[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur zumindest teilweisen Entfernung eines Radiotoxikums
oder spezifischer Radiotoxika aus einer noch betriebsfähigen kerntechnischen Anlage
vor ihrer endgültigen Stilllegung.
Stand der Technik
[0002] Angesichts knapper und teurer Endlagerkapazitäten ist es beim Rückbau kerntechnischer
Anlagen unumgänglich, eine möglichst große Teilmenge des anfallenden Abfalls konventionell
zu entsorgen und die Restmenge an radioaktiv kontaminiertem Abfall zu minimieren bzw.
in niedrigere Abfallkategorien zu überführen. Während nicht kontaminierte Anlagenteile
nach dem Freimessen unmittelbar konventionell entsorgt werden können, sollten die
mit einem Radiotoxikum bzw. verschiedenen Radiotoxika kontaminierten Teile zuvor behandelt
werden, um die Radiotoxika zumindest partiell vom nicht strahlenden Grundwerkstoff
zu trennen. Hierzu ist es nach Stand der Technik meist erforderlich, die Anlagenteile
zunächst in handhabbare Portionen zu zerlegen und diese Portionen mit geeigneten Dekontaminationsverfahren
zu behandeln.
[0003] Nachteilig beim Zerlegen sind der hohe technische Aufwand sowie die damit verbundenen
Strahlenbelastungen und Kosten. Die hohe Ortsdosisleistung im Inneren einer kerntechnischen
Anlage und die Gefahr einer Inkorporation insbesondere bei der mechanischen Bearbeitung
von Anlagenteilen machen es vielfach erforderlich, das Zerlegen fernbedient und/oder
unter Wasser bzw. hinter Abschirmungen durchzuführen. Besonders problematische Kontaminationen
z. B. beim Rückbau graphitmoderierter Kernreaktoren (Hochtemperaturreaktoren, MAGNOX,
UNGG, AGR, RBMK, diverser Testreaktoren etc.) sind in diesem Zusammenhang z. B.
14C wegen seiner Biokompatibilität und
36Cl wegen seiner Löslichkeit. Diese Isotope haben zudem relativ lange Halbwertszeiten,
so dass ihre Gefährlichkeit auch durch einen Jahrzehnte währenden "sicheren Einschluss"
vor Beginn des Rückbaus nur unwesentlich gemindert wird.
[0004] Aus der
US 2002/0064251 A1 ist ein Verfahren bekannt, mit dem der Graphit eines endgültig stillgelegten gasgekühlten
graphitmoderierten Reaktors durch endotherme Dampfreformierung in Wasserstoff und
Kohlenmonoxid umgesetzt werden kann. Hierzu wird die Reaktionswärme in Form von überhitztem
Wasserdampf in den Kernbereich eingebracht. Nachteilig werden die Graphitaufbauten
bei diesem Verfahren in nicht kontrollierbarer Weise strukturell geschwächt, so dass
sie beim weiteren Rückbau zerbrechen können oder die Kernstrukturen des Reaktors gar
einstürzen können. Zudem können sich aus dem entstehenden Wasserstoff und Kohlenmonoxid
hochexplosive Gasgemische bilden, wenn unkontrolliert Sauerstoff in die Arbeitszone
eintritt. Weiterhin ist nachteilhaft, dass dieses Verfahren keine selektive Wirkung
auf die Entfernung spezifischer Radiotoxika besitzt und erst nach Beendigung des Reaktorbetriebs
Verwendung finden kann.
Aufgabe und Lösung
[0005] Es ist daher die Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit
dem ein Radiotoxikum bzw. spezifische Radiotoxika sicherer und zugleich kostengünstiger
zumindest zum Teil aus einer kerntechnischen Anlage entfernt werden können als nach
dem Stand der Technik. Dabei soll zudem eine bessere Trennung des Radiotoxikums vom
nicht strahlenden Grundwerkstoff der Anlage erfolgen als nach dem Stand der Technik.
[0006] Diese Aufgaben werden erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren gemäß Hauptanspruch.
Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen ergeben sich aus den darauf rückbezogenen Unteransprüchen.
Gegenstand der Erfindung
[0007] Im Rahmen der Erfindung wurde ein Verfahren zur zumindest teilweisen Entfernung mindestens
eines Radiotoxikums aus einer kerntechnischen Anlage entwickelt. Der nukleare Teil
dieser Anlage wird im Betrieb von mindestens einem Betriebsmittel durchströmt, das
durch mindestens einen Vorlauf in die Anlage eingeführt und durch mindestens einen
Rücklauf aus der Anlage ausgeführt wird. Dabei kann es im nuklearen Teil der Anlage
vorteilhaft erhitzt werden. Das Betriebsmittel kann insbesondere eine Kühlflüssigkeit
oder ein Kühlgas sein, das im Normalbetrieb verwendet wird, um die thermische Reaktorleistung
auf Wärmetauscher zu übertragen.
[0008] Erfindungsgemäß wird mindestens ein Korrosionsmedium einzeln oder in Kombination
mit dem Betriebsmittel, vorzugsweise dosiert, durch den Vorlauf in die auf geeigneter
Temperatur befindliche Anlage eingeführt. Der nukleare Teil der Anlage wird dabei
durch Kernspaltung, gegebenenfalls zusätzlich durch von außen eingebrachte Energie
auf eine Temperatur aufgeheizt, die die chemische Reaktion unterstützt oder beschleunigt.
Das Korrosionsmedium wird sodann in der Anlage, vorteilhaft kontrolliert, mit dem
Radiotoxikum in Kontakt gebracht und überführt das Radiotoxikum durch eine chemische
Reaktion zumindest zum Teil in eine chemische Verbindung. Diese chemische Verbindung
kann insbesondere flüchtig, etwa ein Gas, sein.
[0009] Dabei findet die chemische Reaktion im Wesentlichen lediglich an äußeren und inneren
Oberflächen, mit denen das Korrosionsmedium in Kontakt kommt, einschließlich innerer
Oberflächen von Poren, in die das Korrosionsmedium eindringt, statt. Die chemische
Verbindung wird zumindest zum Teil durch den Rücklauf aus der Anlage ausgeführt. Sie
kann vorteilhaft über im Kreislauf für das Betriebsmittel, beispielsweise im Kühlkreislauf,
ohnehin schon vorhandene Reinigungseinrichtungen während und nach Anwendung des Verfahrens
aus diesem Kreislauf entfernt werden. Der Korrosionsprozess kann durch die im nuklearen
Teil herrschende Temperatur, die durch Kernspaltung bereitgestellt oder auch durch
die Temperatur des Korrosionsmediums vorgegeben sein kann, sowie durch die Dosierung
des Korrosionsmediums so gesteuert werden, dass weder die Sicherheit noch die Festigkeit
der Strukturen im nuklearen Teil (insbesondere Kernstrukturen) gefährdet sind.
