[0001] Die Erfindung betrifft neue Organozinnhalogenide und ein Verfahren zu deren Herstellung.
[0002] Die bekannten technischen Verfahren zur Herstellung von Organozinnhalogeniden, wie
Dibutylzinndichlorid, Monobutylzinntrichlorid oder Dioctylzinndichlorid sind sehr
aufwendig sowie z. T. gefährlich und daher kostspielig, da sie auf der Grignard-,
Aluminiumalkyl-oder Wurtz-Synthese basieren. Nach diesen Synthesen werden aus Alkyl-
oder Arylchloriden und Zinntetrachlorid (Grignard, Wurtz) bzw. aus Aluminiumalkylen
und Zinntetrachlorid Tetraalkyl- oder Tetraarylverbindungen hergestellt, die dann
durch Komproportionierungsverfahren mit Zinntetrachlorid in die gewünschten Tri-,
Di- und Monoorganozinnchloride überführt werden.
[0003] Weniger problematisch sind andere, auf metallischem Zinn basierende Verfahren. Nach
dieser Direkt-Synthese setzt man Zinn mit Alkylhalogeniden zu Alkylzinnhalogeniden
um. Die Darstellungsmethode hat jedoch verschiedene Nachteile, etwa die erforderlichen
hohen Reaktionstemperaturen, insbesondere beim Einsatz von Alkylchloriden, und die
Notwendigkeit der Verwendung von Katalysatoren wie N- und P-haltigen Verbindungen
zusammen mit Jod- .verbindungen (DT-ASS 1 240 081 und 1 274 580), organischen Phosphiten
(DT-OS 1 468 494), Ammonium-oder Phosphoniumverbindungen (DT-AS 1 277 255 und DT-OS
1 817 549), Gemischen aus metallischem Magnesium und Jod oder Alkyljodiden (US-PS
3 440 255) usf.
[0004] Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung von Organozinnhalogeniden besteht darin,
metallisches Zinn und Halogenwasserstoff mit aktivierten Olefinen umzusetzen. Es sind
dies Olefine der allgemeinen Formel

in der B, C und D für Wasserstoff oder einen Kohlenwasserstoffrest stehen und der
Rest A, gegebenenfalls aber auch noch der Rest B eine der olefinischen Doppelbindung
benachbarte Carbonylgruppe enthält (DT-OS 2 607 178). Die nach diesem Verfahren in
hohen Ausbeuten herstellbaren Mischungen aus Organozinndi- und-trihalogeniden sind
jedoch in manchen Fällen, insbesondere wenn bei höheren Temperaturen umgesetzt wird,
durch in Nebenreaktionen gebildete Polymere der Ausgangsolefine verunreinigt, und
diese Nebenprodukte lassen sich praktisch nicht abtrennen. Wenn sie im Verlauf der
Weiterverarbeitung der Organozinnhalogenide auf Organozinnstabilisatoren mit diesen
in kunststoffmassen gelangen, führt dies zu im allgemeinen unerwünschten Trübungen
der Massen.
[0005] Es wurde nun gefunden, daß bei Einsatz andersartiger Olefine, die zwar in Nachbarstellung
zur olefinischen Doppelbindung ebenfalls eine Carbonylgruppe enthalten, jedoch zusätzlich
durch mindestens eine, der Doppelbindung nicht benachbarte Carboxylatgruppe substituiert
sind, überraschenderweise von Polymerisaten der betreffenden Olefine freie, bisher
nicht beschriebene Organozinnhalogenide in Form von Mischungen aus Di- und Trihalogeniden
herstellbar sind.
[0006] Die neuen Organozinnhalogenide besitzen die allgemeinen Formeln

in denen
R OH, Halogen, NH2, ein Alkyle oder Arylaminorest, ein O-Alkylrest oder ein O-Arylrest ist, wobei die
beiden letztgenannten Reste auch aryl- bzw. alkylsubstituiert sein können und sowohl
als solche als auch in der aryl- bzw. alkylsubstituierten Form als zusätzliche Substituenten
gegebenenfalls noch Halogen oder eine Hydroxyl-, Thioäther-, Äther-und/oder Carboxylgruppe
tragen,
R2 bis R4 gleich oder verschieden sein können und die Bedeutung von 0 bis 2 Wasserstoffatomen
sowie Alkylresten mit 1 bis 20 C-Atomen haben, wobei jedoch mindestens einer dieser
Reste eine

-Gruppe, in der n eine Zahl von 1 bis 15 ist, darstellt,
X für Chlor, Brom oder Jod steht
und die sich in den beiden Gemischkomponenten I und II entsprechenden Reste R
1 bis R
4 und X stets gleich sind.
[0007] Beispiele für R
1 sind -OH, -NH
2, -Cl, -Br. -J, Alkyl-und Arylaminoreste wie -NH(CH
3),

O-Alkylreste wie -
OCH3, -OC
2H
5, -OC
8H
17,

-O-CH
2-CH
2-OH,

-O-CH
2-CH
2-Cl, -O-CH
2-CH
2-O-CH
3, -O-CH
2-CH
2-S-CH
2-CH
2-OH,

und O-Arylreste wie.

[0008] Beispiele für R
2 bis R
4 sind mindestens ein Rest der Struktur

mit n = 1 bis 15, z.B. -CH
2-CO
2H, -CH
2-CO
2CH
3, -CH
2-CH
2-CO
2-C
8H
17, -(CH
2)
11-CO
2-CH
2-CH
2-O-C
4H
9,

daneben Wasserstoff, Methyl, Äthyl, Propyl, Hexyl, Dodecyl, Octadecyl.
[0009] Bevorzugt sind Verbindungen, bei denen R
1 ein O-Alkylrest mit 1 bis 40, vorzugsweise 1 bis 30 und insbesondere 1 bis 20 Kohlenstoffatomen
und
R3 und
R4 Wasserstoff ist, R
2 den Rest

mit dem für R vorstehend angegebenen Vorzugsbereich darstellt und X Chlor bedeutet.
[0010] Zur Herstellung der neuen Organozinnhalogenide geht man in der Weise vor, daß man
metallisches Zinn und Halogenwasserstoff mit einem Olefin der allgemeinen Formel

in der R
1 bis
R4 die oben angegebenen Bedeutungen haben, zur Reaktion bringt. Einige typische Vertreter
geeigneter Olefine seien im folgenden aufgezählt:.

Itaconsäuredimethylester 2-Methylenglutarsäuredibutylester

Glutaconsäure-di-äthylester 2-Methylenadipinsäuxe-di-n-octylester

Propylidenbernsteinsäure-di- Traumatinsäure propylester

Tetradecen-1-dicarbonsäure- Teraconsäure-di-äthylester (1,14)
[0011] Bevorzugte Olefine sind die Ester der Itaconsäure.
[0012] Die Reaktion kann ohne Lösungsmittel oder in z.B. Äthern, wie Diäthyläther, Tetrahydrofuran,
Dioxan oder 1,2-Dimethoxy-äthan, in Estern wie Äthylacetat, in Ketonen wie Aceton
oder Äthylmethylketon, in Alkoholen, wie Methanol, Äthanol und Butanol, in aromatischen
Kohlenwasserstoffen, wie Toluol, Xylol, Chlorbenzol usf., in aliphatischen Kohlenwasserstoffen,
wie Benzinen, chlorhaltigen Aliphaten wie Chloroform und Tetrachlorkohlenstoff, in
Wasser (als konz. Salzsäure) oder auch in einem Olefin-Uberschuß durchgeführt werden.
[0013] Der Halogenwasserstoff kann in Gasform oder als wäßrige Lösung, vor allem als konzentrierte
wäßrige Lösung, in die Reaktion eingebracht werden. Bevorzugt ist Chlorwasserstoff.
[0014] Das metallische Zinn ist in jeglicher Form zur Umsetzung geeignet, bevorzugt ist
jedoch aufgrund seiner großen, d.h. reaktiven Oberfläche das pulverförmige Zinn, jedoch
ist auch granuliertes Zinn brauchbar.
[0015] Die Umsetzung kann entweder so gestaltet werden,.daß man das Olefin, Lösungsmittel
und Zinn vorlegt und Halogenwasserstoff einbringt oder das Olefin/Lösungsmittelgemisch
mit Halogenwasserstoff sättigt und erst dann Zinn zugibt.
[0016] Die Reaktion läßt sich bei Temperaturen zwischen 0 und 150°C durchführen, zweckmäßigerweise
arbeitet man zwischen etwa O und 100, vorzugsweise bei 20 bis 80°C.
[0017] Die bei der Umsetzung erhältlichen Oraganozinnhalogenide stellen Gemische aus Di-
und Monoorganozinnhalogeniden der allgemeinen Formel (R)
2SnHal
2 und (R)SnHal
3 dar, wobei dem.Rest R die allgemeine Struktur

zuzuschreiben ist. Diese Struktur ist aufgrund der analytischen und spektroskopischen
Daten, des Reaktionsverlaufs und der Chemie dieser Olefine als sehr wahrscheinlich
anzusehen. Das ungefähre Verhältnis der Di- zur Monoverbindung kann aus den Chlorgehalten
der Reaktionsprodukte rechnerisch ermittelt werden, es schwankt in weiten Bereichen
und hängt von den Ausgangsprodukten und den Verfahrensbedingungen (z.B. vom verwendeten
Lösungsmittel und der Einleitgeschwindigkeit des Halogenwasserstoffs) ab. Der Anteil
an Monoorganozinntrichlorid (R)SnCl
3 im Reaktionsgemisch liegt im allgemeinen zwischen 0,01 und 80 Gew.-%, d.h. das Verhältnis
von Diorganozinnchlorid zu Monoorganozinnchlorid beträgt etwa 1 : O bis 1 : 4.
[0018] Eine Trennung der Di- und Trihalogenide ist nach bekannten Methoden, z.B. durch fraktionierte
Kristallisation, möglich, jedoch insbesondere dann nicht erforderlich, wenn die Verfahrensprodukte
auf Zinnstabilisatoren weiterverarbeitet werden.
[0019] Die neuen Organozinnhalogenide stellen wertvolle Zwischenprodukte dar, die sich z.B.
zur Synthese von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln und als Ausgangsprodukte
zur Herstellung von Wärmestabilisatoren für die Kunststoffverarbeitung eignen.
'Beispiele
Beispiel 1
[0020] Ein mit Rühreinrichtung, Innenthermometer und einem Gaseinleitrohr ausgestatteter
500-ml-Dreihalskolben wurde mit 79 g (0,5 Mol) Itaconsäuredimethylester, 29,6 g (0,25
Mol) Zinnpulver und 150 ml Diäthyläther beschickt. Innerhalb von 2,5 Stunden wurden
unter kräftigem Rühren und unter Kühlung bei einer Temperatur von 20 bis 25°C gleichmäßig
insgesamt 36,5 g (1 Mol) trockener, gasförmiger Chlorwasserstoff eingeleitet. Man
rührte bei 20 bis 25°C noch 10 Stunden weiter. Danach war kein Zinn mehr vorhanden.
Anschließend zog man unter Wasserstrahlvakuum den Äther und den überschüssigen Chlorwasserstoff
ab. Zurück blieb eine helle, hochviskose Flüssigkeit, die kein Zinn-II-chlorid enthielt.

Berechnung des Anteiles an (R)
2SnCl
2 und (R)SnCl
3 aus dem gefundenen Chlorgehalt. (R=

ca. 59 % (R
2)SnCl
2 und ca. 41 % (R?SnCl
3.
[0021] Aus den Chloranalysen ergibt sich weiterhin, daß praktisch kein Chlorwasserstoff
an die Doppelbindung des Itaconsäuredimethylesters angelagert worden ist. Die gefundene
Jodzahl beweist, daß praktisch kein Itaconsäureester mehr vorhanden ist.
[0022] Erhitzt man das Reaktionsprodukt in genügend Toluol, so entsteht eine klare Lösung,
aus der beim Abkühlen die Verbindung der Struktur in Form von weißen Kristallen vom
Smp. 144 bis 146°C ausfällt.

Beispiel 2
[0023] In der in Beispiel 1 beschriebenen Apparatur wurden 197,5 g (1,25 Mol) Itaconsäuredimethylester
und 29,6 g (0,25 Mol) Zinnpulver vorgelegt und auf 45°C erwärmt. Innerhalb von 4 Stunden
wurden bei dieser Temperatur 36,5 g (1 Mol) Chlorwasserstoffgas gleichmäßig eingeleitet.
Nach weiterem 4-stündigem Rühren bei 45°C war kein Zinn mehr vorhanden. Anschließend
zog man den überschüssigen Chlorwasserstoff ab und destillierte bei einer Bad-Temperatur
von 120°C und 10 Torr den Itaconsäuredimethylester-Uberschuß ab. Es blieb ein helles,
viskoses, Zinn-II-chlorid-freies Produkt zurück, das auch keinerlei Polymere enthielt.

Beispiel 3
[0024] Es wurde wie in Beispiel 2 gearbeitet; jedoch bei einer Temperatur von 120 bis 125°C.
[0025] Das Verfahrensprodukt entsprach in allen Analysenwerten dem des nach Beispiel 2 erhaltenen.
Es enthielt ebenfalls keine Spur von Polymethylitaconat.
Beispiel 4
[0026] In der in Beispiel 1 beschriebenen Apparatur wurden 60,5 g (0,25 Mol) Itaconsäure-di-n-butylester,
14,8 g (0,125 Mol) Zinnpulver und 300 ml Toluol vorgelegt und auf 80°C erwärmt.
[0027] Bei dieser Temperatur wurden im Verlauf von sechs Stunden 24 1 Chlorwasserstoffgas
eingeleitet. Anschließend wurde 20 Stunden bei 80°C weitergerührt. Danach enthielt
die Lösung nur mehr Spuren an Zinn. Nach der Aufarbeitung fiel eine helle, viskose
Flüssigkeit als Reaktionsprodukt an.

R=

Beispiel 5
[0028] In der in Beispiel 1 beschriebenen Apparatur wurden 121 g (0,5 Mol) Itaconsäure-di-n-butylester,
29,6 g (0,25 Mol) Zinnpulver und 150 ml 1,4-Dioxan vorgelegt und auf 80°C erwärmt.
Bei dieser Temperatur wurde 5 Stunden lang gasförmiger Chlorwasserstoff (5 1/Std.)
eingeleitet. Nach dieser Zeit war kein Zinn mehr vorhanden. Nach der Aufarbeitung
blieb eine eine helle, viskose Flüssigkeit als Reaktionsprodukt zurück.

Beispiel 6
[0029] Nach der in Beispiel 1 beschriebenen Verfahrensweise wurden 128,0 g (0,5 Mol) 2-Methylenglutarsäure-di-n-butylester
mit 29,6 g (0,25 Mol) Zinn und 36,5 g (1 Mol) Chlorwasserstoff umgesetzt.

R=

Beispiel 7-
[0030] In einem mit Rühreinrichtung, Innenthermometer und Tropftrichter ausgestatteten 250-ml-Dreihalskolben
wurden 60,5 g (0,25 Mol) Itaconsäure-di-n-butylester und 14,8 g (0,125 Mol) Zinnpulver
vorgelegt. Bei einer Temperatur von etwa 20°C wurden innerhalb von 1 Stunde 29,6 g
37 %ige, wäßrige Salzsäure, entsprechend 10,95 g (0,3 Mol Chlorwasserstoff, zugetropft.
Man rührte noch 10 Stunden bei Raumtemperatur weiter, extrahierte das von Zinnpulver-Resten
nahezu freie Reaktionsgemisch mit 150 ml Toluol und trennte die Toluolphase ab. Bei
100°C/10 Torr wurde das Toluol abgezogen. Es blieb eine bräunliche Flüssigkeit als
Rückstand zurück.

Beispiele 8 bis 14
[0031] Bei den in der folgenden Tabelle verzeichneten Beispielen wurde nach der in Beispiel
1 beschriebenen Methode gearbeitet. Es kamen stets 29,6 g (0,25 Mol) Zinn und 36,5
g (1 Mol) Chlorwasserstoffgas zum Einsatz.

1. Gemisch von Organozinnhalogeniden, die durch die allgemeinen Formeln

charakterisiert werden, in denen
R OH, Halogen, Amino, ein Alkyl- oder Arylaminorest, ein O-Alkylrest oder ein O-Arylrest
ist, wobei die beiden letztgenannten Reste auch aryl- bzw. alkylsubstituiert sein
können und sowohl als solche als auch in der aryl- bzw. alkylsubstituierten Form als
zusätzliche Substituenten ggf. noch Halogen oder eine Hydroxyl-, Thioäther-, Äther-
und/oder Carboxyl-Gruppe tragen,
R2 bis R4 gleich oder verschieden sein können und die Bedeutung von O bis 2 Wasserstoffatomen
sowie Alkylresten mit 1 bis 20 C-Atomen haben, wobei jedoch mindestens einer dieser
Reste eine

Gruppe, in der n eine Zahl von 1 bis 15 ist, darstellt,
X für Chlor, Brom oder Jod steht
und die sich in den beiden Gemischkomponenten I und II entsprechenden Reste R
1 bis R
4 und X stets gleich sind.
2. Gemisch von Organozinnhalogeniden nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß
in den beiden Komponenten der Rest Reine O-Alkylgruppe mit 1 bis 40 C-Atomen, der
Rest R
2 das Radikal

mit R
1 wie vorstehend angegeben und X ein Chloratom ist, und die Reste R und R
4 Wasserstoff bedeuten.
3. Gemisch von Organozinnhalogeniden nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet,
daß das Gewichtsverhältnis der Komponente I zu Komponente II 1 : 0,01 bis 1 : 4 beträgt.
4. Verfahren zur Herstellung der in den Ansprüchen 1 und 2 charakterisierten Gemische
von Organozinnhalogeniden, dadurch gekennzeichnet, daß man ein Olefin der allgemeinen
Formel

in der die Reste R
1 bis R
4 die in Anspruch 1 und 2 angegebene Bedeutung haben, mit metallischem Zinn und wäßrigem
oder gasförmigem Halogenwasserstoff, gegebenenfalls in Gegenwart eines inerten Lösungsmittels
bei Temperaturen zwischen etwa 0 und 150°C miteinander umsetzt.