[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Führen eines mit zielerfassenden Mitteln
versehenen Flugkörpers zu einem Ziel nach einem Verlust der Zielinformation.
[0002] Bei einem Flugkörper, der passiv ein feindliches Radar erfaßt und auf die Quelle
der Radarstrahlung geführt wird, kann der Zielverlust z. B. dadurch entstehen, daß
die Quelle der Radarstrahlung abgeschaltet wird.
[0003] Ein anderer Anwendungsfall besteht darin, daß die zielerfassenden Mittel das Ziel
unter einem Schielwinkel relativ zu dem Flugkörper erfassen, der Schielwinkel auf
einen Maximalwert begrenzt ist und bei Zielverlust durch Überschreiten des Maximalwertes
des Schielwinkels in einer Zielverlust-Position des Flugkörpers unmittelbar vor dem
Zielverlust eine Sichtlinie vom Flugkörper zu dem Ziel ermittelt wird. Die zielerfassenden
Mittel erfassen das Ziel unter einem "Schielwinkel" zur Längsachse des Flugkörpers.
Der Schielwinkel kann üblicherweise einen Maximalwert aus konstruktiven Gründen nicht
überschreiten. Dieser Maximalwert bestimmt das Gesichtsfeld des Suchkopfes. Wenn das
Ziel durch die Bewegung des Flugkörpers aus diesem Gesichtsfeld heraustritt, dann
kann der Suchkopf das Ziel nicht mehr "sehen" und daher den Flugkörper nicht mehr
zu dem Ziel führen.
[0004] Dieses Problem tritt insbesondere dann auf, wenn der Flugkörper von einem Träger
zunächst nach oben abgefeuert wird, um ihm aus größerer Höhe einen besseren Überblick
z.B. über ein Gefechtsfeld zu ermöglichen. Dann nimmt der Flugkörper u.U. im Steigflug
eine Fluglage ein, in welcher der Maximalwert des Schielwinkels zum Ziel überschritten
wird und ein Zielverlust eintritt.
[0005] Die Erfindung ist insbesondere anwendbar für die Bekämpfung stationärer Ziele wie
Radarstellungen oder im Verhältnis zur Geschwindigkeit des Flugkörpers langsam beweglicher
Ziele.
[0006] Die zielerfassenden Mittel können ein aktiver oder passiver Radarsuchkopf sein. Es
kann sich auch um einen Suchkopf mit einem optischen Infrarot-Sucher handeln.
[0007] Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, in einem solchen Fall durch geeignete
Führung des Flugkörpers ein Wiedererfassen des Ziels zu ermöglichen.
[0008] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe bei einem Verfahren der eingangs genannten Art
gelöst durch die Verfahrensschritte
(a) Speichern der Zielverlust-Position und der Sichtlinie und
(b) Führen des Flugkörpers auf die von der gespeicherten Zielverlust-Position ausgehende,
gespeicherte Sichtlinie.
[0009] Das Führen des Flugkörpers auf die gespeicherte Sichtlinie erfolgt vorteilhafterweise
durch die weiteren Verfahrensschritte:
(b) Bestimmen der aktuellen Position des Flugkörpers relativ zu der Zielverlust-Position,
(c) Festlegung eines virtuellen Zieles auf der von der Zielverlust-Position ausgehenden,
gespeicherten Sichtlinie in einem vorgegebenen Abstand von der aktuellen Position
des Flugkörpers,
(d) Berechnen eines virtuellen Sichtlinien-Vektors von dem Flugkörper zu dem virtuellen
Ziel und
(e) Führen des Flugkörpers nach Maßgabe des virtuellen Sichtlinienvektors.
[0010] Dabei ist es sinnvoll, wenn der vorgegebene Abstand kleiner als die Detektions-Reichweite
der zielerfassenden Mittel ist.
[0011] Wenn der Flugkörper nach dem Zielverlust nur in eine Richtung gelenkt würde, die
der Richtung der zuletzt erfaßten Sichtlinie entspricht, dann würde er durch seine
Flugkörper- Dynamik auf eine Bahn einschwenken, die zwar die Richtung der zuletzt
erfaßten Sichtlinie zum Ziel entspricht aber in u.U. erheblichem Abstand von der zum
Ziel führenden Verbindungslinie zwischen Zielverlust-Position und Ziel verläuft. Dann
gelangt u.U. das Ziel überhaupt nicht mehr in das Gesichtsfeld der zielerfassenden
Mittel. Wenn das Ziel irgendwann doch wieder erfaßt wird, dann sind meist Lenkmanöver
mit unerwünscht starken Bahnkrümmungen erforderlich. Deshalb wird nicht nur die zuletzt
vor dem Zielverlust beobachtete Sichtlinie zum Ziel gespeichert sondern auch die Zielverlust-Position.
Letzteres kann dadurch geschehen, daß z.B. eine Trägheitsnavigations-Einheit "auf
null gesetzt" wird, so daß die Position des Flugkörpers relativ zu der Zielverlust-Position
bestimmt wird. Es ist dann eine Linie von der Zielverlust-Position zum Ziel definiert.
Der Flugkörper wird nun so geführt, daß er auf diese Linie einschwenkt. Das kann "sanft"
erfolgen, da der Flugkörper dabei das Ziel noch nicht sofort zu "sehen" braucht. Dann
wird er ggf. mit den zielerfassenden Mitteln irgendwann auch das Ziel wieder erfassen,
auch wenn dieses durch Navigations- oder Meßfehler nicht genau auf der besagten Linie
liegt. Der Flugkörper kann dann in üblicher Weise zu dem Ziel geführt werden.
[0012] Bei der bevorzugten Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird ein virtuelles
Ziel definiert. Dieses virtuelle Ziel liegt auf der Linie zwischen Zielverlust-Position
und Ziel und in einem vorgegebenen Abstand von dem Flugkörper. Durch diese Bedingungen
ist das virtuelle Ziel eindeutig definiert. Es kann ein virtueller Sichtlinienvektor
von dem Suchkopf des Flugkörpers zu dem virtuellen Ziel berechnet werden. Mit diesem
berechneten, virtuellen Sichtlinienvektor wird der Flugkörper gelenkt. Da das virtuelle
Ziel immer auf der Linie zwischen Zielverlust-Position und Ziel liegt, wird die Bahn
des Flugkörpers auf diese Linie hingelenkt und schwenkt schließlich in diese Linie
ein.
[0013] Die Erfindung ist nachstehend an einem Ausführungsbeispiel unter Bezugnahme auf die
zugehörigen Zeichnungen näher erläutert.
- Fig.1
- zeigt die Flugbahn und Sichtlinie bei Zielverlust vereinfacht in der vertikalen Ebene.
- Fig.2
- veranschaulicht in der vertikalen Ebene die Bestimmung des virtuellen Sichtlinienvektors.
- Fig.3
- zeigt schematisch, wieder in einer vertikalen Ebene, die Flugbahn des Flugkörpers
bei Lenkung nach dem virtuellen Sichtlinienvektor.
[0014] Fig.1 zeigt in einer Ebene die Flugbahn 10 eines Flugkörpers 12. Die Abszisse x
n ist die horizontale Entfernung. Die Ordinate ist die Flughöhe. Der Flugkörper 12
wird so gelenkt, daß er zunächst von einer relativ niedrigen Position steil auf größere
Flughöhe steigt, um von oben einen guten Überblick über ein Gefechtsfeld mit einem
Ziel oder mehreren Zielen zu bekommen. Der Flugkörper 12 weist eine Trägheitsnavigations-Einheit
auf. Allerdings sind die Anfangskoordinaten und die Zielkoordinaten in der Regel nicht
bekannt, so daß der Flugkörper nicht allein durch Trägheitsnavigation auf das Ziel
geführt werden kann. Der Flugkörper 12 weist zielerfassende Mittel, z.B. ein aktives
oder passives Radar oder einen passiven Infrarot-Suchkopf auf. Die zielerfassenden
Mittel "sehen" das stationäre oder sich im Vergleich zu der Geschwindigkeit des Flugkörpers
12 langsam bewegende Ziel unter einem "Schielwinkel" zur Achse des Flugkörpers.
[0015] Die inertiale Linie zwischen Flugkörper 12 und Ziel stellt die Sichtlinie dar, die
durch einen Vektor σ

dargestellt ist. Die Führung des Flugkörpers 12 erfolgt in Abhängigkeit von der
inertialen Sichtlinien-Drehrate, derart, daß die Sichtlinien-Drehrate auf null geregelt
wird. Wie aus Fig. 1 ersichtlich ist, kann der Sichtlinien-Vektor Fehler aufweisen.
Diese Fehler sind einmal bedingt durch Fehler der Trägheitsnavigation. Das ist durch
den Vektor σ

angedeutet. Es kann aber auch ein Fehler bei der Messung der Sichtlinie auftreten.
Das ist durch den Vektor σ

angedeutet, also die "wahre" Sichtlinie, die von der gemessenen Sichtlinie abweicht.
[0016] Wie in Fig.1 dargestellt ist, ergeben sich bei der steil ansteigenden Flugbahn des
Flugkörpers 12 sehr große Schielwinkel. Bei Überschreiten eines Maximalwertes des
Schielwinkels geht das Ziel verloren. Das Ziel gelangt aus dem Gesichtsfeld des Suchers
des Flugkörpers 12 heraus. Ein anderer Grund für einen Zielverlust kann das Abschalten
einer Quelle von Radarstrahlung sein, wenn das Ziel z.B. eine feindliche Radarstellung
ist. Es sei angenommen, daß dieser Zielverlust in einer Zielverlust-Position 14 geschieht.
Die letzte vor dem Zielverlust gemessene inertiale Sichtlinie σ

wird gespeichert. Ebenso wird die Zielverlust-Position 14 gespeichert. Das kann
dadurch geschehen, daß die Trägheitsnavigations-Einheit des Flugkörpers 12 auf null
gesetzt wird und so die Bewegungen des Flugkörpers 12 im Raum bezogen auf die Zielverlust-Position
14 mißt.
[0017] Wenn der Flugkörper 12 nach dem Zielverlust so geführt würde, daß er nur in die Richtung
der letzten beobachteten Sichtlinie einschwenkt, dann ergibt sich nach der Flugkörper-Dynamik
etwa eine Flugbahn 16, wie sie gestrichelt in Fig.1 dargestellt ist. Diese Flugbahn
16 verläuft im Abstand parallel zu der Linie zwischen Zielverlust-Position 14 und
Ziel. Diese Flugbahn 16 führt nicht zum Ziel. Sie gewährleistet kein Wiedererfassen
des Ziels. Eine Bahnänderung in Richtung auf das Ziel erfolgt jedenfalls nur und erst
dann, wenn das Ziel wieder erfaßt ist. Dann werden in der Regel starke Bahnkrümmungen
verlangt.
[0018] Fig.2 veranschaulicht die Geometrie der Berechnung eines virtuellen Zieles und eines
virtuellen Schielwinkels zu diesem virtuellen Ziel.
[0019] Die Zielverlust-Position 14 ist durch einen Ortsvektor
rn(

) gekennzeichnet. Die Spitze dieses Ortsvektors ist der Startpunkt für den zuletzt
gemessenen Sichtlinienvektor
σ
. Bezogen auf diese Zielverlust-Position 14 ist die jeweils aktuelle Position des
Flugkörpers 12 durch einen Ortsvektor
Δrn gekennzeichnet. Es wird jetzt ein virtuelles Ziel 18 definiert: Dieses virtuelle
Ziel 18 soll auf der Linie 20 zwischen Zielverlust-Position 14 und dem Ziel liegen.
Diese Linie 20 ist durch die gespeicherte Zielverlust-Position 14 und den letzten
beobachteten Sichtlinien-Vektor
σ
bestimmt. Weiterhin soll dieses virtuelle Ziel 18 in einem vorgegebenen Abstand
vom Flugkörper 12 liegen. Dieser Abstand kann willkürlich gewählt werden und sollte
kleiner als die Detektions-Reichweite der zielerfassenden Mittel, also etwa eines
optischen Infrarot-Suchkopfes, des Flugkörpers 12 sein. Damit ist die Position des
virtuellen Ziels 18 eindeutig festgelegt. Man kann diese Position konstruieren, indem
man um die aktuelle Position des Flugkörpers 12 einen Kreis (bzw. eine Kugel) mit
dem gewählten vorgegebenen Abstand schlägt. Der Schnittpunkt dieses Kreises oder dieser
Kugel mit der raumfesten Linie 20 ist die Position des virtuellen Ziels 18. Dieses
virtuelle Ziel liegt immer auf der Linie 20.
[0020] Das virtuelle Ziel 18 definiert wieder einen virtuellen Sichtlinienvektor
σ
von dem Flugkörper 12 zu dem virtuellen Ziel 18. Dieser virtuelle Sichtlinienvektor
σ
bzw. die virtuelle Sichtlinien-Drehrate, also die Drehrate des virtuellen Sichtlinienvektors,
kann berechnet und wie ein real gemessener Sichtlinienvektor zur Führung des Flugkörpers
12 zu dem virtuellen Ziel 18 benutzt werden. Da das virtuelle Ziel 18 stets auf der
Linie 20 liegt, schwenkt der Flugkörper 12 dadurch "sanft" auf einer Bahn 22 mit optimalen
Querbeschleunigungen in die Linie 20 der unmittelbar vor dem Zielverlust gemessenen
Sichtlinie
σ
ein. Diese gemessene Sichtlinie
σ
kann, wie schon im Zusammenhang mit Fig. 1 erläutert wurde, durch Meßfehler von der
"wahren" Sichtlinie
σ
abweichen. Das ist auch in Fig.3 dargestellt. Spätestens nach dem Einschwenken des
Flugkörpers 12 auf die Linie 20 wird aber das Ziel, das in der Richtung der wahren
Sichtlinie
σ
liegt, von den zielerfassenden Mitteln des Flugkörpers 12 wieder erfaßt. Die Lenkung
erfolgt dann wieder in konventioneller Weise nach der von den zielerfassenden Mitteln
gemessenen Sichtlinien-Drehrate.
[0021] Quantitativ ergibt sich folgendes:
[0022] Wie aus Fig.2 ersichtlich ist, ergibt sich die virtuelle Sichtlinie aus einem Vektor,
dessen Länge mit k(t) bezeichnet werden soll, in Richtung der zuletzt gemessenen Sichtlinie
σ
, also der Linie 20, und dem auf die Zielverlust-Position 14 bezogenen Ortsvektor
Δrn des Flugkörpers:

[0023] Die noch unbekannte Strecke k(t) kann durch die beiden Dreiecke zwischen den Vektoren
Δrn (t),
yn(t) und
σ
nach dem Satz des Pythagoras berechnet werden:

[0024] Für eine vorgegebene Detektorreichweite r
dtct läßt sich die Gleichung auch schreiben als

[0025] Auf der rechten Seite dieser Gleichung muß der Vektor
yn noch durch die Projektion von
Δrn(t) auf den Sichtlinien-Einheitsvektor
σ
berechnet werden:

[0026] Diese Gleichungen können für jeden Zeitpunkt ab dem Zielverlust in umgekehrter Richtung
gelöst werden. Dadurch wird eine Sichtlinie zu dem virtuellen Ziel 18 rechnerisch
bestimmt. Diese virtuelle Sichtlinie im inertialen Raum muß nun in das flugkörperfeste
Koordinatensystem transformiert werden, um die virtuellen Schielwinkel zu bestimmen.
Die Transformation der vituellen Sichtlinie aus dem inertialen Koordinatensystem "n"
in ein flugkörperfestes Koordinatensystem "M" erfolgt auf Grund folgender Transformationsgleichung:

[0027] Die virtuellen Schielwinkel λ
yM und λ
zM um Nick- und Gierachse im flugkörperfesten System werden dann durch den Vergleich
der Komponenten des Vektors
σ
(
t) mit denen der ersten Spalte der Matrix auf der rechten Seite der Gleichung gewonnen:

1. Verfahren zum Führen eines mit zielerfassenden Mitteln versehenen Flugkörpers (12)
zu einem Ziel nach einem Verlust der Zielinformation,
gekennzeichnet durch die Verfahrensschritte:
(a) Speichern der Zielverlust-Position (14) und der Sichtlinie (σ

,20) und
(b) Fuhren des Flugkörpers (12) auf die von der gespeicherten Zielverlust-Position
(14) ausgehende, gespeicherte Sichtlinie (σ

,20).
2. Verfahren nach Anspruch 1,
gekennzeichnet durch die weiteren Verfahrensschritte:
(a) Bestimmen der aktuellen Position (Δrn) des Flugkörpers (12) relativ zu der Zielverlust-Position,
(b) Festlegung eines virtuellen Zieles (18) auf der von der Zielverlust-Position (14)
ausgehenden, gespeicherten Sichtlinie (σ

,20) in einem vorgegebenen Abstand von der aktuellen Position des Flugkörpers (12),
(c) Berechnen eines virtuellen Sichtlinien-Vektors (σ

) von dem Flugkörper (12) zu dem virtuellen Ziel (18) und
(d) Führen des Flugkörpers (12) nach Maßgabe des virtuellen Sichtlinien-Vektors (σ

).
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß der vorgegebene Abstand kleiner als die Detektions-Reichweite (rdtct) der zielerfassenden Mittel ist.