[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung der Walzkraft gemäß dem Oberbegriff
des Anspruchs 1.
[0002] Je genauer die Walzkraft, insbesondere zu Beginn eines Walzvorgonges, vorhergesagt
wird, desto geringer sind die Abmaßlängen, das bedeutet, je größer ist die verwertbare
Bandlänge. Bei Walzwerken wird die Banddicke durch eine Regelung konstant gehalten,
wobei als Stellgrößen die Anstellposition der Walzen zur Einstellung des Walzspaltes
und die Geschwindigkeit der Antriebe zur Berücksichtigung der Voreilung (Massenfluß)
fungieren. Bei Beschleunigung und Verzögerung der Walzstraße treten jedoch Störgrößen
auf, die durch eine geschwindigkeitsabhängige Änderung der Umformeigenschaften im
Walzspalt erzeugt werden. Die dadurch verursachten Dickenfehler lassen sich nur bedingt
durch konstante Geschwindigkeit im Mittelteil des Bandes weitgehend vermeiden. Um
die verwertbare Länge des Bandes zu steigern, besteht das Erfordernis, den Dickenfehler
in der Beschleunigungsphase möglichst schnell auszuregeln. Dieser Regelvorgang benötigt
um so weniger Zeit, je genauer die Voreinstellung und Vorsteuerung der Sollgrößen,
nämlich Anstellposition der Walzen und Geschwindigkeit der Antriebe vorgegeben werden,
da die Regelung einen kleineren Fehler zwischen Meßwert und Sollwert ausregeln muß.
Die für die Sollwerte zur Vorsteuerung notwendigen Informationen lassen sich unmittelbar
aus den technologischen Größen der Umformung im Walzspalt (Walzkraft, Voreilung und
Rückstau) errechnen.
[0003] Es ist bekannt, die Walzkraft in Abhängigkeit von einem über die Walzspaltlänge zwischen
Walze und Walzgut variablen Reibungskoeffizienten zu ermitteln ("Stahl und Eisen",
Januar 1998, Seiten 35-37). Auf diese Weise kann für die einzelnen Stiche jeweils
die zugehörige Reibungsverteilung und daraus folgend die Spannungsverteilung im Walzspalt
ermittelt werden. Die Spannungsverteilung liefert neben der Walzkraft auch die Lage
der Fließscheide, so daß nachfolgend die relevanten Größen (Voreilung, Rückstau) bestimmt
werden können. Die Reibung bildet mithin die zentrale Größe für die Berechnung des
Kraft- und Arbeitsbedarfs bei Walzstraßen jeglicher Art. Eine besondere Bedeutung
kommt der Reibung jedoch bei der Herstellung von Flachwalzprodukten zu, da für diese
häufig höchste Ansprüche an die Dickentoleranz (bis in den µm-Bereich) gestellt werden.
[0004] Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, die Reibung nicht nur als ortsabhängige
Größe, sondern auch als lastabhängige Größe mit verbesserter Näherung zu beschreiben.
[0005] Erfindungsgemäß wird die Aufgabe durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs
1 gelöst. Neben der Ortsabhängigkeit des Reibungskoeffizienten werden zusätzlich die
Vertikalspannung, die Fließspannung, der Walzwinkel und der Einfluß von Schmierstoffen
sowie geometrischen Walzspaltverhältnissen berücksichtigt. Daraus ergibt sich ein
genauerer Ansatz für die Berechnung der technologischen Größen und letztlich eine
geringere Ausregeltoleranz , die zu einer Erhöhung der verwertbaren Bandlänge führt.
[0006] Eine weitere Erhöhung der Genauigkeit ist gemäß Anspruch 2 durch zusätzliche Berücksichtigung
der Ortsabhängigkeit der Fließspannung erreichbar.
[0007] Nach Anspruch 3 wird die Walzspaltlänge (gedrückte Länge) in äquidistante Intervalle
unterteilt. Dieser Lösungsansatz ist um so genauer, je mehr Intervalle vorgesehen
werden. Beispielsweise können 50 Intervalle fixiert werden, die unabhängig von der
aktuellen gedrückten Länge festgelegt werden. Daraus ergeben sich jedoch variable
Intervaillängen, die bei großen Stichabnahmen beziehungsweise Walzendurchmessern zu
einer Verminderung der Genauigkeit der Walzkraftbestimmung führen. Für eine Implementierung,
beispielsweise mittels FORTRAN- oder C-Programmierung, ist daher eine variable Intervallzahl
bei vorgegebener Intervaillänge vorzuziehen. Die maximale Intervollzahl muß jedoch
mit dem Rechenaufwand abgestimmt werden.
[0008] Eine vorteilhafte Ausführungsform zur Ermittlung der Vertikalspannungskurve ergibt
sich aus Anspruch 4. Dabei wird jeweils vom Walzspalteintritt ("Vorwärtsberechnung"
in Walzrichtung) beziehungsweise vom Walzspaltaustritt ("Rückwärtsberechnung" entgegen
der Walzrichtung) eine Teilkurve ermittelt. Der Schnittpunkt beider Teilkurven markiert
die Fließscheidenlage und damit die Voreilung als neben der Walzkraft zweiter wesentlicher
Sollgröße für die Regelung der Banddicke.
[0009] Die Reibungskoeffizienten für die einzelnen Intervalle lassen sich mit Hilfe der
in Anspruch 5 angegebenen Beziehung hinreichend genau bestimmen. Es ist ersichtlich,
daß die infinitesimalen Reibungskoeffizienten die in den Ansprüchen 1 und 2 aufgezählten
Abhängigkeiten berücksichtigen. Für diese Beziehung wurde eine gute Übereinstimmung
zwischen dem theoretischen Ansatz und den Ergebnissen aus der praktischmeßtechnischen
Überprüfung festgestellt. Bei der Berechnung der Reibungskoeffizienten µ
i muß aufgrund des Eigenwertcharakters

auf die jeweils im vorangegangenen Rechenschritt ermittelten Vertikalspannungen σ
yi-1 zurückgegriffen werden. Für hinreichend kleine Intervalle ist diese Näherungslösung
zulässig und praktikabel.
[0010] Als Plausibilitätskriterium für die Richtigkeit der Reibungsverteilung kann ein Vergleich
des arithmetischen Mittelwertes mit den aus der Literatur bekannten Mittelwerten genutzt
werden. Tatsächlich ergibt sich eine gute Übereinstimmung sowohl mit den für das Kalt-
als auch für das Warmwalzen von Stahl gebräuchlichen Mittelwerten für den Reibungskoeffizienten.
[0011] Vorzugsweise ist das beanspruchte Verfahren für die Bestimmung der Walzkraft gemäß
Anspruch 6 für Flachwalzprodukte im Kaltwalzverfahren oder im Warmwalzverfahren vorgesehen.
Denkbar ist aber auch eine Anwendung des Lösungsansatzes für andere Produktarten und
Walzverfahren.
[0012] Nachfolgend wird die Erfindung anhand einer figürlich dargestellten Illustration
näher erläutert.
[0013] Die Figur zeigt im oberen Teil in stark vereinfachter, schematisierter Darstellungsweise
ein Flachstahlbond 1, das mittels eines Walzensatzes 2 auf eine konstante Auslaufdicke
h
A gewalzt werden soll. Um die Auslaufdicke h
A möglichst exakt auf einen konstanten Wert zu regeln und die Abmaßlängen (Ausschuß)
während der Beschleunigungsbezieungsweise Verzögerungsphase des Walzensatzes 2 zu
reduzieren, ist eine sehr genaue Voreinstellung des Walzspaltes, abgeleitet von der
vorhergesagten Walzkraft F
w und der Geschwindigkeit, abgeleitet von der Voreilung erforderlich. Beide Größen
bestimmen die Auslaufdicke h
A wesentlich und müssen daher zwecks Verkürzung der Einregelphase so nah wie möglich
auf den Idealwert voreingestellt werden. Ein wesentlicher Einflußfaktor stellt dabei
der über die Walzkraftlänge l
d variable Reibungskoeffizient µ(x) mit 0 ≤ x ≤ l
d dar. Neben der Ortsabhängigkeit des Reibungskoeffizienten werden - wie im folgenden
dargelegt - weitere Eingangsparameter berücksichtigt. Zur Berechnung der über die
Walzspaltlänge l
d variablen Reibungskoeffizienten µ(x) mit 0 ≤ x ≤ l
d wird die Walzspaltlänge (auch als gedrückte Länge bezeichnet) l
d in äquidistante Intervalle x
i unterteilt. Dieser Ansatz ist um so genauer, je mehr Intervalle vorgesehen werden.
Für eine vorzugsweise C- oder FORTRAN-Programmierung sollte bei vorzugebender Intervalllänge
x
i eine variable Intervallanzahl angesetzt werden. Hernach wird jeweils vom Walzspalteintritt
x
E beziehungsweise vom Walzspaltaustritt x
A ausgehend eine Teilkurve σ
yR beziehungsweise σ
yV des Vertikalspannungsverlaufes

mit 0 ≤ x ≤ l
d ermittelt. Die erste Teilkurve σ
yR ergibt sich dabei aus einer "Vorwärtsberechung" in Walzrichtung im Bereich eines
Rückstaugebietes R, während die zweite Teilkurve σ
yV aus einer "Rückwärtsrechung" entgegen der Walzrichtung und damit im Bereich des Voreilgebietes
V resultiert. Der Schnittpunkt beider Teilkurven σ
yR und σ
yV markiert die Fließscheidenlage x
fl. Durch Integration des Flächeninhalts unter der entstandenen Vertikalspannungsverteilung
σ
y (x) ergibt sich der mittlere Umformwiderstand kwm und nachfolgend die Walzkraft F
w.
[0014] Für die Reibungskoeffizienten µ
i der jeweiligen Intervalle x
i gilt:

mit kf
i als über die Walzspaltlänge l
d variabler Fließspannung, α
i als über die Walzspaltlänge l
d variablen Walzwinkel und korr als den Einfluß von Schmierstoffen und geometrische
Walzspaltverhältnisse charakterisierenden Korrekturfaktor. Dieser kann als Erfahrungswert
eingesetzt oder aus betrieblichen Daten gewonnen werden. Das Vorzeichen für das Voreilgebiet
V ist bezüglich

positiv und bezüglich ± tan α
i negativ und für das Rückstaugebiet entsprechend umgekehrt.
[0015] Die Verwendung eines Schmierstoffes führt zur Reduzierung der Reibung und damit zur
Senkung des Kraft- und Arbeitsbedarfes. Der trockene Walzfall wird mit korr = 1 beschrieben,
wohingegen korr = 0 in jedem Falle Bandrutschen bedeutet. Es zeigt sich jedoch, daß
bei korr ≤ 0,04 bis 0,06 bereits Instabilität, das heißt einsetzendes Bandrutschen,
auftritt. Vorteilhaft ist, daß mit dem Faktor korr auch der Einfluß der Walzgeschwindigkeit
mit erfaßt werden kann. Mit zunehmender Walzgeschwindigkeit steigt die Fließspannung
und somit auch die Walzkraft, wogegen die Reibung abnimmt, was wiederum zu einer Walzkraftabnahme
führt. Letzterer Einfluß ist noch praktischen Erfahrungen dominant, so daß die Einführung
eines Korrekturfaktors korr sinnvoll ist.
[0016] Bei der Berechnung der Reibungskoeffizienten µ
i ergibt sich ein klassisches Eigenwertproblem, da

und

gilt. Für die Lösung kann auf die jeweils im vorangegangenen Intervall x
i-1 ermittelten Vertikalspannungen σ
yi-1 zurückgegriffen werden. Für hinreichend kleine Intervalle x
i ist diese Näherungsläsung zulässig und durchaus auch praktikabel.
[0017] Durch numerische Integration der Vertikalspannungskurve σ
y ergibt sich der mittlere Umformwiderstand kwm und daraus die Walzkraft

mit b als Walzgutbreite.
[0018] In das oben skizzierte Walzkraftmodell ist somit eine neue Reibwertformulierung eingebunden,
welche die Reibung nicht nur über den Walzspalt ortsabhängig, sondern auch als Funktion
des Walzwinkels und bezogener Spannungswerte vorgibt.
[0019] Die Erfindung beschränkt sich nicht auf das vorstehend angegebene Ausführungsbeispiel.
Vielmehr ist eine Anzahl von Varianten denkbar, welche auch bei grundsätzlich anders
gearteter Ausführung von den Merkmalen der Erfindung Gebrauch machen.
1. Verfahren zur Bestimmung der Walzkraft F
w in Abhängigkeit von einem über die Walzspaltlänge l
d zwischen Walze (2) und Walzgut (1) variablen Reibungskoeffizienten µ(x) mit 0 ≤ x
≤ l
d, dadurch gekennzeichnet, daß eine Funktion des Reibungskoeffizienten f(µ(x)) über
die Walzspaltlänge l
d in Abhängigkeit von einer über die Walzspaltlänge l
d variablen Vertikalspannung

, einer mittleren Fließspannung

, einem über die Walzspaltlänge l
d variablen Walzwinkel

und einem den Einfluß von Schmierstoffen und geometrischen Walzspaltverhältnissen
charakterisierenden Korrekturfaktor korr bestimmt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Fließspannung kf als über
die Walzspaltlänge l
d variabel

angesetzt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß für äquidistante Intervalle
x
i der Walzspaltlänge l
d jeweils Reibungskoeffizienten µ
i und daraus Vertikalspannungen σ
yi ermittelt werden, wobei durch numerische Integration der Vertikalspannungskurve σ
y ein mittlerer Umformwiderstand kwm und daraus die Walzkraft

mit b als Walzgutbreite bestimmt werden.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Vertikalspannungskurve

mit 0 ≤ x ≤ l
d aus einer ersten Teilkurve σ
yR für ein Rückstaugebiet R ausgehend vom Walzspalteintritt x
E und einer zweiten Teilkurve σ
yV für ein Voreilgebiet V ausgehend vom Walzspaltaustritt x
A gebildet wird, wobei der Schnittpunkt beider Teilkurven σ
yR und σ
yV die Fließscheidenlage x
fl und deren Abstand vom Walzspaltaustritt x
A das Voreilgebiet

als Maß für eine Voreilung ergeben.
5. Verfahren nach Anspruch 2 in Verbindung mit Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet,
daß für die Reibungskoeffizienten µ
i zugrunde gelegt wird:

wobei das Vorzeichen für das Voreilgebiet V bezüglich

positiv und bezüglich ± tan α
i negativ ist.
6. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die
Walzkraft Fw für Flachwalzprodukte sowohl im Kaltwalzverfahren als auch im Warmwalzverfahren ermittelt
wird.