(19)
(11) EP 2 009 120 B1

(12) EUROPÄISCHE PATENTSCHRIFT

(45) Hinweis auf die Patenterteilung:
01.05.2013  Patentblatt  2013/18

(21) Anmeldenummer: 08011681.7

(22) Anmeldetag:  27.06.2008
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C21D 9/08(2006.01)
C22C 38/32(2006.01)
C22C 38/28(2006.01)

(54)

Verwendung einer hochfesten Stahllegierung zur Herstellung von Stahlrohren mit hoher Festigkeit und guter Umformbarkeit

Use of an extremely resistant steel alloy for producing steel pipes with high resistance and good plasticity

Utilisation d'un alliage d'acier très solide destiné à la fabrication de tuyaux en acier très résistants et ayant une bonne déformabilité


(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MT NL NO PL PT RO SE SI SK TR

(30) Priorität: 27.06.2007 DE 102007030207

(43) Veröffentlichungstag der Anmeldung:
31.12.2008  Patentblatt  2009/01

(73) Patentinhaber:
  • Benteler Deutschland GmbH
    33104 Paderborn (DE)
  • Benteler Automobiltechnik GmbH
    33102 Paderborn (DE)

(72) Erfinder:
  • Diekmann, Uwe, Dr.-Ing.
    33102 Paderborn (DE)
  • Frehn, Andreas, Dr.-Ing.
    33129 Delbrück (DE)
  • Redenius, Alexander, Dr.-Ing.
    33098 Paderborn (DE)

(74) Vertreter: Griepenstroh, Jörg 
Bockermann Ksoll Griepenstroh Osterhoff Patentanwälte Bergstrasse 159
44791 Bochum
44791 Bochum (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
EP-A- 0 576 107
EP-A1- 2 050 833
JP-A- 2003 342 687
US-A1- 2003 196 735
EP-A- 0 940 476
JP-A- 11 279 693
US-A1- 2003 047 258
US-A1- 2004 050 445
   
  • KATSUMATA M ET AL: "DEVELOPMENT OF HIGH STRENGTH AND HIGH TOUGHNESS LOW CARBON - LOW ALLOY STEEL FOR HOT FORGED PARTS" KOBELCO TECHNOLOGY REVIEW, KOBE STEEL, KOBE, JP, Nr. 11, 1. Juni 1991 (1991-06-01), Seiten 29-32, XP001038795 ISSN: 0913-4794
   
Anmerkung: Innerhalb von neun Monaten nach der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents kann jedermann beim Europäischen Patentamt gegen das erteilte europäischen Patent Einspruch einlegen. Der Einspruch ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Er gilt erst als eingelegt, wenn die Einspruchsgebühr entrichtet worden ist. (Art. 99(1) Europäisches Patentübereinkommen).


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft die Verwendung einer Stahllegierung gemäß den Merkmalen des Patentanspruchs 1.

[0002] Der Stand der Technik für Stahlrohre mit erhöhter Festigkeit kann durch mikrolegierte Feinkornstähle mit ferritisch-perlitischem Gefüge, beispielsweise den Stahl StE 460 beschrieben werden. Bei Streckgrenzen von 460 - 490 MPa erreicht dieser Stahl Bruchfestigkeiten von 650 - 750 MPa und Bruchdehnungen von ca. 20 - 25 %. Das Produkt aus Festigkeit und Bruchdehnung beträgt in der Regel ca. 16.000 - 18.000 [MPa*%]. Diese Eigenschaftskombination ermöglicht eine gute Kaltumformbarkeit, z.B. durch Ziehen, Drücken, Gewindewalzen. Klassisch werden die Eigenschaften des StE 460 durch Variationen der Stahllegierung 20MnV6 erreicht. Dabei bewirkt die Mischkristallverfestigung durch das Legierungselement Mangan zusammen mit der Ausscheidung von Vanadium-Carbonitriden eine vergleichsweise hohe Festigkeit bei moderaten Kosten. Bei den genannten höherfestem mikrolegierten Feinkornstählen wird die Festigkeit durch Variation des Kohlenstoffgehalts im allgemein im Bereich zwischen 0,12 und 0,22 % eingestellt. Neben Vanadium spielen auch Titan und Niob eine wichtige Rolle als Mikrolegierungselement. Die Mikrolegierungselemente werden allgemein in kleinen Anteilen von bis zu 0,2 % zulegiert, wobei Menge und Wahl der Mikrolegierungselemente von der Warmformung, z.B. Warmbandherstellung, abhängig sind.

[0003] Das Gefüge eines klassischen StE 460 besteht aus einer Mischung aus Ferrit und Perlit und entsteht allgemein durch Abkühlung an der Luft nach dem Walzen oder Austenitisieren. Ein Vorteil dieser Stähle ist die Eigenschaft, durch eine so genannte Normalisierung, allgemein in Form einer Austenitisierung und Abkühlung an Luft durchgeführt, das Ausgangsgefüge und die Ausgangseigenschaften auch nach einer komplexen Herstellgeschichte wieder herzustellen.

[0004] Eine weitere Steigerung der Festigkeit durch zusätzliche Legierungselemente, beispielsweise in Form einer Mischkristallhärtung, führt zu erhöhten Kosten und zu einer starken Abnahme der Bruchdehnung, so dass die gewünschte Kaltumformbarkeit nicht gewährleistet ist. Mit einer zusätzlichen Wärmebehandlung, wie z.B. dem Weichglühen vor der Umformung, kann dieses Problem in Grenzen umgangen werden. Diese Vorgehensweise ist jedoch ebenfalls mit erhöhten Kosten verbunden.

[0005] Das beschriebene ferritisch-perlitische Gefüge der dem Stand der Technik entsprechenden Stahlrohre hat neben dem nur moderaten Verhältnis aus Festigkeit und Duktilität zusätzliche Nachteile. Die Gefügeanteile Ferrit-Perlit sind nicht gleichmäßig verteilt sondern zeigen eine ausgeprägte Zeiligkeit, die als erste Konsequenz eine ausgeprägte Anisotropie der Eigenschaften mit sich bringt und bei der Kaltumformung zu unerwünschten Effekten führt. Z.B. ergeben sich deutliche Unterschiede längs und quer zur Walzrichtung.

[0006] Normalerweise liegen die Perlitzeilen parallel zur Oberfläche und stören die meisten Anwendungen nicht. Bei der Herstellung von Stahlrohren ergeben sich jedoch zum Teil Nachteile.

[0007] Geschweißte Stahlrohre werden oft durch ein Pressschweißen hergestellt. Dabei werden die Bandkanten durch Widerstandsbeheizung (Hochfrequenz-oder Gleichstrom) aufgeheizt und dann mit hohem Druck unter deutlicher plastischer Verformung verschweißt, ohne dass eine schmelzflüssige Phase entsteht. Derartige Schweißverfahren fallen deshalb unter den Begriff der Festkörperschweißverfahren. Ein großer Vorteil des beschriebenen Schweißverfahrens ist die extrem hohe Schweißgeschwindigkeit, die deutlich über der anderer Verfahren, z.B. über der des Laserstrahlschweißens, liegt und damit eine überlegene Wirtschaftlichkeit mit sich bringt. Beim Pressschweißen von ferritisch-perlitischen Stählen entsteht aber durch die Herausbildung der Schweißwulst infolge der notwendigen plastischen Verformung der Effekt, dass Perlit-Zeilen abgelenkt werden und im Bereich der Schweißzone an die Oberfläche gelangen. Dabei bilden spröde Zementitlamellen des perlitischen Gefügebestandteils metallurgische Kerben, die im schlimmsten Fall senkrecht an der Oberfläche austreten. Diese Lamellen können bereits während der folgenden Verarbeitung, z.B. Kalibrierung der Rohre auf Rundheit, zu Anrissen führen.

[0008] Insbesondere bei dynamisch belasteten Bauteilen führen diese Kerben dazu, dass auch bei hoher statischer Festigkeit keine hohe dynamische Festigkeit erreicht werden kann. Demzufolge sind perlitfreie Gefüge besonders geeignet, hochfeste pressgeschweißte Stahlrohre herzustellen.

[0009] Ein ähnliches Problem durch umgelenkte Perlitzeilen kann bei der Herstellung nahtloser Stahlrohre entstehen. Hier kommt es oft während der Warmformung zur Bildung von so genannten Fältelungen. Diese Fältelungen verschweißen im Allgemeinen während des Fertigungsprozesses und stellen dann makroskopisch kleine Fehler dar. Es entstehen jedoch auch hier senkrecht zur Oberfläche austretende spröde Zementit-Lamellen, die ebenfalls die Dauerfestigkeit negativ beeinflussen. Demzufolge ist auch für die Herstellung nahtloser Rohre die Verwendung von perlitfreien Gefügen vorteilhaft, wenn lokale Fältelungen nicht ausgeschlossen werden können.

[0010] Es ist bekannt, dass durch die gezielte Einstellung von Restaustenit im Gefüge das Produkt aus Bruchdehnung und Bruchfestigkeit verbessert werden kann. Der so genannte TRIP-Effekt (TRansformation Induced Plasticity) ermöglicht vergleichsweise hohe Dehnungen bei hohen Festigkeiten. TRIP-Stähle enthalten üblicherweise über 0,2 % Kohlenstoff, wobei der Siliziumgehalt oft über 1,5 % liegt. Das Gefüge dieser Stähle weist eine ferritisch-bainitische Grundmatrix auf, die Restaustenit-Bestandteile enthält, welche bei der Umformung des Stahls in harten Martensit umgewandelt werden. Der Restaustenit wird durch Legierungselemente und eine spezielle Wärmebehandlung stabilisiert. Der Vorteil des TRIP-Stahls liegt in den guten Umformeigenschaften bei hohen Festigkeiten sowie hohen Bruchfestigkeiten. Ein TRIP-Stahl besitzt ein hohes Verfestigungsvermögen auch bei großer Formänderung und ein hohes Energieabsorptionsvermögen, das auch bei dynamischer Belastung erhalten bleibt. Allerdings ist bei TRIP-Stählen allgemein eine aufwändige und technisch schwierig zu realisierende Wärmebehandlung erforderlich, um die gewünschte Menge Restaustenit bis Raumtemperatur zu stabilisieren. Die TRIP-Wärmebehandlung besteht allgemein aus einer beschleunigten Abkühlung aus dem Austenitgebiet zur Verhinderung einer Perlitbildung und ein Halten von wenigen Minuten auf Temperaturen kurz oberhalb der Martensit-Starttemperatur. Diese Wärmebehandlung setzt eine aufwändige Prozessregelung voraus und ist in üblichen Produktionsanlagen von Werken zur Rohrherstellung schwierig prozesssicher umsetzbar.

[0011] Aus dem Bereich der Bandherstellung sind ferritisch-bainitische Stähle (FB-Stähle) bekannt, die Festigkeiten von 500 - 1000 MPa aufweisen und bezogen auf das Umformverhalten bessere Eigenschaften zeigen als ferritisch-perlitische Stähle gleicher Festigkeit. Allerdings sind die erreichbaren plastischen Verformungen bei Festigkeiten über 700 MPa noch zu gering. Auch die Herstellung ferritisch-bainitische Stähle erfordert allgemein eine so genannte thermomechanische Behandlung, d.h. besondere Walz- und Abkühlbedingungen. Aus diesem Grund werden übliche ferritisch-bainitische Stähle vorwiegend als Warmband angeboten.

[0012] Aus den vorgenannten Gründen folgt auch, dass TRIP-Stähle und FB-Stähle bisher nicht analog zu ferritisch-perlitischen Stählen normalisiert werden können, da bei einer Normalisierung die notwendigen Abkühlbedingungen nicht gewährleistet werden.

[0013] Zum Vergleich sind die chemische Analyse und die zugehörigen mechanischen Kennwerte für einen Stahl StE 460 (Firma Benteler Stahl/Rohr GmbH), einen hochfesten Dulphasen (DP)-Stahl (Docol 1000 DP, Fa. SSAB Swedish Steel GmbH), einen TRIP-Stahl (RA-K 42/80, Fa. Thyssen Krupp GmbH), einen FB-Stahl (FB-W 600, Fa. Thyssen Krupp GmbH) mit aufgeführt.
  C Si Mn Cr Al V Nb N Ti B
StE460 0,18 0,23 1,37 0,15 0,03 0,09 0,037 0,01 0,00 0,00
Docol 1000 DP 0,15 0,2 1,6   0,04   0,015      
RA-K 42/80 0,22 1,5 2 0,5 0,7          
FB-W 600 0,09 0,03 1,46 0,02 0,031 0,001 0,032 0,008 0,001 0,0001

Werkstoffkennwerte:



[0014] 
  Rp0,2 [MPa] Rm [MPa] A5 [%]
StE 460 473 709 19,47
Docol 1000 DP 700 - (950) 1000 - 1200 5*
RA-K 42/80 453 832 23,1*
FB-W 600 534 592 19,8*
*) Dehnung A80


