(19)
(11) EP 2 789 964 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
15.10.2014  Patentblatt  2014/42

(21) Anmeldenummer: 14001254.3

(22) Anmeldetag:  04.04.2014
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
F42C 19/08(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME

(30) Priorität: 13.04.2013 DE 102013006477

(71) Anmelder: Diehl BGT Defence GmbH & Co. KG
88662 Überlingen (DE)

(72) Erfinder:
  • Falter, Thomas
    DE - 91207 Lauf a. d. Pegnitz (DE)
  • Clement, Dominik
    DE - 90451 Nürnberg (DE)
  • Hahma, Arno
    DE - 91239 Henfenfeld (DE)
  • Kaiser, Florian
    DE - 88400 Biberach (DE)
  • Klare, Manfred
    DE - 91245 Simmelsdorf (DE)
  • Lehrieder, Günther
    DE - 90552 Röthenbach (DE)

(74) Vertreter: Diehl Patentabteilung 
c/o Diehl Stiftung & Co. KG Stephanstrasse 49
90478 Nürnberg
90478 Nürnberg (DE)

   


(54) Wirkkörper zur wahlweise detonativen, deflagrativen oder detonativen und deflagrativen Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse


(57) Die Erfindung betrifft einen Wirkkörper zur wahlweise detonativen, deflagrativen oder detonativen und deflagrativen Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse (10), wobei der Wirkkörper die Sprengstoffwirkmasse (10), eine die Sprengstoffwirkmasse (10) umgebende und an der Sprengstoffwirkmasse (10) anliegende Wirkkörperhülle (12), eine erste Zündkette (18) mit einer ersten Verstärkungsladung (16) zur Auslösung der detonativen Umsetzung, eine Wirkladung (24) zur Auslösung der deflagrativen Umsetzung und mindestens eine zweite Zündkette mit einer zweiten Verstärkungsladung zur Zündung der Wirkladung (24) umfasst, wobei die Wirkladung (24) Bestandteil einer auf einer Außenseite der Wirkkörperhülle (12) angeordneten Schneidladung (22) zum Durchtrennen der Wirkkörperhülle (12) und dabei erfolgendem Einkoppeln einer Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse (10) ist.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft einen Wirkkörper zur wahlweise detonativen, deflagrativen oder detonativen und deflagrativen Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse. Bei dem Wirkkörper kann es sich beispielsweise um einen Gefechtskopf handeln. Bei einem Einsatz von Gefechtsköpfen in urbaner Umgebung besteht häufig das Problem, dass sich in unmittelbarer Nähe des Ziels zivile oder andere Einrichtungen befinden, die nicht beschädigt werden sollen. Gefechtsköpfe sollen daher in ihrer Leistung so einstellbar sein, dass sie möglichst nur das gewünschte Ziel zerstören und möglichst wenig Kollateralschäden anrichten.

[0002] Zur Bestimmung der Empfindlichkeit eines Sprengstoffs wird häufig ein sogenannter GAP-Test durchgeführt. Dabei wird zwischen den zu untersuchenden Sprengstoff und eine durch einen Detonator zu zündende Verstärkungsladung eine im Allgemeinen aus Polymethylmethacrylat (PMMA) bestehende Barriereschicht positioniert. Die Verstärkungsladung wird dann zur Detonation gebracht. Dadurch wird eine Druckwelle in die Schicht eingekoppelt, die beim Durchlaufen der Schicht gedämpft wird, bevor sie auf den Sprengstoff trifft. Der GAP-Test wird mit unterschiedlichen Schichtdicken der Barriereschicht durchgeführt. Dabei werden die größte Schichtdicke, bei der der Sprengstoff gerade noch detoniert, und die geringste Schichtdicke, bei der gerade noch keine Detonation stattfindet, als Maß für die Empfindlichkeit des Sprengstoffs bestimmt.

[0003] Aus der DE 199 61 204 C2 ist eine Zündeinrichtung für einen Gefechtskopf mit einer Sprengladung mit einer ersten Zündkette mit Verstärkerladung zur detonativen Initiierung und einer zweiten Zündkette mit Verstärkerladung zur deflagrativen Initiierung bekannt, wobei die Zeitverzögerung (Δt) zwischen den Auslösezeitpunkten beider Zündketten einstellbar ist. Liegen sich die beiden Zündketten bezüglich der Längsachse der Sprengladung gegenüber, so ist mittels geeigneter Wahl der beiden Zündzeitpunkte die beliebige Einstellung des deflagrierenden Anteils der Sprengladung zwischen 0 und 100 % erzielbar. Die Verstärkerladung der zweiten Zündkette kann als Hohlladung ausgebildet sein. Diese erzeugt bei Detonation einen in die Sprengladung eindringenden Stachel, der eine Deflagration der Sprengladung auslösen kann. Um die Hohlladung an das zur Auslösung einer Deflagration erforderliche Energieniveau anzupassen, können Metallplatten oder ähnlich wirkende Materialien vorgeschaltet werden, um die Stachelwirkung so zu reduzieren, dass in der Sprengladung nur eine Deflagration ausgelöst wird. Die zweite Verstärkerladung wirkt aber trotz der vorgeschalteten Materialien bei ihrer Detonation direkt auf die Sprengladung ein.

[0004] Aus der DE 100 15 070 A1 ist eine Sprengladung für einen Gefechtskopf bekannt, der neben der Zündkette zur detonativen Initiierung der Sprengladung eine weitere Zündkette zur deflagrativen Initiierung aufweist. Dabei ist die Sprengladung in axialer Richtung derart geschichtet, dass auf eine erste, dritte, usw. detonativ umsetzbare Sprengstoffschicht jeweils eine zweite, vierte, usw. deflagrativ umsetzbare oder inerte Schicht folgt. Durch die entsprechende Wahl von detonativ oder deflagrativ umsetzbaren Sprengstoffen sowie inerten Materialien für die verschiedenen Schichten läuft die gezielt eingeleitete Deflagration kontrolliert ab und die Wahrscheinlichkeit des Übergangs einer Deflagration in eine Detonation wird weitestgehend unterdrückt.

[0005] Aus der DE 10 2007 054 382 A1 ist eine Munition großer Reichweite mit einer Zündkette zur letal wirksamen Selbstzerlegung bekannt, die eine De-Letalisierungseinrichtung aufweist, die zur Reduktion der Letalwirkung oder zur De-Letalisierung der Munition vorgesehen ist. Die De-Letalisierungseinrichtung ist mittels einer Aktivierungseinrichtung nach dem Abschluss der Munition in Abhängigkeit einer geänderten Lagebeurteilung aktivierbar. Die Munition kann einen langen Wuchtpfeil aufweisen, der zur Unterteilung in kürzere Wuchtpfeile mit Sollbruchstellen ausgebildet ist und zugehörige Sprengladungen besitzt.

[0006] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, einen alternativen Wirkkörper anzugeben, der im Falle eines Missionsabbruchs zur Vermeidung von Schäden im ursprünglichen Zielbereich zerstört werden kann oder dessen Wirkung skalierbar ist. Weiterhin soll ein Verfahren zur Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse in dem Wirkkörper angegeben werden, welches eine Wahl oder Skalierung der Wirkung der Umsetzung ermöglicht. Die Aufgabe wird durch die Merkmale der Patentansprüche 1 und 4 gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen ergeben sich aus den Merkmalen der Patentansprüche 2 und 3.

[0007] Erfindungsgemäß ist ein Wirkkörper zur wahlweise detonativen, deflagrativen oder detonativen und deflagrativen Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse vorgesehen. Durch die Wahl der Umsetzung kann die Sprengwirkung der Sprengstoffwirkmasse skaliert werden. Bei einer ausschließlich detonativen Umsetzung beträgt die Sprengwirkung 100 %, bei einer ausschließlich deflagrativen Umsetzung beträgt die Sprengwirkung 0 % und bei einer detonativen und deflagrativen Umsetzung ist die Sprengwirkung umso größer, je größer der Anteil der detonativ umgesetzten Sprengstoffwirkmasse ist.

[0008] Der Wirkkörper umfasst die Sprengstoffwirkmasse, eine die Sprengstoffwirkmasse umgebende und an der Sprengstoffwirkmasse anliegende Wirkkörperhülle, eine erste Zündkette mit einer ersten Verstärkungsladung zur Auslösung der detonativen Umsetzung, eine Wirkladung zur Auslösung der deflagrativen Umsetzung und mindestens eine zweite Zündkette mit einer zweiten Verstärkungsladung zur Zündung der Wirkladung. Die Wirkladung ist Bestandteil einer auf einer Außenseite der Wirkkörperhülle angeordneten Schneidladung zum Durchtrennen der Wirkkörperhülle und dabei erfolgendem Einkoppeln einer Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse. Das Anliegen der Wirkkörperhülle an der Sprengstoffwirkmasse kann dabei ein direktes Anliegen oder indirektes Anliegen, beispielsweise über eine Zwischenlage aus Kunststoff, sein. Wesentlich ist dabei lediglich, dass die Druckwelle von der Wirkkörperhülle auf die Sprengstoffwirkmasse übertragen werden kann.

[0009] Bei der Schneidladung handelt es sich um eine aus dem Stand der Technik bekannte übliche Schneidladung, wie sie zum Durchschneiden von Stahl oder Stahlbeton verwendet wird. Bei dem erfindungsgemäßen Wirkkörper ist diese so bemessen, dass das Energieniveau der in die Sprengstoffwirkmasse eingekoppelten Druckwelle lediglich zur deflagrativen Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse ausreicht. Bei einer deflagrativen Umsetzung besteht jedoch stets die Gefahr, dass diese in eine hier ungewollte detonative Umsetzung übergeht. Durch das Durchtrennen der Wirkkörperhülle wird dieses Risiko deutlich verringert, weil es dadurch bei der Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse zu einer Druckentlastung kommt. Dadurch und durch das Einkoppeln der Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse kann eine lediglich deflagrative und nicht detonative Umsetzung sehr zuverlässig und mit verhältnismäßig geringem Aufwand sichergestellt werden.

[0010] Weiterhin ermöglicht der erfindungsgemäße Wirkkörper die deflagrative Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse innerhalb sehr kurzer Zeit in einen verhältnismäßig großen Bereich der Sprengstoffwirkmasse einzuleiten und damit die gesamte Sprengstoffwirkmasse schnell deflagrativ umzusetzen. Dadurch ist es möglich, im Falle eines gewünschten Missionsabbruchs einen Gefechtskopf bis kurz vor dessen geplanter Detonation unter Vermeidung von Schäden im ursprünglichen Zielbereich zu zerstören. Weiterhin ist es damit möglich, die Sprengwirkung des Wirkkörpers so zu skalieren, dass lediglich die gewünschte Zerstörungswirkung und keine oder nur geringe Kollateralschäden eintreten.

[0011] Bei einer Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Wirkkörpers ist die Schneidladung parallel zu einer Wirkkörperachse oder entlang eines Umfangs des Wirkkörpers angeordnet. Beide Anordnungen erlauben eine unmittelbare Druckentlastung bei der deflagrativen Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse.

[0012] Der Wirkkörper kann ein Mittel umfassen, welches eine gleichzeitige oder zeitlich versetzte Zündung der ersten und der zweiten Verstärkungsladung ermöglicht. Die zweite Verstärkungsladung kann dabei vor oder nach der ersten Verstärkungsladung gezündet werden. Bei der Bemessung der zeitlichen Verzögerung sind jeweils die Geschwindigkeiten der deflagrativen und der detonativen Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse zu berücksichtigen. Dadurch kann die für die detonative Umsetzung zur Verfügung stehende Menge der Sprengstoffwirkmasse festgelegt und damit die Sprengwirkung des Wirkkörpers skaliert werden.

[0013] Die Erfindung betrifft weiterhin ein Verfahren zur wahlweise detonativen, deflagrativen oder detonativen und deflagrativen Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse in einem erfindungsgemäßen Wirkkörper, wobei die detonative Umsetzung durch Zünden der ersten Verstärkungsladung und die deflagrative Umsetzung durch Zünden der Wirkladung und ein dadurch erfolgendes Einleiten einer Druckwelle in die Sprengstoffmasse bewirkt wird, wobei die Druckwelle beim Durchtrennen der Wirkkörperhülle mittels der Schneidladung entsteht. Das Einleiten der Druckwelle ermöglicht eine sehr genaue Einstellung der auf die Sprengstoffwirkmasse zu übertragenden Energie, so dass dadurch sehr zuverlässig eine nur deflagrativ und nicht detonativ erfolgende Umsetzung der Wirkmasse eingeleitet werden kann.

[0014] Nachfolgend wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels und von Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
Fig. 1
eine schematische Darstellung eines Längsschnitts durch einen erfindungsgemäßen Wirkkörper und
Fig. 2
eine schematische Darstellung eines Querschnitts durch einen Ausschnitt des erfindungsgemäßen Wirkkörpers.


[0015] Fig. 1 zeigt einen erfindungsgemäßen Wirkkörper mit einer Sprengstoffwirkmasse 10, die in einer Wirkkörperhülle 12 enthalten ist. Weiterhin ist zur Zündung der Sprengstoffwirkmasse 10 eine aus einem ersten Detonator 14 und einer ersten Verstärkungsladung 16 gebildete erste Zündkette 18 vorhanden. Auf der Außenseite der Wirkkörperhülle 12 ist eine Schneidladung 22 angeordnet, die eine Wirkladung 24 enthält. Die Wirkladung 24 wird über eine den zweiten Detonator 20 und eine hier nicht dargestellte zweite Verstärkungsladung umfassende zweite Zündkette gezündet, wenn die Sprengstoffwirkmasse 10 nicht oder nicht nur detonativ, sondern deflagrativ oder auch deflagrativ zerstört werden soll. Die Schneidladung 22 durchtrennt dann die Wirkkörperhülle 12 und bewirkt dabei das Einkoppeln einer Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse 10. Durch die Druckwelle wird eine deflagrative Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse 10 ausgelöst. Gleichzeitig bewirkt das Durchtrennen der Wirkkörperhülle 12 eine Druckentlastung und vermeidet dadurch sehr zuverlässig einen Übergang der deflagrativen Umsetzung der Sprengstoffwirkmasse 10 in eine detonative Umsetzung.

[0016] Fig. 2 zeigt einen Ausschnitt aus dem in Fig. 1 schematisch dargestellten Wirkkörper im Querschnitt.

Bezugszeichenliste



[0017] 
10
Sprengstoffwirkmasse
12
Wirkkörperhülle
14
erster Detonator
16
erste Verstärkungsladung
18
erste Zündkette
20
zweiter Detonator
22
Schneidladung
24
Wirkladung



Ansprüche

1. Wirkkörper zur wahlweise detonativen, deflagrativen oder detonativen und deflagrativen Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse (10),
wobei der Wirkkörper die Sprengstoffwirkmasse (10), eine die Sprengstoffwirkmasse (10) umgebende und an der Sprengstoffwirkmasse (10) anliegende Wirkkörperhülle (12), eine erste Zündkette (18) mit einer ersten Verstärkungsladung (16) zur Auslösung der detonativen Umsetzung, eine Wirkladung (24) zur Auslösung der deflagrativen Umsetzung und mindestens eine zweite Zündkette mit einer zweiten Verstärkungsladung zur Zündung der Wirkladung (24) umfasst,
wobei die Wirkladung (24) Bestandteil einer auf einer Außenseite der Wirkkörperhülle (12) angeordneten Schneidladung (22) zum Durchtrennen der Wirkkörperhülle (12) und dabei erfolgendem Einkoppeln einer Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse (10) ist.
 
2. Wirkkörper nach Anspruch 1,
wobei die Schneidladung (22) parallel zu einer Wirkkörperachse oder entlang eines Umfangs des Wirkkörpers angeordnet ist.
 
3. Wirkkörper nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei der Wirkkörper ein Mittel umfasst, welches eine gleichzeitige oder zeitlich versetzte Zündung der ersten und der zweiten Verstärkungsladung ermöglicht.
 
4. Verfahren zur wahlweise detonativen, deflagrativen oder detonativen und deflagrativen Umsetzung einer Sprengstoffwirkmasse (10) in einem Wirkkörper nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die detonative Umsetzung durch Zünden der ersten Verstärkungsladung (16) und die deflagrative Umsetzung durch Zünden der Wirkladung (24) und ein dadurch erfolgendes Einleiten einer Druckwelle in die Sprengstoffwirkmasse (10) bewirkt wird, wobei die Druckwelle beim Durchtrennen der Wirkkörperhülle (12) mittels der Schneidladung (22) entsteht.
 




Zeichnung







Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente