie werden durch Auswertung des Phasengangs ermittelt.
[0078] Für die Bestimmung der Phase ist eine Rücktransformation der Bildfolge in den Zeitbereich
durchzuführen. Wird die komplette Bildfolge der gemessenen Tauchbewegung z
LA,i durch Anwendung der Transformationsvorschrift nach Gleichung 5.15 in den Zeitbereich
überführt, so resultiert der Startwert der Tauchbewegung z
LA,0 zu:
[0079] Für eine einzelne Mode vereinfacht sich dieser Ausdruck gravierend und lässt sich
letztendlich in Abhängigkeit eines einzigen Wertes des Amplitudengangs ADFT,i und
des Phasengangs ϕ
DFT,i darstellen. Diese Vereinfachung basiert auf der Eigenschaft, dass im Bildbereich
der Fourier-Transformation eine reine Sinusschwingung durch ein komplex konjugiertes
Zahlenpaar beschrieben wird, dessen Werte an der i-ten und N
DFT - i-ten Position der Folge lokalisiert sind. Zur Verdeutlichung der weiteren Schritte
ist dieses Zahlenpaar in Figur 6 (Darstellung des i-ten Werts der Bildfolge und dessen
komplex konjugiertem Wert an der Stelle N
DFT - i) dargestellt.
[0080] Die Startwerte z
LA,0,k der N
M,DFT Moden werden somit durch nachfolgende Gleichungen bestimmt:
[0081] Werden die auf diese Weise bestimmten Startwerte der Moden der Tauchbewegung mit
den folgenden Startwerten
aus Gleichung 5.1 verglichen, so resultieren die gesuchten Phasen der Moden ϕ
M,DFT zum Zeitpunkt t
0 zu
Beobachtergestützte Adaption der Modellparameter
[0082] Für die Adaption von Amplitude, Phase und ggf. der Frequenz werden beobachtergestützte
Ansätze verfolgt. Ein Beobachter hat stets die Aufgabe aus den gemessenen Ausgangsgrößen
einer Strecke mit Sensorik den vollständigen Zustand dieser Strecke zu schätzen. Der
gesuchte Zustand x wird dabei mit Hilfe eines Modells der Strecke bestimmt, das an
Hand der Differenzen zwischen den realen y und simulierten ^y Ausgangssignalen korrigiert
wird. In Figur 7 ist dabei ein Signalflussdiagramm eines solchen Beobachters gezeigt.
Linearer Beobachterentwurf
[0083] Der lineare Beobachterentwurf basiert auf dem Zustandsmodell der Tauchbewegung nach
Gleichung 5.6. Das lineare Kalman-Bucy-Filter zählt zu den am meisten verwendeten
Beobachtern welche auf der Struktur des Luenberger-Beobachters aufbauen. Für den Beobachterentwurf
müssen das Systemrauschen w(t) und das Messrauschen v(t) berücksichtigt werden, womit
folgendes Modell für den Entwurfsprozess zu verwenden ist:
[0084] Dabei wird vorausgesetzt, dass die Rauschsignale stationär, mittelwertfrei, normalverteilt
und zugleich unkorreliert sind. Für dieses Rauschen gilt
womit die Kovarianzmatrizen Q und R eindeutig durch die Rauschsignale beschreiben
werden. Diese ergeben sich zu konstanten, symmetrischen Matrizen. Damit ergeben sich
die folgenden Gleichungen für den Beobachter:
[0085] Die Korrekturmatrix L des linearen Kalman-Bucy-Filters berechnet sich durch Lösen
des nachfolgenden quadratischen Gütekriteriums:
[0086] Das Modell des linearen Kalman-Bucy-Filters ist dann:
[0087] Die einzelnen Blockmatrizen, aus denen die Systemmatrix A und die Messmatrix C aufgebaut
sind, lauten analog Gleichung 5.5:
[0088] Als Ausgang der Strecke y wird die Teilfolge der gespeicherten Messdaten der Tauchbewegung
verwendet, die dem gewählten Beobachtungsintervall entspricht, womit
ist.
[0089] Für ein rasches Einschwingverhalten des Beobachters sind diesem möglichst zutreffende
Anfangsbedingungen ^x
0 für den Zeitpunkt t
0,Obs zu übergeben. Diese berechnen sich aus den mit der diskreten Fourier-Transformation
bestimmten Parametern der einzelnen Moden und dem statischen Offset wie folgt:
Mit:
[0090] Für die Berechnung von L werden nun die Entwurfsparameter Q und R symmetrisch und
positiv definit gewählt. Ihre Dimensionen ist dabei durch die Anzahl der Systemzustände
und der Ausgänge des Beobachtermodells bestimmt. Folglich ist Q als eine (2N
M,DFT + 1 ×2N
M,DFT + 1)-Matrix und R als ein Skalar zu wählen. Werden nur die Diagonalelemente der Kovarianzmatrix
Q beschrieben, kann auf Grund der vorherrschenden Struktur der Systemmatrix A die
Dynamik der Fehlerkorrektur für jede Mode separat vorgegeben werden. Je größer die
Spur der k-ten Blockmatrix Q k gewählt wird, desto schneller erfolgt eine Korrektur
der entsprechenden Abweichungen der Zustände ^x
k der Mode. Der Entwurfsparameter R beeinflusst hingegen die Dynamik aller Zustände
gleichermaßen. Je kleiner R gewählt wird, desto dynamischer reagiert der Beobachter
auf Abweichungen zwischen der gemessenen und simulierten Tauchbewegung.
[0091] Die für die Schätzung der einzelnen Moden der Tauchbewegung verwendete Kovarianzmatrix
Q dieser Arbeit ist gemäß nachfolgender Gleichung aufgebaut.
[0092] Die einzelnen Blockmatrizen Q
k sind wiederum als Diagonalmatrizen aufgebaut und bestimmen sich wie folgt:
[0093] Der Faktor c
k der Kovarianzmatrizen Q
k wird in Abhängigkeit der Kreisfrequenz der zugehörigen Mode bestimmt.
Nichtlinearer Beobachterentwurf
[0094] Für den nichtlinearen Beobachterentwurf ist das Zustandsmodell der Tauchbewegung,
wie es in Gleichung 5.11 angegeben ist, zu verwenden. Das Erweiterte Kalman-Filter
ist eine für nichtlineare Systeme erweiterte Variante des linearen Kalman-Bucy-Filters.
Als Basis des Beobachterentwurfs ist somit das nichtlineare SISO-System nach Gleichung
5.7 wie folgt zu formulieren:
[0095] Die Beschreibung der Kovarianzmatrizen Q und R erfolgt dabei wiederum gemäß der Gleichungen
5.56 und 5.57 durch die Rauschprozesse, welche als stationär, mittelwertfrei, normalverteilt
und zugleich unkorreliert angenommen werden.
[0096] Ist das System- oder Messrauschen nicht bekannt, so sind diese beiden Matrizen als
Entwurfsparameter zu verwenden. Das zu Gleichung 5.95 gehörige Erweiterte Kalman-Filter
wird durch nachfolgendes, nichtlineares Differentialgleichungssystem beschrieben:
[0097] Für diese Beobachterdifferentialgleichung, mit dem rauschfreien Simulationsteil und
dem Korrekturteil r, gilt es die zeitvariante Korrekturmatrix L(t) zu bestimmen. Diese
errechnet sich in Abhängigkeit der Kovarianzmatrizen Q und R aus nachfolgender Matrix-Riccati-Differentialgleichung.
[0098] Mit der Wahl der Anfangsbedingung P
0 der Kovarianzmatrix P zu
ist das Erweiterte Kalman-Filter vollständig bestimmt.
[0099] Für die Realisation des Erweiterten Kalman-Filters ist es folglich erforderlich die
n nichtlinearen Filtergleichungen zu integrieren. Zudem sind für die Bestimmung der
Korrekturmatrix die Jacobi-Matrizen H(t) und F(t) zu berechnen, als auch die n(n+
1)/2 Differentialgleichungen der symmetrischen Kovarianzmatrix P zu lösen. All dies
hat online zu erfolgen, wodurch der benötigte Rechenaufwand mit der Ordnung des Systems
stark zunimmt. Die Filter-Differentialgleichungen nach 5.98 ergeben sich durch einsetzen
des online identifizierten, nichtlinearen Modells der Tauchbewegung 5.11 zu:
[0100] Die einzelnen Vektorfelder f(x
k) der N
M,DFT detektierten Moden und die Ausgangsfunktionen h
k(x
k) sind dabei analog Gleichung 5.10 zu beschreiben.
[0101] Zudem berechnen sich die Anfangsbedingungen der Filtergleichung 5.102 mit den mittels
der diskreten Fourier-Transformation bestimmten Parametern der Moden zu:
[0102] Mit:
[0103] Für die Berechnung der zeitvarianten Korrekturmatrix L(t) sind die ebenfalls zeitvarianten
Jacobi-Matrizen H(t) und F(t) aus dem Zustand des Beobachters ^x kontinuierlich nach
zu bestimmen. Die Blockmatrizen H
k des Systemausgangs und die diagonal angeordneten Blockmatrizen F
k sind wie nachfolgend beschrieben aufgebaut.
[0104] Zuletzt sind noch die Entwurfsparameter des Erweiterten Kalman-Filters vorzugeben.
Diese bestehen aus den Kovarianzmatrizen Q und R, welche symmetrisch und positiv definit
zu wählen sind. Zudem gilt es eine geeignete Anfangsbedingung für P
0 festzulegen. Q wird folglich wiederum als eine Diagonalmatrix angesetzt, dessen Einträge
je nach Frequenz der zugehörigen Mode gewichtet werden. Die Struktur der Kovarianzmatrix
Q, wie sie in Gleichung 5.110 angegeben ist, gleicht damit der im linearen Fall eingesetzten
Matrix Q.
Die einzelnen Blockmatrizen Q
k unterscheiden sich jedoch durch ihre Anzahl von Elementen, da das nichtlineare Modell
der Tauchbewegung drei Zustände pro Mode besitzt. Als Diagonalmatrix angesetzt ergeben
sich diese zu:
[0105] Zuletzt gilt es noch eine geeignete Anfangsbedingung für die Matrix-Riccati-Differentialgleichung
P
0 vorzugeben. Diese bildet sich gemäß Gleichung 5.101 aus der erwarteten Abweichung
zwischen dem Zustand des Beobachters und dem realen System. Unter Verwendung der Fehlerabschätzungen
der Modellidentifikation ist diese wie folgt
mit den Abschätzungen der einzelnen Zustandsfehler ~x
0,k der Moden
[0106] Die Berechnung der Parameter der Moden erfolgt invers zur Berechnung des Anfangszustands
^x
0 des linearen, als auch des nichtlinearen Zustandsmodells. Dabei wird als Berechnungsgrundlage
der geschätzte Zustand des Modells ^x(T) zum Zeitpunkt T, also der Gegenwart, verwendet.
Dieser wird über das gesamte Zeitintervall der Beobachtung von t
0,Obs ≤ t ≤ T an Hand der neuesten Messdaten der Tauchbewegung adaptiert. Somit werden
alle bis zu diesem Zeitpunkt auftretenden Veränderungen in der Dynamik der Tauchbewegung
berücksichtigt.
[0107] Im linearen Fall sind die zwei Zustände des k-ten Modes nach Gleichung 5.61 wie folgt
definiert:
Werden die beiden Gleichungen zum Zeitpunkt T nach ϕ
M,Obs,k und A
M,Obs,k aufgelöst, so resultiert:
[0108] Dabei gilt zu beachten, dass der Arcustangens nur in einem Intervall zwischen ±π
eindeutig definiert ist, womit eine Fallunterscheidung zur Bestimmung der Phasen notwendig
wird. Soll zudem die mögliche Division durch Null bei der Implementierung abgefangen
werden, so ist die Phase wie folgt zu berechnen:
[0109] Mit:
[0110] Dabei bezieht sich die Phase der Moden ϕ
M,Obs,k, konsistent der Modellbildung der Tauchbewegung, auf den Zeitpunkt t
0. Als letzter Parameter, der mit dem linearen Kalman-Bucy-Filter parametriert werden
kann, ist der stationäre Offset der Tauchbewegung zu bestimmen. Dieser wird durch
den 2N
M,DFT + 1-sten Zustand des Beobachtermodells beschrieben und ermittelt sich folglich gemäß
nachstehender Gleichung.
[0111] Wie bereits erwähnt ist es mit dem linearen Beobachterentwurf nur möglich eine beobachtergestützte
Adaption der Amplituden A
M,Obs, der Phasen ω
M,Obs und des statischen Offsets z
LA,Obs zu erreichen. Die Kreisfrequenzen sind somit für die nachfolgende Prognose der Tauchbewegung
weiterhin vom Identifikationsverfahren mittels der diskreten Fourier-Transformation
zu übernehmen. Für eine vollständige, beobachtergestützte Parametrierung des Modells
der Tauchbewegung ist der nichtlineare Ansatz zu verwenden. Unter Verwendung des vorgestellten,
nichtlinearen Beobachters werden die Parameter der Moden analog dem linearen Fall
berechnet.
[0112] Nach Gleichung 5.102 sind die Zustände des erweiterten Kalman-Filters wie unten dargestellt
definiert.
[0113] Die für die Prognose der Tauchbewegung zu verwendenden Parameter A
M,Obs,k, ω
M,Obs,k, ϕ
M,Obs,k und z
LA,Obs sind somit in nachfolgend angegebener Reihenfolge zu berechnen.
[0114] Dabei ist bei der Invertierung des Tangens wiederum die in den Gleichungen 5.121ff.
angegebene Falluntersheidung zu berücksichtigen.
[0115] Ein Ausführungsbeispiel eines Steuersystems, in welchem die oben dargestellten Mess-
und Prognoseverfahren zur Ansteuerung des Hubwerkes eines Kranes eingesetzt werden,
wird nun im folgenden kurz dargestellt:
[0116] Offshore-Anlagen führen während rauer Meeresbedingungen zu strengen Anforderungen
bezüglich Sicherheit und Wirkungsgrad des betroffenen Kransystems. Daher wird ein
Seegangsfolgesystem, das auf einer Prognose der Seegangsbewegung und einer inversionsbasierten
Steuerstrategie beruht, vorgeschlagen. Das Steuerziel besteht darin, die an einem
Seil hängende Nutzlast in einem erdfesten Koordinatensystem einer erwünschten Referenzbahn
folgen zu lassen, ohne dass sie durch die Seegangsbewegung des Schiffs oder Wasserfahrzeugs
beeinflusst wird. Daher wird eine Kombination aus einem Steuergerät, das die Störung
der Bahnverfolgung abkoppelt, und einem Prognosealgorithmus vorgestellt und mit Simulations-
und Messergebnissen ausgewertet.
[0117] Heutzutage gewinnen Offshore-Anlagen, wie Unterwasserfördersysteme für Öl und Gas
oder Windparks, zunehmend an Bedeutung. Die Verarbeitungseinrichtungen für die Ausbeute
von Öl- und Gasfeldern sind bereits auf dem Meeresboden installiert. Daher ist die
Zugriffsmöglichkeit für Wartung, Reparatur und Ersatz verglichen mit schwimmenden
oder festen Förderplattformen geringer. Das Betreiben solcher Anlagen führt bei dem
betroffenen Kransystem (siehe Fig. 1) zu strengen Anforderungen bezüglich Sicherheit
und Wirkungsgrad. Das Hauptziel besteht darin, den Betrieb während rauen Meeresbedingungen
sicherzustellen, um Ausfallzeiten zu minimieren. Ferner ist die Sicherheit der Arbeiter
an Bord wesentlich. Es kann zu Situationen kommen, bei denen die Steuerung der Nutzlast
verloren geht.
[0118] Neben dem Navigations-/Positionierproblem führen die durch Wellen ausgelösten Bewegungen
des Schiffs/Wasserfahrzeugs zu kritischer Zugspannung des Seils. Die Zugspannung sollte
nicht unter null liegen, um Situationen mit schlaffem Seil zu vermeiden. Der Spitzenwert
darf einen Sicherheitsgrenzwert nicht überschreiten. Daher werden Seegangsfolgesysteme
genutzt, um die Betriebsbereitschaft von Offshore-Anlagen während rauer Meeresbedingungen
zu verbessern. Zudem kann die vertikale Bewegung der Nutzlast signifikant verringert
werden, was eine exakte Positionierung der Last möglich macht.
[0119] Die vorliegende Erfindung gibt ein Seegangsfolgesystem an die Hand, das auf der Prognose
der Bewegung des Schiffs/Wasserfahrzeugs sowie auf einer inversionsbasierten Steuerstrategie
beruht. Grundsätzlich gibt es zwei Anforderungen an die Folgesysteme für Offshore-Kräne.
Die erste besteht darin, die Last einer erwünschten Referenzbahn folgen zu lassen,
die aus den Handhebelsignalen des Bedieners in einem erdfesten Bezugskoordinatensystem
erzeugt wird. Die Last sollte sich in diesem Koordinatensystem bei der zugewiesenen
Referenzgeschwindigkeit abgekoppelt von der durch Wellen ausgelösten Bewegung des
Schiffs bewegen. Die zweite Anforderung ist ein modularer Kran mit Seegangsfolge.
D.h. die für Offshore-Anlagen verwendeten Kransysteme können auf vielen verschiedenen
Arten von Schiffen oder Wasserfahrzeugen aufgebaut werden. Zudem muss der Schätz-
und Prognosealgorithmus für die vertikale Bewegung des Schiffs/Wasserfahrzeugs von
der Art des Schiffs/Wasserfahrzeugs unabhängig sein.
[0120] Hierfür wird das dynamische Modell des Systems, das aus dem hydraulischen Aktor (Winde)
und dem nachgiebigen Seil besteht, abgeleitet. Beruhend auf diesem Modell wird ein
linearisierendes Steuergesetz formuliert. Zum Stabilisieren des Steuersystems wird
ein Regler abgeleitet. Fig. 8 zeigt den allgemeinen Steueraufbau.
[0121] Weiterhin wird die Schätzung und Prognose der Bewegung des Schiffs/Wasserfahrzeugs
vorgestellt. Daher wird ein Modell formuliert, das auf den vorherrschenden Moden der
Seegangbewegung beruht. Die Moden werden durch eine Fast-Fourier-Transformation und
einen Spitzendetektionsalgorithmus erhalten. Die Schätzung und Prognose erfolgt durch
einen Kalmanfilter. Es werden Simulations- und Messergebnisse dargestellt.
Das dynamische Modell
[0122] Das vorliegend betrachtete Seegangsfolgesystem besteht im Grunde aus einer hydraulikbetriebenen
Winde, einer kranartigen Struktur und der an einem Seil hängenden Last. Zum Modellieren
des Systems wird angenommen, dass die Kranstruktur ein steifer Körper ist. Die von
einem Seil hängende Nutzlast kann durch ein Feder-Masse-Dämpfer-System approximiert
werden (siehe Fig. 9).
[0123] Zum Approximieren des nachgiebigen Seils muss die äquivalente Masse
meq und die Steifheit der Feder
crope berechnet werden. Mit Hilfe des Hook'schen Gesetzes kann die Verformung ε(
z) für ein Seil bei einer willkürlichen Position
z erhalten werden aus:
σ (
z) ist die Zugspannung des Seils,
E ist das Young'sche Modul,
F(
z) die auf das Seil an der Position
z wirkende statische Kraft,
Arope die Schnittfläche des Seils,
g die Gravitationskonstante,
depth der Abstand der Last zum Meeresspiegel,
ml,rope und
mload die Masse des Seils pro Meter bzw. die Masse der Nutzlast.
[0124] Die Ausdehnung des gesamten Seils Δ
lR wird mit Hilfe von Gleichung (2) erhalten.
[0125] Eine Auswertung (2) ergibt
[0126] Mit Hilfe des Verfahrens von Newton/Euler wird die Differenzialgleichung zweiter
Ordnung für die Bewegung der an einem Seil hängenden Nutzlast erhalten (siehe (4)).
Die Lastschwingungen werden durch Windenbeschleunigungen ϕ̈
W und die zweite Ableitung der Seegangsbewegung
ẅ beendet.
[0127] Der Aktor für das Seegangsfolgesystem ist die hydraulikbetriebene Winde. Die Dynamik
dieses Aktors kann mit einem System erster Ordnung approximiert werden.
ϕ̈W und ϕ̇
W sind die Winkelbeschleunigung bzw. Geschwindigkeit der Winde,
TW die Zeitkonstante,
Vmot,W das Volumen des Hydraulikmotors,
uW die Eingangsspannung des Servoventils und
KV,W die proportionale Konstante der Strömrate zu
uW .
Die Steuerstrategie
[0128] Um ein Steuergesetz abzuleiten, wird das dynamische Modell des Systems in folgender
Form abgeleitet. Die Störgröße
d wird als die 4. Ableitung der Seegangsbewegung definiert. Somit ist der relative
Grad des Systems gleich dem relativen Grad der Störgröße und eine Abkopplung der Störgröße
durch Isidori ist möglich.
[0129] Mit den Zuständen
x = [
lR l̇R ϕ
W ϕ̇
W ẅ
]
T, Gleichung (4) und (5) sowie der Modellausweitung werden die dynamischen Gleichungen
wie folgt erhalten
[0130] Zum Prüfen der Flachheitseigenschaft des vorgeschlagenen Modells des Systems muss
der relative Grad ermittelt werden.
Relativer Grad
[0131] Der relative Grad bezüglich der Ausgabe des Systems wird durch die folgenden Bedingungen
definiert
[0132] Der Operator
Lf stellt die Lie-Ableitung entlang des Vektorfelds
f bzw
. Lg entlang des Vektorfelds
g dar. Mit der Ausgabe
y wird ein relativer Grad
r = 4 erhalten. Der relative Grad der Störgröße wird durch Verwenden von (8) mit dem
Vektorfeld
p anstelle von
g mit
rd = 4 erhalten. Da die Ordnung des Systems
n = 6 beträgt, liegt eine interne Dynamik zweiter Ordnung vor und
y ist keine flache Ausgabe. Es kann gezeigt werden, dass diese interne Dynamik das
Störgrößenmodell ist. In unserem Fall besteht die interne Dynamik aus einer doppelten
Integratorkette. Das bedeutet, dass die interne Dynamik instabil ist. Somit ist das
Lösen der internen Dynamik durch Online-Simulation unmöglich. Doch für den hier gegebenen
Anwendungsfall können nicht nur die Störgröße
d =
, sondern auch die Zustände
x5 =ẅ und
x6 =
durch das später erläuterte Verfahren geschätzt und prognostiziert werden. Dies macht
die Simulation der internen Dynamik unnötig und es kann ein bahnverfolgendes und die
Störgröße abkoppelndes Steuergerät abgeleitet werden.
Das Bahnfolge-Steuergerät
[0133] Das die Störgröße abkoppelnde Bahnfolge-Steuergerät kann beruhend auf dem Verfahren
der Linearisierung von Eingabe/Ausgabe formuliert werden.
[0134] Zum Stabilisieren des sich ergebenden gesteuerten Systems wird ein Regelungsterm
hinzugefügt. Der Term (Gleichung (10)) gleicht den Fehler zwischen den Bezugsbahnen
yref und den Ableitungen der Ausgabe
y aus.
[0135] Die Verstärkungen der Rückführungswerte
ki werden durch das Polzuweisungsverfahren erhalten. Der Steuerungsaufbau wird in Fig.
8 veranschaulicht.
Die Schätzung und Prognose der Seegangbewegung
[0136] Der erste Teil dieses Abschnitts macht einen Vorschlag, wie die gesamte Bewegung
des Schiffs/Wasserfahrzeugs durch Messen mit einer Inertialplattform (Initial Measurement
Unit (IMU)) geschätzt werden kann. Als ausschlaggebende Forderung sollten für diese
Schätzung alle schiffspezifischen Informationen verwendet werden. Der zweite Teil
erläutert ein Kurzzeit-Prognoseproblem. Hier wird nur die Seegangsbewegung der Krane
prognostiziert. Dies verringert die Komplexität von 6 Freiheitsgraden auf nur einen,
ohne erforderliche Informationen zu verlieren. Wie vorstehend gewünscht ist die Prognose
ebenfalls vollständig unabhängig von einem Schiffsmodell.
Messung von Schiffsbewegung
[0137] Das als starrer Körper geltende Schiff/Wasserfahrzeug weist 6 Freiheitsgrade auf.
Mit einer IMU kann die Verlagerung des Schiffs aus dem stabilen Zustand mit hoher
Präzision gemessen werden. Diese kostengünstigen eigenständigen Bewegungssensoren
weisen 3 Beschleunigungsmesser zum Messen von Brandung, Schaukeln und Seegang sowie
3 Drehratensensoren für Rollen, Stampfen und Gieren auf. Zum Erhalten der erwünschten
relativen Position des Schiffs sind eine doppelte Integration der Beschleunigungssignale
und eine einfache Integration der Drehsignale erforderlich. Zum Reduzieren typischer
Fehler wie Sensorrauschen, Bias und Fehlausrichtung der Beschleunigungsmesser und
zum Sicherstellen einer stabilen Integration können die Signale aufbereitet werden.
[0138] Wenn die IMU nicht an dem Aufhängungspunkt der Nutzlast befestigt wird, führt eine
einfache Transformation zwischen dem Koordinatensystem des Sensors und dem Koordinatensystem
des Aufhängungspunkts der Nutzlast zu der erwünschten Seegangsbewegung.
Prognose des Bewegens des Aufhängungspunkts der Nutzlast
[0139] Die Tatsache, dass die Bewegung des Aufhängungspunkts der Nutzlast nicht restlos
chaotisch ist, sondern von der Dynamik des Schiffs und der Meeresbedingung abhängt,
ermöglicht das Berechnen einer Prognose seiner Bewegung. Es ist sogar eine Kurzzeit-Prognose
ohne jegliche Kenntnisse der Eigenschaften des Schiffs möglich.
[0140] Die Hauptidee dieses Prognoseverfahrens ist das Detektieren der periodischen Komponenten
der gemessenen Seegangsbewegung und das Verwenden derselben zum Berechnen der künftigen
Seegangsentwicklung. Daher wird die gemessene Seegangsbewegung
w(
t) zwischen zwei Zeitpunkten
t0 und
T in einen Satz von
N Sinuswellen, die so genannten Moden, und einen zusätzlichen willkürlichen Term
u(
t) zerlegt. Dies ergibt ein Seegangsbewegungsmodell, das beschrieben wird durch:
wobei
Ai die Amplitude ist,
fi die Frequenz und ϕ
i die Phase der
i-ten Mode ist. Das Ziel der Prognose ist das Schätzen, wie viele Moden für eine präzise
Vorhersage der Länge
TPred erforderlich sind, und das Anpassen der drei Parameter für jede Mode.
[0141] Der Aufbau des Prognoseverfahrens wird in Fig. 10 dargestellt. Zunächst wird eine
Fast-Fourier-Transformation (FFT) an der gemessenen Seegangsbewegung w(t) angelegt.
Die analysierte Länge und Abtastzeit des Eingangssignals werden so gewählt, dass die
maximale Frequenz der Seegangsbewegung detektiert werden kann und die erwünschte Auflösung
der Frequenzen erreicht wird. Die Spitzen der sich ergebenden Amplitudenreaktion über
Frequenz A(f) werden dann durch einen Spitzendetektor extrahiert. Dies führt zu einer
ersten Schätzung der Amplituden und Frequenzen der Mode, die in den jeweiligen Parametervektoren
AFFT und
FFFT gespeichert werden. Die Modengröße N ist gleich der Anzahl detektierter Spitzen.
Durch Berücksichtigen der Phasenreaktion ϕ(f) können die Phasen
ϕFFT der Mode ebenfalls definiert werden. Mit diesen Parametern, die online aktualisiert
werden, kann das in (11) beschriebene Modell der Seegangsbewegung parametrisiert werden.
Die Auswertung der real gemessenen Seegangsbewegungsdaten zeigt die Notwendigkeit
eines ständig aktualisierten Modells (siehe Fig. 11).
[0142] Hier werden die detektierten Spitzen der Bewegung eines Schiffs unter rauen Meeresbedingungen
dargestellt. Es ist klar ersichtlich, dass sich die Moden während der Messung ändern.
[0143] Im nächsten Schritt passt ein Beobachter die Parametervektoren durch Vergleichen
der gemessenen Seegangsbewegung
w(
t) mit der modellierten Seegangsbewegung an. Dies ist erforderlich, da die FFT nur
Mittelwerte eines langen Zeitraums detektiert, während der Beobachter die letzten
Veränderungen berücksichtigen kann. Mit diesen neuen Parametervektoren, die durch
AObs,
fObs und ϕ
Obs bezeichnet sind, kann die Prognose der Seegangsbewegung unter erneutem Verwenden
von (11) durchgeführt werden.
Beobachter
[0144] Die Ausgestaltung des Beobachters hängt von einem Seegangsbewegungsmodell ab, das
durch einen Satz gewöhnlicher Differenzialgleichungen (ODEs, kurz vom engl. Ordinary
Differential Equations) beschrieben wird. Zum Umwandeln des Modells (11) in einen
Satz ODEs gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen kann die Seegangsbewegung als nichtlineares
System modelliert werden, das dem Beobachter das Schätzen aller für die Prognose des
Seegangs erforderlichen Parameter ermöglicht. Aufgrund der Forderung, eine Online-Prognose
zu erhalten, ist dieses Verfahren aber nicht auf moderneren Computern verwendbar.
Dagegen kann stattdessen ein lineares Modell verwendet werden. Hier werden lediglich
die Frequenzen der Mode nicht erneut angepasst. Diese werden aber durch die FFT sowieso
mit großer Präzision geschätzt. Bei Wählen des linearen Verfahrens kann ein Kalmanfilter
verwendet werden. Dies ergibt eine nachstehend gezeigte Beobachter-Gleichung.
[0145] Die Systemmatrizen
A und
C ergeben sich aus dem nachfolgend beschriebenen Seegangsbewegungsmodell, wogegen die
Prognoseergebnisse auch vom ordnungsgemäßen Definieren der Korrekturmatrix abhängen.
[0146] Zum Umwandeln des in (11) beschriebenen Seegangsmodells, das für einen Beobachter
geeignet ist, kann durch die ODE eine einzelne Mode definiert werden
[0147] Das Anlegen der durch die FTT erhaltenen Parametervektoren, das Summieren aller Moden
und das Einführen eines Offset-Zustands, der den nicht periodischen Term
u(
t) darstellt, führt zu dem Beobachter-Seegangsmodell
[0148] Die Wahl der
L Matrixelemente kann mit Hilfe der Filter-Auslegung von Kalman und Bucy erreicht werden.
Dies erfordert das Lösen der Riccati-Gleichung (Lösung ist
P ) und das Berechnen der Verstärkungsmatrix
L, wie in (15) beschrieben wird.
[0149] Hier wird das als Auslegungsparameter verwendete
Q als diagonale Matrix gewählt, die schnelle Moden stärker abstraft als langsame, wogegen
R alle Moden gleichmäßig beeinflusst.
[0150] Die durch den Beobachter angepassten Parameter können aus ihren Zuständen extrahiert
werden. Beruhend auf den Gleichungen einer einzelnen Mode
können die neuen Parameter berechnet werden durch:
Prognose
[0151] Der letzte Teil des Prognoseverfahrens ist die Berechnung der Prognose selbst. Daher
kann (11) unter Heranziehen der Parametervektoren, die durch den Beobachter angepasst
wurden, verwendet werden, was ergibt:
[0152] Das Fortschreiten des nicht periodischen Terms
u(
t) kann nicht prognostiziert werden. Da er gleich dem Offset-Zustand des Beobachters
ist, sollte er mit
als Konstante definiert werden.
[0153] Um einen kurzen Eindruck der Leistung der Seegangsprognose zu geben, werden nachstehend
Simulationsergebnisse dargestellt. Daher wurden reale IMU-Signale eines Schiffs unter
rauen Meeresbedingungen verwendet, um die Seegangsbewegung zu reproduzieren. Fig.
12 zeigt die prognostizierte und gemessene Seegangsbewegung im zeitlichen Verlauf.
Das Prognoseintervall
TPred wurde zu 1 Sekunde gewählt. Zur besseren Veranschaulichung wurde die prognostizierte
Seegangsbewegung danach zeitlich zurückgesetzt. Somit würde ein fehlerfreies prognostiziertes
Signal mit dem gemessenen Signal übereinstimmen.
Simulations- und Messergebnisse
[0154] In Fig. 13 ist das simulierte Folgeverhalten des Seegangsfolgesystems ersichtlich.
Die Referenzbahn wird durch ein Handhebelsignal erzeugt und der Kran wird einer Seegangsbewegung
ausgesetzt. Für diese Simulation wurde lediglich ein linearisierendes Steuergerät
ohne Stabilisierung verwendet. Mit diesem Aufbau kann die Erregung der Aufhängungspunktbewegung
der Nutzlast, die in der ersten Kurvendarstellung von Fig. 14 gezeigt wird, um einen
Faktor 5 verringert werden. Der Grund, warum diese Schwingungen nicht vollständig
unterdrückt werden, ist, dass das System Pumpe/Motor mit einer Totzeit simuliert wurde,
die in der Auslegung des Steuergeräts nicht berücksichtigt wird.
[0155] Das Verwenden des Beobachters und das Schließen des Kreislaufs des Steuersystems
verbessert das Folgeverhalten enorm. Wie in Fig. 14 ersichtlich ist, wird die simulierte
Positionsverschiebung nie größer als ± 3cm.
[0156] Bei den ersten beiden Simulationen war die Seegangsprognose abgeschaltet. Fig. 15
zeigt das Folgeverhalten der Nutzlastposition bei offenem Kreislauf mit einer Seegangsprognose
in dem Bereich der Totzeit des Aktors (0,2 Sekunden). Es ist ersichtlich, dass gute
Seegangsausgleichsergebnisse erzielt werden, sobald das linearisierende Steuergerät
aktiviert wird, was bei der Zeit 250 s erfolgt. Bei Vergleichen des Folgens mit und
ohne Seegangsprognose ist eine klare Verbesserung ersichtlich.
[0157] Zum Verbessern der Simulationsergebnisse wurden Messungen mit einem experimentellen
Aufbau durchgeführt.
Schlussfolgerung
[0158] Die vorliegende Erfindung stellt ein Vorgehen für den Ausgleich der Seegangsbewegung
bei Offshore-Kränen dar. Das dynamische Modell des Ausgleichsaktors (hydraulisch betriebene
Winde) und der an einem Seil hängenden Last werden abgeleitet. Basierend auf diesem
Modell wird ein Bahnfolgesteuergerät entwickelt. Zum Ausgleichen der durch Wellen
ausgelösten Bewegung des Schiffs/Wasserfahrzeugs wird die Seegangsbewegung als zeitvariante
Störgröße definiert und wird bezüglich Abkopplungsbedingungen analysiert. Mit einer
Modellausweitung werden diese Bedingungen erfüllt und ein inversionsbasiertes abkoppelndes
Steuergesetz wird formuliert. Um das System zu stabilisieren, wird ein Beobachter
zum Rekonstruieren des unbekannten Zustands aus einer Kraftmessung verwendet. Ferner
kann die Ausgleichsleistung durch Prognostizieren der Seegangsbewegung verbessert
werden. Es wird ein Prognoseverfahren vorgeschlagen, bei dem keine Schiffs-/Wasserfahrzeugmodelle
oder -eigenschaften erforderlich sind. Die Simulations- und Messergebnisse validieren
das Seegangsfolgeverfahren.