[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Pipettensystem für die volumengenaue Entnahme
und strichförmige Deposition eines in Suspension vorliegenden Materials, insbesondere
Zellen oder Partikeln, bestehend aus einer Kapillare und einem darin flüssigkeitsdicht
angeordneten Kolben. Insbesondere betrifft die Erfindung ein Pipettensystem, mit dem
eine bestimmte Menge einer Zell- oder Partikelsuspension in Form eines Strichs mit
definierter Länge und Breite auf einem geeigneten Träger deponiert werden kann.
[0002] Für medizinisch-diagnostische Zwecke, z.B. bei Blut- oder Zelluntersuchungen, werden
routinemäßig Suspensionen hergestellt und präpariert. Eine Standardmethode ist die
flächige Präparation von Zellsuspensionen auf Mikroskop-Objektträgern. Hierfür wird
die Zellsuspension auf der gesamten Oberfläche des Objektträgers mit Hilfe eines zweiten
Objektträgers verteilt bzw. in dünner Schicht aufgebracht. Dieses Verfahren hat den
Nachteil, daß die Zellen und die Flüssigkeit am Hilfsobjektträger, mit dem die Suspension
verteilt wird, haften bleiben. Somit geht ein Teil der Zellsuspension verloren. Aus
diesem Grunde ist eine dem Volumen proportionale Zählung der Zellen nicht mehr möglich.
Ferner ist die Zellverteilung flächig und zum Teil ungleichmäßig. Bei Anwendung starker
mikroskopischer Vergrößerungen, bei der die zu untersuchende Fläche größer ist aB
das Gesichtsfeld des Mikroskops, ist eine automatisierte Analyse der Zellen durch
auftretende Randzellen erschwert, wodurch eine automatische Auswertung des Prüfstoffes
sehr aufwendig wird.
[0003] Es sind Vorrichtungen bekannt, die eine linienförmige Anbringung des Prüfstoffes
auf einem Träger und eine automatische Auswertung des zu untersuchenden Materials
ermöglichen (z.B. DE-OS 19 00 808). Dabei wird die Suspension in Form eines Striches
auf einem bandförmigen Träger deponiert und die Breite des Striches ist dem Durchmesser
des Gesichtsfeldes des Mikroskops angepaßt. Die Deposition erfolgt mit einer durch
zwei Metallzungen variablen Abstands gebildeten Ausziehfeder, zwischen die das zur
Deposition gelangende Suspensionsvolumen gegeben werden muß. Beim Ausschreiben muß
der Präparateträger von den Metallzungenspitzen berührt werden, um ein Ausfließen
der Suspension zu ermöglichen. Hierdurch erfolgt eine ständige Abnutzung. Die volumengenaue,
volumenproportionale Deponierung von Partikeln aus Suspensionen in Form eines Strichs
mit definierter Breite und Länge bei vorgegebener Zeit und Schreibgeschwindigkeit
ist mit einer derartigen Vorrichtung nicht möglich, da sowohl Flüssigkeit als auch
Partikel an den Flächen der Metallzungen, die von der Suspension berührt werden, hängen
bleiben und die Ausflußgeschwindigkeit der Suspension sowohl von ihrer Oberflächenspannung
als auch den Benetzungseigenschaften des Präparateträgers abhängig ist. Ein weiterer
wesentlicher Nachteil ist die erforderliche Reinigung des Systems vor jedem Probenwechsel,
um eine Zellverschleppung auszuschließen.
[0004] Auch der Ersatz der Metallzungenschreibvorrichtung durch eine Mikropipette, bei der
in einem Kapillarrohr flüssigkeitsdicht ein Kolben so angeordnet ist, daß er mittels
Miniaturelektromotor mit Untersetzungsgetriebe in axialer Richtung entsprechend dem
aufzunehmenden und dann beim Schreiben wieder auszustoßenden Volumen in Richtung Kapillaraustrittsöffnung
bewegt werden kann und nach beendetem Vorgang die Kapillare bündig abschließt, erfüllt
die gestellten Forderungen insbesondere nicht für größere Suspensionsvolumina (z.B.
> 1µl) bei vorwählbarer Strichbreite.
[0005] Die erzielbare Zellstrichbreite entspricht dem Außendurchmesser der Pipettenspitze
und ist nur wenig breiter als der Kapillardurchmesser, wenn das Rohr an der Austrittsöffnung
eine konisch spitze Form hat. Das Ausstoßen der Partikelsuspension erfolgt zwangsweise
durch Bewegung des Kolbens und kann motorgetrieben mit stufenlos regelbarer Geschwindigkeit
erfolgen. Aufgrund der Kolbendichtung wird die Kapillare rückstandslos geleert. Ein
wesentlicher Vorteil einer solchen Pipette ist, daß durch die Zwangsausstoßung der
Suspension aus der Pipette die Pipettenspitze den Träger nicht mehr berühren muß,
wodurch eine Abnutzung der Spitze bzw. Beschädigung der Trägeroberfläche ausgeschlossen
ist. Verschleppung von Material in die nächste Probe entfällt, Reinigung der Pipette
kann in größeren Zeitabständen erfolgen. Mit einem solchen System kann mit einer Flüssigkeitsmenge
von z.B. 0,15
/ul bei Verwendung einer Kapillare mit einem Spitzendurchmesser von 0,3 mm und einem
Kapillardurchmesser von 0,2 mm bei einem Kolbenhub von ca. 4,8 mm ein 0,3 mm breiter
Strich berührungslos im Bereich von 5 bis 50 cm Länge beschrieben werden. Der Nachteil
einer solchen Pipette ist jedoch, daß mit ihr nur Volumina im Bereich von 0,1 bis
0,5 ,ul verarbeitet werden können. Um z.B. ein Volumen von größer als 1,5
/ul zu verarbeiten, müßte der Kolbenweg länger als 50 mm sein, wodurch große Instabilitäten
entstehen, die diese Anordnungen unbrauchbar machen.
[0006] Auf dem Gebiet der Medizintechnik, speziell bei der Krebsfrüherkennung ist erforderlich,
daß größere Zellsuspensionsvolumina bis zu mehreren µl mit gleichen, vorstehend genannten
Genauigkeiten verarbeitet werden können. In einfacher Weise kann durch Vergrößerung
des Kapillardurchmessers eine größere Menge einer Zellsuspensionsprobe entnommen werden.
Die geforderte Strichbreite von 0,3 mm oder kleiner kann jedoch nicht mehr erreicht
werden, da diese direkt vom Durchmesser der Kapillarspitze abhängig ist und nicht
kleiner als der Kapillardurchmesser sein kann.
[0007] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, die vorgenannten Nachteile
zu beseitigen und ein Pipettensystem zu entwickeln, mit dem aus einer Zell- oder Partikelsuspension.definierte
vorbestimmte Mengen entnommen werden können und diese Mengen in Form eines linear-
oder spiralförmigen Striches auf einem geeigneten Träger, z.B. Kunststoffband oder
Glasplatte, berührungslos deponiert werden können.
[0008] Es hat sich nun gezeigt, daß diese Aufgabe mit dem erfindungsgemäßen Pipettensystem,
bei dem die Austrittsöffnung der Kapillare an einem Teil ihres Umfangs einen Fortsatz
aufweist, dessen Breite auch bei berührungslosem Auftragen der Suspension auf einen
Träger unabhängig von dem Kapillardurchmesser die Strichbreite bestimmt, in technisch
fortschrittlicher Weise gelöst werden kann.
[0009] Der Fortsatz ist vorzugsweise mit einer schlitzförmigen Aussparung bzw. einer Einkerbung
versehen, dessen Breite kleiner ist als der Durchmesser der suspendierten Zellen oder
Partikel, um eine Ablagerung zu verhindern. Damit das gesamte Volumen der Zellsuspension
wieder ausgestoßen werden kann, schließt die Einkerbung bzw. Aussparung am Ende des
Kolbenweges an. In dieser Weise kann die Flüssigkeit mit Hilfe der Kapillarkraft,
die in der Aussparung bzw. Einkerbung entsteht, bis an die Spitze des Fortsatzes fließen.
Der gleiche Effekt kann auch durch hydrophile Beschichtung des Fortsatzes erreicht
werden. Verbindungen, die zur Bildung hydrophiler Beschichtungen herangezogen werden
können, sind bekannt.
[0010] Der Fortsatz kann an die Austrittsöffnung der Kapillare anmontiert sein. Vorzugsweise
ist die Austrittsöffnung der Kapillare an einem Teil ihres Umfangs so geformt, daß
sich ein Fortsatz bildet.
[0011] Im folgenden wird die Erfindung anhand von lediglich einen Ausführungsweg darstellenden
Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen in schematischer Vereinfachung
Figur 1
in perspektivischer Darstellung ein erfindungsgemäßes Pipettensystem und
Figur 2
dasselbe Pipettensystem aus der Seitenansicht.
[0012] Aus den Figuren geht hervor, daß die Austrittsöffnung 1 der Kapillare 2 einen Fortsatz
3 aufweist. Die Austrittsöffnung ist so geformt, daß sie durch den Kolben bündig abgeschlossen
wird, wenn der Ausstoßvorgang beendet ist. Die Breite des Fortsatzes 3 bestimmt die
Breite der Zellspur. Der Fortsatz 3 ist mit einer Einkerbung 4 versehen. Durch die
zusätzlich in der Einkerbung entstehende Kapillarkraft kann die Flüssigkeit leicht
bis an die Spitze fließen und einen Tropfen bilden. Zur Vermeidung von Zellablagerungen
ist die Breite der Einkerbung kleiner als der Durchmesser der suspendierten Zellen
bzw. Partikel.
[0013] Mit dem erfindungsgemäßen Pipettensystem kann die Strichlänge so vorbestimmt werden,
daß optimale Belegungsdichte wie auch Verteilung der Zellen oder Partikel im Strich
gegeben ist. Durch die spezielle Formgebung der Pipettenspitze kann die Strichbreite
unabhängig vom Innendurchmesser der Pipette den Erfordernissen, z.B. einer automatisierten
mikroskopischen Auswertung angepaßt werden. Wird die Strichbreite z.B. so eingestellt,
daß im Gesichtsfeld eines Mikroskops immer die gesamte Strichbreite erfaßt wird, so
können bei kontinuierlicher Bewegung des Striches durch das Gesichtsfeld alle Zellen
bzw. Partikel nacheinander analysiert werden, ohne daß Probleme mit randständigen
Zellen auftreten.
1. Pipettensystem für die volumengenaue Entnahme und strichförmige Deposition eines
in Suspension vorliegenden Materials, insbesondere Zellen oder Partikeln, bestehend
aus einer Kapillare und einem darin flüssigkeitsdicht angeordneten Kolben, dadurch
gekennzeichnet, daß die Austrittsöffnung (1) der Kapillare an einem Teil ihres Umfanges
einen Fortsatz (3) aufweist, dessen Breite auch bei berührungslosem Auftragen der
Suspension auf einen Träger unabhängig von dem Kapillardurchmesser die Strichbreite
bestimmt.
2. Pipettensystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zur Erzielung einer
guten Benetzbarkeit der Fortsatz (3) mit einer schlitzförmigen Aussparung (4) bis
in die Spitze versehen ist.
3. Pipettensystem nach Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß zur Erzielung
einer guten Benetzbarkeit der Fortsatz (3) mit einer hydrophilen Schicht belegt ist.
4. Pipettensystem nach Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Austrittsöffnung
(1) der Kapillare an einem Teil ihres Umfangs in Art eines Fortsatzes (3) geformt
ist.
5. Pipettensystem nach Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Fortsatz
(3) an die Austrittsöffnung (1) der Kapillare anmontiert ist.