[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft in einer
Luftzerlegungsanlage sowie eine entsprechende Luftzerlegungsanlage gemäß den Oberbegriffen
der unabhängigen Patentansprüche.
Stand der Technik
[0002] Die Herstellung von Luftprodukten in flüssigem oder gasförmigem Zustand durch Tieftemperaturzerlegung
von Luft in Luftzerlegungsanlagen ist bekannt und in der Fachliteratur, beispielsweise
bei
H.-W. Häring (Hrsg.), Industrial Gases Processing, Wiley-VCH 2006, insbesondere Abschnitt 2.2.5, "Cryogenic Rectification", beschrieben. Luftzerlegungsanlagen
weisen Destillationssäulensysteme auf, die beispielsweise als Zweisäulensysteme, insbesondere
als klassische Linde-Doppelsäulensysteme, aber auch als Drei- oder Mehrsäulensysteme
ausgebildet sein können. Neben den Destillationssäulen zur Gewinnung von Stickstoff
und/oder Sauerstoff in flüssigem und/oder gasförmigem Zustand (beispielsweise flüssigem
Sauerstoff, LOX, gasförmigem Sauerstoff, GOX, flüssigem Stickstoff, LIN und/oder gasförmigem
Stickstoff, GAN), also den Destillationssäulen zur Stickstoff-Sauerstoff-Trennung,
können Destillationssäulen zur Gewinnung weiterer Luftkomponenten, insbesondere der
Edelgase Krypton, Xenon und/oder Argon, vorgesehen sein.
[0003] Die Destillationssäulensysteme werden bei unterschiedlichen Betriebsdrücken in ihren
jeweiligen Destillationssäulen betrieben. Bekannte Doppelsäulensysteme weisen beispielsweise
eine sogenannte Hochdrucksäule (bisweilen auch lediglich als Drucksäule bezeichnet)
und eine sogenannte Niederdrucksäule auf. Der Betriebsdruck der Hochdrucksäule beträgt
beispielsweise 4,3 bis 6,9 bar, vorzugsweise etwa 5,0 bar. Die Niederdrucksäule wird
bei einem Betriebsdruck von beispielsweise 1,3 bis 1,7 bar, vorzugsweise etwa 1,5
bar, betrieben. Bei den hier und im Folgenden angegebenen Drücken handelt es sich
um Absolutdrücke.
[0004] Bei der Luftzerlegung können sogenannte High-Air-Pressure-Verfahren (HAP-Verfahren)
eingesetzt werden. Bei einem HAP-Verfahren wird die gesamte, der Luftzerlegungsanlage
zugeführte bzw. die in einem entsprechenden Verfahren insgesamt eingesetzte Luft (als
Einsatzluft bezeichnet) in einem Hauptluftverdichter auf einen Druck verdichtet, der
deutlich über dem höchsten Betriebsdruck des Destillationssäulensystems, typischerweise
also deutlich über dem Betriebsdruck der Hochdrucksäule, liegt. Der Druckunterschied
beträgt mindestens 2 oder 4 bar und vorzugsweise zwischen 6 und 16 bar. Beispielsweise
ist der Druck mindestens doppelt so hoch wie der Betriebsdruck der Hochdrucksäule.
HAP-Verfahren sind z.B. aus der
EP 2 466 236 A1, der
EP 2 458 311 A1 und der
US 5 329 776 A bekannt.
[0005] Bei HAP-Verfahren lassen sich aufgrund der stärkeren Verdichtung die zur Luftreinigung
erforderlichen Behälter- und Leitungsdimensionen verringern. Ferner sinkt der absolute
Wassergehalt der verdichteten Luft. Je nach den vorliegenden Randbedingungen kann
auf eine Kälteanlage zur Luftreinigung verzichtet werden.
[0006] In HAP-Verfahren kann die im Hauplufttverdichter verdichtete Luftmenge ferner von
der Prozessluftmenge entkoppelt werden. In einem derartigen Fall wird nur ein Teil
der auf den genannten Druck verdichteten Einsatzluft als sogenannte Prozessluft genutzt,
also für die eigentliche Rektifikation verwendet und in die Hochdrucksäule eingespeist.
Ein weiterer Teil wird zur Gewinnung von Kälte entspannt, wobei die Kältemenge unabhängig
von der Prozessluft eingestellt werden kann. Eine derartige Entkopplung ist jedoch
nicht in allen HAP-Verfahren vorgesehen.
[0007] Ferner sind Verfahren bekannt, bei denen die Einsatzluft in dem Hauptluftverdichter
nur auf den höchsten Betriebsdruck des Destillationssäulensystems, typischerweise
also nur den Betriebsdruck der Hochdrucksäule oder geringfügig darüber, verdichtet
wird. Ein Teil der Einsatzluft kann daher nach Abkühlung ohne weitere Entspannung
in das Destillationssäulensystem eingespeist werden. Nur bestimmte Anteile, die beispielsweise
zur zusätzlichen Kälteproduktion oder auch zur Erwärmung flüssiger Ströme (siehe sogleich)
benötigt werden, werden in einem oder mehreren Nachverdichtern weiter verdichtet.
Derartige Verfahren mit Haupt- und Nachverdichter(n) werden auch als MAC/BAC-Verfahren
(engl. Main Air Compressor/Booster Air Compressor) bezeichnet. In einem MAC/BAC-Verfahren
wird also nicht die gesamte Einsatzluft, sondern nur ein Teil auf einen Druck deutlich
über dem höchsten Betriebsdruck des Destillationssäulensystems verdichtet.
[0008] Bei der Luftzerlegung kann die sogenannte Innenverdichtung zum Einsatz kommen. Bei
der Innenverdichtung wird dem Destillationssäulensystem ein flüssiger Strom entnommen
und zumindest zum Teil flüssig auf Druck gebracht. Der flüssig auf Druck gebrachte
Strom wird in einem Hauptwärmetauscher der Luftzerlegungsanlage gegen einen Wärmeträger
erwärmt und verdampft oder, beim Vorliegen entsprechender Drücke, vom flüssigen in
den überkritischen Zustand überführt. Bei dem flüssigen Strom kann es sich insbesondere
um flüssigen Sauerstoff, jedoch auch um Stickstoff oder Argon handeln. Die Innenverdichtung
wird damit zur Gewinnung entsprechender gasförmiger Druckprodukte eingesetzt. Der
Vorteil an Innenverdichtungsverfahren ist unter anderem, dass entsprechende Fluide
nicht außerhalb der Luftzerlegungsanlage in gasförmigem Zustand verdichtet werden
müssen, was sich häufig als sehr aufwendig erweist und/oder beträchtliche Sicherheitsmaßnahmen
erfordert. Auch die Innenverdichtung ist in der eingangs zitierten Fachliteratur beschrieben.
[0009] Nachfolgend wird für die Überführung aus dem flüssigen in den überkritischen oder
gasförmigen Zustand der Sammelbegriff "Entflüssigung" verwendet. Die Überführung aus
dem überkritischen oder gasförmigen in den flüssigen Zustand, deren Produkt eine eindeutig
definierte Flüssigkeit ist, wird als "Verflüssigung" bezeichnet.
[0010] Gegen den zu entflüssigenden Strom wird ein Wärmeträger verflüssigt. Der Wärmeträger
wird dabei üblicherweise durch einen Teil der der Luftzerlegungsanlage zugeführten
Luft gebildet. Um den flüssig auf Druck gebrachten Strom effizient erwärmen und entflüssigen
zu können, muss dieser Wärmeträger aufgrund thermodynamischer Gegebenheiten einen
höheren Druck als der flüssig auf Druck gebrachte Strom aufweisen. Daher muss ein
entsprechend hoch verdichteter Strom bereitgestellt werden. Dieser wird auch als "Drosselstrom"
bezeichnet, weil er herkömmlicherweise mittels eines Entspannungsventils ("Drossel")
entspannt, hierdurch zumindest zum Teil entflüssigt und in das verwendete Destillationssäulensystem
eingespeist wird.
[0011] Die Herstellung von innenverdichtetem, gasförmigem Sauerstoff mittels HAP-Verfahren
ist insbesondere aufgrund des Wegfalls eines Nachverdichters zur Bereitstellung eines
entsprechend hoch verdichteten Stroms vergleichsweise kostengünstig und in unterschiedlichen
Ausgestaltungen realisierbar. In bestimmten Fällen können sich jedoch MAC/BAC-Verfahren
als energetisch günstiger erweisen, was insbesondere auf den Einsatz einer Turbine
(statt des herkömmlichen Entspannungsventils) zurückzuführen ist, der der Drosselstrom
im flüssigen Zustand bei überkritischem Druck zugeführt und in weiterhin flüssigem
Zustand bei unterkritischem Druck entnommen wird. Eine derartige Turbine wird im Rahmen
dieser Anmeldung als Dichtfluidexpander bezeichnet (engl. Dense Liquid Expander bzw.
Dense Fluid Expander, DLE). Die energetischen Vorteile eines derartigen Dichtfluidexpanders
sind ebenfalls in der eingangs zitierten Fachliteratur, beispielsweise Abschnitt 2.2.5.6,
"Apparatus", Seite 48 und 49, beschrieben.
[0012] Ziel der vorliegenden Erfindung ist es, die mit den HAP-Verfahren verbundenen niedrigen
Investitionskosten mit den Effizienzvorteilen von herkömmlichen MAC/BAC-Verfahren
zu kombinieren.
Offenbarung der Erfindung
[0013] Vor diesem Hintergrund schlägt die vorliegende Erfindung ein Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung
von Einsatzluft in einer Luftzerlegungsanlage sowie eine entsprechende Luftzerlegungsanlage
mit den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche vor. Bevorzugte Ausgestaltungen
sind jeweils Gegenstand der abhängigen Patentansprüche sowie der nachfolgenden Beschreibung.
[0014] Vor der Erläuterung der Merkmale und Vorteile der vorliegenden Erfindung werden deren
Grundlagen und die verwendeten Begriffe erläutert.
[0015] Eine "Entspannungsturbine" bzw. "Entspannungsmaschine", die über eine gemeinsame
Welle mit weiteren Entspannungsturbinen oder Energiewandlern wie Ölbremsen, Generatoren
oder Verdichtern gekoppelt sein kann, ist zur Entspannung eines gasförmigen oder zumindest
teilweise flüssigen Stroms eingerichtet. Insbesondere können Entspannungsturbinen
zum Einsatz in der vorliegenden Erfindung als Turboexpander ausgebildet sein. Wird
ein Verdichter mit einer oder mehreren Entspannungsturbinen angetrieben, jedoch ohne
extern, beispielsweise mittels eines Elektromotors, zugeführte Energie, wird der Begriff
"turbinengetriebener Verdichter" oder alternativ "Turbinenbooster" verwendet.
[0016] Ein "Verdichter" ist eine Vorrichtung, die zum Verdichten wenigstens eines gasförmigen
Stroms von wenigstens einem Eingangsdruck, bei dem dieser dem Verdichter zugeführt
wird, auf wenigstens einen Enddruck, bei dem dieser dem Verdichter entnommen wird,
eingerichtet ist. Ein Verdichter bildet eine bauliche Einheit, die jedoch mehrere
"Verdichterstufen" in Form von Kolben-, Schrauben- und/oder Schaufelrad- bzw. Turbinenanordnungen
(also Axial- oder Radialverdichterstufen) aufweisen kann. Dies gilt auch insbesondere
für den "Haupt(luft)verdichter" einer Luftzerlegungsanlage, der sich dadurch auszeichnet,
dass durch diesen die gesamte oder der überwiegende Anteil der in die Luftzerlegungsanlage
eingespeisten Luftmenge, also der gesamte Einsatzluftstrom, verdichtet wird. Ein "Nachverdichter",
in dem in MAC/BAC-Verfahren ein Teil der im Hauptluftverdichter verdichteten Luftmenge
auf einen nochmals höheren Druck gebracht wird, ist häufig ebenfalls mehrstufig ausgebildet.
Insbesondere werden entsprechende Verdichterstufen mittels eines gemeinsamen Antriebs,
beispielsweise über eine gemeinsame Welle, angetrieben.
[0017] Herkömmlicherweise kommen in MAC/BAC-Verfahren Nachverdichter zum Einsatz, die mittels
extern zugeführter Energie angetrieben werden, in HAP-Verfahren finden sich derartige
Nachverdichter nicht. Turbinenbooster sind jedoch typischerweise in beiden Fällen
vorhanden, insbesondere um bei der Entspannung zur Kälteproduktion freiwerdende Wellenleistung
sinnvoll nutzen zu können.
[0018] Ein "Wärmetauscher" dient zur indirekten Übertragung von Wärme zwischen zumindest
zwei z.B. im Gegenstrom zueinander geführten Strömen, beispielsweise einem warmen
Druckluftstrom und einem oder mehreren kalten Strömen oder einem tiefkalten flüssigen
Luftprodukt und einem oder mehreren warmen Strömen. Ein Wärmetauscher kann aus einem
einzelnen oder mehreren parallel und/oder seriell verbundenen Wärmetauscherabschnitten
gebildet sein, z.B. aus einem oder mehreren Plattenwärmetauscherblöcken. Ein Wärmetauscher,
beispielsweise auch der in einer Luftzerlegungsanlage eingesetzte "Hauptwärmetauscher",
der sich dadurch auszeichnet, dass durch ihn der Hauptanteil der abzukühlenden bzw.
zu erwärmenden Ströme abgekühlt bzw. erwärmt wird, weist "Passagen" auf, die als voneinander
getrennte Fluidkanäle mit Wärmeaustauschflächen ausgebildet sind.
[0019] Die vorliegende Anmeldung verwendet zur Charakterisierung von Drücken und Temperaturen
die Begriffe "Druckniveau" und "Temperaturniveau", wodurch zum Ausdruck gebracht werden
soll, dass entsprechende Drücke und Temperaturen in einer entsprechenden Anlage nicht
in Form exakter Druck- bzw. Temperaturwerte verwendet werden müssen, um das erfinderische
Konzept zu verwirklichen. Jedoch bewegen sich derartige Drücke und Temperaturen typischerweise
in bestimmten Bereichen, die beispielsweise ± 1%, 5%, 10%, 20% oder sogar 50% um einen
Mittelwert liegen. Entsprechende Druckniveaus und Temperaturniveaus können dabei in
disjunkten Bereichen liegen oder in Bereichen, die einander überlappen. Insbesondere
schließen beispielsweise Druckniveaus unvermeidliche oder zu erwartende Druckverluste,
beispielsweise aufgrund von Abkühlungseffekten, ein. Entsprechendes gilt für Temperaturniveaus.
Vorteile der Erfindung
[0020] Das erfindungsgemäße Verfahren verwendet eine Luftzerlegungsanlage mit einem Hauptluftverdichter,
einem Hauptwärmetauscher und einem Destillationssäulensystem mit einer auf einem ersten
Druckniveau betriebenen Niederdrucksäule und einer auf einem zweiten Druckniveau betriebenen
Hochdrucksäule. Die genannten und weitere verwendete Druckniveaus sind unten im Detail
angegeben.
[0021] In dem erfindungsgemäßen Verfahren wird ein Einsatzluftstrom, der die gesamte, der
Luftzerlegungsanlage zugeführte Einsatzluft umfasst, in dem Hauptluftverdichter auf
ein drittes Druckniveau verdichtet, welches mindestens 2 bar, insbesondere mindestens
4 bar, oberhalb des zweiten Druckniveaus liegt. Das dritte Druckniveau kann beispielsweise
auch das Doppelte des zweiten Druckniveaus betragen. Es wird also ein HAP-Verfahren
durchgeführt.
[0022] Von dem verdichteten Einsatzluftstrom wird ein erster Anteil mindestens einmal in
dem Hauptwärmetauscher abgekühlt und in einer ersten Entspannungsturbine ausgehend
von dem dritten Druckniveau entspannt. Unter "mindestens einmal abgekühlt" wird hier
und im Folgenden verstanden, dass ein entsprechender Strom vor und/oder nach der Entspannung
mindestens einmal zumindest durch einen Abschnitt des Hauptwärmetauschers geführt
wird.
[0023] Ein zweiter Anteil wird ähnlich behandelt, d.h. ebenfalls mindestens einmal in dem
Hauptwärmetauscher abgekühlt und in einer zweiten Entspannungsturbine ausgehend von
dem dritten Druckniveau entspannt. Bei dem zweiten Anteil handelt es sich um den sogenannten
Turbinenstrom, seine Entspannung erfolgt, um in einer entsprechenden Anlage zusätzliche
Kälte bereitstellen und diese regeln zu können.
[0024] Ein dritter Anteil wird auf ein viertes Druckniveau weiter verdichtet und dann ebenfalls
mindestens einmal in dem Hauptwärmetauscher abgekühlt und ausgehend von dem vierten
Druckniveau entspannt. Bei dem dritten Anteil handelt es sich um den sogenannten Drosselstrom,
der, wie zuvor erläutert, insbesondere die Innenverdichtung ermöglicht.
[0025] Luft des ersten Anteils und/oder des zweiten Anteils und/oder des dritten Anteils
wird anschließend auf dem ersten und/oder auf dem zweiten Druckniveau in das Destillationssäulensystem
eingespeist. Typischerweise wird dabei die gesamte Luft des ersten Anteils auf dem
zweiten Druckniveau in die Hochdrucksäule eingespeist. Die gesamte oder ein Teil der
Luft des zweiten Anteils kann auf dem ersten Druckniveau in die Niederdrucksäule und/oder
auf dem zweiten Druckniveau in die Hochdrucksäule eingespeist werden. Entsprechendes
gilt für den dritten Anteil.
[0026] Die vorliegende Erfindung beruht auf der Erkenntnis, dass eine Kombination eines
HAP-Verfahrens verbunden mit der energetischen Effizienz eines MAC/BAC-Verfahrens
sowohl hinsichtlich der Erstellungs- als auch hinsichtlich der Betriebskosten einer
Luftzerlegungsanlage besonders vorteilhaft ist. Wie erläutert, ist insbesondere der
Einsatz eines Dichtfluidexpanders aus energetischer Sicht (also hinsichtlich der Betriebskosten)
besonders günstig, wohingegen der Einsatz eines HAP-Verfahrens geringe Erstellungskosten
ermöglicht. Der Einsatz eines Dichtfluidexpanders ist jedoch in herkömmlichen HAP-Verfahren
nicht vorteilhaft, weil die durch einen Dichtfluidexpander erzielbare Energieeinsparung
an die an dem Dichtfluidexpander auftretende Druckdifferenz gekoppelt ist. Bei geringeren
Eintrittsdrücken und damit geringeren Druckdifferenzen ist der Einsatz insgesamt weniger
lohnend. Auch die durch die erhöhten Drücke eines MAC/BAC-Verfahrens verbesserten
Q,T-Profile lassen sich herkömmlicherweise mittels eines HAP-Verfahrens nicht erreichen.
[0027] Bei HAP-Verfahren ist der Enddruck des Hauptluftverdichters (hier also das "dritte
Druckniveau") sowohl von den Innenverdichtungsdrücken, also den Drücken der mittels
Innenverdichtung bereitzustellenden gasförmigen Luftprodukte, als auch von der Menge
der zu gewinnenden flüssigen Luftprodukte abhängig. Erstere Abhängigkeit ergibt sich
aus der im Wesentlichen durch den Druck eingestellten Verdampfungskapazität eines
entsprechenden Stroms, letztere aus der durch die Entnahme der flüssigen Luftprodukte
"entzogenen" Kältemenge, die durch Entspannung eines weiteren Stroms ausgeglichen
werden muss.
[0028] Da die Luftmenge des Einsatzluftstroms, also die Luftmenge der gesamten, durch den
Hauptluftverdichter verdichteten Einsatzluft, durch die Menge der erzeugten Luftprodukte
festgelegt ist, kann der Anlage aber nur über eine Variation des Enddrucks des Hauptluftverdichters
mehr oder weniger Exergie zugeführt werden. Aufgrund technisch-ökonomischer Grenzen
(eingesetzte Rohrklassen) ist dieser typischerweise auf ca. 23 bar limitiert.
[0029] Unter diesen Randbedingungen kann in herkömmlichen HAP-Verfahren kein ausreichender
Druck zur Verfügung gestellt werden, der den Einsatz einer Flüssigturbine vorteilhaft
erscheinen lässt. Wie erwähnt, ist der Einsatz einer Flüssigturbine nur dann technisch
vorteilhaft, wenn hierüber eine ausreichende Druckdifferenz erzielt werden kann.
[0030] Die vorliegende Erfindung schlägt daher vor, den dritten Anteil nacheinander in einem
Nachverdichter, einem ersten Turbinenbooster und einem zweiten Turbinenbooster auf
das vierte Druckniveau weiter zu verdichten. Es werden also statt den üblichen maximal
zwei Verdichtungsschritten, die typischerweise durch zwei Turbinenbooster realisiert
sind, zumindest drei Verdichtungsschritte eingesetzt, von denen zwei durch jeweils
einen Turbinenbooster und einer durch einen Nachverdichter realisiert werden. Hierdurch
kann ein deutlich höheres viertes Druckniveau erzielt werden.
[0031] Wie erwähnt, kommen herkömmlicherweise zwar in MAC/BAC-Verfahren, jedoch nicht in
HAP-Verfahren, Nachverdichter zum Einsatz, die mittels extern zugeführter Energie
angetrieben werden. Die vorliegende Erfindung schlägt jedoch ebendies vor. Bei dem
im Rahmen der vorliegenden Erfindung eingesetzten Nachverdichter handelt es sich um
einen mit externer Energie angetriebenen Verdichter, der also nicht oder zumindest
nicht ausschließlich durch Entspannung eines zuvor in der Luftzerlegungsanlage selbst
verdichteten Fluids angetrieben wird. Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten, einen
erfindungsgemäß bereitgestellten Nachverdichter mit externer Energie anzutreiben,
sei auf die Erläuterungen unten verwiesen.
[0032] Die Erfindung ermöglicht durch die genannte Verdichtung eine Bereitstellung des dritten
Anteils (Drosselstrom) auf einem deutlich erhöhten vierten Druckniveau, das den Einsatz
eines Dichtfluidexpanders energetisch sinnvoll macht. Daher ist erfindungsgemäß vorgesehen,
zum Entspannen des dritten Anteils einen entsprechenden Dichtfluidexpander zu verwenden,
dem der dritte Anteil in flüssigem Zustand und auf dem vierten (überkritischen) Druckniveau
zugeführt wird.
[0033] Der dritte Anteil (Drosselstrom) kann dem zweiten Turbinenbooster insbesondere je
nach der Menge des oder der flüssigen Luftprodukte, die in einer entsprechenden Luftzerlegungsanlage
gewonnen und dieser entnommen werden sollen, auf unterschiedlichen Temperaturniveaus
zugeführt werden.
[0034] Für eine Bereitstellung größerer Mengen eines oder mehrerer flüssiger Luftprodukte
hat es sich als besonders vorteilhaft erwiesen, den dritten Anteil dem ersten Turbinenbooster
auf einem Temperaturniveau von 0 bis 50 °C und dem zweiten Turbinenbooster auf einem
Temperaturniveau von -40 bis 50 °C zuzuführen. Der zweite Turbinenbooster ist daher
kein typischer Kaltverdichter, also kein "kalter" Turbinenbooster. Zwar wird diesem
der dritte Anteil (Drosselstrom) ggf. deutlich unterhalb der Umgebungstemperatur zugeführt,
stromab des zweiten Turbinenboosters liegt seine Temperatur jedoch oberhalb der Umgebungstemperatur.
[0035] Sollen einer entsprechenden Luftzerlegungsanlage größere Mengen von Luftprodukten
flüssig entnommen werden, sind "kalte" Turbinenbooster weniger vorteilhaft, weil die
gesamte zur Verfügung stehende Kälteleistung zur Bereitstellung dieser flüssigen Luftprodukte
verwendet wird. Ein kalter Turbinenbooster trägt aber unvermeidlich Wärme in das System
ein, da die Verdichtungswärme aus dem verdichteten Strom typischerweise nicht in einem
Nachkühler, sondern nur im Hauptwärmetauscher, verbunden mit einem entsprechendem
Wärmeeintrag, abgeführt werden kann. Ein bei höheren Eintrittstemperaturen betriebener
Turbinenbooster, bei dem der verdichtete Strom deutlich höhere Temperaturen aufweist
als beispielsweise vorhandenes Kühlwasser, ermöglicht eine effektive Wärmeabfuhr in
einem üblichen Nachkühler. Durch das Abführen der Verdichtungswärme stromab des zweiten
Turbinenboosters ist die Verdichtung in diesem weitgehend wärmeneutral, da die Verdichtungsarbeit
hier durch den Nachkühler kompensiert wird.
[0036] Insgesamt erlaubt die Verwendung eines bei den erwähnten höheren Eintrittstemperaturen
betriebenen zweiten Turbinenboosters daher eine Entnahme einer vergleichsweise großen
Menge von 3 bis 10 Mol.-% des Einsatzluftstroms in Form von flüssigen Luftprodukten,
beispielsweise flüssigem Sauerstoff (LOX), flüssigem Stickstoff (LIN) und/oder flüssigem
Argon (LAR).
[0037] Für eine Luftzerlegungsanlage, die hingegen überwiegend oder ausschließlich gasförmige
Luftprodukte bereitstellen soll (die aber auch beispielsweise mittels Innenverdichtungsverfahren
aus flüssigen Zwischenprodukten gewonnen werden können), ist es hingegen vorteilhaft,
den dritten Anteil dem ersten Turbinenbooster auf einem Temperaturniveau von 0 bis
50 °C und dem zweiten Turbinenbooster auf einem Temperaturniveau von -140 bis -20
°C zuzuführen. Der zweite Turbinenbooster ist in diesem Fall ein typischer Kaltverdichter,
also ein "kalter" Turbinenbooster. Diesem wird der dritte Anteil (Drosselstrom) unterhalb
der Umgebungstemperatur zugeführt, stromab des zweiten Turbinenboosters liegt seine
Temperatur weiterhin (deutlich) unterhalb der Umgebungstemperatur. Die Temperatur
des in dem zweiten Turbinenboosters verdichteten dritten Anteils kann direkt stromab
des zweiten Turbinenboosters beispielsweise bei -90 bis 20 °C liegen.
[0038] Ein kalter Turbinenbooster trägt Wärme in das System ein, da die Verdichtungswärme
aus dem verdichteten Strom typischerweise nicht in einem Nachkühler, der mit Kühlwasser
betrieben wird, sondern nur im Hauptwärmetauscher selbst, verbunden mit einem entsprechenden
Wärmeeintrag, abgeführt wird. Ein kalter Turbinenbooster ermöglicht durch diesen im
vorliegenden Fall gewollten Wärmeeintrag eine besonders gute Erwärmung und Entflüssigung
von Innenverdichtungsprodukten und eignet sich für Luftzerlegungsanlagen zur Erzeugung
großer Mengen entsprechender gasförmiger Druckprodukte und vergleichsweise geringer
Mengen an flüssigen Luftprodukten.
[0039] Insgesamt erlaubt die Verwendung eines bei den erwähnten niedrigen Eintrittstemperaturen
betriebenen zweiten Turbinenboosters daher eine Entnahme einer vergleichsweise geringen
Menge von bis zu 3 Mol.-% des Einsatzluftstroms in Form von flüssigen Luftprodukten,
beispielsweise flüssigem Sauerstoff (LOX), flüssigem Stickstoff (LIN) und/oder flüssigem
Argon (LAR).
Die Erfindung sieht vorteilhafterweise vor, die genannten Turbinenbooster jeweils
mit einer der Entspannungsturbinen anzutreiben, beispielsweise den ersten Turbinenbooster
mit der zweiten Entspannungsturbine und den zweiten Turbinenbooster mit der ersten
Entspannungsturbine.
[0040] Der zusätzlich zur Verdichtung des dritten Anteils (Drosselstrom) eingesetzte Nachverdichter
wird hingegen mit externer Energie angetrieben, also nicht über zugeordnete Entspannungsturbinen,
die jeweils Luftanteile des Einsatzluftstroms entspannen. Vorteilhaft kann beispielsweise
sein, den Nachverdichter mit Hochdruckfluid und/oder elektrisch und/oder zusammen
mit einer Verdichterstufe des Hauptluftverdichters anzutreiben. In letzterem Fall
sind zumindest eine Verdichterstufe des Hauptluftverdichters und zumindest eine Verdichterstufe
des Nachverdichters beispielsweise auf einer gemeinsamen Welle angeordnet. Auch ein
Einsatz mehrerer entsprechender Maßnahmen gleichzeitig kann erfolgen.
[0041] Besonders vorteilhaft ist es, den dritten Anteil vor und nach dem weiteren Verdichten
in dem zweiten Turbinenbooster in dem Hauptwärmetauscher abzukühlen. Der dritte Anteil
wird dem Hauptwärmetauscher dabei auf geeigneten Temperaturniveaus entnommen bzw.
zugeführt. Wie erläutert, kann ferner in Fällen, in denen der zweite Turbinenbooster
bei den erwähnten höheren Temperaturen betrieben wird, eine zusätzliche Nachkühlung
stromab des zweiten Turbinenboosters und vor einer erneuten Einspeisung in den Hauptwärmetauscher
vorgesehen sein. Wird dagegen der zweite Turbinenbooster bei den erwähnten geringeren
Temperaturen betrieben, ist dies, wie erläutert, nicht der Fall.
[0042] Die Abkühlung in dem Hauptwärmetauscher nach dem Nachverdichten in dem zweiten Turbinenbooster
erfolgt dabei vorteilhafterweise von einem Temperaturniveau, das sich nach der Ein-
und Austrittstemperatur des zweiten Turbinenboosters und einer möglichen Nachkühlung
richtet, also von beispielsweise 10 bis 50 °C oder -90 bis 20 °C auf ein Temperaturniveau
von -140 bis -180 °C.
[0043] Vorteilhaft kann auch sein, wenn der erste Anteil vor dem Entspannen in der ersten
Entspannungsturbine in dem Hauptwärmetauscher auf ein Temperaturniveau von 0 bis -150
°C abgekühlt wird. Vorteilhafterweise wird der erste Anteil nach dem Entspannen in
der ersten Entspannungsturbine in dem Hauptwärmetauscher auf ein Temperaturniveau
von -130 bis -180 °C abgekühlt. Mit anderen Worten wird der erste Anteil nach der
Entspannung in der ersten Entspannungsturbine also nochmals durch den Hauptwärmetauscher
geführt.
[0044] Der zweite Anteil wird vorteilhafterweise vor dem Entspannen in der zweiten Entspannungsturbine
in dem Hauptwärmetauscher auf ein Temperaturniveau von -50 bis -150 °C abgekühlt.
[0045] Im Rahmen der vorliegenden Erfindung beträgt vorteilhafterweise das erste Druckniveau
1 bis 2 bar und/oder das zweite Druckniveau 5 bis 6 bar und/oder das dritte Druckniveau
8 bis 23 bar und/oder das vierte Druckniveau 50 bis 70 bar Absolutdruck, wenn der
zweite Turbinenbooster bei den erwähnten höheren Temperaturen betrieben wird. Wird
der zweite Turbinenbooster bei den erwähnten niedrigeren Temperaturen betrieben, beträgt
vorteilhafterweise das erste Druckniveau 1 bis 2 bar und/oder das zweite Druckniveau
5 bis 6 bar und/oder das dritte Druckniveau 8 bis 23 bar und/oder das vierte Druckniveau
50 bis 70 bar Absolutdruck. Das dritte Druckniveau lässt sich dabei jeweils noch mit
üblichen HAP-Hauptluftverdichtern erreichen, das vierte, insbesondere mit Hilfe des
genannten Nachverdichters erzielte Druckniveau ermöglicht den Einsatz eines Dichtfluidexpanders.
Das vierte Druckniveau liegt dabei bei überkritischem Druck.
[0046] Das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht es insbesondere, dem Destillationssäulensystem
zumindest ein flüssiges Luftprodukt zu entnehmen, flüssig mit Druck zu beaufschlagen,
in dem Hauptwärmetauscher zu verdampfen oder in den überkritischen Zustand zu überführen
(zu "entflüssigen") und als wenigstens ein Innenverdichtungsprodukt aus der Luftzerlegungsanlage
auszuführen, also wie mehrfach erwähnt zum Einsatz mit einem Innenverdichtungsverfahren.
[0047] Das wenigstens eine Innenverdichtungsprodukt kann bei einem Druck von 6 bar bis 100
bar aus der Luftzerlegungsanlage ausgeführt werden. Das erfindungsgemäße Verfahren
eignet sich aufgrund des zusätzlichen, oben erläuterten Wärmeeintrags insbesondere
zur Bereitstellung von Innenverdichtungsprodukten bei vergleichsweise hohem Druck,
d.h. bei mindestens 30 bar, wenn der zweite Turbinenbooster bei den erwähnten geringeren
Temperaturen betrieben wird.
[0048] Zu den Merkmalen der erfindungsgemäßen Luftzerlegungsanlage sei auf den entsprechenden
Vorrichtungsanspruch verwiesen. Eine derartige Luftzerlegungsanlage weist insbesondere
sämtliche Mittel auf, die sie zur Durchführung eines zuvor erläuterten Verfahrens
befähigen. Auf die Merkmale und Vorteile, die zuvor erläutert wurden, wird daher ausdrücklich
verwiesen.
[0049] Die Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die beigefügte Zeichnung näher
erläutert, welche bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung zeigen.
[0050] Kurze Beschreibung der Zeichnung
Figur 1 zeigt eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer Ausführungsform der Erfindung
in Form eines schematischen Anlagendiagramms.
Figur 2 zeigt eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer Ausführungsform der Erfindung
in Form eines schematischen Anlagendiagramms.
Ausführliche Beschreibung der Zeichnung
[0051] In Figur 1 ist eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform
der Erfindung schematisch dargestellt und insgesamt mit 100 bezeichnet. Der Luftzerlegungsanlage
100 wird Einsatzluft (AIR) in Form eines Einsatzluftstroms a zugeführt, durch ein
Filter 1 vorgereinigt und anschließend einem Hauptluftverdichter 2 zugeführt. Der
Hauptluftverdichter 2 ist stark schematisiert veranschaulicht. Der Hauptluftverdichter
2 verfügt typischerweise über mehrere Verdichterstufen, die über eine gemeinsame Welle
mit einem oder mehreren Elektromotoren angetrieben werden können.
[0052] Stromab des Hauptluftverdichters 2 wird der in diesem verdichtete Einsatzluftstrom
a, bei dem es sich hier um die gesamte, in der Luftzerlegungsanlage 100 behandelte
Einsatzluft handelt, einer nicht dargestellten Reinigungseinrichtung 3 zugeführt und
dort beispielsweise von Restfeuchtigkeit und Kohlendioxid befreit. Es wird ein verdichteter
(und aufgereinigter) Einsatzluftstrom b erhalten, der stromab der Reinigungseinrichtung
3 auf einem Druckniveau von beispielsweise 15 bis 23 bar, im Rahmen dieser Anmeldung
als drittes Druckniveau bezeichnet, vorliegt. Das dritte Druckniveau liegt im dargestellten
Beispiel deutlich über dem Betriebsdruck einer typischen Hochdrucksäule einer Luftzerlegungsanlage,
wie eingangs erläutert. Es handelt sich damit um ein HAP-Verfahren.
[0053] Der Einsatzluftstrom b wird nacheinander in die Ströme c, d und e aufgeteilt. Der
Strom c wird im Rahmen dieser Anmeldung als erster Anteil, der Strom d als zweiter
Anteil und der Strom e als dritter Anteil des Einsatzluftstroms b bezeichnet.
[0054] Die Ströme c und d werden getrennt voneinander warmseitig einem Hauptwärmetauscher
4 der Luftzerlegungsanlage 100 zugeführt und diesem auf unterschiedlichen Zwischentemperaturniveaus
wieder entnommen. Der Strom c wird nach der Entnahme aus dem Hauptwärmetauscher 4
in einer Entspannungsturbine 5, die im Rahmen dieser Anmeldung als erste Entspannungsturbine
bezeichnet wird, auf ein Druckniveau von beispielsweise 5 bis 6 bar, das im Rahmen
dieser Anmeldung als zweites Druckniveau bezeichnet wird, entspannt, und nochmals
durch einen Abschnitt des Hauptwärmetauschers 4 geführt. Der Strom d wird nach der
Entnahme aus dem Hauptwärmetauscher 4 in einer Entspannungsturbine 6, die im Rahmen
dieser Anmeldung als zweite Entspannungsturbine bezeichnet wird, ebenfalls auf das
zweite Druckniveau entspannt.
[0055] Bei dem Strom e handelt es sich um den sogenannten Drosselstrom, der insbesondere
die Innenverdichtung ermöglicht. Der Strom e wird hierzu zunächst in einem Nachverdichter
7 und anschließend in zwei Turbinenboostern, die jeweils durch die erste Entspannungsturbine
5 und die zweite Entspannungsturbine 6 angetrieben werden (nicht gesondert bezeichnet),
nachverdichtet. Der durch die zweite Entspannungsturbine 6 angetriebene Turbinenbooster
wird hier als erster Turbinenbooster, der durch die erste Entspannungsturbine 5 angetriebene
Turbinenbooster hingegen als zweiter Turbinenbooster bezeichnet. Grundsätzlich kann
die Zuordnung der Turbinenbooster zu den Entspannungsturbinen 5, 6 auch umgekehrt
sein. Die Nachverdichtung erfolgt auf ein Druckniveau von beispielsweise 50 bis 70
bar, das im Rahmen dieser Anmeldung als viertes Druckniveau bezeichnet wird. Stromab
des Nachverdichters 7 und stromauf der Turbinenbooster liegt der Strom e auf einem
Druckniveau von beispielsweise 26 bis 36 bar vor. Der Nachverdichter 7 wird mit externer
Energie, d.h. nicht durch eine Entspannung von verdichteten Luftanteilen des Einsatzluftstroms
b, angetrieben.
[0056] Nach den Nachverdichtungsschritten in den zwei Turbinenboostern wird der Strom e
jeweils in nicht gesondert bezeichneten Nachkühlern der Turbinenbooster auf eine Temperatur
rückgekühlt, die etwa der Kühlwassertemperatur entspricht. Eine weitere Abkühlung
erfolgt wie dargestellt mittels des Hauptwärmetauschers 4 je nach Bedarf. Auf dem
vierten Druckniveau wird der Strom e also nochmals durch einen Nachkühler und danach
durch den Hauptwärmetauscher 4 geführt und anschließend in einem Dichtfluidexpander
8 entspannt. Das vierte Druckniveau liegt deutlich oberhalb des kritischen Drucks
für Stickstoff und oberhalb des kritischen Drucks für Sauerstoff.
[0057] Nach der Abkühlung in dem Hauptwärmetauscher 4 und stromauf des Dichtfluidexpanders
8 befindet sich der Strom e in flüssigem Zustand bei überkritischem Druck. Der Dichtfluidexpander
8 ist beispielsweise mit einem Generator oder einer Ölbremse gekoppelt (ohne Bezeichnung).
Nach der Entspannung liegt der Strom e hier auf dem zweiten Druckniveau vor. Er ist
weiterhin flüssig, befindet sich jedoch auf einem unterkritischen Druck.
[0058] Das Destillationssäulensystem 10 ist stark vereinfacht gezeigt. Es umfasst zumindest
eine auf einem Druckniveau von 1 bis 2 bar (hier als erstes Druckniveau bezeichnet)
betriebene Niederdrucksäule 11 und eine auf dem zweiten Druckniveau betriebene Hochdrucksäule
12 eines Doppelsäulensystems, in dem die Niederdrucksäule 11 und die Hochdrucksäule
12 über einen Hauptkondensator 13 in wärmetauschender Verbindung stehen. Auf die konkrete
Darstellung von die Niederdrucksäule 11 und die Hochdrucksäule 12 speisenden und diese
und den Hauptkondensator 13 verbindenden Leitungen, Ventilen, Pumpen, weiteren Wärmetauschern
und dergleichen wurde der Übersichtlichkeit halber verzichtet.
[0059] Die Ströme c, d und e werden im dargestellten Beispiel in die Hochdrucksäule 12 eingespeist.
Es kann jedoch auch vorgesehen sein, beispielsweise den Strom d und/oder den Strom
e nach entsprechender Entspannung in die Niederdrucksäule 11 und/oder Anteile nicht
in das Destillationssäulensystem einzuspeisen.
[0060] Dem Destillationssäulensystem 10 können im dargestellten Beispiel die Ströme f, g
und h entnommen werden. Die Luftzerlegungsanlage 100 ist zur Durchführung eines Innenverdichtungsverfahrens
eingerichtet, wie mehrfach erläutert. Im dargestellten Beispiel werden die Ströme
f und g, bei denen es sich um einen flüssigen, sauerstoffreichen Strom f und einen
flüssigen, stickstoffreichen Strom g handeln kann, daher mittels Pumpen 9 in flüssigem
Zustand druckbeaufschlagt und in dem Hauptwärmetauscher 4 verdampft oder, je nach
Druck, vom flüssigen in den überkritischen Zustand überführt. Fluid der Ströme f und
g kann der Luftzerlegungsanlage 100 als innenverdichteter Sauerstoff (GOX-IC) bzw.
innenverdichteter Stickstoff (GAN-IC) entnommen werden. Der Strom h veranschaulicht
einen oder mehrere dem Destillationssäulensystem 10 in gasförmigem Zustand auf dem
ersten Druckniveau entnommene Ströme.
[0061] In Figur 2 ist eine Luftzerlegungsanlage gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform
der Erfindung schematisch dargestellt und insgesamt mit 200 bezeichnet. Gleiche oder
vergleichbare Anlagenkomponenten und Ströme wie in der in Figur 1 gezeigten Luftzerlegungsanlage
100 sind mit identischen Bezugszeichen angegeben und werden nicht wiederholt erläutert.
[0062] Der Einsatzluftstrom b liegt auch hier stromab der Reinigungseinrichtung 3 auf einem
dritten Druckniveau vor, das jedoch hier beispielsweise 9 bis 17 bar beträgt. Das
vierte Druckniveau, auf das der Strom e (Drosselstrom) verdichtet wird, beträgt hier
beispielsweise 30 bis 80 bar. Während der Strom e auch hier nach dem Nachverdichtungsschritt
in dem ersten Turbinenbooster in einem nicht gesondert bezeichneten Nachkühler auf
eine Temperatur rückgekühlt wird, die etwa der Kühlwassertemperatur entspricht, erfolgt
eine Abkühlung stromab des zweiten Turbinenboosters nur mittels des Hauptwärmetauschers
4, nicht jedoch mittels eines Nachkühlers wie in der Luftzerlegungsanlage 100 gemäß
Figur 1. Da der zweite Turbinenbooster als "kalter" Turbinenbooster betrieben wird,
liegt der Strom e stromab dieses zweiten Turbinenboosters auf einem entsprechend tiefen
Temperaturniveau deutlich unterhalb der Umgebungstemperatur vor.
[0063] Im dargestellten Beispiel der Luftzerlegungsanlage 100 erfolgt der Antrieb des Nachverdichters
7 gemeinsam mit einer oder mehreren Verdichterstufen des Hauptluftverdichters 2 und
unter Verwendung eines Druckfluids, z.B. Druckdampf, das in einer Entspannungsturbine
(nicht gesondert bezeichnet) entspannt wird. Wie erwähnt, eignet sich eine Luftzerlegungsanlage
100 gemäß Figur 1, bei der der zweite Turbinenbooster als "warmer" Turbinenbooster
betrieben wird, besonders für die Bereitstellung größerer Mengen flüssiger Luftprodukte
(nicht dargestellt), eine Luftzerlegungsanlage 200 gemäß Figur 2 hingegen, bei der
der zweite Turbinenbooster als "kalter" Turbinenbooster betrieben wird, besonders
für die Bereitstellung von gasförmigen Innenverdichtungsprodukten auf hohem Druck.
1. Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft (AIR) in einer Luftzerlegungsanlage
(100, 200) mit einem Hauptluftverdichter (2), einem Hauptwärmetauscher (4) und einem
Destillationssäulensystem (10) mit einer auf einem ersten Druckniveau betriebenen
Niederdrucksäule (11) und einer auf einem zweiten Druckniveau betriebenen Hochdrucksäule
(12), bei dem
- ein Einsatzluftstrom (a), der die gesamte, der Luftzerlegungsanlage (100, 200) zugeführte
Einsatzluft umfasst, in dem Hauptluftverdichter (2) auf ein drittes Druckniveau verdichtet
wird, welches mindestens 2 bar oberhalb des zweiten Druckniveaus liegt, wobei von
dem verdichteten Einsatzluftstrom (b)
- ein erster Anteil (c) mindestens einmal in dem Hauptwärmetauscher (4) abgekühlt
und ausgehend von dem dritten Druckniveau in einer ersten Entspannungsturbine (5)
entspannt wird,
- ein zweiter Anteil (d) mindestens einmal in dem Hauptwärmetauscher (4) abgekühlt
und ausgehend von dem dritten Druckniveau in einer zweiten Entspannungsturbine (6)
entspannt wird, und
- ein dritter Anteil (e) weiter auf ein viertes Druckniveau verdichtet, mindestens
einmal in dem Hauptwärmetauscher (4) abgekühlt und ausgehend von dem vierten Druckniveau
entspannt wird, wobei
- Luft des ersten Anteils (c) und/oder des zweiten Anteils (d) und/oder des dritten
Anteils (e) auf dem ersten und/oder auf dem zweiten Druckniveau in das Destillationssäulensystem
(10) eingespeist wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
- der dritte Anteil (e) nacheinander in einem Nachverdichter (7), einem ersten Turbinenbooster
und einem zweiten Turbinenbooster auf das vierte Druckniveau weiter verdichtet wird,
und
- zum Entspannen des dritten Anteils (e) ein Dichtfluidexpander (8) verwendet wird,
dem der dritte Anteil (e) in flüssigem Zustand und auf dem vierten Druckniveau zugeführt
wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem der dritte Anteil (e) dem ersten Turbinenbooster
auf einem Temperaturniveau von 0 bis 50 °C und dem zweiten Turbinenbooster auf einem
Temperaturniveau von -40 bis 50 °C zugeführt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2, bei dem der Luftzerlegungsanlage (100, 200) wenigstens
ein flüssiges Luftprodukt in einem Anteil von 3 bis 10 Mol.-% des Einsatzluftstroms
(a) entnommen wird.
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, bei dem der dritte Anteil (e) nach dem Nachverdichten
in dem zweiten Turbinenbooster in einem Nachkühler ausgehend von einem Temperaturniveau
oberhalb der Umgebungstemperatur und danach in dem Hauptwärmetauscher (4) von einem
Temperaturniveau von 10 bis 50 °C auf ein Temperaturniveau von -140 bis -180 °C abgekühlt
wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, bei dem das erste Druckniveau bei 1 bis
2 bar, das zweite Druckniveau bei 5 bis 6 bar, das dritte Druckniveau bei 8 bis 23
bar und/oder das vierte Druckniveau bei 50 bis 70 bar Absolutdruck liegt.
6. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem der dritte Anteil (e) dem ersten Turbinenbooster
auf einem Temperaturniveau von 0 bis 50 °C und dem zweiten Turbinenbooster auf einem
Temperaturniveau von -140 bis -20 °C zugeführt wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6, bei dem der Luftzerlegungsanlage (100, 200) wenigstens
ein flüssiges Luftprodukt in einem Anteil von bis zu 3 Mol.-% des Einsatzluftstroms
(a) entnommen wird.
8. Verfahren nach Anspruch 6 oder 7, bei dem der dritte Anteil (e) nach dem Nachverdichten
in dem zweiten Turbinenbooster in dem Hauptwärmetauscher (4) ausgehend von einem Temperaturniveau
von -90 bis 20 °C auf ein Temperaturniveau von -140 bis -180 °C abgekühlt wird.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 8, bei dem das erste Druckniveau bei 1 bis
2 bar, das zweite Druckniveau bei 5 bis 6 bar, das dritte Druckniveau bei 9 bis 17
bar und/oder das vierte Druckniveau bei 30 bis 80 bar Absolutdruck liegt.
10. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem die Turbinenbooster jeweils
mit einer der Entspannungsturbinen (5, 6) angetrieben werden.
11. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem der Nachverdichter (7) mit
Hochdruckfluid und/oder elektrisch und/oder zusammen mit einer Verdichterstufe des
Hauptluftverdichters (2) angetrieben wird.
12. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem der erste Anteil (c) in dem
Hauptwärmetauscher (4) vor dem Entspannen auf ein Temperaturniveau von 0 bis -150
°C abgekühlt wird.
13. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem der erste Anteil (c) in dem
Hauptwärmetauscher (4) nach dem Entspannen auf ein Temperaturniveau von -150 bis -180
°C abgekühlt wird.
14. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem der zweite Anteil (d) in
dem Hauptwärmetauscher (4) vor dem Entspannen auf ein Temperaturniveau von -100 bis
-160 °C abgekühlt wird.
15. Luftzerlegungsanlage (100), die zur Tieftemperaturzerlegung von Luft (AIR) gemäß einem
Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 14 eingerichtet ist und einen Hauptluftverdichter
(2), einen Hauptwärmetauscher (4) und ein Destillationssäulensystem (10) mit einer
auf einem ersten Druckniveau betriebenen Niederdrucksäule (11) und einer auf einem
zweiten Druckniveau betriebenen Hochdrucksäule (12) aufweist, wobei die Luftzerlegungsanlage
(100) Mittel aufweist die dafür eingerichtet sind,
- einen Einsatzluftstrom (a), der die gesamte, der Luftzerlegungsanlage (100, 200)
zugeführte Einsatzluft umfasst, in dem Hauptluftverdichter (2) auf ein drittes Druckniveau
zu verdichten, welches mindestens 2 bar oberhalb des zweiten Druckniveaus liegt, und
von dem verdichteten Einsatzluftstrom (b)
- einen ersten Anteil (c) mindestens einmal in dem Hauptwärmetauscher (4) abzukühlen
und ausgehend von dem dritten Druckniveau in einer ersten Entspannungsturbine (5)
zu entspannen,
- einen zweiten Anteil (d) mindestens einmal in dem Hauptwärmetauscher (4) abzukühlen
und ausgehend von dem dritten Druckniveau in einer zweiten Entspannungsturbine (6)
zu entspannen,
- einen dritten Anteil (e) weiter auf ein viertes Druckniveau zu verdichten, mindestens
einmal in dem Hauptwärmetauscher (4) abzukühlen und ausgehend von dem vierten Druckniveau
zu entspannen, und
- Luft des ersten Anteils (c) und/oder des zweiten Anteils (d) und/oder des dritten
Anteils (e) auf dem ersten und/oder auf dem zweiten Druckniveau in das Destillatiorissäulensystem
(10) einzuspeisen,
gekennzeichnet durch Mittel, die dafür eingerichtet sind,
- den dritten Anteil (e) nacheinander in einem Nachverdichter (7), einem ersten Turbinenbooster
und einem zweiten Turbinenbooster auf das vierte Druckniveau weiter zu verdichten,
und
- den dritten Anteil (e) in einem Dichtfluidexpander (8) zu entspannen und diesem
den dritten Anteil (e) in flüssigem Zustand und auf dem vierten Druckniveau zuzuführen.