[0001] Die Erfindung betrifft eine insensitive Sprengstoffwirkmasse, umfassend einen Sprengstoff
und ein Phlegmatisierungsmittel. Eine solcher Gegenstand ist aus der
US 2012/024437 A1 bekannt.
[0002] Bekannte insensitive Sprengstoffwirkmassen enthalten entweder über 8 Gew.-% Bindemittel
und weisen dadurch eine verhältnismäßig geringe Dichte auf oder sie enthalten ein
Bindemittel mit einem Weichmacher, wie die Sprengstoffwirkmasse DXP-1340, die aus
Oktogen, Acrylatgummi und Dioctyladipat als Weichmacher besteht und die derzeit leistungsstärkste
insensitive Sprengstoffwirkmasse ist. Der Weichmacher migriert im Laufe der Zeit in
der Sprengstoffwirkmasse und aus der Sprengstoffwirkmasse heraus. Durch die Migration
des Weichmachers kann die Empfindlichkeit lokal so steigen, dass die Sprengstoffwirkmasse
ihre Insensitivität verliert. Weiterhin verändern sich durch die Migration des Weichmachers
die mechanischen Eigenschaften der Sprengstoffwirkmasse. Die Lagerfähigkeit der Sprengstoffwirkmasse
wird durch die Migration des Weichmachers begrenzt.
[0003] Weiterhin zerstört der Weichmacher bei Kontakt nahezu alle bekannten Kunststoffe
oder bringt sie zum Quellen. Daher muss eine Weichmacher enthaltende Sprengstoffwirkmasse
immer von allen Kunststoffteilen mittels einer metallischen Diffusionssperre isoliert
werden. Dies ist verhältnismäßig aufwendig. Darüber hinaus birgt eine Beschädigung
dieser Diffusionssperre oder ein fehlerhafter oder versehentlich nicht erfolgter Einbau
der Diffusionssperre ein großes Sicherheitsrisiko in sich.
[0004] Bindemittel und Weichmacher sind im Allgemeinen inerte Stoffe, die die Leistung einer
Sprengstoffwirkmasse bei deren Detonation, beispielsweise durch eine Reduktion der
Dichte, herabsetzen. Man versucht stets Sprengstoffwirkmassen mit möglichst hoher
Dichte und damit hoher Leistung herzustellen. Bisher ist es nicht gelungen, ein energetisches
Bindemittel bzw. einen energetischen Weichmacher bereitzustellen und damit eine Sprengstoffwirkmasse
insensitiv zu gestalten, ohne andere wichtige Eigenschaften oder die Energiedichte
negativ zu beeinflussen. Beispielsweise wird Glycidylazidpolymer (GAP) als Bindemittel
für Sprengstoffwirkmassen verwendet. Um die Sprengstoffwirkmassen insensitiv zu machen,
sind dazu jedoch mehr als 10% GAP und Weichmacher erforderlich. Die Glasübergangstemperatur
liegt dabei im Bereich von -30°C. Dies wird für militärische Zwecke im Allgemeinen
für unzureichend erachtet. Gewünscht wird häufig eine Glasübergangstemperatur von
-54°C oder darunter. Durch GAP als energetischem Bindemittel wird die Dichte und dadurch
die Leistung einer damit gebundenen insensitiven Sprengstoffwirkmasse soweit reduziert,
dass das GAP gegenüber einem inerten Bindemittel höherer Dichte keinen Vorteil aufweist.
Auch mit anderen energetischen Bindemitteln und/oder Weichmachern ist es bisher nicht
gelungen, eine Sprengstoffwirkmasse bereitzustellen, deren Energiedichte diejenige
von Sprengstoffwirkmassen mit einem inerten Bindemittel und Weichmacher, wie DXP-1340,
übersteigt.
[0005] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine insensitive Sprengstoffwirkmasse
bereitzustellen, die die obigen Nachteile nicht aufweist. Insbesondere soll die Sprengstoffwirkmasse
eine lange Lagerfähigkeit und gute Verträglichkeit mit vielen gebräuchlichen Kunststoffen
aufweisen. Gebräuchliche Kunststoffe sind z. B. Polyester, Polyamide, Polyolefine,
Polytetrafluorethylen (Teflon®), Polyacrylat, Polycarbonate, Nitril-Butadien-Kautschuk,
Chloropren-Kautschuk (Neopren®) und Fluorkautschuk (Viton®). Weiterhin soll die Sprengstoffwirkmasse
bei ihrer Detonation eine hohe Leistung bereitstellen können.
[0006] Die Aufgabe wird durch die Merkmale des Anspruchs 1 gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen
ergeben sich aus den Merkmalen der Ansprüche 2 bis 12.
[0007] Erfindungsgemäß ist eine insensitive Sprengstoffwirkmasse vorgesehen, die einen Sprengstoff
und ein Phlegmatisierungsmittel umfasst. Dabei umfasst das Phlegmatisierungsmittel
mindestens eine ionische Flüssigkeit, wobei die Sprengstoffwirkmasse weiterhin ein
Bindemittel umfasst, wobei das Bindemittel ein polares Polymer oder polares Makromolekül
oder ein Polymer oder Makromolekül, das in der ionischen Flüssigkeit löslich ist oder
davon gequollen werden kann, umfasst. Eine ionische Flüssigkeit (Flüssigsalz) ist
eine Flüssigkeit, die ausschließlich aus Ionen bestehen und im Gegensatz zu einer
Salzschmelze bereits bei einer Temperatur unter 100°C flüssig ist, ohne dass das Salz
dabei in einem Lösungsmittel, wie Wasser, gelöst ist. Im Allgemeinen handelt es sich
bei einer ionischen Flüssigkeit um ein organisches Salz, dessen Ionen durch Ladungsdelokalisierung
und sterische Effekte die Bildung eines stabilen Kristallgitters behindern.
[0008] Ionische Flüssigkeiten haben sich als extrem insensitiv erwiesen. Gleichzeitig weisen
sie eine verhältnismäßig hohe Dichte auf. Die ionische Flüssigkeit kann in der erfindungsgemäßen
Sprengstoffwirkmasse gleichzeitig als Phlegmatisierungsmittel und Weichmacher, jedoch
ohne übliche Nachteile der bisher bei insensitiven Sprengstoffwirkmassen verwendeten
Weichmacher, dienen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass die ionische Flüssigkeit in
der insensitiven Sprengstoffwirkmasse nicht migriert. Der bei üblichen insensitiven
Sprengstoffwirkmassen mit dem Weichmacher einhergehende Nachteil der begrenzten Lagerfähigkeit
wegen der Migration des Weichmachers entfällt bei der erfindungsgemäßen Sprengstoffwirkmasse.
[0009] Ein Bindemittel ist in der Sprengstoffwirkmasse an sich nicht unbedingt erforderlich,
da ionische Flüssigkeiten als Phlegmatisierungsmittel gleichzeitig auch den Sprengstoff
binden können. Mit einer ionischen Flüssigkeit kann eine insensitive Sprengstoffwirkmasse
mit einer höheren Leistung als bekannte Sprengstoffwirkmassen realisiert werden. Dies
liegt zum einen an der verhältnismäßig hohen Dichte der ionischen Flüssigkeit und
zum anderen daran, dass ein im Allgemeinen eine verhältnismäßig geringe Dichte aufweisendes
Bindemittel entfallen kann oder, sofern doch ein Bindemittel eingesetzt wird, beim
gleichzeitigen Vorhandensein der ionischen Flüssigkeit nur eine sehr geringe Menge
des Bindemittels benötigt wird.
[0010] Weiterhin kann es sich bei der ionischen Flüssigkeit um eine energetische Flüssigkeit
handeln. Eine energetische Flüssigkeit ist eine solche, die bei der Reaktion des Sprengstoffs
selbst Energie freisetzt.
[0011] Weiterhin hat sich gezeigt, dass sich die erfindungsgemäße Sprengstoffwirkmasse durch
die ionische Flüssigkeit verhältnismäßig gut kneten und einfach und schnell mischen
lässt. Weiterhin lässt sie sich gut pressen und die daraus resultieren Presslinge
weisen eine verhältnismäßig hohe mechanische Festigkeit auf.
[0012] Ein wesentlicher Vorteil ist, dass sich die erfindungsgemäße Sprengstoffwirkmasse
unbegrenzt mit unpolaren Kunststoffen verträgt, da ionische Flüssigkeiten diese Kunststoffe
nicht angreifen. Der bei üblichen insensitiven Sprengstoffwirkmassen mit dem Weichmacher
einhergehende Nachteil der Unverträglichkeit des Weichmachers mit den meisten Kunststoffen
entfällt durch den Einsatz der ionischen Flüssigkeit als Phlegmatisierungsmittel.
[0013] Ein weiterer Vorteil besteht in der elektrischen Leitfähigkeit der ionischen Flüssigkeit.
Durch die ionische Flüssigkeit wird die Sprengstoffwirkmasse automatisch leitfähig
und gegebenenfalls auftretende elektrische Ladungen können abfließen. Dadurch wird
das Risiko einer ungewollten Zündung der erfindungsgemäßen Sprengstoffwirkmasse durch
eine elektrostatische Entladung drastisch verringert.
[0014] Bei einem Ausführungsbeispiel ist die ionische Flüssigkeit wasserunlöslich und nicht
hygroskopisch. Dadurch wird verhindert, dass sich die Zusammensetzung und die Eigenschaften
der erfindungsgemäßen Sprengstoffwirkmasse durch aus der Luft aufgenommene Feuchtigkeit
verändern.
[0015] Die ionische Flüssigkeit kann eine Dichte von mindestens 1100 kg/m
3 aufweisen. Dadurch kann die erfindungsgemäße Sprengstoffwirkmasse mit einer hohen
Dichte und damit auch einer hohen Sprengleistung bereitgestellt werden.
[0016] Die ionische Flüssigkeit kann ein Perchlorat-, Nitrat-, Acetat-, Dicyanamid-, Hexafluorophosphat-
oder Tetrafluoroborat-Ion als Anion umfassen. Durch die Wahl des in der ionischen
Flüssigkeit enthaltenden Anions kann das Reaktionsverhalten der erfindungsgemäßen
Sprengstoffwirkmasse beim Erhitzen variiert werden. Z. B. kann das Anion oxidierend
sein, wie das z. B. bei Perchlorat oder Nitrat der Fall ist. Dadurch wird der durch
Erhitzen bedingte Zerfall der ionischen Flüssigkeit exotherm. Es kann aber auch ein
inertes Anion, wie beispielsweise Acetat, Dicyanamid, Hexafluorophosphat oder Tetrafluoroborat
gewählt werden. Dann ist der Zerfall der ionischen Flüssigkeit zumindest am Beginn
einer Erwärmung endotherm. Weiterhin hat die Wahl des Anions einen Einfluss auf die
Zerfallstemperatur. Von den oben genannten Anionen zerfällt Acetat bei der niedrigsten
und Tetrafluoroborat bei der höchsten Temperatur. Durch das Vorsehen eines Gemischs
dieser Anionen in der ionischen Flüssigkeit bzw. einem Gemisch der ionischen Flüssigkeiten
kann das temperaturabhängige Verhalten der Flüssigkeit bzw. des Gemischs beeinflusst
werden. Durch diese Möglichkeiten kann die Empfindlichkeit und das thermische Verhalten
der Sprengstoffwirkmasse eingestellt werden. Wenn sich die ionische Flüssigkeit bei
einer niedrigeren Temperatur als der Sprengstoff zumindest anfänglich endotherm zersetzt
wird die Empfindlichkeit der erfindungsgemäßen Sprengstoffwirkmasse erheblich reduziert.
[0017] Die ionische Flüssigkeit kann 1-Butyl-3-methylimidazoliumtetrafluoroborat (BMIM-BF
4), 1-Butyl-3-methylimidazoliumdicyanamid (BMIM-C
2N
2), n-Butylmethylimidazoliumperchlorat (BMIM-ClO
4), ein Alkyl-Methylimidazol, insbesondere Dimethylimidazol oder Ethylmethylimidazol,
ein Tetrazolat oder ein Triazolat umfassen.
[0018] Bei einer Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Sprengstoffwirkmasse ist die ionische
Flüssigkeit darin mit einem auf das Gesamtgewicht der Wirkmasse bezogenen Anteil im
Bereich von 3 Gew.-% bis 7 Gew.-%, insbesondere 4 Gew.-% bis 6 Gew.-%, enthalten.
Dadurch wird selbst bei ionischen Flüssigkeiten mit einer Dichte von weniger als 1100
kg/m
3 die Gesamtdichte der erfindungsgemäßen Sprengstoffwirkmasse nicht wesentlich beeinflusst.
Der genannte Anteil reicht jedoch für eine ausreichende Phlegmatisierung vollkommen
aus.
[0019] Die erfindungsgemäße Sprengstoffwirkmasse umfasst weiterhin ein, insbesondere energetisches,
Bindemittel. Wenn sowohl das Bindemittel als auch die ionische Flüssigkeit energetisch
sind, kann eine insensitive und dennoch sehr leistungsstarke vollenergetische, d.
h. keine inerten Bestandteile aufweisende, Sprengstoffwirkmasse bereitgestellt werden.
Das Bindemittel umfasst erfindungsgemäß ein polares Polymer oder polares Makromolekül
oder ein Polymer oder Makromolekül, das in der ionischen Flüssigkeit löslich ist oder
davon gequollen werden kann. Beispielsweise kann das Polymer Polyacrylnitril, Polyvinylnitrat,
Polyvinylpyrrolidon (PVP) oder Nitrocellulose umfassen. Es wird verhältnismäßig wenig
ionische Flüssigkeit benötigt, um die genannten Polymere durch Lösen in eine zähflüssige
und klebrige Masse zu verwandeln. Dadurch kann die für die Phlegmatisierung erforderliche
Menge der meist verhältnismäßig teuren ionischen Flüssigkeit verringert werden.
[0020] Weiterhin hat es sich gezeigt, dass das Mischen mit dem Sprengstoff erheblich einfacher
ist als mit herkömmlichen polymeren Bindemitteln, da sich Flüssigsalze und gegebenenfalls
polare Polymere oder Makromoleküle als Bindemittel in Ethanol, Ethanol-Ethylether
(2:1), Ethanol-Aceton (2:1) oder Ethanol-Ethylacetat (2:1) schnell und in allen Mischungsverhältnissen
lösen lassen. Somit können die Sprengstoffpartikel mit der ionischen Flüssigkeit und
gegebenenfalls dem Bindemittel beschichtet werden, indem die Sprengstoffpartikel in
die Lösung der ionischen Flüssigkeit und gegebenenfalls zusätzlich enthaltenem Bindemittel
eingeschlämmt werden und während des Mischens das Lösungsmittel unter reduziertem
Druck abgezogen wird. Dabei hat es sich gezeigt, dass es keine Rolle spielt, wie schnell
das Lösungsmittel abgezogen wird. Die ionische Flüssigkeit und gegebenenfalls das
Bindemittel setzt/setzen sich auf den Sprengstoffpartikeln ab und beschichtet/beschichten
sie gleichmäßig. Dies begünstigt sehr die Unempfindlichkeit der resultierenden Sprengstoffwirkmasse,
da jedes Sprengstoffpartikel vollständig eingebettet wird. Bei bekannten Bindemitteln
muss das Lösungsmittel dagegen langsam aus einem Gemisch mit Sprengstoffpartikeln
entfernt werden, um eine gleichmäßige Beschichtung der Sprengstoffpartikel und damit
die Insensitivität des Produktes zu gewährleisten.
[0021] Weiterhin kann durch ein energetisches Bindemittel, welches unter Gasentwicklung
bei einer niedrigeren Temperatur zerfällt bzw. sich zersetzt als der Sprengstoff,
die Sicherheit eines die Sprengstoffwirkmasse enthaltenden Brand oder Hitze ausgesetzten
Wirkkörpers erhöht werden. Bei diesen im sogenannten "fast cook off"- oder "slow cook
off'-Test simulierten Zuständen bewirkt die Gasentwicklung bei niedriger Temperatur
ein Aufbrechen der Hülle des Wirkkörpers. Bei einer dann erfolgenden Zündung des Sprengstoffs
kann es nicht mehr zu dem ansonsten stattfindenden plötzlichen Druckanstieg kommen.
Eine Detonation des Sprengstoffs ist dadurch unwahrscheinlich und findet im Idealfall,
wenn der Sprengstoff nur abbrennt, nicht statt. Ein solches sich bei niedriger Temperatur
zersetzendes Bindemittel ist z. B. Nitrocellulose, das sich bei etwa 120°C zu zersetzen
beginnt und sich im Bereich zwischen etwa 160°C und 180°C stark und vollständig unter
Gasentwicklung zersetzt. Ein bei deutlich höherer Temperatur sich zersetzender Sprengstoff
ist z. B. Oktogen, dessen Zersetzung bei etwa 280°C erfolgt.
[0022] Bei einer Ausgestaltung ist das Bindemittel in der Sprengstoffwirkmasse mit einem
Anteil im Bereich von 1 Gew.-% bis 2,5 Gew.-%, insbesondere 1,5 Gew.-% bis 2 Gew.-%,
enthalten. Durch die Wahl dieser geringen, jedoch ausreichenden Menge des im Allgemeinen
eine verhältnismäßig geringe Dichte aufweisenden Bindemittels wird eine ins Gewicht
fallende Verringerung der Dichte der erfindungsgemäßen Sprengstoffwirkmasse vermieden.
[0023] Bei dem Sprengstoff kann es sich um einen kristallinen Sprengstoff handeln. Der Sprengstoff
kann z. B. Oktogen, Hexogen, Nitropenta (PETN), Triaminotrinitrobenzol (TATB), Diaminodinitroethylen
(FOX-7) oder Hexanitroisowurtzitan (CL-20) sein.
[0024] Nachfolgend wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert.
Beispiel 1 stellt einen insensitiven Sprengstoff nach dem Stand der Technik dar, während
es sich bei den Beispielen 4 und 5 um erfindungsgemäße Sprengstoffwirkmassen und bei
den Beispielen 2 und 3 um andere neue insensitive Sprengstoffwirkmassen handelt.
[0025] 200 g der in Beispiel 5 verwendeten ionischen Flüssigkeit BMIM-ClO
4 wurden wie folgt synthetisiert:
150 g BMIM-CI wurden in ca. 600 ml trockenem Methanol bei 25°C in einem 2 Liter Einhalskolben
aufgelöst. Eine stöchiometrische Menge trockenes Natriumperchlorat wurde ebenfalls
in 600 ml trockenem Methanol in einem 2 Liter Einhalskolben getrennt aufgelöst. Dann
wurde die gesamte Perchloratlösung auf einmal in die BMIM-Chloridlösung gegeben. Die
Flasche, in der die Perchloratlösung war, wurde noch 3 x mit 50 ml trockenem Methanol
gewaschen und das Methanol auch noch zu der BMIM-Chloridlösung gegeben. Die resultierende
Lösung wurde nach einigen Minuten trüb und gelb, als das entstandene Natriumchlorid
begann auszufallen.
[0026] Die gesamte Lösung wurde anschließend eine Stunde unter Rückfluss gekocht. Die heiße
Lösung wurde danach mittels einer Fritte in einen 2 Liter Einhalskolben filtriert
und der Niederschlag noch 3 x mit 50 ml trockenem Methanol gewaschen. Der praktisch
ausschließlich aus Kochsalz bestehende Filterkuchen wurde entsorgt.
[0027] Der Einhalskolben wurde anschließend an einen Rotationsverdampfer angeschlossen und
das Methanol unter ca. 500 mbar Druck abdestilliert, wobei das Wasserbad im Verdampfer
auf 90°C erhitzt wurde. Als das Methanol abdestilliert war, wurde das warme rohe BMIM-ClO
4 aus dem Kolben nochmals durch die Fritte in einen 250 ml Scheidetrichter filtriert,
weil beim Verdampfen des Methanols noch weiteres Kochsalz ausgefallen ist.
[0028] Das fertige BMIM-ClO
4 (ein gelbliches, zähflüssiges Öl) wurde aus dem Scheidetrichter in eine Laborflasche
gefüllt und gewogen. Die Ausbeute war nahezu quantitativ.
[0029] Das BMIM-ClO
4 hat sich als sehr gutes Bindemittel und Phlegmatisierungsmittel für energetische
Wirkmassen erwiesen. Daraus können sehr insensitive Sprengstoffwirkmassen mit kleinem
oder großem Anteil an polymerem Bindemittel und hoher Dichte und Leistung hergestellt
werden. Durch das Verhältnis von BMIM-ClO
4 zu polymerem Bindemittel kann die Härte und mechanische Festigkeit der Wirkmasse
in weiten Grenzen eingestellt werden.
[0030] Zur Herstellung der Sprengstoffwirkmassen gemäß der nachfolgenden Beispiele 4 und
5 wurde das Polyvinylpyrrolidon in Ethanol und die Nitrocellulose in Ethanol-Ethylacetat
(2:1) aufgelöst. Anschließend wurde die ionische Flüssigkeit in diese Lösung eindosiert.
Danach wurde noch 1 Minute weitergerührt, um die Lösung zu homogenisieren. Für 1 kg
Sprengstoff wurden etwa 400 ml Lösungsmittel benötigt.
[0031] Zur Herstellung der erfindungsgemäßen Sprengstoffwirkmassen wurden der jeweils über
Nacht bei 50°C getrocknete Sprengstoff und die Bindemittellösung gründlich gemischt.
Nach 5 Minuten Mischen wurde ein Vakuum angelegt und eine Temperatur von 70°C eingestellt
bis das Lösungsmittel verdunstet war. Danach wurde die Sprengstoffwirkmasse aus dem
Mischer entleert. Sie lag als leicht klebriges, farbloses Pulver vor.
Beispiel 1:
[0032] Pressbare herkömmliche insensitive Sprengstoffwirkmasse DXP-1340 mit Weichmacher:
Stoff |
Typ |
Gew.-% |
Sonstiges |
Acrylatgummi |
Hytemp 4454 |
1,0 |
TMD = 1833 |
Dioctyladipat |
Weichmacher |
3,0 |
|
Oktogen |
NSO 137 gesiebt 630 µm |
67,2 |
|
Oktogen |
NSO 152 |
28,8 |
|
TMD = Theoretische maximale Dichte (in kg/m3) |
Beispiel 2:
[0033] Pressbare insensitive Sprengstoffwirkmasse ohne Weichmacher:
Stoff |
Typ |
Gew.-% |
Sonstiges |
Chlorparaffin |
Leuna Tenside CP 135 |
6,0 |
TMD = 1871 |
Oktogen |
NSO 137 gesiebt 630 µm |
66,2 |
|
Oktogen |
NSO 152 |
27,8 |
|
Beispiel 3:
[0034] Pressbare insensitive Sprengstoffwirkmasse ohne Weichmacher:
Stoff |
Typ |
Gew.-% |
Sonstiges |
Chlorparaffin |
CP 52 flüssig |
6,0 |
TMD = 1843 |
Oktogen |
NSO 137 gesiebt 630 µm |
67,2 |
|
Oktogen |
NSO 152 |
28,8 |
|
Beispiel 4:
[0035] Erfindungsgemäße pressbare insensitive Sprengstoffwirkmasse mit ionischer Flüssigkeit
als Phlegmatisierungsmittel:
Stoff |
Typ |
Gew.-% |
Sonstiges |
Polyvinylpyrrolidon |
|
2,0 |
|
BMIM-BF4 |
Merck |
4,0 |
TMD = 1845 |
Oktogen |
NSO 137 gesiebt 630 µm |
66,2 |
|
Oktogen |
NSO 152 |
27,8 |
|
Beispiel 5:
[0036] Erfindungsgemäße pressbare vollenergetische insensitive Sprengstoffwirkmasse mit
ionischer Flüssigkeit als Phlegmatisierungsmittel:
Stoff |
Typ |
Gew.-% |
Sonstiges |
Nitrocellulose |
Hagedorn H24 |
1,75 |
|
BMIM-ClO4 |
selbst synthetisiert |
5,25 |
TMD = 1854 |
Oktogen |
NSO 137 gesiebt 630 µm |
65,7 |
|
Oktogen |
NSO 152 |
27,3 |
|
[0037] 24 g der jeweiligen Sprengstoffwirkmasse wurden jeweils in einem Presswerkzeug zu
Tabletten von 21 mm Durchmesser gepresst. Die Presslinge wurden gewogen und vermessen.
Aus den erhaltenden Werten wurde die Dichte der Presslinge ermittelt. Anschließend
wurden die Presslinge im sogenannten Gap-Test eingesetzt. Bei dem Gap-Test handelt
es sich um einen Standardtest für die Ermittlung der Insensitivität von Sprengstoffwirkmassen
oder Sprengstoffen. Dabei wird die Höhe einer standardisierten Wassersäule gemessen,
die ausreicht um eine durch Detonation einer Standardsprengladung erzeugte Stoßwelle
in der Wassersäule auf die zu untersuchenden Sprengstoffwirkmasse zu übertragen, so
dass diese noch zuverlässig detoniert, bzw. zuverlässig nicht mehr detoniert. Die
Werte sind dabei jeweils in mm der Wassersäule angegeben. Der erste Wert unter "Gap
[mm]" bezeichnet dabei jeweils den Wert, bei dem die zu untersuchende Sprengstoffwirkmasse
zuverlässig detoniert ("GO") und ein zweiter Wert, den Wert, bei dem die zu untersuchende
Sprengstoffwirkmasse nicht mehr detoniert ("NO GO"). Je niedriger diese Werte sind,
desto insensitiver ist die Sprengstoffwirkmasse. Die Ergebnisse des Gap-Tests sind
in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt.
Tabelle 1
Stoff |
TMD [kg/m3] |
Dichte [kg/m3] |
% TMD |
Gap[mm] |
Ergebnis |
Tg/°C |
Beispiel 1 |
1833 |
1810 |
98,7 |
12/13 |
GO/NO GO |
-55 |
Beispiel 2 |
1871 |
1835 |
98,1 |
16/17 |
GO/NO GO |
n. g. |
Beispiel 3 |
1843 |
1810 |
98,2 |
12/14 |
GO/NO GO |
-48 |
Beispiel 4 |
1845 |
1825 |
98,9 |
14/15 |
GO/NO GO |
-120 |
Beispiel 5 |
1854 |
1841 |
99,3 |
13/14 |
GO/NO GO |
-112 |
[0038] Tg bedeutet dabei "Glasübergangstemperatur", "n. g." bedeutet "nicht gemessen". Die
Glasübergangstemperatur wurde mittels dynamischer Differenz-Kalorimetrie (DSC) gemessen.
[0039] Die für die obigen Beispiele 1 bis 5 berechneten Detonationsgeschwindigkeiten (D[m/s])
und die Detonationsdrücke (p[GPa]) bei den tatsächlich ermittelten und aus der obigen
Tabelle ersichtlichen Dichten sind aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich.
Tabelle 2
Stoff |
D [m/s] |
p [GPa] |
Beispiel 1 |
8850 |
33,0 |
Beispiel 2 |
8850 |
33,7 |
Beispiel 3 |
8760 |
32,6 |
Beispiel 4 |
8850 |
33,8 |
Beispiel 5 |
8860 |
34,5 |
1. Insensitive Sprengstoffwirkmasse, umfassend einen Sprengstoff und ein Phlegmatisierungsmittel,
wobei das Phlegmatisierungsmittel mindestens eine ionische Flüssigkeit umfasst, wobei
die Sprengstoffwirkmasse weiterhin ein Bindemittel umfasst, wobei das Bindemittel
ein polares Polymer oder polares Makromolekül oder ein Polymer oder Makromolekül,
das in der ionischen Flüssigkeit löslich ist oder davon gequollen werden kann, umfasst.
2. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach Anspruch 1,
wobei die ionische Flüssigkeit wasserunlöslich und nicht hygroskopisch ist.
3. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die ionische Flüssigkeit eine energetische Flüssigkeit ist.
4. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die ionische Flüssigkeit eine Dichte von mindestens 1100 kg/m3 aufweist.
5. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die ionische Flüssigkeit ein Perchlorat-, Nitrat-, Acetat-, Dicyanamid-, Hexafluorophosphat-
oder Tetrafluoroborat-Ion als Anion umfasst.
6. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die ionische Flüssigkeit 1-Butyl-3-methylimidazoliumtetrafluoroborat (BMIM-BF4),
1-Butyl-3-methylimidazoliumdicyanamid (BMIM-C2N2), n-Butylmethylimidazoliumperchlorat
(BMIM-ClO4), ein Alkyl-Methylimidazol, insbesondere Dimethylimidazol oder Ethylmethylimidazol,
ein Tetrazolat oder ein Triazolat umfasst.
7. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die ionische Flüssigkeit darin mit einem auf das Gesamtgewicht der Wirkmasse
bezogenen Anteil im Bereich von 3 Gew.-% bis 7 Gew.-%, insbesondere 4 Gew.-% bis 6
Gew.-%, enthalten ist.
8. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei das Bindemittel ein energetisches Bindemittel ist.
9. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei das Polymer Polyacrylnitril, Polyvinylnitrat, Polyvinylpyrrolidon (PVP) oder
Nitrocellulose umfasst.
10. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei das Bindemittel darin mit einem Anteil im Bereich von 1 Gew.-% bis 2,5 Gew.-%,
insbesondere 1,5 Gew.-% bis 2 Gew.-%, enthalten ist.
11. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei der Sprengstoff ein kristalliner Sprengstoff ist.
12. Insensitive Sprengstoffwirkmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei der Sprengstoff Oktogen, Hexogen, Nitropenta (PETN), Triaminotrinitrobenzol
(TATB), Diaminodinitroethylen (FOX-7) oder Hexanitroisowurtzitan (CL-20) ist.
1. Insensitive active explosive composition comprising an explosive and a stabilizer,
wherein the stabilizer comprises at least one ionic liquid, wherein the active explosive
composition further comprises a binder, wherein the binder comprises a polar polymer
or polar macromolecule or a polymer or macromolecule which is soluble in the ionic
liquid or can be swelled thereby.
2. Insensitive active explosive composition according to Claim 1, wherein the ionic liquid
is water-insoluble and not hygroscopic.
3. Insensitive active explosive composition according to either of the preceding claims,
wherein the ionic liquid is a high-energy liquid.
4. Insensitive active explosive composition according to any of the preceding claims,
wherein the ionic liquid has a density of at least 1100 kg/m3.
5. Insensitive active explosive composition according to any of the preceding claims,
wherein the ionic liquid comprises a perchlorate, nitrate, acetate, dicyanamide, hexafluorophosphate
or tetrafluoroborate ion as anion.
6. Insensitive active explosive composition according to any of the preceding claims,
wherein the ionic liquid comprises 1-butyl-3-methylimidazolium tetrafluoroborate (BMIM-BF4), 1-butyl-3-methylimidazolium dicyanamide (BMIM-C2N2), n-butylmethyl-imidazolium perchlorate (BMIM-ClO4), an alkyl methylimidazole, in particular dimethylimidazole or ethylmethylimidazole,
a tetrazolate or a triazolate.
7. Insensitive active explosive composition according to any of the preceding claims,
wherein the ionic liquid is present therein in a proportion based on the total weight
of the active composition in the range from 3% by weight to 7% by weight, in particular
from 4% by weight to 6% by weight.
8. Insensitive active explosive composition according to any of the preceding claims,
wherein the binder is a high-energy binder.
9. Insensitive active explosive composition according to any of the preceding claims,
wherein the polymer comprises polyacrylonitrile, polyvinyl nitrate, polyvinylpyrrolidone
(PVP) or nitrocellulose.
10. Insensitive active explosive composition according to any of the preceding claims,
wherein the binder is present therein in a proportion in the range from 1% by weight
to 2.5% by weight, in particular from 1.5% by weight to 2% by weight.
11. Insensitive active explosive composition according to any of the preceding claims,
wherein the explosive is a crystalline explosive.
12. Insensitive active explosive composition according to any of the preceding claims,
wherein the explosive is octogen, hexogen, nitropenta (PETN), triaminotrinitrobenzene
(TATB), diaminodinitroethylene (FOX-7) or hexanitroisowurtzitane (CL-20).
1. Matière active explosive insensible, comprenant un explosif et un flegmatisant,
le flegmatisant comprenant au moins un liquide ionique, la matière active explosive
comprenant en outre un liant, le liant comprenant un polymère polaire ou une macromolécule
polaire ou un polymère ou une macromolécule, qui est soluble dans le liquide ionique
ou qui peut être gonflé par celui-ci.
2. Matière active explosive insensible selon la revendication 1, le liquide ionique étant
insoluble dans l'eau et non hygroscopique.
3. Matière active explosive insensible selon l'une des revendications précédentes, le
liquide ionique étant un liquide énergétique.
4. Matière active explosive insensible selon l'une des revendications précédentes, le
liquide ionique présentant une densité d'au moins 1100 kg/m3.
5. Matière active explosive insensible selon l'une des revendications précédentes, le
liquide ionique comprenant un ion perchlorate, nitrate, acétate, dicyanamidure, hexafluorophosphate
ou tétrafluoroborate en tant qu'anion.
6. Matière active explosive insensible selon l'une des revendications précédentes, le
liquide ionique comprenant le tétrafluoroborate de 1-butyl-3-méthylimidazolium (BMIM-BF4), le dicyanamidure de 1-butyl-3-méthylimidazolium (BMIM-C2N2), le perchlorate de n-butylméthylimidazolium (BMIM-ClO4), un alkylméthylimidazole, en particulier diméthylimidazole ou éthylméthylimidazole,
un tétrazolate ou un triazolate.
7. Matière active explosive insensible selon l'une des revendications précédentes, le
liquide ionique étant contenu dedans en une proportion dans la plage de 3 % en poids
à 7 % en poids, en particulier de 4 % en poids à 6 % en poids, par rapport au poids
total de la matière.
8. Matière active explosive insensible selon l'une des revendications précédentes, le
liant étant un liant énergétique.
9. Matière active explosive insensible selon l'une des revendications précédentes, le
polymère comprenant du polyacrylonitrile, du poly(nitrate de vinyle), de la polyvinylpyrrolidone
(PVP) ou de la nitrocellulose.
10. Matière active explosive insensible selon l'une des revendications précédentes, le
liant étant contenu dedans en une proportion dans la plage de 1 % en poids à 2,5 %
en poids, en particulier de 1,5 % en poids à 2 % en poids, par rapport au poids total
de la matière.
11. Matière active explosive insensible selon l'une des revendications précédentes, l'explosif
étant un explosif cristallin.
12. Matière active explosive insensible selon l'une des revendications précédentes, l'explosif
étant l'octogène, l'hexogène, le nitropenta (PETN), le triaminotrinitrobenzène (TATB),
le diaminodinitroéthylène (FOX-7) ou l'hexanitroisowurtzitane (CL-20).