[0010] Es wurde erkannt, dass es durch diese Vorgehensweise nicht mehr erforderlich ist,
die Anlage im Zustand der höchstgradigen Kontamination zu zerlegen. Stattdessen kann
ein großer Teil der Kontamination entfernt werden, während sich die Anlage in einem
Zustand befindet, der sich nur wenig vom sicheren Normalbetrieb unterscheidet. Dies
gilt insbesondere, wenn das Korrosionsmedium dem Betriebsmittel in geringer Konzentration
zudosiert wird. In diesem Zustand sind alle Sicherheitseinrichtungen noch wirksam
und alle Abschirmungen noch intakt. Nach dem Stand der Technik musste gleich zu Beginn
des Rückbaus mit mechanischer Gewalt durch alle schützenden Barrieren hindurch ein
Weg ins Innere der Anlage gebahnt werden, wo das Radiotoxikum in seiner gefährlichsten
Form als offene, inkorporierbare Kontamination vorlag. Erfindungsgemäß tritt das Radiotoxikum
nun nur noch an einem definierten Ort aus der Anlage aus, nämlich durch den Rücklauf
und insbesondere durch die vielfach ohnehin in diesem Rücklauf vorhandenen Reinigungsanlagen.
Durch die Wahl des Korrosionsmediums kann darüber hinaus bewirkt werden, dass bei
der Reaktion mit den Radiotoxika eine für die weitere Verarbeitung vergleichsweise
risikoarme, beispielsweise gasförmige, chemische Verbindung entsteht, welche vorteilhaft
in feste endlagerfähige Produkte überführt werden können (z. B. Karbonate, Karbide
oder Chloride).
[0011] Das erfindungsgemäße Verfahren bietet darüber hinaus große Vorteile hinsichtlich
der Genehmigungsfähigkeit. Das Verfahren wird in der Regel nur durchgeführt, während
oder nachdem die kerntechnische Anlage bereits in einem genehmigten Normalzustand
betrieben wird oder betrieben worden ist. Es kann insbesondere schon während des Reaktorbetriebs
oder in der Endphase der Betriebszeit angewendet werden. Dies hat nicht nur den technischen
Vorteil, dass die Betriebstemperaturen vorteilhaft zur Unterstützung oder Beschleunigung
der chemischen Reaktion genutzt werden können. Weicht der Betriebszustand bei der
Durchführung des Verfahrens nur wenig von diesem Normalzustand ab, so muss nur diese
geringe Abweichung atomrechtlich genehmigt werden. Beim Rückbau kerntechnischer Anlagen
nach dem Stand der Technik dagegen ist jedes Außerkraftsetzen eines Sicherheitssystems
mit zeitweiser oder endgültiger Stilllegung verbunden und jeder Durchbruch durch eine
Barriere auf Grund der dabei auftretenden Gefahrerhöhung separat zu genehmigen, was
sich über Jahre hinziehen kann und eine Wiederinbetriebnahme ausschließt.
[0012] Die erfindungsgemäß eingesetzte chemische Reaktion findet im Wesentlichen lediglich
an äußeren und inneren Oberflächen, mit denen das Korrosionsmedium in Kontakt kommt,
einschließlich innerer Oberflächen von Poren, in die das Korrosionsmedium - je nach
Temperaturprofil im nuklearen Teil und hier insbesondere im Reaktorkern vorteilhaft
in vergleichsweise niedrigen Konzentrationen - eindringt, statt. Dies hat einen doppelten
Effekt:
- Zum einen ist dadurch sichergestellt, dass die strukturelle Integrität der kerntechnischen
Anlage während der Durchführung des Verfahrens erhalten bleibt. Indem nur oberflächennahe
Bereiche angegriffen werden, wird zudem vorteilhaft die Entstehung von Lecks in den
behandelten Anlagenteilen vermieden. So besteht etwa ein gasgekühlter graphitmoderierter
Reaktor aus einer Vielzahl von Graphitblöcken, die zum Teil im Nut-Feder-System aneinandergefügt
sind. Diese Blöcke sind insbesondere mit dem Radiotoxikum 14C kontaminiert, das durch das erfindungsgemäße Verfahren zumindest teilweise entfernt
wird. Jeder einzelne Block trägt jedoch auch zur mechanischen Stabilität der Anlage
bei. Eine massive chemische Reaktion, die 14C angreift, greift mit hoher Wahrscheinlichkeit auch 12C und damit die Struktur des Reaktorkerns an. Die Durchführung der Reaktion lediglich
an äußeren und inneren Oberflächen verhindert, dass die Blöcke strukturell geschwächt
werden und die Kernstrukturen einstürzen. Ein solcher Einsturz würde den weiteren
Rückbau sehr erschweren.
- Eine gewisse Menge von 14C und anderen Radiotoxika ist in Form feiner Stäube im Reaktorkreislauf gebunden.
Beim erfindungsgemäßen Verfahren wird ein großer Teil der Feinstäube in gasförmige
Korrosionsprodukte umgesetzt und lässt sich vorteilhaft ebenfalls über die Reinigungsanlagen
des Kühlmittelkreislaufs entfernen. Dieser Prozess lässt sich durch plötzliche Veränderungen
der Kühlmittelgeschwindigkeit, wie etwa durch wiederkehrendes Ein- und Abschalten
der Umwälzeinrichtungen (etwa Kühlgasgebläse), vorteilhaft beeinflussen, da hierdurch
die Stäube aufgewirbelt und zur Reaktion gebracht werden können. Damit wird zumindest
der am leichtesten mobilisierbare Staub noch vor Öffnen des Primärkreislaufs zum konventionellen
Rückbau entfernt bzw. in seiner Radiotoxizität reduziert.
- Zum anderen ist es möglich, das Radiotoxikum konzentrationsmindernd von einem Grundwerkstoff
zu entfernen, der ihm chemisch sehr ähnlich ist. Es wurde erkannt, dass sich beim
Betrieb kerntechnischer Anlagen Kontaminationen zum größten Teil an äußeren und inneren
Oberflächen, einschließlich äußerer und innerer Oberflächen von Porensystemen, anlagern.
Indem das Korrosionsmedium selektiv diesen Bereich angreift, wird der mengenmäßig
größte Anteil der Kontamination entfernt. Was danach noch an Kontamination verbleibt,
ist vergleichsweise stabil in den Anlagenteilen gebunden und beim letztendlichen Rückbau
der Anlage deutlich weniger gefährlich als die zuvor vorliegende offene und somit
inkorporierbare Kontamination. Dies gilt insbesondere für graphitmoderierte Reaktoren.
Indem nur äußere und innere Oberflächen angegriffen werden, werden nur Bereiche angegriffen,
die tatsächlich in hohem Maße mit dem Radiotoxikum 14C belastet sind. Das Produkt der chemischen Reaktion, das am Rücklauf anfällt, ist
somit in einem hohen Maße mit 14C belastet. Der im Reaktor verbleibende Graphit weist nur noch eine geringe Restkontamination
auf, die zudem stabil auf regulären Gitterplätzen gebunden ist. Hierdurch wird das
Verfahren ein Verfahren zur in-situ Dekontamination des Reaktors. Es ist das grundsätzliche
Ziel einer jeden Dekontamination, kontaminiertes Material von nicht oder nur schwach
kontaminiertem Material zu trennen, damit der Hauptteil der gesamten Kontamination
in einem möglichst geringen Endlagervolumen untergebracht werden kann. Ist die Restkontamination
in den Anlagenteilen stabil gebunden, kann dies zudem ausschlaggebend dafür sein,
dass die Anlagenteile statt als "Intermediate-Level Waste" als "Low-Level Waste" eingestuft
und somit deutlich einfacher und kostengünstiger entsorgt oder gar nach weiterer Behandlung
wiederverwertet werden können.
[0013] Speziell beim Rückbau gasgekühlter graphitmoderierter Reaktoren ist die Dekontamination
deutlich effektiver, weil die chemische Reaktion lediglich an äußeren und inneren
Oberflächen abläuft. Diese Reaktoren haben eine viel geringere Leistungsdichte als
wassermoderierte Reaktoren; gleichzeitig enthalten sie eine viel größere Menge an
Moderatormaterial. Wird Wasser als Moderator verwendet, treffen die schnellen Neutronen
auf ruhende Wasserstoffatome mit Massenzahl 1. Aus der Energie- und Impulserhaltung
ergibt sich, dass die Neutronen bei jedem solchen Stoß einen erheblichen Anteil ihrer
kinetischen Energie auf ein Wasserstoffatom übertragen. Wird dagegen Graphit als Moderator
verwendet, treffen die schnellen Neutronen auf ruhende Kohlenstoffatome
12C mit Massenzahl 12. Diese bleiben auf Grund der Impulserhaltung praktisch in Ruhe,
während die Neutronen mit fast unverminderter Geschwindigkeit und damit kinetischer
Energie reflektiert werden. Im Ergebnis wird für die Thermalisierung von Neutronen,
für die eine wenige Millimeter dicke Wasserschicht ausreicht, eine etwa 40 cm lange
Strecke in Graphit benötigt. Im Gegensatz zum Wasser in wassermoderierten Reaktoren,
das gleichzeitig als Kühlmittel dient und daher ständig ausgetauscht wird, verbleibt
ein Graphitmoderator für die gesamte Betriebsdauer im Reaktor. Somit reichert sich
über die gesamte Betriebsdauer Aktivität in ihm an. Daher ist kontaminierter Graphit
der Hauptbestandteil eines zurückzubauenden graphitmoderierten Reaktors, während ein
wassermoderierter Reaktor bis auf einen überschaubaren Kernbereich konventionell zurückgebaut
werden kann. Das erfindungsgemäße Verfahren löst den größten Teil der vorhandenen
während des Rückbaus oder im Endlager mobilisierbaren Aktivität aus dem Graphit und
vereinfacht zugleich die Handhabung der Restkontamination in der sehr großen Graphitmenge.
[0014] Neben kontaminiertem Graphit fällt in einem gasgekühlten graphitmoderierten Reaktor
zusätzlich noch eine große Menge an Fasermaterial an, mit dem die Heißgasleitungen
isoliert werden. Auch dieses Material lässt sich mit dem erfindungsgemäßen Verfahren
vorteilhaft in-situ dekontaminieren.
[0015] Die Durchführung der chemischen Reaktion lediglich an äußeren und inneren Oberflächen
lässt sich über die Prozessparameter, speziell über die Zusammensetzung des Korrosionsmediums,
über die Menge und/oder Konzentration des Korrosionsmediums sowie über Temperatur
der kerntechnischen Anlage und/oder des Korrosionsmediums, steuern. Bereits innerhalb
der üblichen Betriebstemperaturen gasgekühlter graphitmoderierter Reaktoren (MAGNOX
/UNGG: 150-400 °C; AGR: 250-650 °C; HTR: 250-950 °C) besteht ein erheblicher Spielraum
für die Steuerung der Reaktion. Insbesondere bei den relativ geringen Temperaturen
im MAGNOX / UNGG sowie AGR wird eine stärkere Einbindung von Radiotoxika, z. B. durch
Diffundieren von oberflächennahen Kontaminationen in das Kristallgitter oder in die
übrigen Kernstrukturen hinein verhindert. Damit kann auch ein Großteil der Oberflächenkontaminationen
von dem erfindungsgemäßen Verfahren erfasst werden. Die Betriebstemperaturprofile
lassen sich bei Bedarf auch durch Modifikation des Gasdurchsatzes, Reduzierung der
Anlagenleistung und Optimierung der Leistungsverteilung (Veränderung der Abschaltstabstellungen)
anpassen, um einen ausreichenden Umsatz an
14C und anderen Radiotoxika in allen Teilen des Reaktorkerns zu erzielen.
[0016] Die Umsetzung von
14C in flüchtige Kohlenstoffverbindungen geschieht bereits bei Temperaturen von unter
etwa 500°C. Bei diesen Temperaturen kann der Sauerstoff weit in ein vorhandenes Porensystem
eindringen, um die Kristalle an der inneren Oberfläche partiell zu oxidieren. Bei
höheren Temperaturen setzt hingegen eine starke Oxidation an der Außenseite der Graphitblöcke
ein, da die Porendiffusion weniger stark durch Temperaturerhöhung beschleunigt wird
als die chemische Reaktion und es damit zu einer Verarmung am Korrosionssauerstoff
im Inneren des Porensystems der zu korrodierenden Graphitblöcke kommt. Die optimale
Temperatur für die dosierte Korrosion hängt damit von der chemischen Reaktivität des
Korrosionsmediums, der Diffusionsrate im Porensystem, welche zum Beispiel durch Druckverminderung
oder durch Zugabe leichter Inertgase vergrößert oder kontrolliert werden kann, und
den Dimensionen des zu korrodierenden Materials ab. Es ist auch möglich, die Kühlmittelzusammensetzung
während der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens dahingehend zu verändern,
dass die Korrosionsprodukte (z. B. mit Radiokarbon angereichertes Kohlenmonoxid oder
Kohlendioxid) leichter aus dem Kühlmittelkreislauf entfernt werden können. Dies könnte
z. B. durch zeitweisen Austausch des CO
2 bei MAGNOX, UNGG und AGR gegen Edelgase mit zudosierten Korrosionsmedien geschehen.
[0017] Welches Korrosionsmedium und welche Prozessparameter zu wählen sind, hängt von der
konkreten zu dekontaminierenden Anlage sowie von den konkreten Radiotoxika ab, deren
Entfernung aus der konkreten Anlage dem Fachmann als Aufgabe gestellt wird. Ein Fachmann
mit chemischen Kenntnissen ist spätestens nach einer zumutbaren Anzahl von Versuchen
im Labormaßstab in der Lage, ein geeignetes Korrosionsmedium und geeignete Prozessparameter
zu finden. Somit versetzt ihn die hier gegebene allgemeine technische Lehre in die
Lage, unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens die Erfindung auszuführen.
Der entscheidende Punkt der erfinderischen Lehre ist, dass im Gegensatz zur vorherrschenden
Meinung in der Fachwelt eine Dekontamination bereits stattfindet, während die Anlage
noch intakt ist.
[0018] Die Prozessparameter sind nicht auf den Bereich beschränkt, der für den Normalbetrieb
vorgesehen ist. So kann in der Stilllegungsphase durchaus etwa die Temperatur in einen
Bereich jenseits der Auslegungsgrenze für den Normalbetrieb gesteigert werden, und
es kann dabei in Kauf genommen werden, dass die Dauerhaltbarkeit von Anlagenteilen
eventuell irreversibel geschwächt wird.
[0019] Tritt am Rücklauf die aus dem Radiotoxikum und dem Korrosionsmedium gebildete chemische
Verbindung zusammen mit dem Betriebsmittel aus, so können vorteilhaft bereits vorhandene
Reinigungseinrichtungen der Anlage verwendet werden, um die kontaminierte Verbindung
von dem nicht kontaminierten Betriebsmittel zu trennen. Beispielsweise weisen gasgekühlte
graphitmoderierte Reaktoren in der Regel eine Gasreinigungsanlage auf, die gegebenenfalls
in ihrer Leistung und Selektivität angepasst werden kann. Wird nun durch das erfindungsgemäße
Verfahren etwa
14C im Reaktor oxidiert, können die dabei entstehenden Reaktionsprodukte CO und CO
2 unter Nutzung der Gasreinigungsanlage aus dem Kühlgas, wie beispielsweise Helium
bei HTR, entfernt werden. Verwendet der Reaktor CO
2 als Kühlgas, kann die Gasreinigungsanlage zu diesem Zweck um eine Vorrichtung zur
Isotopentrennung
[0020] (Druckwechselverfahren, Gaszentrifugen etc.) erweitert werden, wenn nicht von dem
oben beschriebenen Austausch des Kühlmediums Gebrauch gemacht wird.
[0021] In einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung werden die Prozessparameter
so gewählt, dass das Korrosionsmedium weit in ein vorhandenes Porensystem eindringen
kann, so dass es zumindest einen Teil des dort befindlichen Radiotoxikums durch eine
chemische Reaktion in eine chemische Verbindung überführt. Dies ist insbesondere vorteilhaft,
wenn ein gasgekühlter graphitmoderierter Reaktor zu dekontaminieren ist. Reaktorgraphit
und Kohlestein sind extrem porös, haben also eine sehr große innere Oberfläche. Insbesondere
eine Kontamination mit Radiokarbon (
14C) liegt in diesen Medien im Wesentlichen in zwei Formen vor: zum einen als nur lose
an die innere Oberfläche gebundene Kontamination, zum anderen stabil gebunden auf
regulären Plätzen im Kristallgitter. Die erstgenannte Form der Kontamination, die
für die weitere Handhabung deutlich gefährlicher ist als die letztgenannte, wird in
dieser besonders vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung zu einem großen Teil entfernt.
Nach Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens an mit Radiokarbon kontaminiertem
Graphit wird erwartet, dass sich der Restgehalt an Radiokarbon auf den in den Graphitkristalliten
durch Aktivierung von
13C entstandenen und auf regulären Gitterplätzen stabil gebundenen Anteil beschränkt.
[0022] Neben
14C können insbesondere auch
36Cl,
129I,
3H,
60Co oder
99Tc und andere oberflächennahe Kontaminationen als Radiotoxika mit dem erfindungsgemäßen
Verfahren aus der Anlage entfernt werden.
[0023] Für das Eindringen in ein Porensystem ist es insbesondere vorteilhaft, ein gasförmiges
Korrosionsmedium zu verwenden. Dieses kann beispielsweise Sauerstoff, Luft, Wasserdampf,
Wasserstoff, ein Halogen oder einen halogenierten Kohlenwasserstoff enthalten. Ein
gasförmiges Korrosionsmedium ist insbesondere dann vorteilhaft, wenn die Anlage im
Betrieb von einem gasförmigen Kühlmittel als Betriebsmittel durchströmt wird. Dann
kann das Korrosionsmedium diesem Kühlmittel zudosiert werden, und gasförmige Reaktionsprodukte
treten mit dem Kühlmittel aus dem Rücklauf aus.
[0024] In einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird das Radiotoxikum
durch das Korrosionsmedium zumindest zum Teil in eine gasförmige chemische Verbindung
überführt. Beispielsweise können CO, CO
2, ein Kohlenwasserstoff (insbesondere CH
4), ein halogenierter Kohlenwasserstoff, HTO oder eine Säure (insbesondere HCl) gebildet
werden. Eine gasförmige Verbindung lässt sich am besten aus der Anlage abziehen, beispielsweise
durch übliche oder nachgerüstete Gasreinigungsanlagen im Kühlkreislauf, aber auch
durch Spülen der Anlage mit einem inerten Medium, etwa durch Austausch des Kühlmediums,
oder durch Evakuieren der Anlage. Sie lässt sich insbesondere besonders einfach von
einem in der flüssigen Phase vorliegenden Betriebsmittel, Korrosionsmedium oder Gemisch
aus Betriebsmittel und Korrosionsmedium trennen. Zu diesem Zweck kann das Radiotoxikum
durch das Korrosionsmedium alternativ oder auch in Kombination hierzu aber auch zumindest
zum Teil in eine feste chemische Verbindung überführt werden, die beispielsweise aus
der genannten flüssigen Phase ausfällt.
[0025] Die chemische Verbindung wird vorteilhaft aufgefangen und einer gesonderten Behandlung
zugeführt. Es kann dann beispielsweise das aus der Anlage entfernte Radiotoxikum angereichert
werden, so dass ein Großteil der zunächst in der Anlage vorhandenen Kontamination
unter Inanspruchnahme eines minimalen Endlagervolumens entsorgt werden kann. Das angereicherte
Radiotoxikum und hier insbesondere
14C kann darüber hinaus als Wertstoff weiterverwendet werden, da dieses, wie auch andere
Radioisotope, Anwendungen in der Medizin oder in der Technik findet.
