[0001] In der Praxis der Lederherstellung werden im Zuge der Rationalisierung immer größere
Gefäße und immer kürzere Flotten für die Naßprozesse verwendet, wodurch die Reibung
der Häute und Felle an den Gefäßwänden und aneinander zunimmt. Dadurch kommt es immer
häufiger zu mechanischen Beschädigungen der Rohware, und wegen Verwicklung der Häute
zu schlechterer Verteilung der Chemikalien.
[0002] Es wurde daher schon versucht, die Reibung durch Zugabe von Gleitmitteln zu-vermindern;
z.B. werden für diesen Zweck, besonders in den USA, bei der Gerbung und Nachgerbung
Produkte auf Basis von natürlichen Phyllosilikaten (Silikate mit Schichtstruktur)
eingesetzt. Sie führen jedoch häufig zu Schwierigkeiten beim Färben des Leders.
[0003] Der Erfindung lag daher die Aufgabe zugrunde, ein inertes, d.h. bei keinem Arbeitsgang
der Lederherstellung störendes Gleitmittel für die Naßprozesse, insbesondere für die
Weiche und den Äscher, zu entwickeln. Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß
den Ansprüchen gelöst.
[0004] Mit Naßprozessen sind Arbeitsgänge in der Wasserwerkstatt von der Weiche über den
Äscher, die Entkälkung, den Pickel, die Gerbung, die Nachgerbung bis zur Färbung gemeint.
[0005] Als erfindungsgemäß einzusetzende wasserlösliche Polymere sind in erster Linie carboxylgruppenhaltige
Polymere geeignet, beispielsweise Polymerisate der Acrylsäure, Methacrylsäure, partiell
verseifte Poly-(meth-)acrylester, Jeweils partiell verseiftes Poly-(meth-)acrylnitril
oder Poly-(meth-)acrylamid, Carboxymethylcellulose, Copolymerisate des Maleinsäureanhydrids
mit copolymerisierbaren Monomeren, wie Styrol; Vinylisobutyläther; Äthylen; 1-Olefinen,
wie Isobuten, wobei die Anhydridgruppen des Polymerisates hydrolisiert und die entstandenen
Carboxylgruppen durch Basen neutralisiert sind. Weniger bevorzugt, aber auch geeignet
sind wasserlösliche Hochpolymere ohne Carboxylgruppen, beispielsweise Poly-(meth-)acrylamid,
Polyvinylalkohol, Polyvinylpyrrolidon, Polyäthylenoxid, kationische, d.h. Aminogruppen
enthaltende Poly-(meth-)acrylester, beispielsweise Acryloyloxyäthyl-diäthylamin sowie
von sämtlichen genannten Monomeren mit und ohne Carboxylgruppen die Copolymerisate
untereinander und mit anderen, copolymerisierbaren Monomeren in solchen Mengen, daß
die Polymerisate noch ausreichend wasserlöslich sind (mindestens 2 g/l). Bei reinmineralisch
(kationisch) gegerbtem Leder werden kationische und nichtionische wasserlösliche Polymere
bevorzugt.
[0006] Die Polymeren kommen in Konzentrationen von 0,05 bis 2, vorzugsweise 0,2 bis 1,7
g/1 zur Anwendung. Darunter ist die Wirkung zu gering; andererseits ist mehr nicht
nötig und auch nicht wünschenswert, weil das Gleitmittel später wieder ausgewaschen
werden muß und das Abwasser belastet.
[0007] Entscheidend für die Eignung der Polymeren im Sinne der Erfindung ist (neben ihrer
ausreichenden Wasserlöslichkeit) deren Molekulargewicht. Dieses wird hier gemessen
durch den K-Wert nach H.Fikentscher, Cellulosechemie 13 (1932), Seiten 58 bis 64 und
71 bis 74, und zwar in 1 %iger Konzentration in einer 5 %igen Kochsalzlösung bei 20°C.
Er soll mehr als 150, vorzugsweise 180 bis 250 betragen. Polymere mit niedrigeren
K-Werten geben nicht oder (infolge Absorption durch die Haut) nur vorübergehend den
gewünschten Gleiteffekt, solche mit wesentlich höheren K-Werten sind in der Regel
schwer herstellbar.
[0008] Gemäß der FR-PS 1 415 763 wird Polyacrylsäure mit einer Engler-Viskosität bei 25°C
in 20 %iger wäßriger Lösung von 1 bis 50, vorzugsweise 2 bis 8, beim Pickeln und Gerben
mitverwendet. Eine Verminderung der Reibung der Häute ist dort nicht erwähnt, dazu
wäre das Molekulargewicht der Polyacrylsäure auch viel zu gering.
[0009] Das gleiche gilt für die quaternäre Ammoniumsalze enthaltenden Copolymerisate der
Acrylsäure, die gemäß DE-OS 19 30 225 beim Behandeln, insbesondere beim Gerben von
Häuten mitverwendet werden und eine Engler--Viskosität bei 20°C in 20 %iger wäßriger
Lösung von 1,2 bis 2,5 bzw. Molekulargewichte von 1000 bis 50.000 aufweisen.
[0010] Die Molekulargewichte der erfindungsgemäß einzusetzenden wasserlöslichen Polymeren
liegen in der Größenordnung von Millionen. 20 %ige Lösungen von ihnen sind nicht mehr
handhabbar. Schon bei etwa 1 % ist die Lösung im allgemeinen viskos und daher im Sinne
der Erfindung nicht mehr brauchbar. Die Ansprüche basieren auf dem K-Wert und nicht
auf dem Molekulargewicht, weil ersterer unvergleichlich viel einfacher und sicherer
zu bestimmen ist.
[0011] Mit einem derartigen Zusatz werden über die gewünschte Gleitwirkung und damit über
die Vermeidung von Scheuerstellen und Falten hinaus noch zusätzliche Vorteile erzielt:
1. sehr feinporiges, geschlossenes, glattes Narbenbild;
2. obwohl das Gleitmittel nach dem Äschern entfernt werden muß, damit die weitere
mechanische Bearbeitung nicht erschwert wird, können die Spülvorgänge verkürzt werden
(Wasser- und Zeiteinsparung);
3. die Blößen sind sauberer, Färbungen werden brillanter und egaler;
4. die Sedimentation von Feststoffen im Abwasser wird beschleunigt;
5. beim Gerben wird als indirekte Folge der Verbesserung des Gleitens eine bessere
Chemikalienverteilung und langsamerer Temperaturanstieg und damit eine bessere Lederqualität
erreicht;
6. bei modernen Gefäßen (Y-Gefäße und Mischer) wird ein Verwickeln der Häute und Felle
weitgehend vermieden;
7. bei der Nachgerbung, besonders von dünnen Ledern, können die Fässer ohne Gefahr
des Verknotens der Leder stärker beladen werden;
8. der Abfall durch Zerreißen wird vermindert, also das Rendement verbessert;
9. Der Energieaufwand zum Rotieren der Fässer wird vermindert.
Beispiel 1
[0012] Weichen von Rindhäuten im Mischer Prozentangaben bezogen auf das Salzgewicht

[0013] Keine Verwicklung der Häute im vollbeladenen Mischer und beim Entladen desselben.
Beispiel 2
[0014] Weiche von getrockneten Ziegenfellen im Faß Prozentangaben bezogen auf das Trockengewicht
[0015] Vorweiche:

[0016] Hauptweiche:

[0017] Kein Verfilzen der Haare, dadurch bessere Weichwirkung, leichteres Entladen der Häute.
Beispiel 3
[0018] Äscher für Rindhäute im Faß Prozentangaben bezogen auf das Salzgewicht

[0019] Gegenüber einem Äscher ohne den erfindungsgemäßen Zusatz sind die Chemikalien besser
verteilt, dadurch bessere Lederqualität (Verminderung der schlechten Enthaarung in
der Schultergegend); der Energieverbrauch beim Rotieren der Fässer ist geringer; die
Bildung von Scheuerstellen und "falschen Rücken" wird weitgehend vermieden, auch das
Einrollen bei der Verarbeitung von Hälften tritt nicht mehr auf; schließlich sind
die Blößen deutlich sauberer, obwohl Spülzeit und Spülwasserverbrauch geringer sind
als sonst üblich.
"Beispiel 4
[0020] Hauptweiche und Äscher für Rindhäute im Mixer Prozentangaben bezogen auf das Salzgewicht:

[0021] Auch hier treten keine Scheuerstellen und kein Verwickeln der Häute auf, auch nicht
bei voller Beladung des Mischers; die Chemikalienverteilung ist verbessert, der Energieaufwand
für das Rotieren der Fässer vermindert. Das Spülen kann abgekürzt werden.
Beispiel 5
[0022] Äscher für Kleintierfelle im Faß Prozentangaben bezogen auf das Streckgewicht

Die Blößen sind schneller durchgeäschert, glatter und haben einen feineren Narben
als bei einem Äscher ohne den erfindungsgemäßen Zusatz. Auch das Spülen geht schneller.
Beispiel 6
[0023] Chromgerbung von Rindhäuten im 3-Kammer-Gefäß Prozentangaben bezogen auf das Blößengewicht
Pickel, Gerbung:

[0024] Die Temperatur steigt auch bei voller Beladung geringer als ohne den erfindungsgemäßen
Zusatz; die Leder verwickeln sich nicht und weisen ein glatteres und geschlosseneres
Narbenbild auf.
Beispiel 7
[0025] Nachgerbung von Polsterleder 1,2 mm im Faß Prozentangaben berechnet auf Chromfalzgewicht
Waschen:

[0026] Entsäuerung:

[0027] Nachgerbung:

[0028] Keine Verwicklungsgefahr bei voller Beladung; weniger Abrißstücke, dadurch bessere
Flächenausbeute; egalere Färbung durch gleichmäßigere Chemikalienverteilung.
Beispiel 8 '
[0029] Pflanzliche Gerbung vorgegerbter ungespaltener Häute im Faß
[0030] Prozentangaben bezogen auf das Blößengewicht
[0031] Ausgerbung:

[0032] Es bilden sich kaum Scheuerstellen oder "falsche Rücken"; die Temperatur steigt nur
schwach an; die Chemikalienverteilung ist besser und die Lederfarbe heller als ohne
den erfindungsgemäßen Zusatz.