[0001] Die vorliegende Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Elektrolyse von technischen
Alkalichlorid-Lösungen in Zellen, deren Anoden-und Kathodenraum durch eine permselektive
Kationenaustauscher-Membran getrennt ist. Solche Lösungen können häufig mehrwertige
Kationen wie Calcium, Magnesium, Strontium, Eisen und gegebenenfalls Quecksilber enthalten.
[0002] Die eingesetzte Membran ist hydraulisch undurchlässig und läßt - bei Einsatz von
Natriumchlorid - im Idealfall nur Natrium-Ionen und Wassermoleküle durchtreten. Gereinigte
konzentrierte Sole wird in die Anodenkammer eingeleitet, Chlor und ausgezehrte Sole
werden aus dieser Kammer ausgeschleust. In den Kathodenraum wird Wasser eingeführt,
das mit den durch die Membran getretenen Natrium-Ionen Natronlauge bildet. Die zugeführte
Menge Wasser bestimmt die erhalteneLaugenkonzentration. Der an der Kathode gebildete
Wasserstoff sowie Natronlauge werden kontinuierlich aus dem Kathodenraum entfernt.
[0003] Die Stromausbeute bei der Elektrolyse hängt im wesentlichen von der Permselektivität
der Membran ab, die Apolyt und Katholyt trennt. Diese Membran soll zwar die Kationen
aus dem Anolyt in den Katholyt übertreten lassen; jedoch soll das Rückwandern der
Hydroxidionen aus dem Katholyt, die aufgrund ihrer negativen Ladung von der Anode
angezogen werden, weitgehend verhindert werden.
[0004] Austauschermembranen, die für die Chloralkali-Elektrolyse geeignet sind, bestehen
im allgemeinen aus Tetrafluoräthylen/ Perfluorvinyläther-Copolymerisaten mit seitenständigen
sauren Gruppen. Diese sauren Gruppen bewirken den Ionenaustausch. Vorgeschlagen wurden
in der Hauptsache Gruppen -S0
3H (US-PS 4 025 405), -S0
2NHR (DT-OS24 47 540, DT-AS 244 154) und die Gruppe -COOH (DE-OS 26 30 584).
[0005] Zur Erhöhung der mechanischen Festigkeit ist die Ionenaustauscherfolie meistens mit
einem Polytetrafluoräthylen-Stützgewebe verstärkt. Die Membranen weisen eine hohe
chemische Beständigkeit gegenüber Chlor und Natronlauge auf. Leider kommt es bei längeren
Laufzeiten zu einer Verschlechterung der Eigenschaften dieser Membranen. Diese "Alterung"
läßt sich mindestens teilweise auf die Gegenwart von Erdalkali- oder Schwermetallionen-Elektrolyten
zurückführen. Es kann bereits nach verhältnismäßig kurzer Betriebszeit bei Anwesenheit
dieser Verunreinigungen zu einem Nachlassen der Permselektivität und einer Zunahme
des elektrischen Membranwiderstandes kommen. Beides führt zu einer Steigerung des
Energieverbrauchs (ausgedrückt in kWh/t Produkt).
[0006] Obwohl noch nicht restlos geklärt ist, wie es zu der Minderung der Membranleistung
kommt, nimmt man an, daß vor allem die Calciumionen, die in der Sole vorhanden sind,
in die Membran gelangen und sich als kristallines Calciumhydroxid ablagern. Regenerierungsversuche
durch Behandlung mit Säuren oder Auslaugung der Membran mit geeigneten Komplexbildnern
bewirkt zwar eine Herabsetzung des elektrischen Widerstandes, verbessert jedoch nicht
die Permselektivität der gealterten Membran.
[0007] Mit den in de- rechuik üblichen Reinigungsverfahren von Alkalichlorid-Lösungen, die
für die Elektrolyse bestimmt sind, (Fällung mit Alkalilauge und Alkalicarbonat) läßt
sich der Calciumgchalt einer Sole nur auf ca. 2 mg Calcium/ 1 verringern. Für eine
Verbesserung dieses Wertes ist eine zusätzliche Reinigung mittels Ionenaustauschern
oder durch Umkristallisieren des eingesetzten Salzes in Vakuumverdampfern erforderlich.
Diese Methoden sind im Hinblick auf Energieverbrauch und Investitionskosten technisch
zu aufwendig.
[0008] Es hat nicht an Versuchen gefehlt, diese zusätzliche Reinigung der Sole zu umgehen.
Gemäß DE-AS 23 07 466 wird die Bildung von schwer löslichen Ablagerungen in der Membran
verhindert durch Bildung eines Gels an der äußeren Oberfläche der Membran. Man erreicht
dies durch Zugabe von Substanzen, die bei einem pH-Wert von über 5,5 ein unlösliches
Gel mit den mehrwertigen Kationen bilden, zur Sole. Als geeignet werden Alkaliphosphate
und Metaphosphate genannt. Das unlösliche Gel muß von Zeit zu Zeit von der Membran
entfernt werden, was durch Ansäuern geschehen kann. Das hat den Nachteil, daß hierfür
entweder die Membran ausgebaut werden muß (was großen Arbeitsaufwand und längeren
Elektrolysestillstand bedeutet), oder die Elektrolyse für einige Zeit mit stark angesäuerter
Sole und stark verringerter Laugekonzentration bei verringerter Stromdichte erfolgen
muß (DE-OS 25 48 456).
[0009] Die Behandlung mit Säuren ist hauptsächlich von Interesse für Einschichtmembranen,
die nur Sulfonsäuregruppen als Ionenaustauscherreste tragen.
[0010] Bei der Verwendung der wesentlich selektiveren Membranen, die kathodenseitig schwach
saure Sulfonamid- oder Carboxylgruppen tragen, ist die Elektrolyse mit stark angesäuerter
Sole jedoch wenig zweckmäßig, da es zur Schädigung der Membran
(Blasenbildung und

schicht während der Elektrolyse) kommen kann.
[0011] Es bestand daher die Aufgabe, ein Verfahren zu finden, bei dem die durch Verunreinigungen
des Anolyten hervorgerufenen Schädigungen der Kationenautauscher-Mewbran verhindert
werden, ohne daß eine Entfernung eines unlöslichen Calciumniederschlages von der Membran
erforderlich wird.
[0012] Der Zusatz von komplexbildenden Metaphosphaten zur Anolytlösung ist bekannt. Metaphosphat
zerfällt jedoch unter den Bedingungen der Chloralkali-Elektrolyse so rasch in Ortho~
phosphat, daß es geradezu zur Erzeugung eines Calciumphosphat-Gels eingesetzt wird
(DE-AS 23 07 466). Auch der bekannte Komplexbildner Äthylendiamintetraessigsäure wird
unter den genannten Bedingungen rasch zerstört, so daß seine Fähigkeit Calciumionen
zu binden verlorengeht.
[0013] Es wurde nun ein Verfahren zur Elektrolyse der wässrigen Alkalichlorid-Lösung, die
durch Kationen mehrwertiger Metalle verunreinigt ist, gefunden, wobei der Anoden-
und Kathodenraum der Elektrolysezelle durch eine perfluorierte Kationenaustauscher-Membran
getrennt ist.. Das erfindungsgemäße Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß der
Alkalichloridlösung, die in den Anodenraum eintritt, eine aliphatische mehrbasische
Phosphonsäure zugesetzt wird. Besonders gut eignen-sich hierfür stickstoffreie Phosphonsäuren.
Die mehrbasische Phosphonsäure soll mindestens 2 Phosphonsäure- oder Carbonsäuregruppen
im Molekül enthalten.
[0014] Besonders gut eignen sich als Zusatz 1-Hydroxyalkan-1,1- diphosphonsäuren, die 1
bis 5, vorzugsweise 1 bis 2 Kohlenstoffatome im Molekül enthalten. Diese Verbindungen
sind in saurem, neutralem und alkalischem Milieu außerordentlich stabil. Ferner eigner

alkan-phosphonsäuren der allgemeinen Formel I

wobei R
2 und R Wasserstoff oder einen C
1-C
4-Alkylrest, und X die Gruppe H, CH
3 oder

bedeutet.
[0015] Die genannten Phosphonsäuren sind fähigin wässriger Lösung bei pH 11 lösliche beständige
Calcium-Komplexe zu bilden. "Löslich" bedeutet dabei, daß in Gegenwart von Soda bei
pH 11 mindestens 1 g Calciumionen in 1 1 Wasser ohne Ausfällung eines Niederschlages
komplex gebunden werden können. Beispielsweise vermag die 1-Hydroxyäthan-1,1- diphosphonsäure
etwa 1/4 ihres Gewichtes am Calciumionen komplex zu binden.
[0016] Zusätze dieser Phosphonsäuren zu einer Sole, die mitmehrwertigen Kationen wie Calcium,
Magnesium, Strontium, Barium, Eisen und gegebenenfalls Quecksilber verunreinigt ist,
verhindern oder verlangsamen die Abnahme der Membran-Permselektivität und die Zunahme
des Membran-Widerstandes. Störende Ablagerungen von Phosphaten oder Hydroxiden mehrwertiger
Kationen entstehen dabei an der Membran nicht.
[0017] Das erfindungsgemäße Verfahren ist besonders vorteilhaft bei Verwendung von perfluorierten
Membranen, die Sulfonamid- oder Carboxylgruppen enthalten.
[0018] Die Zunahme des Membranwiderstandes kann weiter verlangsamt werden, wenn von Zeit
zu Zeit der Strom kurzzeitig unterbrochen wird. Eine erhebliche Verringerung des Elektrolysestroms
hat diesen Effekt nicht.
[0019] Bei dieser Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens brauchen Katholyt und Anolyt
weder verdünnt noch angesäuert zu werden (vgl. DE-OS 25 48 456). Am besten sind 1
- 10, vorzugsweise 2 - 5 Unterbrechungen pro 24 Stunden, Wenn die Unterbrechungen
weniger häufig stattfinden, steigt der Membranwiderstand (und damit die Spannung)
rascher an, so daß der beschriebene Vorteil geringer wird.
[0020] Noch häufigere Unterbrechungen haben nur geringfügigen zusätzlichen Effekt. Es ist
von Vorteil, die Unterbrechungen in möglichst regelmäßigen Zeitabständen durchzuführen,
da dann der Effekt - bei gleicher Zahl und Dauer der Unterbrechungen - am deutlichsten
wird. Die Gesamtdauer der Unterbrechungen beträgt ca. 3 - 15 min, vorzugsweise 4 -
10 min pro 24 Stunden. Die mit der Stromunterbrechung verbundenen Vorteile treten
- wenn auch nicht so deutlich ausgeprägt - selbst in Abwesenheit der Phosphonsäuren
auf.
[0021] Bevorzugt sind aliphatische Phosphonsäuren, die nur P0
3H
2-und ggfs. noch COOH-Gruppen als saure Gruppe
ltragen. Darüber hinaus können noch Hydroxygruppen als funktionelle Gruppen vorhanden
sein.
[0022] Die zuzusetzende Menge an Phosphonsäure hängt ab vom Grad der Verunreinigungen in
der Sole (Gehalt an Ca++ und anderen zweiwertigen Ionen) und vom Komplexbildungsvermögen
der Phosphonsäure. Die Menge der Verunreinigungen läßt sich (z.B. durch komplexometrische
Titration bei pH 10-12) leicht feststellen. Das Komplexbildungsvermögen der Phosphonsäuren
ist (gegenüber Calcium) teilweise bekannt. Im übrigen läßt es sich leicht experimentell
(Rücktitration einer alkalischen Phosphonat-Lösung mit Calciumacetat-Lösung) feststellen.
Tabelle
[0023] Calciumbildungsvermögen verschiedener Phosphonsäuren

[0024] Im allgemeinen wird das 1 bis 5-fache, vorzugsweise das 1 bis 1,5-fache des durch
Titration bestimmten Bedarfs an Phosphonsäure der Sole zugesetzt. An Stelle der freien
Phosphonsäure können auch deren Alkalisalze eingesetzt werden, Die Erfindung wird
durch die folgenden Beispiele erläutert.
Versuchsapparatur
[0025] Anoden- und Kathodenraum war durch eine perfluorierte Kationenaustauscher-Membran
(Fläche 36 cm
2) getrennt. Anoden: aktiviertes Titan-Streckmetall.
Kathoden: Streckmetall aus nichtrostendem Stahl. Die für die Versuche eingesetzte
Sole enthielt pro Liter neben 310 g Natriumchlorid noch als Verunreinigungen 0,2 mg
Magnesium, 6 mg Calcium, 1 mg Strontium, 0,3 mg Barium, 4,8 mg Quecksilber und 0,2
mg Eisen. Die Zellenbelastung betrug 11 Amp., dies entspricht 30 A/dm
2.
Beispiel 1 (Vergleichsbeispiel)
[0026] In den Anodenraum wurde kontinuierlich 250 bis 260 ml-1 Sole zugeführt. Der pH-Wert
der Sole war auf 8,5 eingestellt. In den Kathodenraum wurde soviel Wasser eindosiert,
daß die Konzentration der erzeugten Lauge 28 % NaOH betrug.
[0027] Die verwendete Membran bestand aus einem perfluorierten hydrolysierten Mischpolymeren
aus C
2F
4 und einem Fluorsulfonyl-Perfluprvinyläther, das mit einem Tetrafluoräthylen-Stützgewebe
versehen war. Die Fluorsulfonylgruppen der Membran waren kathodenseitig in -SO
2-NH-C
2H
4-NH-SO
2,-Gruppen umgewandelt, anodenseitig in Sulfonsäuregruppen (Äquivalentgewicht 1150,
Dicke 180 µm). Handelsbezeichnung: Nafion
R 214 (Hersteller: Dupont).
[0028] Zur Bestimmung der Stromausbeute wurde von Zeit zu Zeit die aus dem Kathodenraum
kontinuierlich abgeleitete Natronlauge gesammelt und die NaOH-Menge bestimmt. Die
Versuchsergebnisse sind in folgender Tabelle dargestellt.

Beispiel 2
[0029] Beispiel 1 wurde wiederholt, jedoch wurde der Sole 100 mg/ 1 1-Hydroxyäthan-1,1-diphosphonsäure
zugesetzt und der pH-Wert der Sole auf 3,5 eingestellt. Beim kontinuierlichen Verfahren
stellte sich im Anolyt ein pH
-Wert von 4,5 ein. Durch den Zusatz der Phosphonsäure wurde Stromausbeute und Energieverbrauch
günstig beeinflußt. Die Ergebnisse sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

Beispiel 3
[0030] Die Elektrolyse wurde wie im Beispiel 1 beschrieben durchgeführt, nur mit dem Unterschied,
daß der Sole 170 mg 1,3,5-Tricarboxypentan-3-phosphonsäure zugesetzt wurden. Die Ergebnisse
zeigen eine Verbesserung der Stromausbeute. Sie sind in der folgenden Tabelle dargestellt.

Beispiel 4 (Vergleichsbeispiel)
[0031] Der Versuch wurde wie im Beispiel 1 beschrieben ohne Zusätze zur Sole durchgeführt;
jedoch wurde eine Membran verwendet, die Carboxylgruppen enthielt. Die Herstellung
der Membran erfolgte gemäß DE-OS 26 30 548, Beispiel 28, wobei jedoch als Ausgangsmaterial
eine Nafion 415-Membran (Polytetrafluoräthylen-Stützgewebe, Einschichtmembran mit
Sulfonsäuregruppen, Äquivalenzgewicht 1200) eingesetzt wurde. Die Dicke der im Beispiel
4 verwendeten Membran betrug 120 µm. Der Abfall der Zellenspannung und Stromausbeute
in Abhöngigkeit von der Betriebsdauer geht aus folgender Tabelle hervor.
Beispeil 5
[0032] Beispiel 4 wurde wiederholt, jedoch wurden 100 mg/l Hydroxy äthandiphosphonsäure
der Sole zugesetzt. Die Werte der Stromausbeute und der Energieverbrauch gehen aus
der folgenden Tabelle hervor.

Beispiel 6
[0033] Beispiel 2 wird wiederholt. Nach einer Betriebsdauer von 2000 Stunden beträgt die
Zellenspannung 4,47 V. Unterbricht man hier den weiteren Verlauf der Elektrolyse alle
12 Stunden für je 3 bis 5 Minuten, so sinkt die Zellenspannung zunächst auf 4,1 bis
4,25 V und bleibt auch während der nächsten 500 Stunden in diesem Bereich.
[0034] Wenn man dagegen ohne den Zusatz von Phosphonsäure arbeitet, so beträgt die Zellenspannung
nach 2600 Stunden Betriebsdauer ca. 4,7 V. Unterbricht man hier im weiteren Verlauf
die Elektrolyse alle 12 Stunden für je 3 bis 5 Minuten, so siIkt zunächst die Zellenspannung
auf 4,6 V. Während der folgenden 500 Stunden Betriebsdauer steigt sie langsam auf
4,75 V.