[0026] Das erfindungsgemäße Verfahren kann insbesondere an gasgekühlten graphitmoderierten
Reaktoren so ausgeführt werden, dass das aus dem Reaktor entfernte Radiokarbon (
14C) angereichert wird. Anschließend kann der restliche Graphit ebenfalls einer Wiederverwertung
in der Kerntechnik oder der Endlagerung zugeführt werden. Aus dem extrahierten Radiokarbon
wird vorteilhaft wieder ein Festkörper, z. B. in Form von Graphit, Kohlenwasserstoffen
(z. B. Bitumen), Karbiden oder Karbonaten erzeugt, um ihn für die Endlagerung zu konditionieren.
Falls das Radiokarbon in hoher Konzentration verwendet werden soll, kann insbesondere
bei Verwendung von Wasserstoff oder Wasserdampf als Sauerstofflieferant ein Kreisprozess
für das Korrosionsmedium vorteilhaft sein. Der Kreisprozess könnte wie folgt aussehen:
Beim Korrosionsprozess entstehen bei entsprechenden Prozessbedingungen mit der endothermen
Reaktion von Graphit mit beispielsweise Wasserstoff oder Wasserdampf als Reaktionsprodukte
Methan oder Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Im extrahierten und aufgefangenen Methan
oder Kohlenmonoxid ist nun ein gegenüber der ursprünglichen Keramik deutlich erhöhter
Anteil an Radiokarbon enthalten. Dieser Anteil kann nun durch Anreicherungsprozesse
weiter erhöht werden. In einem weiteren Schritt kann aus dem Methan oder Kohlenmonoxid
durch Pyrolyse oder Reduktion wieder fester Kohlenstoff erzeugt werden. Die Reaktionsprodukte
lassen sich im Kreislauf wieder weiterverwenden.
[0027] Dabei kann es vorteilhaft sein, das erfindungsgemäße Verfahren so auszuführen, dass
als Reaktionsgas bevorzugt Kohlenmonoxid oder CH
4 erzeugt wird. Kohlenmonoxid und CH
4 haben ein geringeres Gewicht als Kohlendioxid. Mit diesen Reaktionsgasen kann daher
der gegebene Gewichtsunterschied zwischen Radiokarbon und den stabilen Isotopen des
Kohlenstoffs besser für eine Anreicherung des Radiokarbons ausgenutzt werden.
[0028] Falls das extrahierte, Radiokarbon enthaltende Material für lange Zeit sicher gelagert
werden soll, ist die Herstellung auslaugbeständiger, nicht brennbarer Lagergebinde
sinnvoll. Dies kann z. B. durch Reaktion des radiokarbonreichen Materials zu Karbiden,
z. B. SiC, oder gesteinsähnlichen Karbonaten, bzw. Bitumen geschehen. Das Korrosionsmedium
sollte so gewählt werden, dass die Reaktionsgase möglichst direkt für die weiteren
Behandlungsschritte geeignet sind.
[0029] In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung greift das Korrosionsmedium
auf dem Weg durch die Anlage mindestens eine Komponente derselben an. Dies begünstigt
die Ablösung des Radiotoxikums von äußeren und inneren Oberflächen und hinterlässt
die Anlagenteile mit nur noch einer geringen Restkontamination, so dass diese entweder
als "Low-Level Waste" oberflächennah entsorgt oder sogar unmittelbar oder nach weiterer
Dekontamination freigemessen werden können.
[0030] Diese Ausgestaltung ist am weitesten von der in der Fachwelt bislang vorherrschenden
Lehre entfernt. Mit Hinblick auf die langen Betriebszeiten kerntechnischer Anlagen
und der Unzugänglichkeit kontaminierter Bereiche für Reparaturen wurde gerade der
Zutritt von Medien, die die Substanz der Anlage angreifen, auf ein Minimum reduziert.
Es ist das Verdienst der Erfinder, erkannt zu haben, dass gerade solche Medien den
sicheren Rückbau unterstützten. Dies gilt im Besonderen, wenn das Korrosionsmedium
in der Anlage mit Graphit, insbesondere Reaktorgraphit oder Kohlestein bzw. Isoliermaterialien,
in Kontakt gebracht wird, der mit einem oder mehreren Radiotoxika kontaminiert ist.
Insbesondere Radiokarbon (
14C) verhält sich chemisch genauso wie der Kohlenstoff im Graphit, so dass es kaum Mittel
gibt, die das Radiokarbon umwandeln und den Grundwerkstoff Graphit unverändert lassen.
[0031] Die speziellen Vorteile bei der Behandlung gasgekühlter graphitmoderierter Reaktoren
beruhen auf der Erkenntnis, dass ein signifikanter Teil des Radiokarbons auf den Oberflächen
der Graphitkristalle oder im Binder sitzt und bei den üblichen Betriebstemperaturen
gegebenenfalls auch nur in oberflächennahe Kristallbereiche oder Korngrenzen hinein
diffundiert. Zuvor ging die Fachwelt davon aus, dass Radiokarbon nahezu vollständig
auf regulären Gitterplätzen der Graphitblöcke eingebaut ist und sich damit einer selektiven
Entfernung weitgehend entzieht. Es wird zudem inzwischen angenommen, dass der bei
der Herstellung technischer Graphit verwendete organisch-chemische Binder bei der
Herstellung nicht vollständig graphitiert, weshalb das dort entstandene Radiokarbon
unter bestimmten Bedingungen ebenfalls leichter korrodiert werden kann, als dies bei
regulären Graphitkristallen der Fall ist.
[0032] Ähnliches gilt für das radioaktive Chlorisotop 36, welches als aktivierter Rückstand
aus der Herstellung des Graphits durch Neutronenbestrahlung entsteht. Injektionen
z. B. von Wasserdampf und / oder Wasserstoff lassen das gebundene Chlor in flüchtigere
gasförmige Verbindungen übergehen und ähnlich wie Radiokarbon aus der Graphitstruktur
ablösen.
[0033] Das erfindungsgemäße Verfahren kann generell beispielsweise auch in mehreren Stufen
durchgeführt werden, wobei von Stufe zu Stufe die Aggressivität des Korrosionsmediums
gesteigert oder auch das Korrosionsmedium gewechselt wird. So können beispielsweise
verschiedene Fraktionen von Radiotoxika getrennt voneinander aus der Anlage entfernt
werden.
[0034] Es ist auch möglich, während des regulären Betriebs unter reduzierter Zugabe des
Korrosionsmediums oder unter weniger aggressiven Prozessbedingungen kontinuierlich
oder intermittierend in vorgegebenen Intervallen Radiotoxika aus der Anlage oder aus
Teilbereichen der Anlage zu entfernen, ohne deren Integrität zu schädigen. Hierfür
kann beispielsweise das Korrosionsmedium auch lokal in bestimmte Bereiche der Anlage
injiziert werden.
[0035] In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird das Korrosionsmedium
in der Anlage von äußeren und inneren Oberflächen, einschließlich innerer Oberflächen
von Poren, z. B. während des Anlagenstilistands adsorbiert und anschließend die Prozesstemperatur
hergestellt. Dadurch wird die Menge an Korrosionsmedium, mit dem die Oberflächen beladen
werden, besser kontrollierbar. Dadurch kann wiederum erreicht werden, dass neben dem
Radiotoxikum möglichst wenig nicht radioaktives Material angegriffen und aus der Anlage
entfernt wird.
[0036] In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung kann vor dem Adsorbieren
des Korrosionsmediums eine dosierte Korrosion mittels kontrollierter Zugabe des Korrosionsmediums
derart bei Prozesstemperatur durchgeführt werden, dass zumindest ein Teil geschlossener
Poren geöffnet wird. Dadurch wird sichergestellt, dass bei der Adsorption das Korrosionsmedium
einen möglichst großen Flächenanteil der inneren Oberflächen des Porensystems erreicht.
Die Dekontamination dieser inneren Oberflächen wird dadurch vollständiger.
[0037] Die Kühlgasgebläse können vorteilhaft so betrieben werden, dass im Reaktor vorhandene
kontaminierte Stäube und hier insbesondere Feinstäube gezielt mobilisiert werden.
Dann werden diese Stäube vorrangig durch die chemische Reaktion umgesetzt und aus
der Anlage entfernt. Gerade Feinstäube sind die für das Personal gefährlichste Art
der Kontamination und machen daher nach dem Stand der Technik besondere Schutzmaßnahmen
erforderlich. Sind diese Stäube durch das erfindungsgemäße Verfahren beseitigt oder
reduziert, wird die weitere Handhabung wesentlich vereinfacht.
[0038] Es wird erwartet, dass speziell in gasgekühlten graphitmoderierten Reaktoren das
erfindungsgemäße Verfahren den Graphit soweit vorreinigt, dass eine vereinfachte Entfernung
der Graphitblöcke aus dem Reaktorkern und eine sicherere Endlagerung ermöglicht werden.
Es kann damit gerechnet werden, dass das erfindungsgemäße Verfahren einen wesentlichen
Teil der insgesamt vorhandenen Oberflächenkontamination entfernen kann. Speziell die
Durchführung der chemischen Reaktion mit dem Korrosionsmedium lediglich in oberflächennahen
Bereichen hat hier die Wirkung, dass die Graphitblöcke nicht strukturell geschwächt
werden und bei der Handhabung durch Manipulatoren nicht zerbrechen. Sofern die Handhabung
der Graphitblöcke zur Abschirmung der Strahlung und Bindung von Feinstäuben unter
Wasser erfolgt, ergibt sich der Vorteil eines geringeren Übertritts von Radiotoxika
in die eingebrachte Flüssigkeit. Das erfindungsgemäße Verfahren leistet jedoch einen
Beitrag dazu, dass ggf. eine Handhabung unter Wasser entfallen kann. Dies ist insbesondere
in solchen Anlagen, in denen aus statischen Gründen eine Flutung mit Wasser nicht
möglich ist, ein entscheidender Vorteil.
Spezieller Beschreibungsteil
[0039] Nachfolgend wird der Gegenstand der Erfindung anhand einer Figur näher erläutert,
ohne dass der Gegenstand der Erfindung dadurch beschränkt wird. Es ist gezeigt:
- Figur 1:
- Freisetzung von 14C und 12C bei der simulierten Durchführung einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens.
[0040] In den Arbeiten zur Abtrennung von Tritium (
3H),
14C und anderen radiotoxischen Nukliden aus bestrahltem Graphit (i-Graphit) hat sich
gezeigt, dass die meisten radiotoxischen Nuklide und vor allem
14C an der Oberfläche des i-Graphits gebunden ist. Dies kann zu einer Abtrennung der
Kontamination durch gezielt an äußeren und inneren Oberflächen, einschließlich der
inneren Oberflächen von Poren, stattfindende chemische Reaktionen genutzt werden.
Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung sieht vor, dass in einem ersten Prozessschritt
oberflächenselektive Oxidationsprozesse mit Sauerstoff, Wasserdampf oder Halogenen
oder aber oberflächenselektive Reduktionsprozesse mit Wasserstoff, Kohlenwasserstoffen
oder halogenierten Kohlenwasserstoffen durchgeführt werden. Diese Korrosionsmedien
können beispielsweise als Beimischung zu einer Inertgasatmosphäre bei Temperaturen
im Bereich der Reaktorbetriebstemperatur eingebracht werden.
[0041] In Figur 1 ist an einem Beispiel gezeigt, wie eine Abtrennung von
14C auf diese Weise durchgeführt werden kann. Aufgetragen sind die Freisetzung ΔC-14
von
14C und ΔC-12 von
12C über der Zeit t bei einer Prozesstemperatur von 900 °C. Insbesondere in der Anfangsphase
steigt die Freisetzung von
14C viel schneller an als die Freisetzung von
12C, da der am schnellsten mobilisierbare Anteil des insgesamt vorhandenen Kohlenstoffs
einen hohen Anteil
14C enthält. Zu Beginn wird daher über 100mal mehr
14C als
12C freigesetzt. Mit fortschreitender Zeit werden auch schwerer mobilisierbare Kohlenstoffanteile
freigesetzt, die einen höheren Anteil
12C enthalten. Daher nimmt der Faktor, um den die Freisetzung von
14C über der von
12C liegt, mit der Zeit ab. Sind etwa 70 % des
14C freigesetzt, sind auch etwa 2 % des
12C freigesetzt. Der Faktor ist also von über 100 auf etwa 35 gefallen. Für geringere
Prozesstemperaturen werden bei gleichzeitiger Verlängerung der Prozessdauer ähnliche
Ergebnisse erwartet.
[0042] In einem zweiten Prozessschritt dieses Ausführungsbeispiels werden mit höheren Konzentrationen
an Halogenen und gegebenenfalls auch höheren Temperaturen metallische Radionuklide
in flüchtigere Methallhalogenide überführt, so dass diese ebenfalls in die Gasphase
übergehen. Da bei diesem Verfahren in der Regel deutlich niedrigere Temperaturen angewendet
werden als bei Verfahren nach dem Stand der Technik, bei denen der Graphit ex-situ
nach dem Ausbau aus dem Reaktorkern in einem separaten Ofensystem behandelt wird,
ist die erwartete Reaktionsrate deutlich geringer als bei der ex-situ-Behandlung.
Daher ist eine zyklische Gasführung vorteilhaft. Der hierfür erforderliche Mehraufwand
wird durch eine deutliche Reduktion des Gesamtaufwands für den Rückbau überkompensiert.
[0043] Eine Temperatur, die die chemische Reaktion unterstützt oder beschleunigt, wird durch
einen Weiterbetrieb der Kernspaltung, durch Nutzung der Nachwärme aus dem Zerfall
der Spaltprodukte nach Abschaltung der Kernspaltung, gegebenenfalls zusätzlich durch
interne oder externe Heizelemente hergestellt. Die Nutzung der Nachwärme kann vorteilhaft
durch eine Reduzierung der Umwälzrate, eine Verringerung des Kühlmitteldrucks oder
eine Verringerung der Wärmeabfuhr über die Wärmetauscher unterstützt werden. Eine
externe Heizung hat den Vorteil, dass in der Nähe der Einspeisung des Korrosionsmediums
keine kälteren Zonen entstehen. Für die zyklische Gasführung können die im Reaktor
ohnehin vorhandenen Kühlgassysteme weiter genutzt werden. Zur Abtrennung der Radionuklide
genügt es dann, die Gasreinigungsanlage zu modifizieren. Falls dies nicht möglich
ist, kann über einen Gasbypass eine neue, den Temperaturen und der Gaszusammensetzung
angepasste Gasreinigungsanlage installiert werden.
1. Verfahren zur zumindest teilweisen Entfernung mindestens eines Radiotoxikums aus einer
kerntechnischen Anlage, deren nuklearer Teil im Betrieb von mindestens einem Betriebsmittel
durchströmt wird, wobei das Betriebsmittel durch mindestens einen Vorlauf in die Anlage
eingeführt und durch mindestens einen Rücklauf aus der Anlage ausgeführt wird,
gekennzeichnet durch folgende Schritte:
a. mindestens ein Korrosionsmedium wird einzeln oder in Kombination mit dem Betriebsmittel
durch den Vorlauf in die Anlage eingeführt;
b. das Korrosionsmedium wird in der Anlage mit dem Radiotoxikum in Kontakt gebracht
und überführt das Radiotoxikum durch eine chemische Reaktion zumindest zum Teil in eine chemische Verbindung, wobei die
chemische Reaktion im Wesentlichen lediglich an äußeren und inneren Oberflächen, mit
denen das Korrosionsmedium in Kontakt kommt, einschließlich innerer Oberflächen von
Poren, in die das Korrosionsmedium eindringt, stattfindet, und wobei der nukleare
Teil der Anlage durch Kernspaltung oder durch Nachwärme aus dem Zerfall der Spaltprodukte auf eine Temperatur
aufgeheizt wird, die die chemische Reaktion unterstützt oder beschleunigt;
c. diese chemische Verbindung wird zumindest zum Teil durch den Rücklauf aus der Anlage ausgeführt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass in der kerntechnischen Anlage vorhandene Stäube durch plötzliche Veränderungen der
Kählmittelgeschwindigkeit mobilisiert werden.
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Prozessparameter so gewählt werden, dass das Korrosionsmedium weit in ein vorhandenes
Porensystem eindringen kann, so dass es zumindest einen Teil des dort befindlichen
Radiotoxikums durch eine chemische Reaktion in eine chemische Verbindung überfuhrt.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das Radiotoxikum durch das Korrosionsmedium zumindest zum Teil in eine gasförmige
chemische Verbindung überführt wird.
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet, dass eine oder mehrere der folgenden Komponenten als gasförmige chemische Verbindung gebildet
werden:
a. CO
b. CO2
c. Kohlenwasserstoff, insbesondere CH4
d. halogenierter Kohlenwasserstoff
e. HTO
f. Säure, insbesondere HCl
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die aus dem Korrosionsmedium und dem Radiotoxikum gebildete chemische Verbindung
aufgefangen und einer gesonderten Behandlung zugeführt wird.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass das Korrosionsmedium auf dem Weg durch die Anlage mindestens eine Komponente derselben
angreift.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass ein gasförmiges Korrosionsmedium gewählt wird.
9. Verfahren nach Anspruch 8,
dadurch gekennzeichnet, dass ein Korrosionsmedium gewählt wird, welches eine oder mehrere der folgenden Komponenten
enthält:
a. Sauerstoff
b. Luft
c. Wasserdampf
d. Wasserstoff
e. Halogen
f. halogenierter Kohlenwasserstoff
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Anlage im Betrieb von einem gasförmigen Kühlmittel als Betriebsmittel durchströmt
wird.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass das Korrosionsmedium in der Anlage mit Graphit, insbesondere Reaktorgraphit oder
Kohlestein, in Kontakt gebracht wird, der mit dem mindestens einen Radiotoxikum kontaminiert
ist.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass das Korrosionsmedium in der Anlage mit 14C, 36Cl, 129I, 60Co, 3H oder 99Tc als Radiotoxikum in Kontakt gebracht wird.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass das Korrosionsmedium in der Anlage von äußeren und inneren Oberflächen, einschließlich
innerer Oberflächen von Poren, adsorbiert wird und anschließend die Prozesstemperatur
hergestellt wird.
14. Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass vor dem Adsorbieren des Korrosionsmediums eine dosierte Korrosion mittels kontrollierter
Zugabe des Korrosionsmediums derart bei Prozesstemperatur durchgeführt wird, dass
zumindest ein Teil geschlossener Poren geöffnet wird.
15. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass die Anlage evakuiert oder mit einem inerten Medium gespült wird, um die aus dem Korrosionsmedium
und dem Radiotoxikum gebildete chemische Verbindung aus der Anlage zu entfernen.
16. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass das aus der Anlage entfernte Radiotoxikum angereichert wird.
1. Method for at least partially removing at least one radiotoxic agent from a nuclear
plant, the nuclear part of which is passed through by at least one means of operation,
in which the means of operation is taken into the plant by at least one inflow and
taken out of the plant by at least one outflow,
characterised by the following steps:
a. at least one corrosion medium is taken into the plant by the inflow individually
or in combination with the means of operation;
b. the corrosion medium is brought into contact with the radiotoxic agent in the plant
and converts the radiotoxic agent at least partially into a chemical compound by a
chemical reaction, in which the chemical reaction takes place essentially only on
the outer and inner surfaces, with which the corrosion medium comes into contact,
including the inner surfaces of pores, into which the corrosion medium penetrates,
and in which the nuclear part of the plant is heated by nuclear fission or by subsequent
heating from the decay of fission products to a temperature, which supports or accelerates
the chemical reaction;
c. this chemical compound is taken out of the plant at least partially by the outflow.
2. Method according to claim 1, characterised in that dust present in the nuclear plant is mobilised by sudden changes in coolant speed.
3. Method according to one of claims 1 to 2, characterised in that the process parameters are selected so that the corrosion medium may penetrate deep
into an available pore system so that it converts at least a part of the radiotoxic
agent present there into a chemical compound by a chemical reaction.
4. Method according to one of claims 1 to 3, characterised in that the radiotoxic agent is converted at least partially into a gaseous chemical compound
by the corrosion medium.
5. Method according to claim 4,
characterised in that one or several of the following components are formed as a gaseous chemical compound:
a. CO
b. CO2
c. hydrocarbon, particularly CH4
d. halogenated hydrocarbon
e. HTO
d. acid, particularly HCl
6. Method according to one of claims 1 to 5, characterised in that the chemical compound formed from the corrosions medium and the radiotoxic agent
is collected and taken for separate treatment.
7. Method according to one of claims 1 to 6, characterised in that on the way through the plant the corrosion medium attacks at least one component
of it
8. Method according to one of claims 1 to 7, characterised in that a gaseous corrosion medium is selected.
9. Method according to claim 8,
characterised in that a corrosion medium is selected, which contains one or several of the following components:
a. oxygen
b. air
c. steam
d. hydrogen
e. halogen
f. halogenated hydrocarbon
10. Method according to one of claims 1 to 9, characterised in that in operation the plant is passed through by a gaseous coolant as a means of operation.
11. Method according to one of claims 1 to 10, characterised in that the corrosion medium in the plant is brought into contact with graphite, particularly
reactor graphite or carbon briquette, which is contaminated with the at least one
radiotoxic agent.
12. Method according to one of claims 1 to 11, characterised in that in the plant the corrosion medium is brought into contact with 14C, 36Cl, 129I, 60Co, 3H or 99Tc as a radiotoxic agent.
13. Method according to one of claims 1 to 12, characterised in that in the plant the corrosion medium is adsorbed by the outer and inner surfaces, including
the inner surfaces of pores, and then the process temperature is produced.
14. Method according to claim 13, characterised in that before adsorption of the corrosion medium measured corrosion by means of controlled
addition of the corrosion medium is carried out at the process temperature in such
a way that at least some of the closed pores are opened.
15. Method according to one of claims 1 to 14, characterised in that the plant is evacuated or purged with an inert medium in order to remove the chemical
compound formed from the corrosion medium and the radiotoxic agent from the plant
16. Method according to one of claims 1 to 15, characterised in that the radiotoxic agent removed from the plant is enriched.
1. Procédé de retrait au moins partiel d'au moins un radiotoxique d'une installation
de technique nucléaire, dont la partie nucléaire est traversée en service par au moins
un agent d'exploitation, où l'agent d'exploitation est introduit dans l'installation
par au moins un conduit d'alimentation et est évacué de l'installation par au moins
un conduit de recirculation,
caractérisé par les étapes suivantes :
a. au moins un milieu de corrosion est introduit dans l'installation, seul ou en combinaison
avec l'agent d'exploitation, par le conduit d'alimentation ;
b. le milieu de corrosion est mis en contact dans l'installation avec le radiotoxique
et convertit au moins partiellement le radiotoxique par une réaction chimique en un
composé chimique, où la réaction chimique se produit essentiellement uniquement sur
des surfaces extérieures et intérieures avec lesquelles le milieu de corrosion entre
en contact, y compris les surfaces intérieures de pores, dans lesquels pénètre le
milieu de corrosion, et où la partie nucléaire de l'installation est chauffée par
fission nucléaire ou par réchauffage à partir de la décomposition des produits de
fission à une température qui favorise ou accélère la réaction chimique ;
c. ce composé chimique est au moins partiellement évacué de l'installation par le
conduit de recirculation.
2. Procédé selon la revendication 1, caractérisé en ce que les poussières présentes dans l'installation de technique nucléaire sont mobilisées
par des fluctuations soudaines de la vitesse du liquide de refroidissement.
3. Procédé selon l'une des revendications 1 à 2, caractérisé en ce que les paramètres de procédé sont choisis de manière que le milieu de corrosion puisse
pénétrer profondément dans un système de pores présent, de manière à convertir en
un composé chimique au moins une partie du radiotoxique s'y trouvant par le biais
d'une réaction chimique.
4. Procédé selon l'une des revendications 1 à 3, caractérisé en ce que le radiotoxique est converti au moins partiellement en un composé chimique gazeux
par le biais du milieu de corrosion.
5. Procédé selon la revendication 4,
caractérisé en ce qu'un ou plusieurs des composants suivants sont formés en tant que composé chimique gazeux
:
a. CO
b. CO2
c. hydrocarbure, en particulier CH4
d. hydrocarbure halogéné
e. HTO
f. acide, en particulier HCl
6. Procédé selon l'une des revendications 1 à 5, caractérisé en ce que le composé chimique formé à partir du milieu de corrosion et du radiotoxique est
piégé et conduit vers un traitement séparé.
7. Procédé selon l'une des revendications 1 à 6, caractérisé en ce que le milieu de corrosion, sur le chemin qu'il prend à travers l'installation, attaque
au moins un composant de celle-ci.
8. Procédé selon l'une des revendications 1 à 7, caractérisé en ce qu'un milieu de corrosion gazeux est choisi.
9. Procédé selon la revendication 8,
caractérisé en ce qu'un milieu qui comprend un ou plusieurs des composants suivants :
a. oxygène
b. air
c. vapeur d'eau
d. hydrogène
e. halogène
f. hydrocarbure halogéné
est choisi.
10. Procédé selon l'une des revendications 1 à 9, caractérisé en ce que l'installation est traversée en service par un liquide de refroidissement sous forme
gazeuse en tant qu'agent d'exploitation.
11. Procédé selon l'une des revendications 1 à 10, caractérisé en ce que le milieu de corrosion est mis en contact dans l'installation avec du graphite, en
particulier du graphite de réacteur ou de la brique de carbone, qui est contaminé(e)
par au moins un radiotoxique.
12. Procédé selon l'une des revendications 1 à 11, caractérisé en ce que le milieu de corrosion est mis en contact dans l'installation avec 14C, 36Cl, 129I, 60Co, 3H ou 99Tc à titre de radiotoxique.
13. Procédé selon l'une des revendications 1 à 12, caractérisé en ce que le milieu de corrosion est adsorbé dans l'installation par des surfaces extérieures
et intérieures, y compris des surfaces intérieures de pores, et qu'ensuite la température
de procédé est produite.
14. Procédé selon la revendication 13, caractérisé en ce que, avant l'adsorption du milieu de corrosion, une corrosion dosée au moyen de l'addition
contrôlée du milieu de corrosion est réalisée à la température de procédé de sorte
qu'au moins une partie des pores fermés s'ouvre.
15. Procédé selon l'une des revendications 1 à 14, caractérisé en ce que l'installation est évacuée ou rincée avec un milieu inerte pour éliminer de l'installation
le composé chimique formé à partir du milieu de corrosion et du radiotoxique.
16. Procédé selon l'une des revendications 1 à 15, caractérisé en ce que le radiotoxique éliminé de l'installation est enrichi.