[0015] Die ersten drei dargestellten Stähle haben einen wesentlich höheren Kohlenstoffgehalt und unterscheiden sich auch in den anderen Elementen von der Zusammensetzung der im Folgenden vorgestellten und erfindungsgemäßen Legierungen 1 bis 4. Der vorgestellte TRIP-Stahl (Nummer 3) erreicht zwar vergleichbare mechanische Eigenschaften, für die Verarbeitung ist jedoch, wie bereits erläutert, ein aufwendig zu realisierender Temperatur-Zeit-Verlauf während der Produktion erforderlich. Werkstoffkennwerte vom Docol 1000 DP, vom TRIP-Stahl RA-K 42/80 sowie vom FB-W 600 liegen nur von Bandmaterial vor. Deshalb wird in der Tabelle auch die A80- anstatt der A5-Dehnung für den DP- / TRIP- und FB-Stahl angegeben Die A80-Dehnung wird bei Bandmaterial aufgrund der Probengeometrie im Unterschied zu Stabzugproben verwendet.

[0016] Aus der US 2003/0047258 A1 ist eine Stahllegierung für kaltgewalzte Bleche mit hoher Festigkeit bekannt. Die Stahllegierung enthält 0,05 % bis 0,30 % Kohlenstoff, 0,4 % bis 2,0 % Silizium, 0,7 % bis 3,0 % Mangan, maximal 0,8 % Phosphor, maximal 0,02 % Aluminium und 0,0050 % bis 0,0250 % Stickstoff, Rest Eisen, wobei das Verhältnis N/Al < = 0,3 ist. Das dünn kaltgewalzte Stahlblech wird auf eine Temperatur zwischen dem Ac1 Umwandlungspunkt und der Austenitisierungstemperatur + 50°C erwärmt, anschließend bei Abkühlgeschwindigkeit zwischen 5 und 150°C/s abgekühlt bis in einen Temperaturbereich von mindestens 600 bis 500°C. Anschließend wird die Temperatur in einem Bereich von 350 bis 500°C gehalten. Ein solches Stahlblech hat gute Eigenschaften hinsichtlich der Duktilität und weist gute Werte hinsichtlich des Produkts aus Bruchfestigkeit und Bruchdehnung aus, so dass es gute Crasheigenschaften bei Verwendung im Kfz-Bereich besitzt.

[0017] Ferner ist zum Stand der Technik die JP 2003 342687 A zu nennen, betreffend ein Stahlrohr mit sehr guten Festigkeits/Zähigkeitsverhältnissen.

[0018] Das Stahlrohr besteht aus einer Legierung mit 0,02 % Kohlenstoff, 0,3 % bis 2,5 % Silizium, 0,10 % bis 3,0 % Mangan, maximal 0,005 % Schwefel, maximal 0,15 % Phosphor, 0,005 % bis 0,100 % Aluminium, maximal 0,0050 % Stickstoff und mindestens einem Element aus folgender Gruppe mit den folgenden Anteilen: 0,001 % bis 0,200 % Titan, 0,001 % bis 0,200 % Niob, 0,001 % bis 0,200 % Vanadium und 0,0005 % bis 0,0030 % Bor, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen. Das Gefüge besitzt eine komplexe Struktur die 5 bis 20 % Restaustenit enthält, wobei das übrige Gefüge aus einer Struktur aus folgender Gruppe besteht: Bainit, Ferrit und Perlit.

[0019] Beim Herstellungsverfahren eines solchen Rohrs wird das Stahlrohr über den Ac1-Umwandlungspunkt auf den Ac3-Umwandlungspunkt erwärmt. Die Temperatur wird für 30 Minuten oder weniger gehalten. Anschließend wird mit einer Abkühlrate von wenigstens 0,5°C/s abgekühlt auf eine Temperatur zwischen dem MS-Umwandlungspunkt + 100°C bis zum MS-Umwandlungspunkt_ Anschließend wird die Temperatur für 30 bis 300 Sekunden gehalten. Es schließt sich eine Luftkühlung bis auf Raumtemperatur an.

[0020] Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, aufzuzeigen, wie Stahlrohre mit hoher Festigkeit und guter Umformbarkeit ohne aufwändige Wärmebehandlung und ohne kostenintensive Legierungskonzepte hergestellt werden können, wobei die Bruchdehnung mindestens der des Stahls StE 460 entsprechen soll und wobei die Stahlrohre eine Bruchfestigkeit über 700 MPa aufweisen sollen.

[0021] Diese Aufgabe wird durch die Verwendung einer Stahllegierung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst.

[0022] Die erfindungsgemäße Lösung der Aufgabe wird durch ein neues Gefügekonzept und deren legierungstechnische Umsetzung erreicht. Das neue Legierungskonzept basiert auf der Vermeidung von Perlit und auf der Einstellung eines ferritischbainitischen Gefüges mit geringen Anteilen an lamellarem Restaustenit. Dadurch werden für die Kaltumformung günstige, niedrige Streckgrenzenverhältnisse erreicht. Das Produkt aus Bruchfestigkeit und Bruchdehnung erreicht hingegen sehr gute Werte von über 20.000 [MPa*%]. Dieses Gefüge wird durch Anpassung der chemischen Zusammensetzung an vordefinierte Abkühlbedingungen der Stahlrohre aus dem Austenitgebiet erreicht. Die Abkühlbedingungen werden beschrieben durch eine kontinuierliche Abkühlung mit Abkühlraten zwischen 0,5 K/sec und 5 K/sec. Das Legierungskonzept verhindert in diesem Abkühlbereich die Bildung von Perlit. Es entsteht vielmehr Ferrit bzw. bainitischer Ferrit und eine Restphase oder mehrere Restphasen, die abhängig von den Abkühlbedingungen aus unterem Bainit und Martensit mit lamellarem Restaustenit bestehen. Der Stahl zeichnet sich durch exzellente Umformbarkeit im kalten Zustand, sowie durch eine hohe Bruchfestigkeit bei hoher Bruchdehnung aus, die durch die starke Verfestigung infolge des mehrphasigen Charakters verursacht wird. Die Rohre sind dafür vorgesehen in der Weiterverarbeitung kalt umgeformt zu werden.

[0023] Das Legierungskonzept beruht auf folgenden grundsätzlichen Überlegungen:
  • Absenkung des C-Gehalts auf 0,06 bis 0,15 % um nur ein geringes Potential zur Bildung von Zementit zu bilden und Härtespitzen bei einer schweißtechnischen Verarbeitung zu verringern.
  • Erhöhung des Si-Gehalts auf 1,0 % oder mehr, um eine Zementitbildung zu unterdrücken.
  • Einstellung eines Mischkristall-Gehaltes (MK-Gehalt) von mehr als 3 % um die kritische Abkühlungsgeschwindigkeit zur Ferrit-/Perlit-Bildung zu verringern und weniger als 4 % um eine hinreichende Duktilität zu erhalten. Dabei besteht der MK-Gehalt aus der Summe der Elemente, die mit Eisen im Austenit Substitutions-MK bilden. Vorteilhaft aus Kostengründen ist hierbei die Verwendung von Si, Mn, Cr und Cu. Kobalt, Nickel, Molybdän können ebenfalls einen entsprechenden Beitrag leisten, haben jedoch Nachteile bezüglich der Kosten. Durch Variation von Cr, Mn, Si innerhalb der beschriebenen Grenzen können zusätzlich die Umwandlungstemperaturen entsprechend der vorgesehenen Verarbeitungsprozesse eingestellt werden, sowie der gewünschte Grad an Mischkristallverfestigung eingestellt werden.
  • Sicherstellung von wenigstens 0,001 und höchstens 0,004 gelöstes freies Bor im Austenit, um im Wesentlichen die Ferritkeimbildung an den Austenitkorngrenzen zu unterdrücken. Hierfür ist das Abbinden des Stickstoffs im Stahl durch Elemente wie Titan, Zirkonium und/oder Hafnium notwendig. Die Menge der Zugabe des oder der Refraktärmetalls/-metalle ergibt sich aus der Stöchiometrie der entsprechenden Nitride. Aus Kostengründen ist dabei die Verwendung von Titan sinnvoll.
  • Sicherstellung eines Stickstoffgehalts, der eine vorteilhafte Keimbildung durch Refraktär-Nitride erlaubt. Der gewünschte Phasenanteil hängt von den angestrebten Warmformstufen ab. Dabei muss beachtet werden, dass Refraktärnitride als harte Phasenanteile auch metallurgische Kerben bilden, die eine Dauerfestigkeit bei höchstfesten Stählen negativ beeinträchtigen können. Stickstoffgehalte in einem Bereich von 0,005% und 0,015% sind vorteilhaft.
  • Gezielter Einsatz der Mikrolegierungselemente Niob und Vanadium für die Bildung von Keimen und die Beeinflussung der Rekristallisation beim Warmwalzen. Niob in Gehalten von 0,02 - 0,05 hat sich als vorteilhaft herausgestellt.
  • Absenkung des Gehalts teurer Legierungselemente (Mo, V, Ni, W) auf maximal 0,3 %, aus Kostengründen vorzugsweise maximal 0,15 %.
  • Verwendung eines geringen Aluminium-Gehalts (maximal 0,1 %), der sonst zur Bildung von harten Aluminiumoxiden führen würde, um die Dauerfestigkeit zu verbessern.


[0024] In den nachfolgenden Tabellen sind beispielhaft chemische Zusammensetzungen von ausgewählten Versuchslegierungen, die entsprechend des oben angegebenen Werkstoffkonzepts erstellt wurden, zusammen mit ihren Werkstoffkennwerten angegeben. Das untersuchte Material wurde dabei ohne besondere Prozesssteuerung in einem Laborwalzwerk warmgewalzt und anschließend normalisiert, d.h. bei 950 °C austenitisiert und bei einer Blechdicke von 5 mm an Luft abgekühlt. Demzufolge sind die angegebenen Werte für nicht optimierte Verarbeitungsschritte ermittelt.

[0025] Alle Angaben bei der chemischen Analyse sind in Massenprozent Rp02 kennzeichnet die technische Elastizitätsgrenze, Rm die Bruchfestigkeit und A5 die Bruchdehnung.
Versuchslegierungen C Si Mn Cr Al W Nb N Ti B
Nr. 1 009 1,49 1,52 0,15 0,01 <0,01 0,04 0,01 0,05 0,002
Nr. 3 0,08 1,51 2,02 0,16 0,01 <0,01 0,05 0,01 0,04 0,002
Mo, Cu, Ni jeweils unter 0,15%, V jeweils unter 0,03 %

[0026] Die nachfolgende Tabelle gibt die Werkstoffkennwerte der vier Legierungen nach dem Normalisieren wieder.
  Rp0,2 [MPa] Rm [MPa] A5 [%]
Legierung 1 343 710 30
Legierung 3 419 831 25


[0027] Die Legierungen zeigen ein ferritisches Grundgefüge mit Bainit, Martensit und partiell Restaustenit, wobei die Korngrößen bei den hier nicht optimierten Walzbedingungen bei 10-20 µm liegen. Vereinzelt kommt es auch zur Ausbildung feiner und kleiner Perlit-Nester, die jedoch nicht zeilig angeordnet sind. Durch Verbesserung der Warmwalzbedingungen können die Gefüge deutlich verbessert werden und damit auch die Eigenschaften der Werkstoffe.

[0028] Die nachfolgende Tabelle zeigt beispielhaft Werkstoffkennwerte für die Legierung 3 nach verbesserten Warmwalzbedingungen, d.h. aus der Standard-Fertigung nahtloser Rohre der Abmessung 36 x 3,6 mm mit Endwalztemperatur 860 °C. Legierung 3 wurde beispielhaft gewählt, weil sie eine hohe Festigkeit aufweist.

[0029] Exemplarisch die Werkstoffkennwerte der Legierung nach dem Warmwalzen nahtloser Rohre:
  Rp0,2 [MPa] Rm [MPa] A5 [%] Brucheinschnürung Z [%] Wahre Bruchspannung [MPa]
Legierung 3 545 960 24 55 1.610


[0030] Durch Absenkung der Endwalztemperaturen konnte bei Legierung 3 die Korngröße auf ca. 5 µm deutlich verringert werden und das Gefüge homogener entwickelt werden. Die Eigenschaften konnten deutlich verbessert werden. Bemerkenswert ist der Anstieg von Streckgrenze und Zugfestigkeit bei praktisch gleich bleibender Bruchdehnung und hoher Gleichmaßdehnung. Bemerkenswert ist weiterhin, dass eine wahre Bruchspannung von 1200 - 1.600 MPa erreicht wird, was für Stähle mit weniger als 0,1 % Kohlenstoffgehalt als untypisch bezeichnet werden kann. Legierung 3 erreicht damit die Festigkeit und die Duktilität von TRIP-Stählen bei deutlich abgesenktem C-Gehalt und signifikant vereinfachter Temperatur-Zeit Führung.

[0031] Aus einem derartigen Stahl hergestellte Rohre besitzen ein perlitfreies mehrphasiges Gefüge und eröffnen eine Vielzahl von Anwendungsgebieten bzw. Verwendungsmöglichkeiten, von denen nachfolgend einige beispielhaft genannt werden.

[0032] Warmgewalzte Rohre aus der Stahllegierung haben bedingt durch das exzellente Verhältnis zwischen Festigkeit und Duktilität besondere Vorteile bei nachfolgenden vorwiegend kalt durchgeführten Verformungsprozessen, z.B. Ziehen, Rundkneten, Drückwalzen, Gewindewalzen, Fließpressen, Stauchen, Autofrettieren, Biegen. Grundsätzlich lassen sich mit der Stahllegierung höchstfeste und kostengünstige kaltgezogene Stahlrohre, z.B. Bohrrohre, Leitungsrohre, Dieseleinspritzleitungen, Zylinderrohre, Rohre für Airbaggeneratoren sowie Rohre für Seitenaufprallträger für Kraftfahrzeuge herstellen. Im Ziehprozess wird für das Erreichen hoher Festigkeiten eine Kaltverfestigung genutzt. Ein Weichglühen vor dem Kaltziehen ist nicht erforderlich. Ein Anlassen ist nach dem Kaltzug optional je nach gewünschter Festigkeitslage möglich. Festigkeiten in einer Größenordnung von deutlich über 1.000 MPa bis hin zu 1.600 MPa sind möglich.

[0033] Zudem ist mit diesem Werkstoff die Herstellung von Rohren mit kaltgewalztem Gewinde möglich, wie es beispielsweise bei Gerüstrohren oder bei Ankerrohren für Felsanker erforderlich ist. Ausgehend von einer bereits hohen Ausgangsbruchfestigkeit werden hierbei die Streckgrenze und die Bruchfestigkeit durch Kaltverfestigung weiter angehoben. Durch nur vergleichsweise geringe Plastifizierung besteht nach dem Gewindewalzen eine Restdehnung des fertigen Bauteils von über 15 % bei einer Bruchfestigkeit von deutlich über 850 MPa.

[0034] Insbesondere bei mit hohem Innendruck belasteten Bauteilen zeichnet sich die Legierung dadurch aus, dass keine Perlit-Zeiligkeit auftritt, so dass die Rohre weniger empfindlich auf Innenfehler, die durch Fältelungen hervorgerufen werden, reagieren.

[0035] Die aus der Stahllegierung hergestellten Rohre eignen sich demzufolge auch besonders für die Weiterbearbeitung durch Innenhochdruckumformung. Durch das ausgezeichnete Verformungsverhalten der Stahllegierung ergeben sich für die Innenhochdruckumformung Vorteile, da unter Verwendung der Stahllegierung hohe Bauteilfestigkeiten realisierbar sind.

[0036] Neben der Herstellung nahtloser Rohre ist auch die Herstellung geschweißter Rohre aus der Legierung vorteilhaft möglich. Das Legierungskonzept erlaubt die Herstellung von Warmband und Kaltband. Gegenüber üblichen DP-Stählen und TRIP-Stählen ist eine vergleichsweise einfache Temperatur-Zeitführung erforderlich. Darüber hinaus ist die Legierung bis hin zur Blechdicke von 4 mm Normalisierungsfähig, d.h. Entwickelt das Zielgefüge bei Luftabkühlung. Durch den niedrigen Kohlenstoffgehalt ergeben sich nur vergleichsweise niedrige Härtespitzen in der Schweißnaht von geschweißten Rohren. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu TRIP-Stählen, die mit dem doppelten Kohlenstoffgehalt eine hohe Aufhärtung zeigen. Durch die fehlende Perlit-Zeiligkeit ergeben sich Vorteile beim klassischen und sehr wirtschaftlichen Pressschweißen. Das Legierungskonzept erlaubt ebenso vorteilhaft ein Strahlschweißen mittels Laserstrahl oder Elektronenstrahl. Der Vorteil des Legierungskonzepts liegt auch hier in dem niedrigen Kohlenstoffgehalt und in der Normalisierungsfähigkeit der Rohre.

[0037] Insbesondere eignet sich die Stahllegierung zur Herstellung von Rohren für Fahrwerksanwendungen im Automobilbau. Durch das gute Bruchfestigkeits-Umformbarkeits-Verhältnis sind komplexere Bauteile denkbar, die mit den bisherigen Stahlsorten gar nicht bzw. nur unter großem technischen und damit kostenmäßigem Aufwand produziert werden konnten. Zudem ist durch den niedrigen Kohlenstoffgehalt in Kombination mit den anderen Legierungselementen eine gute Schweißbarkeit gewährleistet.


Ansprüche

1. Verwendung einer Stahllegierung, die in Massenanteilen aus
Kohlenstoff (C) 0,06- 0,10
Silizium (Si) 1,2 - 1,8
Mangan (Mn) 1,4 - 2,2
Chrom (Cr) 0,1 - 0.4
Molybdän (Mo) 0,15 oder weniger
Aluminium (Al) 0,05 oder weniger
Vanadium (V) 0,15 oder weniger
Stickstoff (N) 0,02 oder weniger
Niob (Nb) 0.02 - 0,06
Kupfer (Cu) 0,2 oder weniger
Nickel (Ni) 0,2 oder weniger
Bor (B) 0,001- 0,004
Titan (Ti) 0,001- 0,05
Wolfram (W) 0,15 oder weniger
und Eisen sowie erschmelzungsbedingter Verunreinigungen als Rest, wobei die Summe von Silizium (Si) + Mangan (Mn) + Chrom (Cr) + Kupfer (Cu) in einem Bereich von 3 bis 3,8 % liegt und wobei die Stahllegierung ein feines weitgehend perlitfreies, mehrphasiges Gefüge bestehend aus Ferrit mit eingelagertem Bainit sowie Martensit mit Restaustenit aufweist, wobei keine Perlit-Zeiligkeit vorliegt, wobei das Produkt aus Bruchfestigkeit und Bruchdehnung 20.000 [MPa*%] übersteigt, wobei die Festigkeit Rm im unverformten Zustand mehr als 600 MPa beträgt zur Herstellung geschweißter Stahlrohre durch Schmelzschweißen und Festkörperschweißen, wobei die Stahlrohre eine hohe Festigkeit und gute Umformbarkeit besitzen.
 
2. Verwendung einer Stahllegierung entsprechend Anspruch 1 zur Herstellung kaltgezogener Stahlrohre hoher Festigkeit.
 


Claims

1. Use of a steel alloy, which [consists] in mass fractions of
Carbon (C) 0.06-0.10
Silicon (Si) 1.2-1.8
Manganese (Mn) 1.4-2.2
Chromium (Cr) 0.1-0.4
Molybdenum (Mo) 0.15 or less
Aluminium (Al) 0.05 or less
Vanadium (V) 0.15 or less
Nitrogen (N) 0.02 or less
Niobium (Nb) 0.02-0.06
Copper (Cu) 0.2 or less
Nickel (Ni) 0.2 or less
Boron (B) 0.001-0.004
Titanium (Ti) 0.001-0.05
Tungsten (W) 0.15 or less
and iron together with impurities arising from smelting as the remainder, wherein the sum of silicon (Si) + manganese (Mn) + chromium (Cr) + copper (Cu) is in a range from 3 to 3.8% and wherein the steel alloy has a fine, largely pearlite-free multiphasic grain structure consisting of ferrite with incorporated bainite together with martensite with retained austenite, wherein no pearlite banding is present, wherein Lhe product of breaking strength and elongation at break exceeds 20,000 [MPa*%], wherein the strength Rm in the undeformed state amount to more than 600 MPa for producing welded steel tubes by fusion welding and solid-state welding, wherein the steel tubes have high strength and good ductility.
 
2. Use of a steel alloy according to claim 1 for producing high-strength, cold-drawn Steel tubes.
 


Revendications

1. Utilisation d'un alliage d'acier qui consiste, en parties en masse, en
carbone (C) 0,06 - 0,10
silicium (Si) 1,2-1,8
manganèse (Mn) 1,4-2,2
chrome (Cr) 0,1 0,4
molybdène (Mo) 0,15 ou moins
aluminium (Al) 0,05 ou moins
vanadium (V) 0,15 ou moins
azote (N) 0,02 ou moins
niobium (Nb) 0,02 -0,06
cuivre (Cu) 0,2 ou moins
nickel (Ni) 0,2 ou moins
bore (B) 0,001 - 0,004
titane (Ti) 0,001 - 0,05
tungstène (W) 0,15 ou moins
et en fer ainsi que des impuretés dues à la fusion comme reste, où à la somme de silicium (Si) + manganèse (Mn) + chrome (Cr) cuivre (Cu) est située dans une plage de 3 à 3,8 % et où l'alliage d'acier présente une structure multiphasique fine sensiblement sans perlite consistant en ferrite avec inclusion de bainite ainsi que martensite avec de l'austénite résiduelle, où il n'y a pas de répartition linéaire de perlite, où le produit de à la résistance à la rupture et de l'allongement à à la rupture dépasse 20000 [MPa*%], où à la résistance Rm à l'état non déformé est supérieure à 600 MPa pour la production de tubes d'acier sondés par soudage à l'état fondu et soudage à l'état solide, où les tubes d'acier possèdent une grande résistance et une bonne aptitude à la mise en forme.
 
2. Utilisation d'un alliage d'acier selon à la revendication 1 pour à la production de tubes d'acier étirés à froid de grande résistance.
 






Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente