(19)
(11) EP 2 942 417 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
11.11.2015  Patentblatt  2015/46

(21) Anmeldenummer: 15159840.6

(22) Anmeldetag:  19.03.2015
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C22C 38/02(2006.01)
C21D 8/12(2006.01)
H01F 1/18(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
MA

(30) Priorität: 25.03.2014 DE 102014104106

(71) Anmelder: ThyssenKrupp Electrical Steel GmbH
45881 Gelsenkirchen (DE)

(72) Erfinder:
  • Dr. Krenke, Thorsten
    47178 Duisburg (DE)
  • Schrapers, Heiner
    47226 Duisburg (DE)

(74) Vertreter: Cohausz & Florack 
Patent- & Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB Bleichstraße 14
40211 Düsseldorf
40211 Düsseldorf (DE)

   


(54) VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON HOCHPERMEABLEM KORNORIENTIERTEM ELEKTROBAND


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von kornorientiertem Elektroband, bei dem ein Stahl, der (in Masse-%) 2,5-4,0% Si, 0,01-0,10% C sowie optionale Gehalte an weiteren Legierungselementen und als Rest Fe und unvermeidbare Verunreinigungen enthält, zu Dünnbrammen vergossen wird, die in an sich bekannter Weise zu einem Kaltband mit einer Enddicke von 0,15-0,50 mm verarbeitet werden. Das Kaltband wird rekristallisierend und entkohlend geglüht sowie einer Nitrierbehandlung bei 850-1050°C unterzogen. Anschließend wird ein Glühseparator auf das Kaltband aufgetragen und die weiteren für die Erzeugung von Elektroband typischen abschließenden Arbeitsschritte durchlaufen. Erfindungsgemäß findet nun nach dem Nitrieren und vor dem Auftrag des Glühseparators eine Nachoxidationsglühung statt, bei der das Kaltband für 15-180 s bei 750-900 °C unter einer wasserstoffhaltigen Glühatmosphäre geglüht wird, deren Partialdruckverhältnis pH2O/pH2 innerhalb einer Fläche liegt, die durch die Eckpunkte P1 (TNO=750 °C; pH2O/pH2=0,1), P2 (TNO=900°C; pH2O/pH2=0,2), P3 (TNO=750°C; pH2O/pH2=0,42) und P4 (TNO=900°C; pH2O/pH2=0,52) bestimmt ist.


Beschreibung


[0001] Für die Herstellung von hochpermeablem kornorientiertem Elektroband, in der Fachsprache auch kurz als "KO-Elektroband" bezeichnet, existieren unterschiedliche Verfahren.

[0002] Kornorientierte Elektrobänder oder -bleche zeichnen sich durch eine besonders scharf ausgeprägte {110}<001> Textur aus, welche eine leichte Magnetisierungsrichtung parallel zur Walzrichtung besitzt. Eine solche Textur wird nach ihrem Entdecker auch "Goss-Textur" genannt.

[0003] Die Bildung der Goss-Textur erfolgt über ein selektives anomales Kornwachstum, welches auch als Sekundärrekristallisation bezeichnet wird. Dabei wird das natürliche Bestreben einer metallischen Matrix zur Kornvergrößerung durch die Anwesenheit von Kornwachstumsinhibitoren unterdrückt, die in der Fachsprache auch kurz "Inhibitoren" oder "Inhibitorphase" genannt werden.

[0004] Die Inhibitorphase besteht aus sehr feinen und möglichst homogen verteilten Partikeln einer oder mehrerer Fremdphasen. Die betreffenden Partikel besitzen an ihrer Grenzfläche zur Matrix bereits eine natürliche Grenzflächenenergie. Durch diese wird eine sich darüber hinweg bewegende Korngrenze behindert, weil die weitere Einsparung an Grenzflächenenergie im Gesamtsystem stark vermindert wird.

[0005] Die Inhibitorphase hat demzufolge eine zentrale Bedeutung für die Entstehung der Goss-Textur und damit einhergehend für die magnetischen Eigenschaften des jeweiligen Werkstoffes.

[0006] Zweck der Teilchen-Inhibition ist es möglich, das Kornwachstum im Primärgefüge des Kaltbandes nach und während der Entkohlungsglühung zu unterdrücken. Erst während der abschließenden Hochglühung, bei der die Kaltbänder bei Temperaturen von bis zu 1200 °C geglüht werden, soll bei 950 - 1100 °C ein kontrolliertes abnormales Kornwachstum erfolgen, um eine hohe Texturschärfe mit Gossorientierung {110}<001> zu ermöglichen.

[0007] Damit ein optimales abnormales Kornwachstum mit hoher Texturschärfe einsetzt, muss nach der Entkohlungsglühung ein idealer Gleichgewichtszustand zwischen treibenden und rücktreibenden Kräften eingestellt werden. Die treibende Kraft für das Kornwachstum während der Hochglühung ist die im Gefüge gespeicherte Korngrenzenenergie. Diese ist im Wesentlichen durch die Korngröße nach der Primärrekristallisation bestimmt. Bedingt durch die schwächere inhärente Inhibition beim low-heating Verfahren ist die mittlere Primärkorngröße nach Entkohlungsglühung größer als beim konventionellen Verfahren und unterliegt größeren Schwankungen durch den Kaltprozess. Die treibende Kraft für das abnormale Kornwachstum ist somit generell geringer.

[0008] Auf der anderen Seite wird die rücktreibende Kraft durch die im Kaltband ausgeschiedenen nichtmagnetischen Ausscheidungen (Inhibitoren) bestimmt. Dabei kommt es darauf an, viele fein verteilte Teilchen vorliegen zu haben.

[0009] Eines der Verfahren zur Herstellung von KO-Elektroband ist unter der Bezeichnung "Low-Heating-Verfahren" bekannt. Bei diesem Verfahren wird ein geeignet zusammengesetzter Stahl zu Brammen vergossen, die nach ihrer Erstarrung bei vergleichbar niedrigen, unterhalb von 1300 °C, typischerweise bei 1250 °C oder darunter liegenden Brammenvorwärmtemperaturen geglüht werden. Beim so genannten Low-Heating Verfahren werden also die relevanten Partikel nicht im Warmband, sondern vor, nach oder während der Entkohlungsglühung bzw. während der Aufheizphase der Schlussglühung mit den verschiedensten Nitrierverfahren erzeugt.

[0010] Bei den in der EP 0 950 119 B1 und EP 0 950 120 B1 beschriebenen Verfahren wird über den Warmwalzprozess eine Inhibitionsstärke Iz durch Nitride und Sulfide eingestellt, so dass das primäre Kornwachstum beim Kaltprozess auch bei höheren Temperaturen gehemmt wird. Vor dem Warmwalzen werden die Brammen auf 1100 - 1320 °C erwärmt. Eine simultan zur Entkohlungsglühung durchgeführte Nitrierbehandlung bei Temperaturen von 850 - 1050 °C in Ammoniak enthaltender Atmosphäre ermöglicht die direkte Bildung von Aluminiumnitriden. Die anschließende Hochglühung muss gegenüber dem herkömmlichen Herstellungsweg der KO-Elektrobandfertigung nicht modifiziert werden.

[0011] Dem gegenüber ist in der EP 0 219 611 B1 ein Verfahren beschrieben, bei dem die Nitrierung nach der Primärrekristallisation, jedoch vor dem Einsetzen des abnormalen Kornwachstums durchgeführt wird. Die Nitrierung kann hier durch eine Atmosphäre mit Nitriervermögen oder durch einen Stickstoff spendenden Klebschutzzusatz erfolgen. Speziell beim Nitrieren unter einer Ammoniak enthaltenden Atmosphäre und bei einer Nitriertemperatur von weniger als 850 °C liegen nach der Nitrierung nahe der Oberfläche Silizium-Mangan-Nitride vor (Materials Science Forum 204-206 (1996), 143-154). Aufgrund der geringeren thermodynamischen Stabilität lösen sich diese während der Aufheizphase der Hochglühung auf. Der Stickstoff diffundiert in die Stahlmatrix und rekombiniert mit dem dort vorliegenden freien Aluminium zu Aluminiumnitrid (Materials Science Forum 204-206 (1996), 593-598). Die Aluminiumnitride sind dann die wirksamen Inhibitoren für das Sekundärkornwachstum.

[0012] Die auf diesem Wege bewirkte Inhibition ist dennoch im Vergleich zum konventionellen KO-Prozess schwächer, ermöglicht aber eine vollständige Sekundärrekristallisation bei höheren Temperaturen mit einer größeren Sekundärkorngröße im Fertigband (TMS Proceedings 3 (2008), 49-54). Der Nachteil dieser Vorgehensweise besteht in der Notwendigkeit eines modifizierten Zeit-Temperatur-Zyklusses der Hochglühung. Die Auflösung der Silizium-Mangan-Nitride bzw. die Neubildung von AlN durch Stickstoff-Diffusion erfolgt bei Temperaturen zwischen 700 bis 800 °C. Um diesen entscheidenden Prozessschritt vollständig zu ermöglichen, ist eine isotherme Haltestufe von mindestens vier Stunden während der Aufheizphase der Hochglühung erforderlich.

[0013] Ein weiteres Verfahren zum Herstellen von kornorientiertem Elektroband ist aus der EP 1 752 548 A1 bekannt. Bei diesem Verfahren wird so genanntes CGO-Material (Conventional Grain Oriented - Material) auf Basis von Dünnbrammen-Strangguss dadurch erzeugt, dass basierend auf einer Stahlschmelze mit (in Masse-%) Si: 2,5 - 4,0 %, C: 0,01 - 0,10 %, Mn: 0,02 - 0,50 %, S und Se in Gehalten, deren Summe 0,005 bis 0,04 % beträgt, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen, die Arbeitsschritte "sekundärmetallurgisches Behandeln der Schmelze in einer Vakuumanlage und / oder einem Pfannenofen", "kontinuierliches Abgießen der Schmelze zu einem Strang", "Zerteilen des Strangs in Dünnbrammen", "Aufheizen der Dünnbrammen in einem in Linie stehenden Ofen", "kontinuierliches Warmwalzen der Dünnbrammen in einer in Linie stehenden mehrgerüstigen Warmwalzstraße zu einem Warmband", "Abkühlen des Warmbands, Haspeln des Warmbands", "Kaltwalzen des Warmbandes zu einem Kaltband", "rekristallisierendes und entkohlendes Glühen des Kaltbands", "Auftrag eines Glühseparators", "Schlussglühen des geglühten Kaltbands zur Ausprägung einer Gosstextur" so aufeinander abgestimmt sind, dass unter Verwendung von konventionellen Aggregaten ein Elektroblech mit optimierten elektro-magnetischen Eigenschaften erhalten wird.

[0014] Ein vergleichbares Verfahren ist aus der EP 1 752 549 A1 für die Herstellung von so genanntem HGO-Material (Highly Grain Oriented - Material) bekannt, wobei hier von einer Stahllegierung mit (in Masse-%) Si: 2,5 - 4,0 %, C: 0,02 - 0,10 %, Al: 0,01 - 0,065 %, N: 0,003 - 0,015 %, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen, ausgegangen wird.

[0015] Ein genereller Nachteil aller hier beschriebenen Varianten von Low-Heating-Verfahren, bei denen die Inhibition durch Ammoniak enthaltende Atmosphären eingestellt wird, ist die nach dem Nitrierprozess erhaltene Zusammensetzung und Morphologie der Oxidschicht. Dabei ist es unerheblich, bei welchen Temperaturen zuvor entkohlt und nitriert wurde.

[0016] Während des Nitrierens werden in die oberflächennahen Schichten sowie in der Oxidschicht Nitride ausgeschieden, da die Löslichkeitsgrenze von Stickstoff in Fe-Si überschritten wird. Generell hat der in der Nitrierzone ausgeschiedene Stickstoff einen hohen Rekombinationsdruck, so dass z. T. molekularer Stickstoff in den Korngrenzen der Oxid-/Nitrierschicht ausgeschieden wird (Z. Werkst. Wärmebeh. Fertigung 63 (2008), 3). Die Folge dieses Phänomens sind Risse und Poren in der Oxidschicht, die im weiteren Verlauf des Kaltbandprozesses die Oxidation während der Glasfilmbildung negativ beeinflussen.

[0017] Ein weiterer Nachteil der in EP 0 219 611 B1 oder auch EP 0 494 730 B1 beschriebenen Verfahren ist die längere Zeit, die benötigt wird, um die Auflösung und Wiederausscheidung von Nitriden über Diffusionsprozesse in der Hochglühung zu ermöglichen. Hierzu muss entweder die Aufheizrate abgesenkt oder eine Haltestufe bei mittleren Temperaturen von 500 - 800 °C durchgeführt werden.

[0018] Vor dem Hintergrund des voranstehend erläuterten Standes der Technik bestand die Aufgabe der Erfindung darin, ein Verfahren zu schaffen, das die Herstellung von kornorientiertem Elektroband mit verbesserten Oberflächeneigenschaften ermöglicht und mit dem sich zudem die Auflösung der Nitride während der Aufheizphase der Hochglühung beschleunigen lässt.

[0019] Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Erfindung das in Anspruch 1 angegebene Verfahren vor.

[0020] Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben und werden nachfolgend wie der allgemeine Erfindungsgedanke im Einzelnen erläutert.

[0021] Die Erfindung geht demnach aus von den konventionellen Prozessen zur Herstellung von KO-Elektroband, bei denen eine geeignet zusammengesetzte Schmelze zu Dünnbrammen vergossen wird und bei denen die Nitrierung simultan zum Entkohlungsprozess in einer Ammoniak enthaltenden Atmosphäre bei Temperaturen oberhalb von 850 °C vollzogen wird. Entsprechende Verfahren sind in der EP 1 752 548 A1, der EP 1 752 549 A1, der EP 0 950 119 B1 und der EP 0 950 120 B1 beschrieben, deren Inhalt hiermit in die vorliegende Offenbarung einbezogen wird. Aus diesen Veröffentlichungen sind die üblichen Arbeitsschritte und Parameter bekannt, die ein Fachmann bei der Herstellung von kornorientiertem Elektroband anwendet und berücksichtigt und die auch hier einschlägig sind.

[0022] Gemäß der Erfindung werden die in den voranstehend erwähnten Veröffentlichungen beschriebenen Verfahren um eine nach dem Nitrieren erfolgende Nachoxidation ergänzt, bei der die auf der Oberfläche vorhandene Oxidschicht und die Ausscheidungszone des erfindungsgemäß erzeugten KO-Elektrobands passiviert wird.

[0023] Erfindungsgemäß werden also bei der Herstellung von kornorientiertem Elektroband auf Basis von Dünnbrammen-Strangguss mindestens folgende Arbeitsschritte durchlaufen:
  1. a) Erschmelzen eines Stahls, der neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen (in Masse-%) Si: 2,5 - 4,0 %, C: 0,01 - 0,10 % und zusätzlich jeweils optional eines oder mehrere der nachfolgend aufgezählten Elemente mit folgender Maßgabe enthalten kann: bis zu 0,50 % Mn, 0,003 - 0,04 % S, 0,003 - 0,04 % Se, bis zu 0,07 % Al, bis zu 0,015 % N, bis zu 0,05 % Ti, bis zu 0,3 % P, eines oder mehrere Elemente aus der Gruppe As, Sn, Sb, Te, Bi mit Gehalten von jeweils bis zu 0,2 %, eines oder mehrere Elemente aus der Gruppe Cu, Ni, Cr, Co, Mo mit Gehalten von jeweils bis zu 0,5 %, eines oder mehrere Elemente aus der Gruppe B, V, Nb mit Gehalten von jeweils bis zu 0,012 %;
  2. b) kontinuierliches Abgießen der Schmelze zu einem Strang;
  3. c) Abteilen von Dünnbrammen von dem gegossenen Strang;
  4. d) Glühen der Dünnbrammen in einem in Linie stehenden Ofen bei einer Dünnbrammentemperatur von 1050 - 1300 °C;
  5. e) kontinuierliches Warmwalzen der Dünnbrammen in einer in Linie stehenden mehrgerüstigen Warmwalzstraße zu einem Warmband mit einer Dicke von 0,5 - 4,0 mm;
  6. f) Abkühlen des Warmbands;
  7. g) Haspeln des Warmbands zu einem Coil;
  8. h) optional: Glühen des Warmbands nach dem Haspeln bzw. vor dem Kaltwalzen;
  9. i) Kaltwalzen des Warmbandes zu einem Kaltband mit einer Enddicke von 0,15 mm bis 0,50 mm;
  10. j) rekristallisierendes und entkohlendes Glühen des Kaltbands;
  11. k) während oder nach dem entkohlenden Glühen erfolgendes Nitrieren des Kaltbands unter einer ammoniakhaltigen Atmosphäre bei einer 850 - 1050 °C betragenden Nitriertemperatur;
  12. l) Auftrag eines Glühseparators auf die Bandoberfläche;
  13. m) Schlussglühen des rekristallisierend und entkohlend geglühten Kaltbands zur Ausprägung einer Gosstextur;
  14. n) optional: Beschichten des schlussgeglühten Kaltbands mit einer elektrischen Isolierung und anschließendes Spannungsfreiglühen des beschichteten Kaltbands
    und
  15. o) optional: Domainenverfeinerung des beschichteten Kaltbandes.


[0024] Erfindungsgemäß durchläuft nun das Kaltband nach dem Nitrieren (Arbeitsschritt k) und vor dem Auftrag des Glühseparators (Arbeitsschritt l) eine Nachoxidationsglühung bei einer Glühdauer von 15 - 180 s und einer Nachoxidationsglühtemperatur TNO von 750 - 900 °C unter einer wasserstoffhaltigen Glühatmosphäre, deren Partialdruckverhältnis pH2O/pH2 aufgetragen über die jeweilige Temperatur TNO innerhalb einer Fläche liegt, die durch die Eckpunkte P1 (TNO = 750 °C; pH2O/pH2 = 0,1), P2 (TNO = 900 °C; PH2O/PH2 = 0,2), P3 (TNO = 750 °C; PH2O/PH2 = 0,42) und P4 (TNO = 900 °C; PH2O/PH2= 0,52) bestimmt ist.

[0025] Figur 1 zeigt schematisch den erfindungsgemäß in Abhängigkeit von der jeweiligen Nachoxidationsglühtemperatur für die Glühatmosphäre der Nachoxidationsbehandlung einzuhaltenden Partialdruckbereich im Stabilitätsdiagramm der elektrobandtypischen Oxide Fayalit (Fe2SiO4) und Wüstit (FeO) (s. auch ISIJ 9 (1969), 66).

[0026] Durch eine erfindungsgemäß zusätzlich zu der konventionellen Vorgehensweise durchgeführte Nachoxidationsglühung ist auf dem für den Auftrag des Glühseparators im Arbeitsschritt l) bereitgestellten Kaltband eine Oxidschicht vorhanden, die durch innere Oxidation des Grundwerkstoffs bis in die Zone der Nitridausscheidung vorgedrungen ist. Die überwiegende Anzahl der zuvor ausgeschiedenen Nitride hat nun eine oxidische Umgebung, wie anhand der Figuren 2a,2b verdeutlicht. Dort sind die Oxidschichtmorphologien vor (Fig. 2a) und nach der Nachoxidationsglühung (Fig. 2b) schematisch verdeutlicht. Wie in Fig. 2b dargestellt, ist nach der erfindungsgemäßen Nachoxidationsglühung zwischen der riss- und porenbehafteten Oxidschicht durch innere Oxidation eine Nitrierschicht entstanden. Diese passiviert das Grundmaterial gegen die zuvor durch den Nitriervorgang in der Oxidschicht entstandenen Risse und Poren.

[0027] Damit ein ausreichender Sauerstofftransport durch die Oxidschicht in den Grundwerkstoff stattfinden kann, hat sich gezeigt, dass bei der Oxidationsglühung die Gleichgewichtskurve von Fayalit überschritten werden muss. Auf der anderen Seite sollte eine übermäßige Oxidation vermieden werden, weshalb als Obergrenze des Verfahrens der Zersetzungsdruck von Wüstit angegeben wird.

[0028] Durch die Nachoxidation der Grundschicht liegen nach der Glühung die überwiegende Anzahl der Nitride nun in einer oxidischen Umgebung vor. Die oxidische Umgebung der Nitride bewirkt eine katalytisch getriebene Auflösung während der Aufheizphase der Hochglühung, wodurch eine gleichmäßige Verteilung des Stickstoffs und somit der Inhibitorpartikel erreicht wird. Die gleichmäßige Inhibitorverteilung hat zur Folge, dass die Sekundärrekristallisation stabilisiert wird.

[0029] Die erfindungsgemäß durchgeführte Nachoxidation bewirkt demnach Zweierlei:

a) eine Verbesserung der Ausbildung des im Zuge der Schlussglühung ausgebildeten Glasfilms durch eine zusätzliche passivierende innere Oxidationszone und

b) eine Verbesserung der magnetischen Eigenschaften durch die katalytisch bedingte Homogenisierung der Inhibitorteilchen.



[0030] Die in den Arbeitsschritten a) - o) des erfindungsgemäßen Verfahrens eingestellten Betriebsparameter entsprechen den aus dem Stand der Technik bekannten Vorgaben. So kann die Temperatur des Warmbands beim Haspeln 520 - 720 °C betragen.

[0031] Im Fall, dass das rekristallisierende und entkohlende Glühen (Arbeitsschritt j) gleichzeitig mit der Nitrierbehandlung (k) durchgeführt wird, kann es zweckmäßig sein, wenn das rekristallisierende und entkohlende Glühen und das gleichzeitig erfolgende Nitrieren des Kaltbands bei einer Temperatur von 800 - 1050 °C unter einer Glühatmosphäre, die aus 0,1 - 10 Vol.-% NH3, 30 - 75 Vol.-% H2 und 30 - 75 Vol.-% N2 besteht und deren Taupunkt 5 - 75 °C beträgt, über eine Dauer von 60 - 300 s durchgeführt wird.

[0032] Nachfolgend wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert.

[0033] Es wurden zwei Stahlschmelzen S1,S2 erschmolzen, die nach der sekundärmetallurgischen Behandlung in einem Pfannenofen und einer Vakuumanlage die in Tabelle 1 angegebenen Zusammensetzungen aufwiesen.
Tabelle 1, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen
  Si [%] C [ppm] Al [ppm] N [ppm] Mn [ppm] S [ppm] Cu [ppm] Sn [ppm] Cr [ppm]
S1 3,10 350 260 70 1200 70 2000 580 1000
S2 3,32 500 320 100 1500 100 1800 720 800


[0034] Die so zusammengesetzten und behandelten Schmelzen S1,S2 sind jeweils kontinuierlich zu einem 63 mm dicken Strang abgegossen worden.

[0035] Von dem Strang sind anschließend Dünnbrammen abgetrennt worden, die einer Ausgleichsglühung in einem Ausgleichsofen bei Temperaturen von 1120 °C bis 1190 °C für eine Dauer von 10 - 90 min zugeführt worden sind, wobei die mittlere Verweilzeit typischerweise 20 - 35 Minuten betrug.

[0036] Nach dem Ausgleichsglühen sind die Dünnbrammen entzundert und in sieben Warmwalzschritten in einer Fertigwarmwalzstraße auf eine Enddicke von 2,3 mm warmgewalzt worden.

Beispiel 1



[0037] Die aus der Schmelze S2 erzeugten Warmbänder sind bei einer Temperatur von 630 °C zu einem Coil gewickelt worden und anschließend einer zweistufig absolvierten Warmbandglühung unterzogen worden. Die Glühtemperatur in der ersten Stufe der Warmbandglühung betrug 1100 °C bei einer Glühdauer von 90 s und die Glühtemperatur in der zweiten Stufe betrug 900 °C bei einer Glühdauer von 200 s. Alternativ wäre auch eine einstufige Warmbandglühung bei 1050 °C über eine Dauer von 350 s möglich gewesen.

[0038] Nach der Warmbandglühung ist das Warmband einstufig zu einem Kaltband mit einer Enddicke von 0,285 mm kaltgewalzt worden.

[0039] Anschließend sind von dem Kaltband abgeteilte Bleche für die Dauer von 150 s bei 870 °C in einem feuchten Wasserstoff/Stickstoff-Gemisch (pH20/pH2=0,50) geglüht worden. Im Anschluss erfolgte bei 900 °C für 30 Sekunden eine Glühung unter einer feuchten Ammoniak-Wasserstoff-Stickstoff-Atmosphäre (Trägergas N2/H2 50:50 mit 5 % NH3 und Partialdruck pH2O/pH2 = 0,1), so dass die jeweilige Blechprobe zum einen restentkohlt und zum anderen nitriert wurde.

[0040] Im Anschluss an die kombinierte Entkohlungs- und Nitrierbehandlung sind die Blechproben einer Nachoxidationsglühung (aufgrund des durch diese Glühung erzielten Effekts auch "Passivierungsglühung" genannt) bei TNO = 860 °C unter einer ebenfalls feuchten Wasserstoff/Stickstoff-Glühatmosphäre unterzogen worden. Das Partialdruckverhältnis der Glühatmosphäre pH2O/pH2 variiert dabei im Bereich von 0,006 - 0,44.

[0041] Die in Abhängigkeit vom Partialdruckverhältnis pH2O/pH2 erhaltenen Oxidationsgradänderungen O-Oinitial sind in Figur 3 dargestellt. Oinitial bezeichnet dabei den Sauerstoffgehalt der Bleche ohne Nachoxidationsglühung. Wie zu erkennen ist, wirkt sich die Nachoxidationsglühung erst dann positiv auf den Sauerstoffgehalt aus, wenn das Partialdruckverhältnis pH2O/pH2 größer als 0,16 ist.

[0042] Fig. 4a zeigt exemplarisch eine Schnittabbildung der Oxidschicht vor der Nachoxidationsbehandlung, während Fig. 4b eine Schnittabbildung der Oxidschicht nach der Nachoxidationsbehandlung bei pH2O/pH2=0,44 zeigt, jeweils in 10000-facher Vergrößerung. Die Oxidschicht wird durch die Nachoxidationsglühung kompakter und dringt in den Bereich der nitridischen Ausscheidungen vor.

[0043] Die Bleche sind im Anschluss mit Magnesiumoxid beschichtet und unter einer Atmosphäre, die zu 75 % aus Wasserstoff und zu 25 % aus Stickstoff bestand, schlussgeglüht. Die Ummagnetisierungsverluste als Funktion des Partialdruckverhältnisses pH2O/pH2 sind in Figur 5 gezeigt.

Beispiel 2



[0044] Die aus den Schmelzen S1 und S2 jeweils erzeugten 2,3 mm dicken Warmbänder sind nach dem Warmwalzen einer zweistufigen Warmbandglühung unterzogen worden. Die Temperatur der Warmbandglühung in der ersten Stufe betrug auch in diesem Fall bei einer Glühdauer von 90 s auch hier 1100 °C, wogegen die Glühtemperatur in der 200 s dauernden zweiten Stufe der Warmbandglühung bei 900 °C lag. Auch hier wäre alternativ eine einstufige Warmbandglühung bei 1050 °C über eine Dauer von 350 s möglich gewesen.

[0045] Nach der Warmbandglühung sind die Warmbänder einstufig zu einem Kaltband kaltgewalzt worden. Die Enddicke des Kaltbands betrug 0,175 mm.

[0046] Anschließend sind aus dem Kaltband gewonnene Blechproben für die Dauer von 150 s bei einer Temperatur von 850 °C in einem feuchten Wasserstoff/Stickstoff-Gemisch (pH2O/pH2=0,50) geglüht worden.

[0047] Dann erfolgte bei 900 °C für 30 Sekunden eine Glühung in einem feuchten Ammoniak/ Wasserstoff/ Stickstoff-Gemisch, wodurch die Proben zum einen restentkohlt und zum anderen nitriert wurden.

[0048] Einige der Blechproben sind im Anschluss einer Nachoxidationsglühung bei TNO = 770 °C in einer feuchten Wasserstoff/Stickstoff-Atmosphäre unterzogen worden. Dabei wurde für die Nachoxidation ein Partialdruckverhältnis von pH2O/PH2=0.238 gewählt.

[0049] Die Blechproben sind im Anschluss mit Magnesiumoxid beschichtet und unter einer Atmosphäre, die zur Hälfte aus Wasserstoff und zur anderen Hälfte aus Stickstoff bestand, schlussgeglüht worden. Die für die so erhaltenen Blechproben ermittelten typischen Polarisationen J800 und die bei 50 Hz ebenfalls ermittelten Ummagnetisierungsverluste P1.7,50 sind in Tabelle 2 angegeben. Es zeigt sich hier eine deutliche Überlegenheit der erfindungsgemäß erzeugten Proben.
Tabelle 2
  Proben ohne Nachoxidationsglühung Proben mit Nachoxidationsglühung
Schmelze J800 (T) P1.7,50 (Wkg-1) J800 (T) P1.7,50 (Wkg-1)
S1 1,853 0,973 1,889 0,863
S2 1,861 0,962 1,903 0,841



Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung von kornorientiertem Elektroband auf Basis von Dünnbrammen-Strangguss, umfassend folgende Arbeitsschritte:

a) Erschmelzen eines Stahls, der neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen (in Masse-%)

Si: 2,5 - 4,0 %,

C: 0,01 - 0,10 %,

jeweils optional

- bis zu 0,50 % Mn,

- 0,003 - 0,04 % S,

- 0,003 - 0,04 % Se,

- bis zu 0,07 % Al,

- bis zu 0,015 % N,

- bis zu 0,05 % Ti,

- bis zu 0,3 % P,

- eines oder mehrere Elemente aus der Gruppe As, Sn, Sb, Te, Bi mit Gehalten von jeweils bis zu 0,2 %,

- eines oder mehrere Elemente aus der Gruppe Cu, Ni, Cr, Co, Mo mit Gehalten von jeweils bis zu 0,5 %,

- eines oder mehrere Elemente aus der Gruppe B, V, Nb mit Gehalten von jeweils bis zu 0,012 %,

enthält,

b) kontinuierliches Abgießen der Schmelze zu einem Strang,

c) Abteilen von Dünnbrammen von dem gegossenen Strang,

d) Glühen der Dünnbrammen in einem in Linie stehenden Ofen bei einer Dünnbrammentemperatur von 1050 - 1300 °C,

e) kontinuierliches Warmwalzen der Dünnbrammen in einer in Linie stehenden mehrgerüstigen Warmwalzstraße zu einem Warmband mit einer Dicke von 0,5 - 4,0 mm,

f) Abkühlen des Warmbands,

g) Haspeln des Warmbands zu einem Coil,

h) optional: Glühen des Warmbands nach dem Haspeln bzw. vor dem Kaltwalzen,

i) Kaltwalzen des Warmbandes zu einem Kaltband mit einer Enddicke von 0,15 mm bis 0,50 mm,

j) rekristallisierendes und entkohlendes Glühen des Kaltbands,

k) während oder nach dem entkohlenden Glühen erfolgendes Nitrieren des Kaltbands unter einer ammoniakhaltigen Atmosphäre bei einer 850 - 1050 °C betragenden Nitriertemperatur,

l) Auftrag eines Glühseparators auf die Bandoberfläche,

m) Schlussglühen des rekristallisierend und entkohlend geglühten Kaltbands zur Ausprägung einer Gosstextur,

n) optional: Beschichten des schlussgeglühten Kaltbands mit einer elektrischen Isolierung und anschließendes Spannungsfreiglühen des beschichteten Kaltbands,

o) optional: Domainenverfeinerung des beschichteten Kaltbandes
dadurch gekennzeichnet, dass das Kaltband nach dem Nitrieren (Arbeitsschritt k) und vor dem Auftrag des Glühseparators (Arbeitsschritt l) eine Nachoxidationsglühung bei einer Glühdauer von 15 - 180 s und einer Nachoxidationsglühtemperatur TNO von 750 - 900 °C unter einer wasserstoffhaltigen Glühatmosphäre durchläuft, deren Partialdruckverhältnis pH2O/pH2 aufgetragen über die jeweilige Temperatur TNO innerhalb einer Fläche liegt, die durch die Eckpunkte P1 (TNO = 750 °C; pH2O/pH2 = 0,1), P2 (TNO = 900 °C; pH2O/pH2 = 0,2), P3 (TNO = 750 °C; pH2O/pH2 = 0,42) und P4 (TNO = 900 °C; pH2O/pH2= 0,52) bestimmt ist.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Temperatur des Warmbands beim Haspeln 520 - 720 °C beträgt.
 
3. Verfahren nach einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das rekristallisierende und entkohlende Glühen (Arbeitsschritt j) gleichzeitig mit der Nitrierbehandlung (k) durchgeführt wird.
 
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass das rekristallisierende und entkohlende Glühen und das gleichzeitig erfolgende Nitrieren des Kaltbands bei einer Temperatur von 800 - 1050 °C unter einer Glühatmosphäre, die aus 1 - 10 Vol.-% NH3, 30 - 75 Vol.-% H2 und 30 - 75 Vol.-% N2 besteht und deren Taupunkt 5 - 75 °C beträgt, über eine Dauer von 60 - 300 s durchgeführt wird.
 




Zeichnung













Recherchenbericht












Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente




In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur