(19)
(11) EP 2 371 748 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
05.10.2011  Patentblatt  2011/40

(21) Anmeldenummer: 11001033.7

(22) Anmeldetag:  09.02.2011
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B65H 23/188(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME

(30) Priorität: 03.04.2010 DE 102010013782

(71) Anmelder: Robert Bosch GmbH
70469 Stuttgart (DE)

(72) Erfinder:
  • Schultze, Stephan
    97816 Lohr am Main (DE)
  • Goeb, Mario
    97080 Würzburg (DE)
  • Schnabel, Holger
    97209 Veitshöchheim (DE)

(74) Vertreter: Thürer, Andreas 
Bosch Rexorth AG Zum Eisengießer 1
97816 Lohr am Main
97816 Lohr am Main (DE)

   


(54) Verfahren zur Bestimmung wenigstens eines Reglerparameters eines Tänzerlage-Regelglieds


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur automatischen Bestimmung wenigstens eines Reglerparameters (KP, TN) eines Tänzerlage-Regelglieds (201) in einer Bearbeitungsmaschine umfassend einen Tänzer, dessen Tänzerlage (xist) erfasst wird, wobei auf Grundlage der erfassten Tänzerlage (xist) die Drehzahl (nv) einer Walze vorgegeben wird, wobei der wenigstens eine Reglerparameter (KP, TN) in Abhängigkeit von einem Durchmesser der Walze (102, 103) automatisch bestimmt wird.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung wenigstens eines Reglerparameters eines Tänzerlage-Regelglieds sowie eine zur Durchführung des Verfahrens eingerichtete Recheneinheit.

[0002] Obwohl die Erfindung nachfolgend im Wesentlichen unter Bezugnahme auf Druckmaschinen beschrieben wird, ist sie nicht auf eine derartige Anwendung beschränkt, sondern vielmehr bei allen Arten von Bearbeitungsmaschinen verwendbar, bei denen die Warenbahn bzw. Materialbahn durch einen sog. Tänzer läuft, dessen Lage geregelt wird. Die Warenbahn kann aus Papier, Stoff, Pappe, Kunststoff, Metall, Gummi, in Folienform usw. ausgebildet sein.

Stand der Technik



[0003] Die vorliegende Erfindung betrifft das Gebiet der Bahnspannungsregelung in Bearbeitungsmaschinen. Bei Bearbeitungsmaschinen, insbesondere Druckmaschinen, wird eine Warenbahn entlang von angetriebenen Achsen (Bahntransportachsen), wie z.B. Zugwalzen oder Vorschubwalzen, und nicht angetriebenen Achsen, wie z.B. Umlenk-, Leit-, Trocknungs- oder Kühlwalzen, bewegt. Die Warenbahn wird gleichzeitig mittels meist ebenfalls angetriebener Bearbeitungsachsen bearbeitet, bspw. bedruckt, gestanzt, geschnitten, gefalzt usw.

[0004] Bei Bearbeitungsmaschinen, wie Druckmaschinen, wird neben bspw. einem Längs- und/oder Seitenregister oft auch die Bahnspannung geregelt oder eingestellt, um ein optimales Bearbeitungsergebnis zu erzielen. Eine bekannte Möglichkeit zur Bahnspannungseinstellung, insbesondere für einen Wickler (Auf- oder Abwickeleinrichtung), bedient sich eines Tänzers, bei dem eine bewegliche Tänzerrolle die Bahnspannung einprägt. Die Position der Tänzerrolle, die sog. Tänzerlage, wird von der Tänzerlageregelung auf einem Sollwert gehalten. Solange sich der Tänzer innerhalb seiner beweglichen mechanischen Grenzen befindet, wird die Bahnspannung im Wesentlichen durch die Krafteinprägung bspw. einer Pneumatik aufrechterhalten. Dynamische Vorgänge werden hier nicht weiter erläutert. Der Tänzer hat die vorteilhafte Eigenschaft, Unrundheiten im Bahnlauf innerhalb relativ großer Grenzen auffangen zu können, ohne dass es zu einer wesentlichen Veränderung der Bahnspannung käme.

[0005] Bekannte Regler, wie z.B. P-Regler, D-Regler, I-Regler usw. sowie beliebige Kombinationen davon, beinhalten Reglerparameter, die eingestellt werden müssen. Übliche Reglerparameter sind die Proportionalverstärkung KP, die Integralverstärkung KI, die Differentialverstärkung KD, die Nachstellzeit TN, die Vorhaltzeit Tv, Verzögerungen T usw.

