[0001] Die Erfindung betrifft einen Wirkkörper zur wahlweise detonativen, deflagrativen
oder detonativen und deflagrativen Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse. Bei dem Wirkkörper
kann es sich beispielsweise um einen Gefechtskopf handeln. Bei einem Einsatz von Gefechtsköpfen
in urbaner Umgebung besteht häufig das Problem, dass sich in unmittelbarer Nähe des
Ziels zivile oder andere Einrichtungen befinden, die nicht beschädigt werden sollen.
Gefechtsköpfe sollen daher in ihrer Leistung so einstellbar sein, dass sie möglichst
nur das gewünschte Ziel zerstören und möglichst wenig Kollateralschäden anrichten.
[0002] Zur Bestimmung der Empfindlichkeit eines Sprengstoffs wird häufig ein sogenannter
GAP-Test durchgeführt. Dabei wird zwischen den zu untersuchenden Sprengstoff und eine
durch einen Detonator zu zündende Verstärkungsladung eine im Allgemeinen aus Polymethylmethacrylat
(PMMA) bestehende Barriereschicht positioniert. Die Verstärkungsladung wird dann zur
Detonation gebracht. Dadurch wird eine Druckwelle in die Schicht eingekoppelt, die
beim Durchlaufen der Schicht gedämpft wird, bevor sie auf den Sprengstoff trifft.
Der GAP-Test wird mit unterschiedlichen Schichtdicken der Barriereschicht durchgeführt.
Dabei werden die größte Schichtdicke, bei der der Sprengstoff gerade noch detoniert,
und die geringste Schichtdicke, bei der gerade noch keine Detonation stattfindet,
als Maß für die Empfindlichkeit des Sprengstoffs bestimmt.
[0003] Aus der
DE 199 61 204 C2 ist eine Zündeinrichtung für einen Gefechtskopf mit einer Sprengladung mit einer
ersten Zündkette mit Verstärkerladung zur detonativen Initiierung und einer zweiten
Zündkette mit Verstärkerladung zur deflagrativen Initiierung bekannt, wobei die Zeitverzögerung
(Δt) zwischen den Auslösezeitpunkten beider Zündketten einstellbar ist. Liegen sich
die beiden Zündketten bezüglich der Längsachse der Sprengladung gegenüber, so ist
mittels geeigneter Wahl der beiden Zündzeitpunkte die beliebige Einstellung des deflagrierenden
Anteils der Sprengladung zwischen 0 und 100 % erzielbar. Die Verstärkerladung der
zweiten Zündkette kann als Hohlladung ausgebildet sein. Diese erzeugt bei Detonation
einen in die Sprengladung eindringenden Stachel, der eine Deflagration der Sprengladung
auslösen kann. Um die Hohlladung an das zur Auslösung einer Deflagration erforderliche
Energieniveau anzupassen, können Metallplatten oder ähnlich wirkende Materialien vorgeschaltet
werden, um die Stachelwirkung so zu reduzieren, dass in der Sprengladung nur eine
Deflagration ausgelöst wird. Die zweite Verstärkerladung wirkt aber trotz der vorgeschalteten
Materialien bei ihrer Detonation direkt auf die Sprengladung ein.
[0004] Aus der
DE 100 15 070 A1 ist eine Sprengladung für einen Gefechtskopf bekannt, der neben der Zündkette zur
detonativen Initiierung der Sprengladung eine weitere Zündkette zur deflagrativen
Initiierung aufweist. Dabei ist die Sprengladung in axialer Richtung derart geschichtet,
dass auf eine erste, dritte, usw. detonativ umsetzbare Sprengstoffschicht jeweils
eine zweite, vierte, usw. deflagrativ umsetzbare oder inerte Schicht folgt. Durch
die entsprechende Wahl von detonativ oder deflagrativ umsetzbaren Sprengstoffen sowie
inerten Materialien für die verschiedenen Schichten läuft die gezielt eingeleitete
Deflagration kontrolliert ab und die Wahrscheinlichkeit des Übergangs einer Deflagration
in eine Detonation wird weitestgehend unterdrückt.
[0005] Aus der
DE 10 2007 054 382 A1 ist eine Munition großer Reichweite mit einer Zündkette zur letal wirksamen Selbstzerlegung
bekannt, die eine De-Letalisierungseinrichtung aufweist, die zur Reduktion der Letalwirkung
oder zur De-Letalisierung der Munition vorgesehen ist. Die De-Letalisierungseinrichtung
ist mittels einer Aktivierungseinrichtung nach dem Abschluss der Munition in Abhängigkeit
einer geänderten Lagebeurteilung aktivierbar. Die Munition kann einen langen Wuchtpfeil
aufweisen, der zur Unterteilung in kürzere Wuchtpfeile mit Sollbruchstellen ausgebildet
ist und zugehörige Sprengladungen besitzt.
