[0001] Die Weiche von Häuten hat im Rahmen der Lederherstellung verschiedene Aufgaben zu
erfüllen. Die Häute sollen in den Zustand, den sie nach dem Abziehen hatten, zurückgeführt
werden, d.h., getrocknete oder gesalzene Häute sollen nach der Weiche wieder annähernd
den ursprünglichen Wassergehalt besitzen. Für gesalzene Häute gilt außerdem noch,
daß sie vom Salz weitgehend befreit werden sollen. Daneben hat die Weiche die Aufgabe,
die Häute von Schmutz wie Dung, Blutresten, löslichen Eiweißstoffen und Fetten zu
befreien. Die Weiche soll die Haut aber auch auf den nachfolgenden Äscher vorbereiten.
Dies bedeutet, der pH-Wert sollte in der Weiche zwischen 8 und 10 im ganzen Querschnitt
der Haut liegen, um einen durch einen zu großen pH-Sprung hervorgerufenen Äscherzug
zu verhindern. Daneben sollte aber auch schon eine gewisse Haarlockerung erzielt werden,
damit diese sich im Äscher schneller und vollständiger lösen.
[0002] Eine solche vorbereitende Haarlockerung führt nach dem Äscher zu reineren Blößen.
Das ist heutzutage aus zwei Gründen besonders wichtig: einmal werden die Blößen aus
Kostengründen heute nicht mehr geglättet, zum andern werden seit einigen Jahren Apparate,
wie Mixer, verwendet, die nur eine geringe Walkwirkung besitzen und die deshalb während
des Äschers den Grund nur unvollständig entfernen.
[0003] Nach dem Stand der Technik kann auf verschiedene Art und Weise geweicht werden. Im
einfachsten Fall verwendet man nur Wasser. Hierbei müssen sehr lange Weichzeiten und
die Gefahr von Fäulnisbildung in Kauf genommen werden. Eine Verbesserung bedeutet
der Einsatz geringer Mengen Säure oder vorzugsweise Alkali. Alkalien haben den Vorteil,
daß der pH-Wert der Häute schon dem des Äschers angenähert wird. Außerdem führen sie
schon zu einer teilweisen Hydrolyse von Fett und Eiweiß. Eine weitere Verbesserung
ist der zusätzliche Einsatz von Tensiden, da diese die Benetzung beschleunigen und
den Schmutz dispergieren. Zur Vermeidung von Fäulnis setzt man, besonders in warmen
Ländern, Bakterizide zu. Um die Haarablösung zu beschleunigen, wurde bereits vorgeschlagen,
der'Weichflotte geringe Mengen von Äscherchemikalien, z.B. Schwefelnatrium (Na
2S), Sulfhydrat (NaHS), Dimethylamin, Thioglykolsäure oder Mercaptoäthanol zuzusetzen.
Diese Chemikalien besitzen folgende Nachteile: Die drei erstgenannten sind aus toxikologischen
Gründen bedenklich, da sie unter den pH-Bedingungen der Weiche und bei der Weiterverarbeitung
gefährliche Gase entwickeln können. Die beiden letztgenannten sind einmal oxidationsempfindlich
und zum anderen können sie, wenn der pH-Wert der Weichflotte nahe dem Neutralpunkt
liegt, zu einer erheblichen Geruchsbelästigung führen.
[0004] Der Erfindung lag daher die Aufgabe zugrunde, ein Weichhilfsmittel bzw. ein Verfahren
zum Weichen von Häuten zu entwickeln, das alle eingangs geschilderten Aufgaben einer
Weiche, insbesondere auch eine gewisse Haarlockerung, erfüllt und das die genannten
Nachteile nicht aufweist, also keine Oxidationsempfindlichkeit, keine Giftigkeit und
keine Geruchsbelästigung.
[0005] Die Lösung dieser Aufgabe besteht in einem Hilfsmittel bzw. Hilfsmittelgemisch und
einem Verfahren zum Weichen gemäß den Ansprüchen.
[0006] überraschend ist, daß die Haarlockerung mit einer organischen Verbindung erreicht
werden kann, die weder Mercaptonoch Aminogruppen enthält.
[0007] Die Verbindungen der Formel I sind leicht herzustellen durch Umsetzen von Thiosulfat
mit einer entsprechend reaktiven organischen Verbindung, beispielsweise nach oder
analog folgenden Gleichungen:

Die Umsetzungsprodukte von Natriumthiosulfat mit Chloressigsäure sowie mit Äthylenoxid
sind besonders bevorzugt. Prinzipiell kommen aber auch zahlreiche andere organische
Verbindungen zur Umsetzung mit Thiosulfat unter Bildung einer Substanz der allgemeinen
Formel I in Betracht, beispielsweise Propylenoxid, n-Butylenoxid-1,2, Chloracetonitril,
3-Chlor-propionitril, 2-Chlor-propionitril, 2-Chlor-acetamid, 2-Chlor-propionamid,
3-Chlorpropionamid, Äthylchlorid, n-Propylchlorid, iso-Propylchlorid, n-Octylbromid,
Benzylchlorid, Maleinsäureanhydrid, 3-Chlorpropionsäure, 2-Chlorpropionsäure, Acrylsäure,
Crotonsäure und ß-Chloräthanol.
[0008] Der Rest R in Formel I kann also einen aliphatischen oder araliphatischen Rest mit
bis zu 8 Kohlenstoffatomen darstellen, und dieser kann substituiert sein durch eine
oder mehrere Carboxyl- bzw. Carboxylat-, Hydroxyl-, Nitril-und/oder Amidgruppen, M
+ in Formel I stellt ein Äquivalent eines Kations dar, also z.B. K
+, NH
4+, 1/2 Mg
++, 1/2 Ca
++, vorzugsweise Na .
[0009] Die Weichbedingungen sind die üblichen, also Flottenlängen von 200 bis 1.000 % Wasser,
berechnet auf das Trockengewicht der Häute und Felle, Temperaturen von 15 bis 40,
vorzugsweise 20 bis 35°C und Weichzeiten je nach Art der Haut von 6 bis 100, vorzugsweise
6 bis 48 Stunden.
[0010] Neben dem eigentlichen erfindungsgemäßen Haarlockerungsmittel der Formel I enthält
das ebenfalls beanspruchte Weichhilfsmittelgemisch noch Tenside, Bakterizide und gegebenenfalls
Wasser. Bevorzugt werden nichtionische und kationische Tenside. übliche nichtionische
Tenside sind beispielsweise die zahlreichen im Handel befindlichen Äthylenoxid-und
Propylenoxid-Addukte sowie deren gemischte (meist nicht statistisch, sondern in Blockform
aufgebaute) Adduk- ' te an mono-, di- und polyfunktionelle Alkohole, Amine und Polyamine,
Aminoalkohole, Carbonsäuren, Säureamide, Alkylphenole sowie Blockcopolymerisate von
Äthylenoxid und Propylenoxid, wobei das Propylenoxid ganz oder teilweise durch Butylenoxid
ersetzt sein kann. Zu den üblichen kationischen Tensiden gehören Fettaminsalze und
quartäre Ammoniumverbindungen.
[0011] Bei den Bakteriziden werden vorzugsweise handelsübliche quartäre Ammoniumsalze eingesetzt,
da diese besonders wenig toxisch sind und aufgrund ihres Tensidcharakters die Weichwirkung
unterstützen. Als Beispiele seien genannt: Benzyltrimethylammoniumchlorid; Didecyldimethylammoniumchlorid;
3,4-Dichlorbenzyl-trimethylanmoniumchlorid; ferner die in "Seifen-Öle-Fette-Wachse"
104 (1978), 433-478 von M.H. Angele genannten Verbindungen.
[0012] Der erfindungsgemäße Wirkstoff der Formel I wird in der Weichflotte in Mengen von
0,01 bis 0,4, vorzugsweise 0,05 bis 0,3 %, berechnet auf das Trockengewicht der Häute,
eingesetzt. In dem beanspruchten Weichhilfsmittelgemisch stehen die Komponenten Verbindung
I : Tensid : Bakterizid im Gewichtsverhältnis 1 : (0,5-10) : (0,1-5), vorzugsweise
1 : (0,6-6) : (0,3-3). Bakterizide mit Tensidwirkung sind hierbei nur als Bakterizide
gezählt, nicht als Tenside.
[0013] Die Vorteile des erfindungsgemäßen Weichhilfsmittels liegen vor allem in der Oxidationsunempfindlichkeit
und damit höheren Ergiebigkeit, der toxikologischen Unbedenklichkeit und der Geruchlosigkeit
der Verbindungen der Formel I.
[0014] Die in den Beispielen genannten Teile und Prozente beziehen sich auf das Gewicht,
und zwar, sofern nichts an- deres gesagt ist oder sich offensichtlich ergibt, auf
das Trockengewicht der Häute und Felle.
[0015] Beim Einsatz gesalzener Häute und Felle ist das Salzgewicht wie üblich als das 2,5-fache
des Trockengewichtes anzunehmen, mit anderen Worten: bei Bezug auf das Salzgewicht
statt auf das Trockengewicht sind die angegebenen Mengen durch 2,5 zu teilen.
Beispiel 1
[0016] Zwei Hälften einer gesalzenen Rindshaut von je 25 Gewichtsteilenwerden in Äscherfässern,
die mit 200 % Wasser einer Temperatur von 28°C gefüllt sind, zunächst 20 Minuten bewegt,
anschließend 20 Minuten ruhen gelassen und dann wieder 20 Minuten bewegt. Anschließend
wird das Wasser abgelassen. Danach werden zu dem mit A bezeichneten Stück 150 % 28°C
warmes Wasser, 0,5 % Soda und 0,5 % eines Weichhilfsmittels (I) gegeben, das aus 10
Teilen Natrium--carboxymethylen-thiosulfat, 30 Teilen eines handelsüblichen Propylenoxidäthylenoxid-Blockpolymerisats,
das aus einem Propylenoxidblock vom Molgewicht 1750 durch Umsetzung mit 150 Mol Äthylenoxid
hergestellt ist, 10 Teilen Benzyltrimethylammoniumchlorid und 50 Teilen Wasser besteht.
Zu dem mit B bezeichneten Stück werden ebenfalls 150 % 28°C warmes Wasser, 0,5 % Soda
und 0,5 % eines Weichhilfsmittels (II) gegeben, das aus 30 Teilen des oben genannten
PO-EO-Blockpolymerisats, 10 Teilen Benzyltrimethylammoniumchlorid und 60 Teilen Wasser
besteht. Anschließend wird in beiden Fällen 60 Minuten bewegt, danach über einen Zeitraum
von 16 h alle 30 Minuten 5 Minuten bewegt und schließlich die Flotte abgelassen. Beide
Hälften sind sauber, jedoch lassen sich die Haare bei dem mit A bezeichneten Stück
wesentlich leichter entfernen als bei Stück B.
[0017] Nachdem die beiden Hälften entfleischt worden sind, werden sie gemeinsam in 50 %
Wasser von 28°C mit 2,5 % 60 %igem, handelsüblichem Schwefelnatrium und 4 % Kalkhydrat
geäschert. Nachdem 2 Stunden bewegt worden ist, wird die Flotte mit 50 % Wasser von
30°C verlängert und dann während 18 Stunden alle 30 Minuten nur noch 10 Minuten bewegt.
Die Flotte wird danach abgelassen und die Blößen zweimal mit je 300 % Wasser von 24°C
jeweils 20 Minuten gewaschen. Blöße A ist deutlich sauberer als Blöße B.
Beispiel 2
[0018] Die zwei Hälften A und B einer getrockneten Rindshaut von je 8 Gewichtsteilen werden
folgendermaßen behandelt. Hälfte A wird in einem Äscherfaß in 1000 % Wasser von 30°C
unter Zusatz von 1 % Soda und 1,5 % des in Beispiel 1 mit I bezeichneten Hilfsmittels
18 Stunden bewegt. Die Hälfte B wird unter Zusatz von Hilfsmittel II in sonst genau
gleicher Weise geweicht. Nach beendeter Weiche lassen sich die Haare bei der mit A
bezeichneten Hälfte wesentlich leichter entfernen als bei der Hälfte B. Nach dem Entfleischen
wird wie in Beispiel 1 angegeben geäschert. Die Hälfte A ist deutlich heller als die
Hälfte B.
[0019] Bei den Beispielen 3-5 wird analog Beispiel 1 gearbeitet, nur wird in dem Weichhilfsmittel
Natrium-carboxymethylen--thiosulfat durch andere Verbindungen gemäß Formel I ersetzt.
Die Einzelheiten sind Tabelle 1 zu entnehmen.

[0020] Die Ergebnisse nach der Weiche und dem Äscher entsprechen Beispiel 1.
[0021] In den folgenden Beispielen wird analog Beispiel 2 gearbeitet, nur wird die Zusammenstzung
des Weichhilfsmittels und die Einsatzmenge wie in Tabelle 2 angegeben variiert.

1. Hilfsmittel für die Weiche von Häuten und Fellen, bestehend aus einem Salz der
Formel 1

wobei R einen organischen Rest mit 1 bis 8 Kohlenstoffatomen, der eine oder mehrere
funktionelle Gruppen tragen kann und M
+ ein Äquivalent eines Kations darstellt.
2. Hilfsmittel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß M für Natrium steht.
3. Hilfsmittel nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die funktionellen
Gruppen am Rest R Carboxyl- bzw. Carboxylat-, Hydroxyl-, Nitril- und/oder Amidgruppen
sind.
4. Hilfsmittel nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß R den
Rest -CH2-COONa oder -CH2-CH2OH darstellt.
5. Hilfsmittelgemisch für die Weiche von Häuten und Fellen, enthaltend
a) ein Hilfsmittel nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
b) ein Tensid
c) ein Bakterizid und gegebenenfalls
d) Wasser.
6. Hilfsmittelgemisch nach Anspruch 5, dadurch gekenn- zeichnet, daß das Tensid ein
nichtionisches oder kationisches übliches Tensid ist.
7. Hilfsmittelgemisch nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß das Gewichtsverhältnis
der Komponenten a:b:c 1 : (0,5 bis 10) : (0,1 bis 5) beträgt.
8. Verfahren zum Weichen von gesalzenen oder getrockneten Häuten und Fellen durch
6- bis 48-stündiges Lagern derselben in einer wäßrigen Flotte bei 15 bis 40°C und
einer Flottenlänge von 200 bis 1.000 %, berechnet auf Trockengewicht, dadurch gekennzeichnet,
daß man der Flotte 0,01 bis 0,4 %, ebenfalls berechnet auf das Trockengewicht der
Häute und Felle, eines Weichhilfsmittels nach einem der Ansprüche 1 bis 4 zusetzt.
9. Verfahren gemäß Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß man der Flotte zusätzlich
zu dem Weichhilfsmittel nach einem der Ansprüche 1 bis 4 noch ein Tensid und ggf.
ein Bakterizid, jeweils in üblicher Menge, zusetzt.
10. Verfahren gemäß Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß man dazu ein Hilfsmittelgemisch
gemäß einem der Ansprüche 5 bis 7 einsetzt.