[0006] Im Stand der Technik sind keine Verfahren bekannt, die Parametrierung der Tänzerlageregelung zu vereinfachen oder sogar zu automatisieren. Zwar sind von der Anmelderin eine Anzahl von Verfahren entwickelt worden, die Parametrisierung von Bahnspannungsreglern zu vereinfachen:

Bspw. ist in der EP 1 790 601 A2 dargestellt, dass Reglerparameter in Abhängigkeit von Warenbahnparametern (z.B. E-Modul), Maschinenparametern (z.B. Warenbahnlänge, Warenbahngeschwindigkeit oder Trägheitsmoment) und Betriebsparametern (z.B. Regelabweichung) bestimmt werden können.



[0007] In der DE 10 2008 035 639 ist dargestellt, dass neben diesen Größen auch Totzeiten in der Regelstrecke vorhanden sind und zur Ermittlung der Reglerparameter herangezogen werden können.

[0008] In der nicht vorveröffentlichten DE 10 2009 019 624 ist eine Reglerparametrierung, in Abhängigkeit von wenigstens einem die Warenbahn kennzeichnenden Parameter, wie z.B. dem Elastizitätsmodul und/oder dem Querschnitt, wenigstens einem die Bearbeitungsmaschine kennzeichnenden Parameter, wie z.B. der Bahngeschwindigkeit und/oder der Abschnittslänge, und wenigstens einer, insbesondere konstanten (d.h. nicht bahngeschwindigkeitsabhängigen) und/oder geschwindigkeitsabhängigen, Totzeit, wie z.B. einer Übertragungszeit und/oder einer Messzeit, beschrieben.

[0009] Die in den genannten Druckschriften beschriebenen Verfahren sind jedoch nicht auf eine Tänzerlageregelung übertragbar, da sich bei der Tänzerlageregelung auch die Länge der Warenbahn verändert und somit ein vollkommen anderes Verhalten der Regelstrecke - nämlich ein integrales Verhalten - vorliegt. Die Parametrisierung einer Tänzerlageregelung erfolgt daher im Wesentlichen von Hand. Dabei wird üblicherweise zur Bestimmung der Streckenparameter eine Sprungantwort der Regelstrecke ausgewertet. Über die Streckenparameter können dann mittels regelungstechnischen Wissens vom Bediener geeignete Reglerparameter bestimmt werden.

[0010] Es ist daher wünschenswert, ein vereinfachtes und vorzugsweise automatisierbares Verfahren zur Parametrisierung einer Tänzerlageregelung anzugeben.

Offenbarung der Erfindung



[0011] Erfindungsgemäß wird ein Verfahren zur Bestimmung wenigstens eines Reglerparameters eines Tänzerlage-Regelglieds für eine Bearbeitungsmaschine sowie eine Recheneinheit zur Durchführung des Verfahrens mit den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche vorgeschlagen. Vorteilhafte Weiterbildungen sind Gegenstand der Unteransprüche sowie der nachfolgenden Beschreibung.

Vorteile der Erfindung



[0012] Die Erfindung basiert im Wesentlichen auf der Erkenntnis, dass ein Tänzerlage-Regelglied automatisch parametriert werden kann, wenn zur Bestimmung wenigstens eines Reglerparameters der Durchmesser der vom Tänzerlageregler angesteuerten Achse bzw. Walze berücksichtigt wird. Dies kann einerseits bei einem Wickler mit Tänzerlageregler der sich während des Wickelvorgangs verändernde Durchmesser der Wickeleinrichtung, d.h. Auf- oder Abwickeleinrichtung sein, oder andererseits bei einer Bahnspannungsregelung mit Tänzerlageregler der konstant bleibende Durchmesser einer Bahntransportwalze. Letzteren Fall findet man beispielsweise bei der Regelung eines Einzugs- oder Auszugswerkes. In der Folge kann die Parametrierung automatisiert werden, so dass der Bediener der Maschine keine regelungstechnischen Fachkenntnisse mehr besitzen muss. Einrichtfahrten, die bisher zur Ermittlung der Streckenparameter (z.B. über eine Sprungantwort) nötig waren, können unterbleiben. Obwohl im Wesentlichen von der Berücksichtigung des Durchmessers gesprochen wird, versteht sich, dass damit auch die Berücksichtigung gleichwertiger bzw. davon ableitbarer Größen, wie z.B. Radius oder Umfang, umfasst ist.

[0013] Bei bekannten Bahnspannungsregelungen mit direkter Bahnspannungsmessung, bspw. über Kraftmessdosen, d.h. Bahnspannungsregler ohne Tänzer, welche über die Drehzahl einer begrenzenden Klemmstelle als Stellsignal die Regelgröße (Bahnzugkraft) direkt regeln, kann für die Regelstrecke in guter Näherung ein PT1-Glied mit Totzeit bzw. ein PT2-Glied zugrunde gelegt werden. Betrachtet man hingegen eine Tänzerlageregelung, so ist das Verhalten der Regelstrecke grundsätzlich davon verschieden, da hier nun eine integrierende Regelstrecke vorliegt und die Position einer Tänzerwalze statt der Bahnspannung geregelt wird.

[0014] Das Tänzerlage-Regelglied umfasst zweckmäßigerweise einen Proportionalanteil und vorzugsweise weiterhin einen Integral- und/oder einen Differentialanteil. Insbesondere umfasst es demnach ein P-, PI-, PD- oder ein PID-Glied. Als Reglerparameter werden eine Proportionalverstärkung KP und optional eine Nachstellzeit TN und/oder eine Vorhaltzeit TV automatisch bestimmt.

[0015] In Ausgestaltung wird der wenigstens eine Reglerparameter während des Betriebs regelmäßig oder getriggert bestimmt. Die Häufigkeit des Bestimmungsvorgangs kann so zwischen optimaler Regelung bei häufiger Parametrierung einerseits und geringem Rechenaufwand bei weniger häufiger Parametrierung andererseits ausbalanciert werden. Wird die Geschwindigkeit einer Walze mit veränderlichem Durchmesser als Stellgröße verwendet, ist eine häufigere Bestimmung des wenigstens einen Reglerparameters zweckmäßig.

[0016] Zweckmäßigerweise wird bei der Bestimmung des wenigstens einen Reglerparameters ein Messverhalten einer Tänzerlageerfassungsvorrichtung berücksichtigt. Die Tänzerlageerfassungsvorrichtung gibt den Lageistwert als einen Spannungs- oder Stromwert aus. Dieses Verhältnis von Lageistwert zu Messsignal kann ein lineares oder nichtlineares sowie ein statisches oder dynamisches Verhalten zeigen. Eine statische Beziehung wird vorzugsweise über eine Ein- bzw. Ausgangskennlinienkompensation (z.B. Wiener- oder Hammersteinmodell berücksichtigt. Eine dynamische Beziehung kann andererseits über einen nichtlinearen bzw. adaptiven Regler berücksichtigt werden.

[0017] Es ist vorteilhaft, dass der wenigstens eine Reglerparameter in Abhängigkeit von einem vorgebbaren Gewichtungsfaktor bestimmt wird. Oft erweisen sich Reglerparameter, die durch eine theoretische Auslegung berechnet werden, in der Praxis als nicht optimal. Als Gründe hierfür können zusätzliche, nicht ermittelbare Verzögerungszeiten, Nichtlinearitäten, Signalrauschen, falsch bestimmte Streckenparameter oder die Regelgüte bzw. das Bahnspannungsverhalten im konstanten Lauf angeführt werden. Insbesondere der letzte Punkt ist meist nachteilig. Zwar schwingt der Regelkreis schnell ein, im Konstantlauf ergibt sich aber aufgrund der Diskretisierung bzw. Quantisierung der Messergebnisse bzw. Stellgrößen oft eine Unruhe aufgrund eines relativ "kräftigen" Proportionalanteils. Vorzugsweise wird ein Verfahren vorgeschlagen, bei dem als weitere Eingangsgröße ein Gewichtungsfaktor z.B. als Maß für eine "Reglerschärfe" angegeben wird. Beispielsweise können eine oder alle theoretisch ermittelten Reglerparameter mit dem Gewichtungsfaktor (z.B. zwischen 0 und 1, aber auch größer 1) multipliziert werden. Mit Hilfe dieses Eingangsparameters kann der Anwender bei Bedarf die Reglerparameter anpassen. Beispielhaft könnte dies bei einem PI-Regelglied dadurch erreicht werden, dass die Proportionalverstärkung und/oder Nachstellzeit mit diesem prozentualen Faktor multipliziert wird. Alternativ kann neben der freien Vorgabe eines Gewichtungsfaktors auch eine Auswahl aus vordefinierten Werten möglich sein (z.B. 20%, 40%, 50%, 60%, 70%, 80%, 85%, 90%, 95%, 100%, 105%,...). Der Anwender kann für seinen Maschinentyp eine geeignete Einstellung finden und diese leicht auf andere physikalische Größen adaptieren. Auch verschiedene Maschinentypen sind hierdurch vergleichbar einzustellen. Es ergibt sich eine wesentliche Vereinfachung für den Anwender, da er nur noch (bekannte) physikalische Größen eingeben muss und eine Veränderung der daraus automatisch berechneten Reglerparameter mit Hilfe dieses einzigen Faktors "Reglerschärfe" herbeiführen kann. Komplexe Einstellungen der Reglerparameter sind nicht mehr notwendig, was aufwändige Testreihen und Messfahrten erspart.

[0018] In Ausgestaltung wird ein Auslegungskriterium zur Bestimmung des wenigstens einen Reglerparameters vorgegeben. Zur Auslegung von Reglerparametern sind in der Literatur verschiedene Auslegungskriterien (z.B. Symmetrisches Optimum, Wurzelortskurvenauslegung, Betragsoptimum oder Ziegler-Nichols) bekannt. Durch Vorgabe des insbesondere in der erfindungsgemäßen Recheneinheit zu verwendenden Kriteriums zur Bestimmung des wenigstens einen Reglerparameters kann die Qualität und Geschwindigkeit der Bestimmung beeinflusst werden. Diese Auslegungskriterien sind teilweise auch für Führung- bzw. Störverhalten auslegbar. Somit ergibt sich für den Anwender die Möglichkeit, je nach Maschinenanforderung und Maschinenzustand (z.B. Einricht- oder Produktionsphase) zwischen Führungsverhalten und Störverhalten umzuschalten.

[0019] Eine erfindungsgemäße Recheneinheit, z.B. ein Steuergerät einer Druckmaschine, ist, insbesondere programmtechnisch, dazu eingerichtet, ein erfindungsgemäßes Verfahren durchzuführen.

[0020] Auch die Implementierung der Erfindung in Form von Software ist vorteilhaft, da dies besonders geringe Kosten ermöglicht, insbesondere wenn eine ausführende Recheneinheit noch für weitere Aufgaben genutzt wird und daher ohnehin vorhanden ist. Geeignete Datenträger zur Bereitstellung des Computerprogramms sind insbesondere Disketten, Festplatten, Flash-Speicher, EEPROMs, CD-ROMs, DVDs u.a.m. Auch ein Download eines Programms über Computernetze (Internet, Intranet usw.) ist möglich.

[0021] Weitere Vorteile und Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus der Beschreibung und der beiliegenden Zeichnung.

[0022] Es versteht sich, dass die vorstehend genannten und die nachfolgend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen.

[0023] Die Erfindung ist anhand von Ausführungsbeispielen in der Zeichnung schematisch dargestellt und wird im Folgenden unter Bezugnahme auf die Zeichnung ausführlich beschrieben.

Figurenbeschreibung



[0024] 
Figur 1
zeigt einen Ausschnitt einer Bearbeitungsmaschine mit einer Abwickeleinrichtung, einem Tänzer und einem Einzugswerk, die der Erfindung zugrunde liegen kann,
Figur 2
zeigt eine schematische Darstellung eines Regelkreises für die Bearbeitungsmaschine gemäß Figur 1,
Figuren 3 bis 6
zeigen Ausgestaltungen von Funktionsbausteinen zur Bestimmung von Reglerparametern gemäß unterschiedlicher bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung.


[0025] Ohne Einschränkung wird nachfolgend eine Tänzerlageregelung für einen Abwickelvorgang beschrieben. Es versteht sich jedoch, dass die Erfindung ebenso für die Tänzerlagereglung für einen Aufwickelvorgang oder für die Tänzerlageregelung eines Einzugs- oder Auszugswerks verwendbar ist. Die Darstellung ist so gewählt, dass anhand des Beispiels eines Abwicklers mit Tänzer in Kombination mit einer nachfolgenden angetriebenen Walze beide Mechanismen, d.h. die Ansteuerung einer Wickeleinrichtung mit sich veränderndem Durchmesser einerseits und einer Zugwalze mit konstantem Durchmesser andererseits, erläutert werden können.

[0026] In Figur 1 ist ein Ausschnitt einer bahnverarbeitenden Maschine 100 schematisch dargestellt, wobei eine Warenbahn 101 von einer Abwickeleinrichtung 102 als stromaufwärtige Klemmstelle abgewickelt wird und über einen Tänzer 110 einer stromabwärtigen Klemmstelle, hier einem Einzugswerk 103, zugeführt wird. Der Tänzer 110 umfasst zwei ortsfeste Umlenkrollen 111 sowie eine bewegliche Tänzerrolle 112, die eine Kraft F01 und damit eine Bahnspannung in die Warenbahn einprägt. Der Abstand zwischen den Klemmstellen ist mit L01 bezeichnet. Der Tänzerlage-Istwert xist wird von einer schematisch gezeigten Tänzerlageerfassungsvorrichtung 140 erfasst und an eine Recheneinheit 150 übermittelt, welche insbesondere zur Regelung der Tänzerlage eingerichtet ist. Aufgabe der Tänzerlageregelung ist es, die Position der Tänzerrolle 112 auf einer Soll-Position xSoll zu halten. Die Recheneinheit 150 bestimmt ebenfalls gemäß einer Ausgestaltung der Erfindung automatisch die dazu notwendigen Reglerparameter.

[0027] Die Drehzahlen der Abwickeleinrichtung 102 bzw. des Einzugswerks 103 sind von der Recheneinheit 150 ansteuerbar, woraus sich in Abhängigkeit vom jeweiligen Durchmesser die Umfangsgeschwindigkeiten (Bahngeschwindigkeiten, Fördergeschwindigkeiten) v1 bzw. v2 ergeben. Im vorliegenden Beispiel wird v1 für die Tänzerlageregelung verwendet. Während des Abwickelvorgangs verändert d.h. reduziert sich der Durchmesser D der Abwickeleinrichtung 102 bzw. des sich auf der Abwickeleinrichtung befindlichen Warenbahnwickels.

[0028] Der Abstand der Umlenkrollen 111 des Tänzers 110 ist mit LHypo bezeichnet und definiert zusammen mit dem Tänzerlage-Istwert xist einen Umschlingungswinkel β der Warenbahn 101 um die Tänzerrolle 112. Häufig wird der Abstand der ortsfesten Umlenkrollen so gewählt, dass die Umschlingung 180° beträgt. Eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung ist jedoch so ausgebildet, dass die Reglerparametrierung auch mit beliebigen Umschlingungswinkeln β bzw. beliebigen Umlenkrollenabständen LHypo zurechtkommt. Die Länge der Warenbahn vom Scheitelpunkt der Umlenkrolle 111 zum Scheitelpunkt der Tänzerrolle 112 ist mit lBahn bezeichnet.

[0029] In Figur 2 wird die der Erfindung zugrundeliegende Tänzerlageregelung anhand eines Regelkreises 200 schematisch dargestellt. Die Führungsgröße, xSoll, wird einem Vergleichsglied bzw. Subtrahierglied zugeführt, dem auch die Regelgröße, d.h. die Tänzerlage xist, über Glieder 205 und 204, auf die weiter unten näher eingegangen werden wird, zugeführt wird. Die sich daraus ergebende Regelabweichung e wird einem Tänzerlage-Regelglied 201 zugeführt, welches vorliegend als PI-Glied mit einer Proportionalverstärkung KP und einer Nachstellzeit TN ausgebildet ist. Ohne Einschränkung kann das Tänzerlage-Regelglied 201 auch als P-, PD- oder PID-Glied oder als anderer Regler, wie beispielsweise ein Zustandsregler, ausgeführt sein. Für nachfolgende Beschreibung wird jedoch ein PI-Regler mit folgender Übertragungsfunktion angenommen:



[0030] Das Regelglied erzeugt im vorliegenden Fall als Stellsignal nv einen additiven Drehzahlsollwert, welcher an eine Regelstrecke 202, welche vorliegend als I-Strecke ausgeführt ist, geführt wird. Dieses Stellsignal veranlasst eine Geschwindigkeitsverstellung - je nach Regelsinn - der Abwickeleinrichtung 102 oder des Einzugswerks 103. Bei der dargestellten I-Strecke 202 wirkt sich eine Geschwindigkeitsveränderung als linearer Anstieg oder Abfall der Gesamtlänge der Warenbahn 101 zwischen Abwickeleinrichtung 102 und Einzugswerk 103 und damit auf den Tänzerlage-Istwert xist aus. Der Tänzerlage-Istwert xist ist - wie nachfolgend dargestellt - eine Funktion der geometrischen Größen D, L01, LHypo.

[0031] Der Tänzerlage-Istwert xist wird durch die Tänzerlagenerfassungsvorrichtung 140 erfasst, bei der ein bestimmtes Verhältnis zwischen erfasstem Lageistwert und ausgegebenem Messwert vorliegt. Dieses Verhältnis wird durch eine lineare oder nichtlineare Kennlinie (z.B. statische Kennlinie eines Hammerstein-Modells) 205 im Rückführzweig dargestellt. Da das Messsignal immer auch einer Übertragungstotzeit und meist einem zusätzlichen Signalfilter unterliegt, ist weiterhin auch ein PT1-Glied 204 im Rückführzweig vorhanden.

[0032] Die Gesamtlänge lges ergibt sich aus Figur 1 anhand nachfolgender Betrachtung:



[0033] Der Winkel a kann über den Tänzerlage-Istwert xist und den Abstand der Umlenkwalzen LHypo bestimmt werden zu:



[0034] Die Gesamtlänge der Materialbahn ergibt sich zu lges = L01 - LHypo +2·lBahn.

[0035] Durch Umformen erhält man den Tänzerlage-Istwert: xist = f(lges,L01,LHypo).

[0036] Bei der verbreiteten Ausgestaltung mit einer Umschlingung der Materialbahn von β = 180° ergibt sich die Gesamtlänge der Materialbahn zu:


wobei LUmfang den Umfang der Tänzerrolle 112 und DTänze den Durchmesser der Tänzerrolle bezeichnen.

[0037] Durch Umstellen ergibt sich der Tänzerlage-Istwert in Abhängigkeit von der Geometrie und der aktuellen Gesamtlänge. Die in die Materialbahn eingeprägte Kraft entspricht der Hälfte der aufgebrachten Kraft F01.

[0038] Die integrierende Regelstrecke 202 kann - bei einer zugrunde gelegten üblichen Umschlingung von 180° - über nachfolgende Gleichung beschrieben werden.

wobei v1 die Umfangsgeschwindigkeit der stromaufwärtigen Klemmstelle 102,

v2 die Umfangsgeschwindigkeit der stromabwärtigen Klemmstelle 103,

ε01 die Dehnung der Warenbahn 101 zwischen stromaufwärtiger Klemmstelle 102 und Tänzer 110 und

ε12 die Dehnung der Warenbahn 101 zwischen Tänzer 110 und stromabwärtiger Klemmstelle 103 ist.



[0039] Es ist zu erkennen, dass eine Erhöhung der Geschwindigkeit v1(s) der Abwickeleinrichtung 102 einen Anstieg der gesamten Materialbahnlänge lges und entgegengesetzt eine Erhöhung der Geschwindigkeit v2(s) des Einzugswerks 103 eine Reduzierung der gesamten Materialbahnlänge bewirkt. Hierdurch ist ein positiver und negativer Regelsinn, wie im Stand der Technik bei einer Bahnzugkraftregelung bekannt, beschrieben. Der positive Regelsinn entspricht somit der Regelung mittels des Abwicklers als Stellsignal, da hierbei ein Anstieg des Stellsignals zugleich einen Anstieg des Ausgangssignals bewirkt. Umgekehrt veranlasst ein Anstieg der Geschwindigkeit des Einzugwerks eine Reduzierung des Ausgangssignals, was einem negativen Regelsinn entspricht.

[0040] Es wird insbesondere deutlich, dass beide Umfangsgeschwindigkeiten v1(s) und v2(s) in die Regelstrecke eingehen. In realen Steuerungen ist jedoch nicht die Umfangsgeschwindigkeit v(s), sondern die Winkelgeschwindigkeit u(s) bekannt, aus der sich die Umfangsgeschwindigkeit v(s) auf bekannte Weise ergibt:



[0041] Somit wird das Streckenverhalten abhängig vom Radius r(s) der begrenzenden Klemmstellen. Da am Einzugswerk 103 von einem konstanten Radius der Walzen ausgegangen werden kann, ist hier lediglich der Radius (bzw. Durchmesser D) der Abwickeleinrichtung 102 zu berücksichtigen und wird gemäß der hier erläuterten bevorzugten Ausführungsform bei der automatischen Bestimmung beider Reglerparameter KP und TN berücksichtigt. Aus dem oben beschrieben Streckenverhalten können die Reglerparameter KP und TN anhand üblicher Verfahren, wie z.B. symmetrisches Optimum, Wurzelortskurvenauslegung, Chien-Rhones-Reswick (CHR) usw., automatisch und computerimplementiert bestimmt werden.

[0042] Für beliebige Umschlingungswinkel β (und damit beliebige a) ergibt sich die Übertragungsfunktion der Regelstrecke (ohne Messaufnehmer, Signalfilterung und Übertragungstotzeiten) zu:



[0043] Hierbei kann die Funktion f(α) in Abhängigkeit von den geometrischen Gegebenheiten ein lineares oder nichtlineares Verhalten besitzen. Da diese Funktion lediglich eine statische Nichtlinearität aufgrund der Winkelfunktionen darstellt, kann diese durch eine Ein- bzw. Ausgangskennlinienkompensation (bspw. Wiener- oder Hammersteinmodell) berücksichtigt werden.

[0044] Dasselbe gilt für den Messaufnehmer, der über einen Spannungs- oder Stromwert den Lageistwert wiedergibt. Das Verhältnis von Lageistwert zu Messsignal kann wiederum ein lineares oder nichtlineares sowie ein statisches oder dynamisches Verhalten zeigen. Eine statische Beziehung kann bspw. erneut über eine Ein- bzw. Ausgangskennlinienkompensation (Wiener- oder Hammersteinmodell) berücksichtigt werden. Eine dynamische Beziehung kann bspw. über einen nichtlinearen bzw. adaptiven Regler berücksichtigt werden.

[0045] Bei der Bestimmung der Reglerparameter kann in erster Näherung die Länge L01 zwischen Abwickeleinrichtung 102 und Einzugswerk 103 vernachlässigt werden, wenn der Regler im Arbeitspunkt linearisiert wird. Eine weitere Vereinfachung kann durch Vernachlässigung der Elemente 204 und 205 im Rückführzweig erzielt werden. In der Folge ergibt sich gemäß einer bevorzugten Ausführungsform eine Bestimmung der Reglerparameter nur unter Berücksichtigung von Wickeldurchmesser D und Regelsinn, optional zusätzlich unter Berücksichtigung von Verzögerungszeiten und optional zusätzlich unter Berücksichtigung der Kennlinie der Tänzerlagerfassungseinrichtung

[0046] In den Figuren 3 bis 6 sind Funktionsbausteine 300, 400, 500 und 600 zur Bestimmung der Reglerparameter KP und TN dargestellt. Es sind jeweils auf der linken Seite unterschiedliche Eingangsgrößen vorhanden, die - gegebenenfalls auch optional - in die Bestimmung der Reglerparameter einfließen.

[0047] Bevorzugterweise ist vorgesehen, den Regelsinn dem Funktionsbaustein zuzuführen. Der Regelsinn ist mit +/- in den Figuren bezeichnet. Der Regelsinn beeinflusst im Wesentlichen das Vorzeichen der Reglerausgangsgröße und kann somit auch an einer anderen Stelle innerhalb des Regelkreises zugeführt werden. Weiterhin ist vorgesehen, den aktuellen Durchmesser D der Wickeleinrichtung (bzw. den konstanten Durchmesser D einer Zugwalze) jedem der dargestellten Funktionsbausteine zuzuführen.

[0048] Optional ist vorgesehen, den Funktionsbausteinen die Kennlinie KL der Tänzerlageerfassungsvorrichtung und/oder Verzögerungszeiten T zuzuführen, deren Berücksichtigung - wie oben beschrieben - die Bestimmung der Reglerparameter verbessert.

[0049] Der Funktionsbaustein 400 ist für die Bestimmung der Reglerparameter in Fällen vorgesehen, in denen der Umschlingungswinkel β nicht 180° beträgt. Zur Bestimmung der Reglerparameter wird hier vorzugsweise noch der Abstand LHypo der Umlenkrollen 111 des Tänzers 110 und die Länge L01 berücksichtigt. Alternativ zur Berücksichtigung der Größen LHypo und L01 können auch die Winkel a und β berücksichtigt werden.

[0050] Gemäß einer anderen bevorzugten Ausgestaltung, die durch den Funktionsbaustein 500 repräsentiert wird, wird zur Bestimmung der Reglerparameter auch ein Gewichtungsfaktor w verwendet, der z.B. zwischen 0 und 100 % liegen kann (denkbar sind auch Werte größer 100%). Wie weiter oben erläutert, beeinflusst der Gewichtungsfaktor w die sogenannte Reglerschärfe.

[0051] Der Funktionsbaustein 600 unterscheidet sich vom Funktionsbaustein 500 durch die zusätzliche Möglichkeit der Angabe des Auslegungskriteriums K, z.B. CHR usw. (siehe oben).

[0052] Wie erläutert, lassen sich die Reglerparameter in Abhängigkeit von physikalischen Größen automatisch berechnen. Einige dieser Größen, insbesondere der Durchmesser der Wickeleinrichtung, verändern sich während des Bearbeitungsprozesses. Neben der Messung dieser Größen wird auch eine Bestimmung mit Hilfe regelungstechnischer Beobachter und/oder eines Parameterschätzverfahrens vorgeschlagen.


Ansprüche

1. Verfahren zur automatischen Bestimmung wenigstens eines Reglerparameters (KP, TN) eines Tänzerlage-Regelglieds (201) in einer Bearbeitungsmaschine (100) umfassend einen Tänzer (110), dessen Tänzerlage (xist) erfasst wird, wobei auf Grundlage der erfassten Tänzerlage (xist) eine Drehzahl (nv) einer Walze (102, 103) vorgegeben wird, wobei der wenigstens eine Reglerparameter (KP, TN) in Abhängigkeit von einem Durchmesser (D) der Walze (102, 103) automatisch bestimmt wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die Drehzahl einer Wickeleinrichtung (102) zum Auf- oder Abwickeln der Warenbahn (101) vorgegeben wird und der wenigstens eine Reglerparameter (KP, TN) in Abhängigkeit von dem sich während des Wickelvorgangs verändernden Durchmesser (D) der Wickeleinrichtung (102) automatisch bestimmt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Drehzahl einer Transportwalze (103) zum Transport der Warenbahn (101) vorgegeben wird und der wenigstens eine Reglerparameter (KP, TN) in Abhängigkeit von dem im Wesentlichen konstanten Durchmesser der Transportwalze (103) automatisch bestimmt wird.
 
4. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, wobei das Tänzerlage-Regelglied (201) einen Proportionalanteil umfasst und der wenigstens eine Reglerparameter eine Proportionalverstärkung (KP) umfasst.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4, wobei das Tänzerlage-Regelglied (201) zusätzlich einen Integralanteil und/oder einen Differentialanteil umfasst und der wenigstens eine Reglerparameter zusätzlich eine Nachstellzeit (TN) bzw. eine Vorhaltzeit umfasst
 
6. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, wobei die Bestimmung des wenigstens einen Reglerparameters (KP, TN) während des Betriebs der Bearbeitungsmaschine (100) regelmäßig oder getriggert durchgeführt wird.
 
7. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, wobei bei der Bestimmung des wenigstens einen Reglerparameters (KP, TN) wenigstens eine Verzögerungszeit, Totzeit und/oder Signalglättungszeit (T) berücksichtigt wird.
 
8. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, wobei bei der Bestimmung des wenigstens einen Reglerparameters (KP, TN) ein Messverhalten (KL) einer Tänzerlageerfassungsvorrichtung (140) berücksichtigt wird.
 
9. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, wobei der Tänzer (110) zwei ortsfeste Umlenkrollen (111) sowie eine bewegliche Tänzerrolle (112) umfasst und bei der Bestimmung des wenigstens einen Reglerparameters (KP, TN) ein Abstand (LHypo) der zwei ortsfesten Umlenkrollen (111) und/oder ein Umschlingungswinkel (a, β) der Umlenkrollen (111) und/oder der Tänzerrolle (112) durch die Warenbahn (101) berücksichtigt wird.
 
10. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, wobei in die Berechnung des wenigstens einen Reglerparameters (KP, TN) ein vorgebbarer Gewichtungsfaktor (w) eingeht.
 
11. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, wobei in die Berechnung des wenigstens einen Reglerparameters (KP, TN) ein vorgebbares Auslegungskriterium (K) eingeht.
 
12. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, wobei der Tänzer (110) zwischen einer stromaufwärtigen Klemmstelle (102) und einer stromabwärtigen Klemmstelle (103) angeordnet ist und der wenigstens eine Reglerparameter (KP, TN) berechnet wird anhand des Streckenverhaltens


wobei v1 die Umfangsgeschwindigkeit der stromaufwärtigen Klemmstelle (102), v2 die Umfangsgeschwindigkeit der stromabwärtigen Klemmstelle (103), ε01 die Dehnung der Warenbahn (101) zwischen stromaufwärtiger Klemmstelle (102) und Tänzer (110) und ε12 die Dehnung der Warenbahn (101) zwischen Tänzer (110) und stromabwärtiger Klemmstelle (103) ist.
 
13. Recheneinheit (150), die dazu eingerichtet ist, ein Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche durchzuführen.
 




Zeichnung














Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente