[0001] Die Erfindung betrifft flammfeste, thermoplastische Formmassen auf Basis von Styrolpolymerisaten,
die eine organische Bromverbindung als Flammschutzmittel enthalten, sowie deren Verwendung
zur Herstellung von selbstverlöschenden Formkörpern.
[0002] Es ist bekannt, daß halogenhaltige. Stoffe als Flammschutzmittel für selbstverlöschende
thermoplastische Kunststoffe verwendet werden können..Um eine ausreichende Wirkung
zu erzielen, müssen verhältnismäßig große Mengen an Halogenverbindungen zugesetzt
werden. Dadurch werden jedoch die mechanischen Eigenschaften der Kunststoffe nachteilig
beeinflußt. Es ist außerdem bekannte daß die flammhemmende Wirkung organischer Bromverbindungen
durch Zusatz organischer Peroxide verbessert wird. Diese haben jedoch den Nachteil,
daß sie toxisch sind und sich mitunter explosionsartig zersetzen.
[0003] In der DT-OS 25 45 223 sind thermoplastische Formmassen auf Basis von Styrolpolymerisaten
beschrieben, welche als hochwirksame Flammschutzmittel Derivate des 1,3-Thiadiazols
enthalten. Geschäumtes Polystyrol, das mit solchen hochbromierten Thiazdiazolderivaten
flammfest ausgerüstet ist, hat den Nachteil, daß ein leicht gelber Farbton, bedingt
durch die Eigenabsorption des Flammschutzmittels, auftreten kann. Außerdem zeigt sich,
daß in manchen Fällen die mechanischen Eigenschaften der Schaumstoffe ungünstig beeinflußt
werden.
[0004] Der Erfindung lag daher die Aufgabe zugrunde, das Angebot an hochwirksamen Flammschutzmitteln
zu erweitern und organische Bromverbindungen zur Verfügung zu stellen, die aufgrund
ihres Eigenschaftsbildes als Flammschutzmittel für die verschiedenen Styrolpolymerisate
eingesetzt werden können.
[0005] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch Bromverbindungen, welche folgende
Bedingungen erfüllen:
a) Die Verbindung enthält im Molekül mindestens einen heterocyclischen Ring mit mindestens
einem Stickstoff als Heteroatom,
b) im Molekül ist mindestens einmal, vorzugsweise zwei-oder dreimal die Gruppierung
N=C-CBr3 enthalten, wobei -N=C ein Bestandteil des heterocyclischen Ringes ist,
c) die Verbindung-ist bei einer Temperatur von 150°C, vorzugsweise bei 180°C, thermisch
so stabil, daß bei einstündiger Temperaturbelastung der Gewichtsverlust weniger als
1% beträgt,
d) Derivate des 1,3,4-Thiadiazols sind ausgenommen,
e) die Zahl der Wasserstoffatome im Molekül ist vorzugsweise gleich oder kleiner als
die Zahl der Bromatome, sie ist insbesondere kleiner als 6 und in speziellen Fällen
gleich 0.
[0006] Als Styrolpolymerisate kommen Polystyrol und Mischpolymerisate des Styrols mit bis
zu 50
Gew.% an Comonomeren in Frage. Comonomere können z.B. α-Methylstyrol, Acrylnitril sowie
Ester der Acryl- oder Methacrylsäure von Alkoholen mit 1 bis 8 Kohlenstoffatomen sein.
In Betracht kommen auch schlagzäh modifizierte Styrolpolymerisate, die durch Polymerisation
von Styrol, gegebenenfalls zusammen mit Acrylnitril, in Gegenwart kautschukartiger
Butadien-, Isopren-, Äthylen/Propylen- oder Acrylester-Polymerisate hergestellt werden,
beispielsweise schlagfestes Polystyrol mit 2 bis 10 Gew.% Polybutadien.
[0007] Besondere Bedeutung haben Formmassen, die sich zur Herstellung selbstverlöschender
Schaumstoffe eignen. Sie enthalten als Treibmittel vorzugsweise flüssige oder gasförmige
organische Verbindungen, die das Polymerisat nicht lösen und deren Siedepunkt unterhalb
des Erweichungspunktes des Polymerisates liegt, z.B. allphatische oder cycloaliphatische
Kohlenwasserstoffe,, wie Propan, Butan, Pentan, Hexan, Heptan oder Cyclohexan;ferner
Kohlendioxid oder Halogenkohlenwasserstoffe wie Methylchlorid, Dichlordifluormethan
oder 1,2,2-Trifluor-1,1,2-trichloräthan. Auch Treibmittelgemisehe sind anwendbar.
Es ist vorteilhaft, 3 bis 10 Gewichtsprozent, bezogen auf die Formmassen, an Treibmittel
zu verwenden.
[0008] Die Formmassen enthalten 0,05 bis 5, vorzugsweise 0,1 bis 3 Gewichtsprozent Flammschutzmittel.
Als Flammschutzmittel kommen organische Bromverbindungen in Frage, welche den oben
genannten Bedingungen genügen. Die Bromatome sitzen im Molekül nicht direkt am heterocyclischen
Ring, sondern liegen als seitenständige Tribrommethyl-Gruppen vor. Es kann angenommen
werden, daß hierin die C-Br-Bindung durch die benachbarte C=N-Bindung im Ring aktiviert
wird, so daß die Brom-Abspaltung erleichtert ist. Darüber hinaus können im Molekül
noch weitere, z.B. aromatisch gebundene Bromatome enthalten sein.
[0009] Besonders geeignet als Bromverbindung ist 2,4,6-Tris-(tribrommethyl)-1,3,5-triazin
der allgemeinen Formel I

[0010] Diese Verbindung kann aus Acetonitril entweder durch Trimerisierung und anschließende
Bromierung in Eisessig oder durch Bormierung und anschließende Trimerisierung hergestellt
werden.
[0011] Weitere geeignete Bromverbindungen sind u.a.:
2-Phenyl-4,6-bis-(tribrommethyl)-1,3,5-triazin der allgemeinen Formel II

2-Phenyl-4,6-bis-(tribrommethyl)-pyrimidin

2-Dlbromphenyl-4,6-bis-(tribrommethyl)-pyrimidin

2,3-Bis-(tribrommethyl)-cinoxalin

2,4-Bis-(tribommethyl)-chinazolin

3,5-Bis-(tribrommethyl)-thiadiazol-(1,2,4)

2-Tribrommethyl-3,3-dimelthyl-bromindolenin

3,5-Bis-(tribrommethyl)-oxadiazal-(1,2,4)

2-Tribrommethyl-benzthiazol

2-Tribrommethyl-benzoxazol

[0012] Bei den Formmassen soll die Anwesenheit anderer, bekannter Eammschutzmittel und Synergisten
nicht ausgeschlossen sein. Die Formmassen können noch weitere Komponenten enthalten,
z.B. Füllstoffe, Farbpigmente, Gleitmittel, Weichmacher, Antistatika, Alterungsschutzmittel,
Stabilisatoren oder solche Verbindungen, welche die Schaumbildung fördern.
[0013] Die organischen Bromverbindungen können beispielsweise auf der Walze, im Extruder
oder in einem Kneter in den Kunststoff eingearbeitet werden. In vielen Fällen können
sie auch bereits vor der Polymerisation den Monomeren zugesetzt werden. Es ist auch
möglich, z.B. bei der Herstellung von Gießfolien, die Polymeren zusammen mit der Bromverbindung
einer Lösung des Kunststoffes zuzusetzen und das Lösungsmittel abzudampfen.
[0014] Bei treibmittelhaltigen Styrolpolymerisaten werden vorzugsweise die organischen Bromverbindungen
oberflächlich auf die Polymerisate aufgebracht. Um ein Verbacken oder Verkleben der
beschichteten treibmittelhaltigen Polystyrol-Teilchen bei der Weiterverarbeitung zu
verhindern, ist es vorteilhaft, zusätzlich zu den Bromverbindungen noch Antiverklebungsmittel
auf die Teilchen aufzubringen. Besonders geeignet dafür ist feinteilige Kieselsäure,
die vorzugsweise in Mengen von 0,005 bis 0,1 Gew.%, bezogen auf die Formmasse, eingesetzt
wird.
[0015] In nachfolgenden Arbeitsschritten wird das treibmittelhaltige Polymerisat aufgeschäumt
und zu Formteilen verschweißt.
[0016] Die Formmassen können in feinteiliger Form, z.B. als Perlen, in Form von Granulat
oder als grobe Pulver vorliegen, wie es beim Mahlen von Substanzpolymerisaten erhalten
wird. Die Teilchen haben vorteilhaft einen Durchmesser von 0,1 bis 6 mm, vorzugsweise
von 0,4 bis 3 mm.
[0017] Die Formmassen können beispielsweise durch Spritzgießen, Strangpressen oder Aufschäumen
und Versintern in Formen zu selbstverlöschenden Formkörpern oder Profilen verarbeitet
werden. Aufgrund ihres relativ geringen Gehaltes an organischen Bromverbindungen haben
die erfindungsgemäßen Formmassen Erweichungspunkte, die sich von denen der ihnen zugrundeliegenden
Polymerisate nur geringfügig unterscheiden.
[0018] Ein besonderer Vorteil der erfindungsgemäß eingesetzten Bromverbindungen ist ihre
hohe Wirksamkeit, auch ohne synergistische Zusätze, wie Peroxide oder Azoderivate.
Ferner werden bei vergleichbarem Bromanteil kürzere Verlöschzeiten als mit herkömmlichen
Flammschutzmitteln erzielt. Außerdem ist das Abtropfen deutlich verringert.
[0019] Die aus den Formmassen hergestellten selbstverlöschenden Formkörper werden auf folge
Weise geprüft:
Zur Prüfung ungeschäumter Massen werden Formkörper mit der Abmessung 0,1 x 10 x 30
cm, zur Prüfung geschäumter Massen solche mit der Abmessung 0,5 x 15 x 40 cm 5 Sekunden
lang in eine Gasflamme von 40 mm Flammenhöhe gehalten und die Flamme anschließend
mit ruhiger Bewegung entfernt. Die Verlöschzeit des Formkörpers nach Entfernen aus
der Flamme ist ein Maß für dessen Flammwidrigkeit. Die angegebenen Verlöschzeiten
sind Mittelwerte aus 10 Brennproben. Ungenügend oder gar nicht schwer entflammbar
ausgerüstete Formmassen brennen nach Entfernen aus der Flamme vollständig ab.
[0020] Die in den Beispielen genannten Teile und Prozente beziehen sich auf das Gewicht.
BeisDiel 1
[0021] Es werden jeweils 30 Teile Polystyrol und verschiedene Mengen organischer Bromverbindungen
der oben aufgezeigten allgemeinen Formeln in 100 Teilen Methylenchlorid gelöst. Der
Lösung werden 3 Teile Pentan zugesetzt. Danach gießt man die Lösung auf eine Glasplatte
aus, läßt das Methylenchlorid bei Raumtemperatur verdunsten. Dabei bleibt das Pentan
in homogener Verteilung in der Mischung. Die so erhaltene Folie wird in Wasserdampf
von 100°C aufgeschäumt und im Vakuum bei 35
0C 12 Stunden lang getrocknet. Die erhaltenen Schaumstoff-Folien sind- soweit sie die
erfindungsgemäßen Bromverbindungen enthalten - reinweiß. Sie werden nach der oben
angegebenen Methode auf ihre Schwerentflammbarkeit geprüft. Die Ergebnisse sind in
der Tabelle wiedergegeben.
[0022] Als Synergist wurde in einigen Fällen Dicumylperoxid eingesetzt. In Vergleichsversuchen
wurden folgende Bromverbindungen verwendet:
A: Hexabromeyclododecan
B: Tetrabromthiophen
C: 5,5',7,7'-Tetrabromindigo
D: Hexabrombenzol

[0023] Die Versuche a, b, q und r sind nicht erfindungsgemäß. Hier wird auch ein stärkeres
Abtropfen beobachtet.
Beispiel 2
[0024] Beispiel 1 c wird wiederholt, wobei ein Copolymerisat aus 90 % Styrol und 10 % Acrylnitril
verwendet wird. Die Verlöschzeit betrug 0 Sekunden.
Beispiel 3
[0025] Eine Mischung aus 100 Teilen eines Styrolpolymerisates das durch Polymerisieren von
95 Teilen Styrol in Gegenwart von 5 Teilen Polybutadien hergestellt wurde, und einem
Teil des Flammschutzmittels I wird in einem Extruder mit Breitschlitzdüse zu Folien
von 1 mm Dicke extrudiert. Die erhaltene Folie verlischt 1,0 Sekunden nach dem Entfernen
der Flamme. Prüft man vergleichsweise eine Folie, die 1,5 Teile Hexabromcyclododecan
und 0,5 Teile Dicumylperoxid enthält, so verlöscht die Folie nach 8 Sekunden.
Beispiel 4
[0026] An einem Doppelschneckenextruder ist im ersten Drittel des Zylinders ein Stutzen
zum Einpressen von Flüssigkeiten angebracht. In diesen Einfüllstutzen wird ein Gemisch
aus 100 Teilen Polystyrol, 1,5 Teilen des Flammschutzmittels I und 1 Teile Kaolin
als Keimbildner eingebracht. Die Temperatur beträgt in der Aufschmelzzone 180°C. In
der anschließenden Mischzone werden durch den Stutzen solche Mengen Methylchlorid
eingepreßt, daß die am Düsenkopf austretende Mischung etwa 10 %, bezogen auf das Polystyrol,
an Methylchlorid enthält. In der Mischzone beträgt die Temperatur 160°C. In der anschließenden
Kühlzone wird die Mischung so weit abgekühlt, daß die aus der Düse austretende Mischung
eine Temperatur von 110°C hat.-Der aus der Düse austretende Strang schäumt auf. Der
erhaltene Schaumstoff hat eine Dichte von etwa 40 g/l. An einem Prüfkörper verlöscht
die Flamme praktisch sofort.
Beispiel 5
[0027] In einem Rührgefäß löst man in 400 Teilen Wasser 0,64 Teile Polyvinylpyrrolidon als
Schutzkolloid und 0,6 Teile Natriumpyrophosphat. Dazu gibt man 200 Teilen Styrol,
in welchem zuvor 14 Teile Pentan, 0,75 Teile Benzoylperoxid'und 1 Teil des Flammschutzmittels
I gelöst wurden. Man heizt unter Rühren während 20 Stunden auf 70°C und hält weitere
15 Stunden bei 85°C. Das entstandene treibmittelhaltige Polystyrol wird abgetrennt,
gewaschen und getrocknet. Die nach Einwirkung von Wasserdampf erhaltenen vorgeschäumten
Teilchen werden nach eintägiger Lagerung durch weitere Behandlung mit Wasserdampf
in einer Form zu Schaumpolystyrol-Blöcken verschweißt. Die Farbe dieser Blöcke ist
reinweiß. Man schneidet aus ihnen mit Hilfe eines elektrisch beheizten Drahtes Schaumstoffplatten
von 1,5 cm Dicke. Diese werden mehrere Tage bei Raumtemperatur gelagert und auf etwa
30 x 40 cm zurechtgeschnitten. Anschließend hält man derartige Platten mit ihrer Kante
in eine leuchtende Gasflamme, entfernt diese und mißt die Zeit bis zum Verlöschen
des Schaumes. Die Verlöschzeit beträgt 0 Sekunden bzw. die Proben entflammen praktisch
nicht.
Beispiel 6
[0028] Ein expandierbares Polystyrol-Granulat mit einem Gehalt von 6,4 % Pentan und einem
mittleren Teilchendurchmesser von 1,5 mm wird mit 0,3 % pulverförmigem Flammschutzmittel
I, sowie 0,025 % Kieselsäure einer mittleren Teilchengröße von 12
/um als Antiverklebungsmittel durch einfaches Auftrommeln im Schaufelmischer 3 Minuten
vermischt. Aus dem Granulat wird durch Behandlung mit Wasserdampf ein Schaumstoff
erhalten, an dem eine Verlöschzeit von 0,5 Sekunden gemessen wird.
Beispiel 7
[0029] Ein expandierbares Polystyrol-Granulat mit einem Gehalt von 6,4 % Pentan wird mit
0,3 Gew.% pulverförmigem Flammschutzmittel X bzw. XI sowie 0,025 Gew.% Kieselsäure
als Antiverkelbungsmittel durch einfaches Auftrommeln im Schaufelmischer 3 Minuten
vermischt. Aus dem Granulat wird durch Behandlung mit Wasserdampf ein Schaumstoff
erhalten. Zum Vergleich wurde als bekanntes Flammschutzmittel Hexabrom- cyclododecan
(HBCD) eingesetzt.
[0030] Folgende Verlöschzeiten werden an den Schaumstoffen gemessen:
I : 9 sec
II : 10 sec
HBCD : 20 sec.
1. Flammfeste, thermoplastische Formmassen auf Basis von Styrolpolymerisaten, die
0,05 bis 5 Gewichtsprozent einer organischen Bromverbindung als Flammschutzmittel
sowie gegebenenfalls ein Treibmittel enthalten, dadurch gekennzeichnet, daß die Bromverbindung
folgende Bedingungen erfüllt:
a) die Verbindung enthält im Molekül mindestens einen heterocyclischen Ring mit mindestens
einem Stickstoff als Heteroatom,
b) im Molekül ist mindestens einmal die Gruppierung N=C- Br3 enthalten, wobei -N=C- ein Bestandteil des heterocyclischen Ringes ist,
c) die Verbindung ist bei einer Temperatur von 150°C thermisch so stabil, daß bei
einstündiger Temperaturbelastung der Gewichtsverlust weniger als 1 % beträgt,
d) Derivate des 1,3,4-Thiadiazols sind ausgenommen.
2. Flammfeste, thermoplastische Formmasssn nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,.
daß sie 3 bis 10 Gewichtsprozent eines flüssigen oder gasförmigen organischen Treibmittels
enthalten.
3. Flammfeste, thermoplastische Formmassen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
daß die Bromverbindung 2,4,6-Tris-(tribrommethyl)-1,3,5-triazin ist.
4. Verwendung der Formmassen nach Anspruch 1 zur Herstellung von selbstverlöschenden
Formkörpern durch Spritzgießen, Strangpressen oder Aufschäumen und Versintern.
5. Verwendung der Formmassen nach Anspruch 2 zur Herstellung von selbstverlöschenden
Schaumstoffen.