[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von hydrophilen Kern/Mantelstruktur
aufweisenden Fäden oder Fasern aus fadenbildenden Polymeren, insbesondere aus Acrylnitrilhomo-
oder Copolymerisaten nach der Trocken-Düsen-Naßspinnmethode in Gegenwart von Wasserdampf
als erstes Fällmedium für Polyacrylnitrilfäden.
[0002] Das Trocken-Düsen-Naßspinnverfahren wird im allgemeinen angewendet, um die Verstreckung
der Fäden zu erleichtern, die Porosität der Faserstruktur zu verringern (vergl. die
DT-OS 1 660 463), oder aber auch wie in der US-PS 3 415 922 beschrieben, um den Rohton
der Fäden zu verbessern. Der Abstand zwischen Düse und Badoberfläche darf nach der
DT-OS 1 660 463 nicht mehr als 11,4 cm betragen, um ein Zusammenlaufen und Verkleben
der einzelnen Spinnfäden zu verhindern. Dieser maximale Abstand von 11,4 cm wird verwirklicht,
indem man zur Verstärkung der anfänglichen Koagulierung des ausgespritzten fadenbildenden
Materials die Fäden durch eine Nebelatmosphäre aus Wasser, dem Spinnlösungsmittel
oder einem Gemisch der beiden, welches mittels Luftzufuhr aus Düsen in einer Kammer
feinst versprüht wird, geleitet werden, ehe die Fäden im Fällbad vollständig koaguliert
werden.
[0003] Es wurde nun überraschenderweise gefunden, daß man anstelle von unporösen Fasern
Kern/Mantelstruktur aufweisende Acrylfasern hoher Hydrophilie nach der Trocken-Düsen-Naßspinnmethode
erhält, wenn man Wasserdampf statt fein zerstäubter Wasser-Luftgemische bzw. Wasser-Luft-Lösungsmittelgemische
als erstes Fällmedium einsetzt.
[0004] Gegenstand der Erfindung ist demgemäß ein Verfahren zur Herstellung von hydrophilen
Kern-Mantel-Struktur aufweisenden Fäden oder Fasern aus fadenbildenden synthetischen
Polymeren mit einer Porosität von mindestens 10 % und einem Wasserrückhaltevermögen
von mindestens 10 % hei einer Faserquellung, die geringer ist als das Wasserrückhaltevermögen,
durch Verspinnen einer Polymerlösung nach dem Trocken-Dtisen-NaBspinnverfahren, dadurch
gekennzeichnet, daß man die Fäden unmittelbar nach Austritt aus der Spinndüse und
vor dem eigentlichen Koagulationsprozeß im Fällbad mit Wasserdampf oder dem Dampf
einer anderen die Fäden koagulierenden Flüssigkeit in Berührung bringt.
[0005] Bei dieser Technik, d.h. bei der Verwendung von Wasserdampf spielt auch der aus der
Patentliteratur bekannte maximal einzuhaltende Abstand zwischen Düse und Fällbadoberfläche
von 11,4 cm keine wesentliche Rolle. Der Abstand zwischen Düse und Rällbad kann beispielsweise
50 cm und mehr betragen, ohne daß die Fäden zusammenlaufen und verkleben.
[0006] Zwedkmäßigerweise wird der Wasserdampf oberhalb der Düse in den Spinnschacht zentral
eingeblasen. Es können auch Dampf/Luftgemische eingesetzt werden. Im allgemeinen reichen
Dampfmengen von ca. 1 kg Dampf pro kg Spinngut aus, um bereits hydrophile Kern/Mantelstruktur
aufweisende Acrylfasern zu erzeugen, wenn man von einer Polyacrylnitrilspinnlösung
der Konzentration ca. 30 % ausgeht.
[0007] Nach dem erfindungsgemäßen Verfahren werden Polymerisate, die normalerweise nicht
hydrophil sind, vorzugsweise Acrylnitrilpolymerisate und besonders bevorzugt.solche
mit mindestens 50 Gew.-%, insbesondere mit mindestens 85 Gew.-% AcrylnitrilEinheiten,
versponnen.
[0008] Erfindungsgemäß geeignete Dämpfe zur Vorkoagulation der noch nicht verfestigten Fäden
sind neben Wasserdampf alle Dämpfe von Substanzen, die für die versponnenen Polymerisate,
insbesondere Acrylnitrilpolymerisate, ein Nichtlösungsmittel darstellen wie beispielsweise
im Falle von Acrylnitrilpoly- merisaten,ein- und mehrfach substituierte Alkyläther
und -ester mehrwertiger Alkohole, wie Diäthylenglykol, Tripropylenglykol, Glykolätheracetate.
Ferner sind Alkohole wie 2 Äthylcyclohexanol, Glycerin, Ester oder Ketone oder Gemische,
z.B. aus Äthylenglykolacetaten, geeignet. Besonders bevorzugt sind neben Wasser solche
Substanzen, die sich leicht verdampfen lassen, deren Flammpunkt hoch liegt und deren
Brennbarkeit gering ist, beispielsweise Methylenchlorid und Tetrachlorkohlenstoff.
[0009] Je nach Intensität der Dampfeinblasung auf die Polymer fäden lassen sich sowohl die
Querschnittsstruktur als auch die Breite der Mantelfläche und die Hydrophilie der
Fäden steuern.
[0010] Die Dicke und somit die Saumbreite der Mantelfläche läßt sich erfindungsgemäß durch
die Wahl des Verhältnisses von Luft zu Dampfgemisch oder auch nur der Dampfmenge derart
steuern, daß bei hohen Dampfmengen vorzugsweise Kern/Mantelfasern mit großer Saumbreite
der Mantelfläche,'die bis zu ca. 75 % der gesamten Faserquerschnittfläche ausmachen
können, erzeugt werden.
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[0011] Setzt man bein Spinnprozeß nur wenig Dampf ein, so erhält man ungekehrt Kern/Mantelfasern,
die sich mehr und mehr der beim Naßspinnprozeß üblichen Querschnittsstruktur nähern
und die ein entsprechend niedriges Wasserrückhaltevermögen aufweisen.
[0012] Die Querschnittsstruktur der Kern/Mantelfasern wurde anhand von elektronenmikroskopischen
Aufnahmen bestimmt. Zur Bestimmung des Kern- bzw. Mantelflächenanteils der Fasern
wurden jeweils ca. 100 Faserquerschnitte durch quantitative Analyse mit dem Bildanalysengerät
"Classimat" der Firma LEITZ ausgewertet.
[0013] Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird der Dampf bevorzugt oberhalb der Spinndüse
in Richtung des Fadenabzuges eingeblasen. Es ist jedoch eine Anblasung quer zu den
Fäden auch unterhalb der Düse möglich, wenn die Anblasung so erfolgt, daß keine zu
starke Turbulenz auftritt.
[0014] Die Fäden und Fasern hergestellt nach dem Verfahren gemäß der vorliegenden Erfindung
zeigen durch ihre poröse Kern-Mantel-Struktur eine hohe Saugfähigkeit, Wasseraufnahme
ohne Quellung, schnellen Feuchtigkeitstransport und hohe Feuchteaufnahme sowie, ebenfalls
bedingt durch die poröse Struktur, eine niedrig Dichte. Durch die Summe dieser positiven
Eigenschaften in einem einzigen Faserprodukt wird somit eine Faser zur Verfügung gestellt,
aus der sich textile Gebilde, insbesondere Kleidungsstücke, fertigen lassen, die ihrem
Träger einen hervorragenden Tragekomfort vermitteln.
[0015] Die Bestimmung der zur Charakterisierung der Fäden dienenden physikalischen Größen
wurde wie nachstehend beschrieben, ausgeführt. Diese Meßmethoden beziehen sich auf
gefärbte bzw. blindgefärbte von Präparation befreite Fasern, Garne oder Textilflächengebilde.
Meßmethoden:
Quecksilber-Dichte-Bestimmung (ϕ Hg)
[0016] Nach Ausheizen der Probe bei 50°C unter Vakuum (10
-2 mbar) wird die Hg-Dichte (mittlere scheinbare Dichte) durch Volumenmessungen in Quecksilber
bei einem Überdruck von 10 bar festgestellt.
Helium-Dichte-Bestimmung (ϕHe)
[0017] Nach Ausheizen der Probe bei 50°C unter Vakuum (10
-2 bar) wird die Helium-Dichte ("wahre Dichte) durch Volumenmessung in Helium mit einem
Gasvergleichspyknometer festgestellt.
Definition der Porosität (P)
[0018] 
Definition der Kern-Mantel-Struktur
[0019] Im Rasterelektronenmikroskop nach üblichen Techniken - mit Gefrierbruch, Ionenätzung
und Goldbedampfung - präparierte Proben lassen im Faserquerschnitt eine Kern-Mantel-Struktur
erkennen, dadurch gekennzeichnet, daß die im Kern erkennbaren Poren im Mittel deutlich
größer sind als die Poren im Mantel. Der Mantel kann insbesondere kompakt erscheinen,
d.h. im wesentlichen keine Poren über 300 Å Durchmesser aufweisen.
[0020] Die Manteldicke an der Faseroberfläche wird bestimmt als der Abstand des Faser-Äußeren
(von außen senkrecht nach innen schreitend) bis zu der Stelle,an der der geschilderte
Strukturunterschied erkennbar wird.
Bestimmung des Wasserrückhaltevermöqens (WR):
[0021] Das Wasserrückhaltevermögen wird in Anlehnung an die DIN-Vorschrift 53814 (vgl. Melliand
Textilberichte 4 1973, Seite 350) bestimmt.
[0022] Die Faserproben werden 2 Stunden in Wasser getaucht, das 0;1 % Netzmittel enthält.
Danach werden die Fasern 10 Minuten zentrifugiert mit einer Beschleunigung von 10
000 m/sec
2 und die Wassermenge gravimetrisch ermittelt, die in und zwischen den Fasern zurückgehalten
wird. Zur Bestimmung des Trockengewichtes werden die Fasern bis zur Feuchtekonstanz
bei 105°C getrocknet. Das Wasserrückhaltevermögen (WR), in Gewichtsprozent ist:
mf = Gewicht des feuchten Fasergutes
mtr = Gewicht des trockenen Fasergutes.
[0023] Die folgenden Beispiele dienen der weiteren Erläuterung der Erfindung. Teil- und
Prozentangaben beziehen sich, wenn nicht anders vermerkt, auf das Gewicht.
Beispiel 1
[0024] Ein Acrylnitrilcopolymerisat aus 93,6 % Acrylnitril, 5,7 % Acrylsäuremethylester
und 0,7 % Natriummethallylsulfonat wurde in Dimethylformamid (DMF) bei 80°C gelöst.
Die filtrierte Spinnlösung, die eine Endkonzentration von ca. 30 Gew.-% aufwies, wurde
aus einer 24 Loch-Ringdüse vertikal durch eine Dampfatmosphäre in ein wäßriges Koagulationsbad
gesponnen. Im Zentrum der Düse wurde ein siebförmiger Verteiler eingebaut, über den
der Dampf in ein 50 cm langes Rohr vom Durchmesser 275 mm, welches ca. 2 cm über dem
wäßrigen Fällbad endete, durchgeleitet wurde. Die Dampftemperatur betrug 112
0C. Es wurde 9,5 kg Dampf pro Stunde durch das Rohr geschickt. Als Badflüssigkeit wurde
ein Wasser/DMF-Gemisch im Verhältnis 1:1 verwendet. Die Filamente wurden mit 61,5
m/Minute abgezogen und durchliefen dabei nach der Dampfzone insgesamt eine Fällbadstrecke
von 60 cm.
[0025] Anschließend wurden die Fäden in kochendem Wasser 1:6fach verstreckt bei 80°C, in
Wasser gewaschen und bei 100°C getrocknet. Die Einzelfäden vom Endtiter 3,3 dtex hatten
ein Wasserrückhaltevermögen nach DIN 53 814 von 42 %. Die Fäden besaßen eine ausgesprochene
Kern/Mantelstruktur bei unregelmäßiger, mehrfach gezackter Querschnittsform. Der Flächenanteil
des Mantels betrug ca. 20 % der gesamten Querschnittsfläche. Die Porosität betrug
31,8 % ϕHe = 1,175 ; ϕHg = 0,802). t
Beispiel 2
[0026] Ein Acrylnitrilcopolymerisat mit der chemischen Zusammensetzung von Beispiel 1 wurde
ähnlich wie in Beispiel 1 beschrieben versponnen. Die Dampftemperatur betrug 105°C.
[0027] Es wurde 11 kg Dampf pro Stunde durch das Rohr geschickt. Im Koagulationsbad befand
sich ein Gemisch aus 35 % DMF und 65 % Wasser. Die Fällbadstrecke war 80 cm lang.
Die Filamente wurden wieder mit 61,5 m/Minute aus der Düse angezogen, analog verstreckt,
gewaschen und getrocknet. Die Einzelfäden vom Endtiter 3,3 dtex hatten ein Wasserrückhaltevermögen
von 43 %. Die Fäden besaßen wieder eine ausgesprochene Kern/Mantelstruktur bei bohnenförmiger
bis ovaler Querschnittsform. Der Flächenanteil des Mantels betrug ca. 30 % der gesamten
Querschnittsfläche. Die Porosität betrug 31,7 % (ϕ He = 1,170: ϕHg = 0,799).
Beispiel 3
[0028] Ein Acrylnitrilcopolymerisat mit der chemischen Zusammensetzung von Beispiel 1 wurde
wie in Beispiel 2 beschrieben versponnen, verstreckt und zu Fäden nachbehandelt. Das
Koagulationsbad bestand aus reinem Wasser. Die Einzelfäden vom Endtiter 3,3 dtex hatten
ein Wasserrückhaltevermögen von 43 %. Die Fäden besaßen wiederum Kern/Mantelstruktur
bei bohnenförmiger bis trilobaler Querschnittsform. Flächenanteil des Mantels ca.
30 %. Die Porosität betrug 32,0 % (ϕ He = 1,180; ϕ Hg = 0,803).
Beispiel 4
[0029] Ein Teil der Spinnlösung aus Beispiel 1 wurde wie dort beschrieben versponnen und
nachbehandelt. Die eingespeiste Dampfmenge betrug 5 kg pro Stunde. Die Dampftemperatur
lag bei 110
0C. Das Koagulationsbad bestand aus 40% DMF und 60 % Wasser. Die Fällbadstrecke war
50 cm lang. Die Einzel- . fäden vom Endtiter 3,3 dtex hatten ein Wasserrückhaltevermögen
von 36 %. Die Fäden besaßen wieder Kern/Mantelstruktur bei unregelmäßiger trilobaler
bis pilzförmiger Querschnittsform. Der Flächenanteil des Mantels betrug ca. 15 % der
gesamten Querschnittsfläche. Die Porosität betrug 28,4 % (ϕ
He = 1,180; ϕHg = 0.845).
Beispiel 5 (Vergleich)
[0030] Ein weiterer Teil der Spinnlösung aus Beispiel 1 wurde wie dort beschrieben versponnen.
Anstelle von Dampf wurde Luft von 115°C durch das Rohr geblasen und die Fäden analog
wie in Beispiel 1 beschrieben in ein Fällbad koaguliert, verstreckt und nachbehandelt.
Die Einzelfäden vom Endtiter 3,3 dtex haben eine bohnenförmige bis ovale Querschnittsform,
jedoch keine Kern/Mantelstruktur. Das Wasserrückhaltevermögen beträgt 6 %. Die Porosität
betrug 4,5 % (ϕ He- 1,180:ϕ H9 = 1,128).