[0006] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, einen alternativen Wirkkörper anzugeben,
der im Falle eines Missionsabbruchs zur Vermeidung von Schäden im ursprünglichen Zielbereich
zerstört werden kann oder dessen Wirkung skalierbar ist. Weiterhin soll ein Verfahren
zur Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse in dem Wirkkörper angegeben werden, welches
eine Wahl oder Skalierung der Wirkung der Umsetzung ermöglicht. Die Aufgabe wird durch
die Merkmale der Patentansprüche 1 und 4 gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen ergeben
sich aus den Merkmalen der Patentansprüche 2 und 3.
[0007] Erfindungsgemäß ist ein Wirkkörper zur wahlweise detonativen, deflagrativen oder
detonativen und deflagrativen Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse vorgesehen. Durch
die Wahl der Umsetzung kann die Sprengwirkung der Sprengstoffwirkmasse skaliert werden.
Bei einer ausschließlich detonativen Umsetzung beträgt die Sprengwirkung 100 %, bei
einer ausschließlich deflagrativen Umsetzung beträgt die Sprengwirkung 0 % und bei
einer detonativen und deflagrativen Umsetzung ist die Sprengwirkung umso größer, je
größer der Anteil der detonativ umgesetzten Sprengstoffwirkmasse ist.
[0008] Der Wirkkörper umfasst die Sprengstoffwirkmasse, eine die Sprengstoffwirkmasse umgebende
und an der Sprengstoffwirkmasse anliegende Wirkkörperhülle, eine erste Zündkette mit
einer ersten Verstärkungsladung zur Auslösung der detonativen Umsetzung, eine Wirkladung
zur Auslösung der deflagrativen Umsetzung und mindestens eine zweite Zündkette mit
einer zweiten Verstärkungsladung zur Zündung der Wirkladung. Die Wirkladung ist Bestandteil
einer auf einer Außenseite der Wirkkörperhülle angeordneten Schneidladung zum Durchtrennen
der Wirkkörperhülle und dabei erfolgendem Einkoppeln einer Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse.
Das Anliegen der Wirkkörperhülle an der Sprengstoffwirkmasse kann dabei ein direktes
Anliegen oder indirektes Anliegen, beispielsweise über eine Zwischenlage aus Kunststoff,
sein. Wesentlich ist dabei lediglich, dass die Druckwelle von der Wirkkörperhülle
auf die Sprengstoffwirkmasse übertragen werden kann.
[0009] Bei der Schneidladung handelt es sich um eine aus dem Stand der Technik bekannte
übliche Schneidladung, wie sie zum Durchschneiden von Stahl oder Stahlbeton verwendet
wird. Bei dem erfindungsgemäßen Wirkkörper ist diese so bemessen, dass das Energieniveau
der in die Sprengstoffwirkmasse eingekoppelten Druckwelle lediglich zur deflagrativen
Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse ausreicht. Bei einer deflagrativen Umsetzung besteht
jedoch stets die Gefahr, dass diese in eine hier ungewollte detonative Umsetzung übergeht.
Durch das Durchtrennen der Wirkkörperhülle wird dieses Risiko deutlich verringert,
weil es dadurch bei der Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse zu einer Druckentlastung
kommt. Dadurch und durch das Einkoppeln der Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse
kann eine lediglich deflagrative und nicht detonative Umsetzung sehr zuverlässig und
mit verhältnismäßig geringem Aufwand sichergestellt werden.
[0010] Weiterhin ermöglicht der erfindungsgemäße Wirkkörper die deflagrative Umsetzung der
Sprengstoffwirkmasse innerhalb sehr kurzer Zeit in einen verhältnismäßig großen Bereich
der Sprengstoffwirkmasse einzuleiten und damit die gesamte Sprengstoffwirkmasse schnell
deflagrativ umzusetzen. Dadurch ist es möglich, im Falle eines gewünschten Missionsabbruchs
einen Gefechtskopf bis kurz vor dessen geplanter Detonation unter Vermeidung von Schäden
im ursprünglichen Zielbereich zu zerstören. Weiterhin ist es damit möglich, die Sprengwirkung
des Wirkkörpers so zu skalieren, dass lediglich die gewünschte Zerstörungswirkung
und keine oder nur geringe Kollateralschäden eintreten.
[0011] Bei einer Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Wirkkörpers ist die Schneidladung parallel
zu einer Wirkkörperachse oder entlang eines Umfangs des Wirkkörpers angeordnet. Beide
Anordnungen erlauben eine unmittelbare Druckentlastung bei der deflagrativen Umsetzung
der Sprengstoffwirkmasse.
[0012] Der Wirkkörper kann ein Mittel umfassen, welches eine gleichzeitige oder zeitlich
versetzte Zündung der ersten und der zweiten Verstärkungsladung ermöglicht. Die zweite
Verstärkungsladung kann dabei vor oder nach der ersten Verstärkungsladung gezündet
werden. Bei der Bemessung der zeitlichen Verzögerung sind jeweils die Geschwindigkeiten
der deflagrativen und der detonativen Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse zu berücksichtigen.
Dadurch kann die für die detonative Umsetzung zur Verfügung stehende Menge der Sprengstoffwirkmasse
festgelegt und damit die Sprengwirkung des Wirkkörpers skaliert werden.
[0013] Die Erfindung betrifft weiterhin ein Verfahren zur wahlweise detonativen, deflagrativen
oder detonativen und deflagrativen Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse in einem erfindungsgemäßen
Wirkkörper, wobei die detonative Umsetzung durch Zünden der ersten Verstärkungsladung
und die deflagrative Umsetzung durch Zünden der Wirkladung und ein dadurch erfolgendes
Einleiten einer Druckwelle in die Sprengstoffmasse bewirkt wird, wobei die Druckwelle
beim Durchtrennen der Wirkkörperhülle mittels der Schneidladung entsteht. Das Einleiten
der Druckwelle ermöglicht eine sehr genaue Einstellung der auf die Sprengstoffwirkmasse
zu übertragenden Energie, so dass dadurch sehr zuverlässig eine nur deflagrativ und
nicht detonativ erfolgende Umsetzung der Wirkmasse eingeleitet werden kann.
[0014] Nachfolgend wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels und von Zeichnungen
näher erläutert. Es zeigen:
- Fig. 1
- eine schematische Darstellung eines Längsschnitts durch einen erfindungsgemäßen Wirkkörper
und
- Fig. 2
- eine schematische Darstellung eines Querschnitts durch einen Ausschnitt des erfindungsgemäßen
Wirkkörpers.
[0015] Fig. 1 zeigt einen erfindungsgemäßen Wirkkörper mit einer Sprengstoffwirkmasse 10,
die in einer Wirkkörperhülle 12 enthalten ist. Weiterhin ist zur Zündung der Sprengstoffwirkmasse
10 eine aus einem ersten Detonator 14 und einer ersten Verstärkungsladung 16 gebildete
erste Zündkette 18 vorhanden. Auf der Außenseite der Wirkkörperhülle 12 ist eine Schneidladung
22 angeordnet, die eine Wirkladung 24 enthält. Die Wirkladung 24 wird über eine den
zweiten Detonator 20 und eine hier nicht dargestellte zweite Verstärkungsladung umfassende
zweite Zündkette gezündet, wenn die Sprengstoffwirkmasse 10 nicht oder nicht nur detonativ,
sondern deflagrativ oder auch deflagrativ zerstört werden soll. Die Schneidladung
22 durchtrennt dann die Wirkkörperhülle 12 und bewirkt dabei das Einkoppeln einer
Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse 10. Durch die Druckwelle wird eine deflagrative
Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse 10 ausgelöst. Gleichzeitig bewirkt das Durchtrennen
der Wirkkörperhülle 12 eine Druckentlastung und vermeidet dadurch sehr zuverlässig
einen Übergang der deflagrativen Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse 10 in eine detonative
Umsetzung.
[0016] Fig. 2 zeigt einen Ausschnitt aus dem in Fig. 1 schematisch dargestellten Wirkkörper
im Querschnitt.
Bezugszeichenliste
[0017]
- 10
- Sprengstoffwirkmasse
- 12
- Wirkkörperhülle
- 14
- erster Detonator
- 16
- erste Verstärkungsladung
- 18
- erste Zündkette
- 20
- zweiter Detonator
- 22
- Schneidladung
- 24
- Wirkladung
1. Wirkkörper zur wahlweise detonativen, deflagrativen oder detonativen und deflagrativen
Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse (10),
wobei der Wirkkörper die Sprengstoffwirkmasse (10), eine die Sprengstoffwirkmasse
(10) umgebende und an der Sprengstoffwirkmasse (10) anliegende Wirkkörperhülle (12),
eine erste Zündkette (18) mit einer ersten Verstärkungsladung (16) zur Auslösung der
detonativen Umsetzung, eine Wirkladung (24) zur Auslösung der deflagrativen Umsetzung
und mindestens eine zweite Zündkette mit einer zweiten Verstärkungsladung zur Zündung
der Wirkladung (24) umfasst,
wobei die Wirkladung (24) Bestandteil einer auf einer Außenseite der Wirkkörperhülle
(12) angeordneten Schneidladung (22) zum Durchtrennen der Wirkkörperhülle (12) und
dabei erfolgendem Einkoppeln einer Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse (10) ist.
2. Wirkkörper nach Anspruch 1,
wobei die Schneidladung (22) parallel zu einer Wirkkörperachse oder entlang eines
Umfangs des Wirkkörpers angeordnet ist.
3. Wirkkörper nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei der Wirkkörper ein Mittel umfasst, welches eine gleichzeitige oder zeitlich
versetzte Zündung der ersten und der zweiten Verstärkungsladung ermöglicht.
4. Verfahren zur wahlweise detonativen, deflagrativen oder detonativen und deflagrativen
Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse (10) in einem Wirkkörper nach einem der vorhergehenden
Ansprüche,
wobei die detonative Umsetzung durch Zünden der ersten Verstärkungsladung (16) und
die deflagrative Umsetzung durch Zünden der Wirkladung (24) und ein dadurch erfolgendes
Einleiten einer Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse (10) bewirkt wird, wobei die
Druckwelle beim Durchtrennen der Wirkkörperhülle (12) mittels der Schneidladung (22)
entsteht.