[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Überwachung der Laufstabilität bei
Schienenfahrzeugen, bei dem Querbeschleunigungswerte für Drehgestelle des Schienenfahrzeugs
gemessen werden und ein Überschreiten eines Schwellwertes für die Querbeschleunigung
eines der Drehgestelle als kritischer Zustand interpretiert und signalisiert wird.
[0002] Gerade im Hochgeschwindigkeitsbereich sind Schienenfahrzeuge häufig mit einer Laufstabilitätsüberwachung
ausgerüstet, die im Wesentlichen auf Messungen für Querbeschleunigungen der Drehgestelle
beruht. Die üblicher Weise vorgegebene Laufstabilitätsparameter werden durch verschiedene
Parameter der Strecke und des Schienenfahrzeugs beeinflusst. Diese Parameter sind
größtenteils variabel. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Gleislage, den
Profilverschleiß, die Konizität und den Zustand der Schlingerdämpfer.
[0003] Sobald ein vorgegebener Schwellwert für die Querbeschleunigung eines Drehgestells
überschritten wird, wird dies signalisiert, beispielsweise durch Ausgabe eines Alarmsignals.
Auch wird bei Feststellen einer Querbeschleunigungsüberschreitung auf den Betrieb
des Fahrzeugs eingewirkt, beispielsweise durch Begrenzung seiner Höchstgeschwindigkeit
und ggf. Vornahme einer Sichtkontrolle der Drehgestelle. Dabei kommt es häufig vor,
dass für die Verursachung des ausgelösten Alarms eine singuläre streckenseitige Störung
verantwortlich ist, d.h. eine Störung, die nicht auf Betriebseinschränkungen der Drehgestelle
beruht.
[0004] Bei gängigen Laufstabilitätsüberwachungsverfahren wird jedes Drehgestell des Schienenfahrzeugs
einzeln betrachtet und ausgewertet. Bei Überschreiten vorgegebener Stabilitätskriterien
wird eine Alarm ausgelöst, die Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs reduziert und
das Drehgestell unmittelbar oder bei nächster Gelegenheit auf Schäden kontrolliert.
[0005] Neben dem Alarmkriterium (beispielsweise Querbeschleunigungswert: 8 m/s
2) werden weitere Schwellwerte für eine Instandhaltungsmeldung festgelegt (beispielsweise
5m/s
2).
[0006] Nach einem Überschreiten der vorgegebenen Schwellwerte wird das Drehgestell in einer
Werkstatt überprüft. Die Fehlersuche in einer solchen Werkstatt ist aufwendig und
oft erfolglos. Beispielsweise sind defekte Schwingungsdämpfer oft nur in ausgebautem
Zustand als solche erkennbar.
[0007] Einschlägige Normkriterien (TSI HGV Rolling Stock: 2008 und UIC 515: 1884) setzen
einen festen Grenzwert für das jeweilige Drehgestell, beispielsweise die bereits erwähnten
8 m/s
2, im Bereich 4-8 Hz über 6 Amplituden hinweg.
[0008] Es ist erforderlich, bei Ausfall einer Überwachung für die Laufstabilität die Fahrzeuggeschwindigkeit
zu reduzieren. Sonst bestünde ein unsicherer Fahrzustand, da der Zustand des betroffenen
Drehgestells, beispielsweise Verschleißzustand der Räder und Restdämpfung der Schlingerdämpfer,
nicht bekannt sind. Ein in der Zeit vor dem Ausfall nicht ausgelöster Schwellwert,
der zu einer Alarmsignalisierung geführt hätte, ist nicht hinreichend als Kriterium
für den Gutzustand des Drehgestells, da dies ggf. dem guten Streckenzustand bei den
zuvor befahrenen Strecken zuzuschreiben sein kann. Sobald das Fahrzeug bei ausgefallener
Überwachung einen weniger guten Streckenzustand befährt, können die Normwerte ohne
funktionierende Überwachung deutlich überschritten werden.
[0009] Die korrekte Funktion der Messeinrichtung für die Querbeschleunigung der Drehgestelle
wird ggf. überprüft, indem in festgelegten Intervallen im Rahmen der Instandhaltung
die Sensoren abgebaut und definiert in Schwingung versetzt werden.
[0010] Insgesamt ist es daher im Stand der Technik für ein Verfahren zur Laufstabilitätsüberwachung
bei Schienenfahrzeugen nachteilig, dass die Ergebnisse des Überwachungsverfahrens
nur eingeschränkt Informationen darüber liefern, inwieweit ein Betriebszustand eines
Drehgestells tatsächlich beeinträchtigt ist.
[0011] Demgemäß liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Überwachung
der Laufstabilität eines Schienenfahrzeugs anzugeben, bei dem eine größere Aussagekraft
hinsichtlich des Zustandes eines Drehgestells gewonnen werden kann.
[0012] Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, dass zur Differenzierung zwischen einer streckenseitig
hervorgerufenen Störung und einer Drehgestellstörung ein Vergleich der Querbeschleunigungen
wenigstens eines Teils der Drehgestelle des Schienenfahrzeuges bzw. des Zuges vorgenommen
wird und die Signalisierung einer Störung nur dann erfolgt, wenn aufgrund des Vergleichs
eine Drehgestellstörung festgestellt wird.
[0013] Bei dem Vergleich der Querbeschleunigungen lässt sich in einfacher Weise feststellen,
ob mehrere Drehgestelle im gleichen Steckenabschnitt bestimmte vorgegebene Querbeschleunigungsschwellwerte
überschreiten. In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, dass nicht eine
Störung bei jedem einzelnen Drehgestell vorliegt, sondern die Störung durch Eigenschaften
der Gleisstrecke hervorgerufen wird.
[0014] Zur weiteren Erhöhung der Genauigkeit des Überwachungsverfahrens ist es vorteilhaft,
wenn zusätzlich bei dem Vergleich die zeitlichen oder auch streckenbezogenen Verläufe
von Querbeschleunigungswerten der Drehgestelle einbezogen werden. Dadurch können zeitliche
Änderungen des Beschleunigungsverhaltens der Drehgestelle und deren zeitliche Korrelationen
festgestellt werden. Auch hieraus lässt sich die Ursache für das Erreichen besonders
hoher Querbeschleunigungswerte näher bestimmen.
[0015] Das vorstehend erläuterte Verfahren kann auch dazu dienen, eine Zustandsbeschreibung
für jedes einzelne Drehgestell hinsichtlich seiner Genauigkeit zu verbessern. Zu diesem
Zweck kann ein festgestelltes streckenseitig hervorgerufenes Störungsniveau aus Zustandswerten
für die Drehgestelle herausgerechnet werden.
[0016] Vorteilhafterweise können auch historische Daten zur Beurteilung der Zustände der
Drehgestelle einbezogen werden. Auf diese Weise lassen sich Trendaussagen treffen.
Wenn nun eine Überwachung ausfällt, kann differenziert reagiert werden, und zwar je
nach Zustand des betroffenen Drehgestells. Bei gutem Zustand des betroffenen Drehgestells
kann so eine betriebliche Einschränkung, beispielsweise die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit,
vermieden werden. Weiter kann mit Hilfe dieser Auswertung eine zustandsbezogene Instandhaltung
durchgeführt werden, d.h. gezielt und geplant Arbeiten durchgeführt werden, wenn sie
erforderlich sind.
[0017] Bevorzugt umfassen die historischen Daten auf bestimmte Streckenabschnitte bezogene
historische Beschleunigungswerte. Dadurch wird es möglich, aktuelle und historische
Beschleunigungswerte auch auf den betreffenden Streckenabschnitt bezogen zu analysieren
und Änderungen und Störungen ggf. zu melden. Eine solche Meldung kann auch Ortsinformationen
enthalten. Eine solche Ortsangabe lässt sich beispielsweise mit Hilfe eines GPS-Empfängers
auf dem Schienenfahrzeug gewinnen.
[0018] Außerdem kann bevorzugt ein Vergleich mittlerer Beschleunigungswerte von Querbeschleunigungssensoren
an den Drehgestellen zur Beurteilung einer Sensorkalibrierung und Ausfallüberwachung
vorgenommen werden. Dies bedeutet, dass die von den Sensoren bestimmte Genauigkeit
des Verfahrens zur Laufstabilitätsüberwachung durch Quervergleich über die Drehgestelle
überprüft wird. Weicht beispielsweise ein Störniveau an einem der Sensoren deutlich
nach unten ab, so dass diese Abweichung auch bei einem fehlerfreien Drehgestell nicht
den Tatsachen entsprechen kann, so kann von einem Sensorausfall ausgegangen werden.
Auf diese Weise können Prüfintervalle für die Laufstabilitätsüberwachung erhöht werden.
Eine weitere Möglichkeit der Ausfallüberwachung ist bei Vergleich der niederfrequenten
Signalanteile der Sensoren möglich. In solchen Fällen müssen nämlich in Gleisbögen
gleiche Überhöhungsfehlbeträge wiedergegeben werden.
[0019] Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wird nachfolgend noch näher erläutert.
[0020] Bei dem Verfahren zur Überwachung der Laufstabilität bei Schienenfahrzeugen werden
für jedes einzelne Drehgestell Querbeschleunigungswerte gemessen. Diese Querbeschleunigungswerte
werden einer zentralen Auswerteeinheit zugeleitet, welche Vergleiche unter den gemessenen
Querbeschleunigungswerten für die verschiedenen Drehgestelle anstellt.
[0021] Für jedes Drehgestell ist ein Schwellwert für die Querbeschleunigung vorgegeben,
dessen Überschreiten grundsätzlich dazu führt, dass eine Störung an dem Drehgestell
zu signalisieren ist. Ein geeigneter Schwellwert ist beispielsweise der Beschleunigungswert
8 m/s
2, der sich aus dem oben angegebenen Normwerken ableitet.
[0022] Um nun die Möglichkeit zu haben, zwischen einer streckenseitigen Störung und einer
Störung des betreffenden Drehgestells zu differenzieren, erfolgt ein Vergleich der
gemessenen Querbeschleunigungswerte für die Drehgestelle des Schienenfahrzeugs. Dabei
können sämtliche Drehgestelle einbezogen werden oder lediglich ein repräsentativer
Teil davon. Wird nun festgestellt, dass bei mindestens einem Drehgestell der Querbeschleunigungsschwellwert
überschritten wird und im Wesentlichen gleichzeitig an mehreren Drehgestellen das
Beschleunigungsniveau erheblich ansteigt, kann davon ausgegangen werden, dass eine
streckenseitige Störung vorliegt, so dass eine Wartung oder Überprüfung derjenigen
Drehgestelle, die eine Überschreitung des Schwellwerts gezeigt haben, nicht erforderlich
erscheint.
[0023] Wenn dem gegenüber ein einzelnes Drehgestell ausschließlich das Überschreiten des
Schwellwertes zeigt, ohne dass andere Drehgestelle wesentlich erhöhte Beschleunigungswerte
aufweisen, kann von einer Drehgestellstörung ausgegangen werden. Diese Vergleiche
werden mit Hilfe der Auswerteeinheit vorgenommen. Aufgrund des Vergleichs wird entschieden,
ob die Signalisierung einer Drehgestellstörung unter Angabe des betroffenen Drehgestells
zu erfolgen hat.
[0024] Zur Erhöhung der Genauigkeit dieses Verfahrens wird außerdem ein Vergleich der zeitlichen
Verläufe der Querbeschleunigungsniveaus der einzelnen Drehgestelle in die Auswertekriterien
der Auswerteinheit miteinbezogen. Es ist ersichtlich, dass zeitlich begrenzte und
miteinander korrelierende, hohe Querbeschleunigungswerte auf eine streckenseitige
Störung zurückzuführen sind.
[0025] Wenn mehrere Drehgestelle einen ähnlichen Verlauf der Beschleunigungsniveaus zeigen,
kann eine Anregung durch ein singuläres Ereignis sicher als solches erkannt werden.
In diesem Fall wäre die Anregung aus dem Gleis bei allen Drehgestellen mehr oder weniger
stark als erhöhte Querbeschleunigung sichtbar und das Schwingungsniveau geht danach
wieder auf ein normales Niveau zurück. Hier ist seitens des Schienenfahrzeugs keine
Reaktion notwendig. Es erscheint jedoch eine Meldung an einen Betreiber der Gleisstrecke
sinnvoll.
[0026] Im Fall eines erkannten Drehgestellschadens, beispielsweise liegen defekte oder verschlissene
Dämpfer vor oder das Radprofil ist unzureichend, wäre nur am betroffenen Drehgestell
das Querbeschleunigungsniveau angehoben und würde im Normalfall auch auf einem höheren
Niveau bleiben im Vergleich zu den anderen Drehgestellen. Nur in solchen Fällen ist
eine entsprechende betriebliche Reaktion (Sichtkontrolle und Reduktion der Höchstgeschwindigkeit)
notwendig.
[0027] Die Erfindung gestattet es außerdem, den Zustand des Drehgestells genauer zu bestimmen.
Durch Vergleich der verschiedenen Drehgestelle kann der Einfluss der Strecke weitgehend
herausgerechnet werden, da sich zum Beispiel die Querbeschleunigungen aller Drehgestelle
bei Fahrt auf einer schlechten Strecke auf einem höheren Niveau bewegen. Unter Berücksichtigung
historischer Daten kann der Zustand des Drehgestells beurteilt und eine Trendaussage
getroffen werden. Historische Daten können insbesondere historische Beschleunigungswerte
sein, wobei diese Beschleunigungswerte bestimmten Streckenabschnitten zugeordnet sind.
Dies wird dadurch ermöglicht, dass das Schienenfahrzeug über eine Ortserfassung verfügt,
beispielsweise in Form eines GPS-Empfängers. Es können aktuelle und historische Beschleunigungswerte,
bezogen auf den betreffenden Streckenabschnitt, analysiert werden, wonach dann, ebenfalls
bezogen auf den bestimmten Streckenabschnitt, Änderungen und Störungen gemeldet werden,
und zwar einschließlich des zugehörigen Ortes.
[0028] Dies erlaubt eine differenzierte Reaktion bei Ausfall der Laufstabilitätsüberwachung,
und zwar je nach Zustand des betroffenen Drehgestells. Mit Hilfe der Ergebnisse der
Auswerteinheit kann eine zustandsbezogene Instandhaltung der Drehgestelle des Schienenfahrzeugs
durchgeführt werden, d. h. gezielt und geplant Arbeiten durchzuführen, wenn sie erforderlich
sind.
[0029] Als drittes ist durch den Vergleich des mittleren Störniveaus der Sensoren an den
Drehgestellen eine Beurteilung der Sensorkalibrierung und Ausfallüberwachung möglich.
Weicht der Querbeschleunigungswert an einem bestimmten Sensor deutlich nach unten
ab, so dass diese Abweichung nicht mehr als realistisch erscheint, kann von einem
Sensorausfall ausgegangen werden. Dann können Prüfintervalle für die Laufstabilitätsüberwachungen
erhöht werden, denn es steht eine Möglichkeit zur Verfügung, einen Sensorausfall durch
Quervergleich über die Querbeschleunigungswerte der Drehgestelle festzustellen.
1. Verfahren zur Überwachung der Laufstabilität bei Schienenfahrzeugen, bei dem Querbeschleunigungswerte
für Drehgestelle des Schienenfahrzeugs gemessen werden und ein Überschreiten eines
Schwellwertes für die Querbeschleunigung eines der Drehgestelle als Störung interpretiert
und signalisiert wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
zur Differenzierung zwischen einer streckenseitig hervorgerufenen Störung und einer
Drehgestellstörung ein Vergleich der Querbeschleunigungen wenigstens eines Teils der
Drehgestelle des Schienenfahrzeuges bzw. des Zuges vorgenommen wird und die Signalisierung
einer Drehgestellstörung nur dann erfolgt, wenn aufgrund des Vergleichs eine Drehgestellstörung
festgestellt bzw. bestätigt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
zusätzlich eine Auswertung und ein Vergleich zeitlicher Verläufe von Querbeschleunigungswerten
der Drehgestelle vorgenommen wird.
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
eine festgestellte streckenseitig hervorgerufene Störung aus Zustandswerten für die
Drehgestelle herausgerechnet wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
historische Daten zur Beurteilung der Zustände der Drehgestelle einbezogen werden.
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet, dass
die historischen Daten auf bestimmte Streckenabschnitte bezogene historische Beschleunigungswerte
umfassen.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet, dass
ein Vergleich mittlerer Beschleunigungswerte von Querbeschleunigungs-Sensoren an den
Drehgestellen zur Beurteilung einer Sensorkalibrierung und Ausfallüberwachung vorgenommen
wird.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
dadurch gekennzeichnet, dass
ein Vergleich niederfrequenter Signalanteile von Sensoren für die Querbeschleunigung
der Drehgestelle vorgenommen wird.