[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Kältebehandlung von metallischen Werkstücken
nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
[0002] Unter dem Begriff "Härten" eines Metalls versteht man die Erhöhung seiner mechanischen
Widerstandsfähigkeit durch gezielte Änderung und Umwandlung seines Gefüges. Ein bekanntes
Härtungsverfahren ist die Umwandlungshärtung von Stahl. Hierbei wird das Werkstück
auf eine Temperatur von über 723°C erwärmt, sodass sich das bei Raumtemperatur vorliegende
α-Eisen (Ferrit) in γ-Eisen (Austenit) umwandelt. Bei einer anschließenden raschen
Abkühlung (Abschreckung) ordnen sich die Eisenatome zu einem durch den Kohlenstoff
tetragonal verzerrten kubisch- raumzentrierten Kristallgitter an, den sog. Martensit.
Eine wichtige Rolle bei dieser Art der Härtung spielt die Abkühlgeschwindigkeit. Je
größer die Unterkühlung (Temperaturdifferenz), desto mehr Martensit bildet sich. Weiterhin
wichtig ist die chemische Zusammensetzung des Stahls. Vor allem Chrom trägt dazu bei,
dass ein Werkstück über den gesamten Querschnitt durchgehärtet werden kann. Um einen
Stahl zu härten, muss er einen Kohlenstoffgehalt von mindestens 0.3% besitzen.
Im industriellen Bereich wird zur Vermeidung von Randoxidation und Entkohlung während
der Phase des Aufheizens bis oberhalb der Temperatur der Austenitbildung häufig unter
Schutzgasatmosphäre wie Stickstoff, Edelgasen oder im Vakuum gearbeitet. Beim Einsatzhärten
wird in die oberflächennahen Bereiche eines ansonsten kohlenstoffarmen Werkstücks
vor dem Abschrecken zusätzlicher Kohlenstoff eingebracht, was zu einer harten Randschicht
führt, während der Kern zäh bleibt.
[0003] Die Härte des Werkstücks kann weiter dadurch gesteigert werden, dass im Anschluss
an die Wärmebehandlung das Werkstück auf eine Temperatur von -70°C bis -120°C oder
sogar -180°C abgekühlt und auf dieser Temperatur eine gewisse Zeit gehalten wird.
Dadurch wandelt sich im Gefüge des Werkstücks noch vorhandener Austenit ("Restaustenit")
in Martensit um. Ein Verfahren dieser Art wird beispielsweise in der
US 6 537 396 B1 beschrieben.
[0004] Verfahren, bei denen ein Werkstück mittels eines kryogenen Mediums tiefen Temperaturen
von -70°C und darunter ausgesetzt wird, wird im Folgenden "Kältebehandlung" genannt.
[0005] Aus der
US 3 819 428 B1 ist ein einer anschließenden Wärmebehandlung vorgängiges Verfahren zum Behandeln
von metallischen Werkstücken mit einem kryogenen Medium bei Temperaturen zwischen
-80°C und -180°C bekannt.
[0006] Eine Apparatur zur Durchführung einer Kältebehandlung von Werkstücken wird beispielsweise
in der
EP 124 29 29 A1 beschrieben. In dieser Druckschrift wird auch eine Kältebehandlung von metallischen
Werkstücken, insbesondere Werkstücken aus Stahl beschrieben, die bei der Behandlung
auf eine Temperatur von -180°C gebracht und anschließend für eine Dauer von bis zu
48 h auf dieser Temperatur gehalten werden.
[0007] In dem Artikel von W. Lausecker, "Wie cool ist das - Die Tieftemperaturbehandlung
von Zerspanungs-Werkzeugen", Werkzeug-Technik 126, 15. Juni 2012, wird ein Verfahren
zur Kältebehandlung von metallischen Werkstücken, vornehmlich aus Werkzeugstahl, beschrieben,
bei dem die Werkstücke sehr langsam auf eine Temperatur von -180°C abgekühlt werden.
Anschließend wird das Werkstück mehrmals auf eine Temperatur von etwa -100°C aufgewärmt
und wieder auf -180°C abgekühlt. Die Gesamtdauer für eine Behandlung beträgt ca. 15
h. Dieses Verfahren hat sich bewährt, ist jedoch fallweise noch verbesserungsfähig.
[0008] Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein alternatives Verfahren zur Kältebehandlung
von metallischen Werkstücken anzugeben.
[0009] Gelöst ist diese Aufgabe durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs
1. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung werden in den Unteransprüchen angegeben.
[0010] Ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Kältebehandlung von metallischen Werkstücken,
bei dem ein Werkstück in einer Kältekammer durch thermischen Kontakt mit einem kryogenen
Kältemittel auf eine tiefe Temperatur gebracht wird, wobei die Kältebehandlung in
drei Abschnitten erfolgt, nämlich eine Abkühlphase, während der die Temperatur des
Werkstücks auf eine untere Zieltemperatur gesenkt wird, eine Haltephase, in der das
Werkstück im wesentlichen auf der unteren Zieltemperatur gehalten wird, und eine Aufwärmphase,
in der das Werkstück auf eine obere Zieltemperatur gebracht wird, ist erfindungsgemäß
dadurch gekennzeichnet, dass während der Abkühlphase und/oder der Aufwärmphase die
Abkühlung bzw. die Aufwärmung des Werkstücks mehrfach unterbrochen wird und das Werkstück
für eine vorgegebene Zeitdauer auf einer Zwischentemperatur gehalten wird.
[0011] Wesentlich für die Erfindung ist also, das die Abkühlung und/oder die Aufwärmung
in des metallischen Werkstücks in mehreren Stufen erfolgt, in denen der Abkühl- bzw.
der Aufwärmvorgang jeweils gestoppt und die Temperatur für eine gewisse Zeitdauer
gehalten wird. Neben der Restaustenitumwandlung bei stählernen Werkstoffen, bei der
sich, wie oben skizziert, die Gitterstruktur des Werkstückwerkstoffs ändert, sorgt
das erfindungsgemäße Verfahren für eine erhöhte Formstabilität, da in der Regel der
Alterungsprozess abgeschlossen wird. Die Entzerrung der Kohlenstoffstruktur sorgt
insbesondere bei Schneidwerkzeugen für eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen Abrundungsverschleiß.
Weiterhin können mit dem erfindungsgemäßen Verfahren Wärmleitfähigkeit und Oberflächengleiteigenschaften
der Werkstoffe positiv beeinflusst werden. Auch bei anderen Werkstoffen, wie beispielsweise
Kupferlegierungen, zeigt das erfindungsgemäße Verfahren positive Effekte.
[0012] Bei der das Verfahren abschließenden oberen Zieltemperatur handelt es sich um einen
Temperaturwert, der geeignet ist, die Kondensation von Wasser aus einer insbesondere
bei Normalbedingungen (20°C) vorliegenden Umgebungsatmosphäre zu verhindern. Beispielsweise
beträgt die obere Zieltemperatur zwischen 30°C und 40°C, bevorzugt etwa 35°C. Die
Gesamtdauer der Behandlung beträgt zwischen 10 und 30 h.
[0013] Eine besonders vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, dass das Werkstück
mehrfach während der Haltephase erwärmt und anschließend wieder auf die untere Zieltemperatur
abgekühlt wird. Beispielsweise erfolgt, ausgehend von einer unteren Zieltemperatur
zwischen -170°C und -196°C, eine Erwärmung jeweils auf einen Temperaturwert zwischen
-140°C und -160°C. Das anschließende Absenken auf die untere Zieltemperatur erfolgt
dabei mit ungefähr der gleichen Abkühlgeschwindigkeit wie in der Abkühlphase, oder
mit einer erheblich höheren Abkühlgeschwindigkeit (Abschrecken) von beispielsweise
10-30K/min oder mehr.
[0014] Die Temperaturwerte, bei der die Unterbrechungen in der Abkühlphase und/oder der
Aufwärmphase erfolgen (Zwischentemperaturen), sowie die Zeitdauer der jeweiligen Unterbrechung
hängt insbesondere vom eingesetzten Material ab. Beispielsweise erfolgt bei einem
aus Stahl gefertigten Werkstück die Unterbrechung der Abkühlphase bevorzugt bei mindestens
zwei Zwischentemperaturen, ein erstes Mal, wenn das Werkstück eine Temperatur zwischen
-70°C und -90°C aufweist, ein zweites Mal bei einer Temperatur zwischen -110°C und
-130°C, wobei Unterbrechungen bei weiteren Zwischentemperaturen, die höher oder tiefer
als die genannten Temperaturen liegen, nicht ausgeschlossen sind. Während der Unterbrechungen
in der Abkühlphase können im Kristallverband des Werkstückmaterials noch mit einer
vergleichsweise hohen Diffusionsgeschwindigkeit Umlagerungsprozesse stattfinden, die
die Ausprägung positiver Werkstoffeigenschaften begünstigen und die bei fortschreitender
Abkühlung nicht oder nicht vollständig ablaufen könnten.
[0015] Eine Unterbrechung der Aufwärmphase erfolgt bei einem aus Stahl gefertigten Werkstück
bevorzugt dann, wenn das Werkstück eine Temperatur zwischen -100°C und -120°C aufweist.
Auch dabei sind weitere Unterbrechungen bei aufeinanderfolgend ansteigenden Zwischentemperaturen
des Aufwärmvorgangs vorstellbar.
[0016] Bevorzugt beträgt die untere Zieltemperatur, also die tiefste Abkühltemperatur, zwischen
-170°C und -195°C, besonders bevorzugt zwischen -180°C und -185°C. Die Temperatur,
auf die das zuvor jeweils auf die untere Zieltemperatur abgekühlte Werkstück während
der Haltephase aufgewärmt wird, beträgt bevorzugt zwischen - 140°C und -160°C.
[0017] Die Dauer der Unterbrechungen in der Abkühlphase und/oder der Aufwärmphase liegt
erfindungsgemäß bei jeweils zwischen 15 und 60 min. Die genaue Zeitdauer hängt dabei
vom Material der zu behandelnden Werkstücke, von der Gesamtmenge der Werkstücke in
der Kältekammer, deren Gewicht und der Form der Bauteile ab. Grundsätzlich gilt, dass
die Unterbrechung umso länger angesetzt werden muss, je schwerer die Werkstücke sind,
je mehr Werkstücke in der Kältekammer vorliegen und je dickwandiger die Werkstücke
sind.
[0018] Die Abkühlung des Werkstücks in der Abkühlphase und/oder das Aufwärmen des Werkstücks
in der Aufwärmphase und/oder das mehrfache Aufwärmen des Werkstücks während der Haltephase
erfolgt bevorzugt mit einer Geschwindigkeit zwischen 1K/min und 3 K/min (Unterbrechungszeiten
nicht eingerechnet). Bei dieser vergleichsweise langsamen Abkühlgeschwindigkeit wird
sichergestellt, dass es zu keinem Temperaturschock kommt und eine vollständige und
gleichmäßige Durchkühlung des Werkstücks erzielt wird.
[0019] In einer abermals vorteilhaften Ausgestaltung folgt das erfindungsgemäßer Verfahren
einer Wärmebehandlung nach, bei der das Werkstück auf eine Temperatur von mindestens
100°C aufgewärmt worden ist.
[0020] Das erfindungsgemäße Verfahren eignet sich für Werkstücke aus einem Metall oder einer
Metalllegierung. Besonders eignet sich das Verfahren für dünnwandige Werkstücke, wie
beispielsweise Sägeblätter aus Edelstahl oder Musikinstrumente aus Messing oder Neusilber;
es ist jedoch nicht hierauf beschränkt. Durch das erfindungsgemäße Verfahren wird
insbesondere die Standzeit der Sägeblätter und anderer Werkstücke deutlich erhöht,
wodurch die die Produktivität beim Endanwender als auch die Wertigkeit des Produktes
beim Hersteller verbessert wird.
Beispiel:
[0021] Ein aus Edelstahl, beispielsweise 75Cr1, gefertigtes Werkstück, beispielsweise ein
Sägeblatt, wird nach einer Umwandlungshärtung einer Kältebehandlung nach den erfindungsgemäßen
Verfahren unterzogen. Dabei wird das Werkstück in einer Kältekammer unter Zuhilfenahme
von Flüssigstickstoff mit einer Geschwindigkeit von 1,5 K/min auf eine untere Zieltemperatur
von etwa -185°C gekühlt (Abkühlphase). Die Abkühlung wird dabei zweimal bei unterschiedlichen
Temperaturen unterbrochen und das Werkstück für eine Zeitdauer von jeweils etwa 30
min auf dem jeweiligen Temperaturwert gehalten (Haltephase). Beispielsweise erfolgt
die Unterbrechung bei einer ersten Zwischentemperatur zwischen -80°C und -95°C und
bei einer weiteren Zwischentemperatur zwischen -125°C und -140°C. Nach Erreichen der
unteren Zieltemperatur wird das Werkstück für eine Zeitdauer von ca. 10h auf dieser
Temperatur gehalten, jedoch findet währenddessen mehrfach eine kurzzeitige Erhöhung
der Temperatur des Werkstücks auf ungefähr -150°C statt, um danach rasch wieder auf
die untere Zieltemperatur abgekühlt zu werden. Nach Ablauf der Haltephase wird das
Werkstück wiederum langsam, mit einer Geschwindigkeit von 1,5 K/min, auf einen Wert
von ca. 35°C (obere Zieltemperatur) aufgewärmt, wobei mindestens einmal eine Unterbrechung
des Aufwärmvorgangs für eine Zeitdauer von etwa 30min stattfindet, beispielsweise
bei einer Zwischentemperatur zwischen -80°C und -120°C.
[0022] Das erfindungsgemäß bearbeitete Werkstück besitzt gegenüber unbehandelten Werkstücken
eine deutlich verlängerte Standzeit.
1. Verfahren zur Kältebehandlung von metallischen Werkstücken, bei dem ein Werkstück
in einer Kältekammer durch thermischen Kontakt mit einem kryogenen Kältemittel auf
eine tiefe Temperatur gebracht wird, wobei die Kältebehandlung in drei Abschnitten
erfolgt, nämlich eine Abkühlphase, während der die Temperatur des Werkstücks auf eine
untere Zieltemperatur gesenkt wird, eine Haltephase, in der das Werkstück im wesentlichen
auf der Zieltemperatur gehalten wird, und eine Aufwärmphase, in der das Werkstück
auf eine obere Zieltemperatur gebracht wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass während der Abkühlphase und/oder der Aufwärmphase die Abkühlung bzw. Aufwärmung des
Werkstücks mehrfach unterbrochen und das Werkstück für eine vorgegebene Zeitdauer
auf einer Zwischentemperatur gehalten wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkstück während der Haltephase mehrfach erwärmt und anschließend wieder auf
die untere Zieltemperatur abgekühlt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die untere Zieltemperatur zwischen -170°C und -195°C, bevorzugt zwischen -180°C und
-185°C beträgt.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Temperatur, auf die das Werkstück während der Haltephase aufgewärmt wird, jeweils
einen zwischen -140°C und -160°C beträgt.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die obere Zieltemperatur zwischen 30°C und 40°C beträgt.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Dauer der Unterbrechung in der Abkühlphase und/oder der Aufwärmphase jeweils
zwischen 15min und 60 min beträgt.
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Abkühlung des Werkstücks in der Abkühlphase und/oder das Aufwärmen des Werkstücks
in der Aufwärmphase und/oder das mehrfache Aufwärmen des Werkstücks während der Haltephase
mit einer Geschwindigkeit zwischen 1 K/min und 3 K/min erfolgt.
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkstück vor der Kältebehandlung einer Wärmebehandlung unterzogen wurde, in
der es auf eine Temperatur von mindestens 100°C aufgewärmt wurde.
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Werkstücke aus dünnwandigem Metall oder einer Metalllegierung, beispielsweise
dünnwandigem Edelstahl oder Messing, gefertigt sind.