(19)
(11) EP 0 050 380 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
28.04.1982  Patentblatt  1982/17

(21) Anmeldenummer: 81200997.5

(22) Anmeldetag:  09.09.1981
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)3C06B 21/00, F42B 33/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE FR GB IT LI LU NL SE

(30) Priorität: 15.09.1980 CH 6889/80

(71) Anmelder: Schweizerische Eidgenossenschaft vertreten durch die Eidg. Munitionsfabrik Thun der Gruppe für Rüstungsdienste
CH-3602 Thun (CH)

(72) Erfinder:
  • Bührer, Richard
    CH-3600 Thun (CH)

(74) Vertreter: Frauenknecht, Alois J. 
c/o PPS Polyvalent Patent Service AG, Mellingerstrasse 1
5400 Baden
5400 Baden (CH)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Vorrichtung und Verfahren zur Herstellung lunkerfreier Sprengstoff- und/oder Treib-Ladungen


    (57) Zur Herstellung lunkerfreier Sprengstoff- und oder Treibladungen ist eine Isolationshülle (9) vorgesehen, deren radialer Wärmedurchlass in einem beliebigen Querschnitt der dort radial abfliessenden durch die Erstarrung der Schmelze frei gewordenen Wärmemenge entspricht. Durch die Isolationshülle (9) entsteht ohne nachträgliche Zufuhr von Fremdenergie (el. Heizung usw.) ein lunkerfreier Guss, selbst bei sehr kleinen Eingiessöffnungen (6a) im Giessling (1) Der erforderliche Wärmedurchlass in der Isolationshülle (9) lässt sich durch den Einsatz von Isolierteilen (4, 5, 10) und'oder Hohlräumen (11) mit Wärmeträgern, z.B. Schmelze, den thermischen Bedingungen des Giesslings (1) anpassen.
    Entsprechende Giessverfahren beruhen auf einem gezielten Vorwärmen und schrittweisen Abkühlen des Giesslings (1) samt Isolationshülle (9).




    Beschreibung


    [0001] Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf eine Vorrichtung nach Anspruch 1 zur Herstellung lunkerfreier Sprengstoff-und/oder Treib-Ladungen vorgegebener Raumform und Zusammensetzung durch Giessen, wobei der Erstarrungsvorgang innerhalb der Schmelze von unten nach oben zunehmend verzögert erfolgt sowie auf ein Verfahren zur Herstellung dieser Sprengstoff- und/oder Treib-Ladungen gemäss den Ansprüchen 9 und 10.

    [0002] Die bisher bekannten Verfahren zur Herstellung von Spreng-oder Treib-Ladungen erfolgen durch Giessen eines bei erhöhter Temperatur verflüssigten Spreng- oder Treibstoffes in die entsprechende Form des Munitionsobjektes bzw. Ladungsraumes. Die Bildung von schädlichen Lunkern im Giessling wurde durch externe Wärmezufuhr um oder in der obersten Partie soweit möglich verhindert. Die entsprechenden Vorrichtungen zur Durchführung derartiger Giessverfahren erfordern einen relativ grossen apparativen Aufwand und sind in ihrem Temperaturverhalten schwierig zu steuern.

    [0003] Bekannt sind zur Beeinflussung einer kontinuierlichen Erstarrung von Sprengstoffen Heizkasten (CH-PS 389 449) oder metallische Heizstäbe (CH-PS 503 253 und DE-AS 1 796 168).

    [0004] Es ist daher Aufgabe der Erfindung, eine Vorrichtung zu schaffen sowie ein Giessverfahren anzugeben, welche vollständig ohne schwer zu kontrollierende Wärmezufuhr zum Giesstrichter einen lunkerfreien Guss, selbst bei sehr kleinen Eingiessöffnungen, ermöglicht. Ferner sollen komplizierte Wärmevorrichtungen eingespart werden; die Abkühlungsphase soll von der Umgebungstemperatur relativ unabhängig sein.

    [0005] Erfindungsgemäss wird dies durch eine Vorrichtung erzielt, bei der ausserhalb der Giessform eine Isolationshülle vorgesehen ist, deren radialer Wärmedurchlass in einer beliebigen Horizontalebene wenigstens annähernd der bei der Erstarrung der Schmelze frei werdenden, radial abfliessenden Wärmemenge im in derselben Horizontalebene befindlichen Querschnitt entspricht.

    [0006] Gemäss dem erfindungsgemässen Verfahren wird die Isolationshülle samt Wärmeträger in einem 1. Schritt während mindestens einer Stunde auf wenigstens die Schmelztemperatur des Wärmespeichers aufgeheizt, in einem 2. Schritt die Sprengstoff- und/oder Treib-Ladung in die Giessform gegossen und in einem 3. Schritt die Giessform in wenigstens zwei weiteren Temperaturschritten abgekühlt.

    [0007] Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in Unteransprüchen gekennzeichnet.

    [0008] Anspruch 2 beschreibt eine vorteilhafte und wirtschaftlich zu realisierende Isolationshülle.

    [0009] Aus herstellungstechnischen Gründen erweist sich eine Vorrichtung nach Anspruch 3 in praxi als besonders günstig.

    [0010] Die Wärmekapazität einer Isolationshülle lässt sich durch einen in Anspruch 4 angegebenen Hohlraum zur Aufnahme eines Wärmeträgers massgeblich erweitern und vorbestimmen. Die Isolationshülle kann auch vollständig als Hohlraum ausgebildet sein und teilweise oder vollständig mit einem Wärmeträger gefüllt werden.

    [0011] Zur Erzielung eines optimalen Abkühlungsverlaufs der Ladung erweist sich ein Wärmeträger gemäss Anspruch 5 als günstig.

    [0012] Ein Wärmeträger nach Anspruch 6 gibt an Stelle der noch flüssigen Ladung so lange Wärme an die Umgebung nach aussen ab, bis die auf untern Querschnittsebenen gelegenen lunkergefährdeten Bereiche der Ladung erstarrt sind.

    [0013] Besonders vorteilhaft ist der Einsatz der Ladungs-Schmelze (vgl. Anspruch 7) als Wärmeträger, insbesondere aus Gründen der vereinfachten Manipulation.

    [0014] Eine Ausgestaltung gemäss Anspruch 8 ergibt kommunizierende Gefässe und bewirkt damit ein besonders einfaches Nachfliessen der erstarrenden Schmelze in die Giessform. Im einfachsten Fall stellt dabei die Eingiessöffnung der Form die Verbindungsleitung dar.

    [0015] Besonders bewährt hat sich ein Giessverfahren nach Anspruch 9 oder 10.

    [0016] Nachfolgend werden anhand schematischer Zeichnungen Ausführungsbeispiele der Erfindung näher beschrieben. Es zeigen

    Fig. 1 ein Geschoss mit aufgesetzter Isolationshaube in Schnittdarstellung während des Erstarrungsprozesses der Ladung und

    Fig. 2 den oberen Teil eines weiteren Geschosses mit einer Wärmeisolation sowie einer eingezeichneten Isochronenschar.



    [0017] In beiden Zeichnungen sind gleichartig wirkende Teile mit gleichen Bezugszeichen versehen.

    [0018] Gemäss Fig. 1 ist auf einen Giessling 1 ein Giesstrichter 2 aufgesetzt. In einen formschlüssig am Giessling 1 aufgesetzten Kragen 4 aus Polyvinilchlorid ist ein Mantel 5 aus Polyurethanschaum mit einem Hohlraum 11 eingesetzt. Der Giesstrichter 2 ist in üblicher Weise mit Schmelze bis zu einem Niveau N gefüllt. Die Schmelze vermag während des Erstarrungsprozesses durch die relativ kleine Eingiessöffnung 6a problemlos, ohne Lunkerbildung, in den Ladungsraum 6 nachfliessen. Dabei dient eine kragenförmige Ausbildung des Giesstrichters 2 als Latentwärmespeicher 7, in welchem die Schmelze von aussen nach innen erstarrt und dabei die latent gespeicherte Wärmeenergie nach aussen abgibt, wodurch im Bereiche der Eingiessöffnung 6a ein Wärmeabfluss nach aussen bis zuletzt verzögert wird, so dass die Schmelze in diesem Bereiche der Ladung zuletzt erstarrt.

    [0019] Die aus dem Kragen 4 und dem Mantel 5 gebildete Isolationshaube 9 (Isolationshülle) ist zur Vermeidung von Strahlungsverlusten mit einer Abdeckung 10 versehen.

    [0020] Nach dem Erstarren kann die gesamte Isolationshaube 9 mitsamt dem sogenannten verlorenen Kopf 8 durch manuelles Drehen leicht abgenommen werden.

    [0021] Die Isolationshaube 9 weist eine progressiv nach oben zunehmende Isolation auf; durch Wahl der Umgebungstemperatur lässt sich die Abkühlungsgeschwindigkeit beeinflussen; der räumliche Erstarrungsverlauf im Giessling 1 ist davon weitgehendst unabhängig.

    [0022] Zur Dimensionierung der Isolationshaube 9 bzw. deren Wärmedämmung auf einem bestimmten Horizontalquerschnitt müssen vom Sprengstoff (oder der Treibladung) folgende physikalische Daten bekannt sein:

    Anteil an Festkörpern, welche als solche keine Latentwärme abzugeben vermögen, der Wärmeleitwert des erstarrten Spreng-stoffes, die Erstarrungswärme des flüssigen Sprengstoffes und die Dichte des erstarrten Sprengstoffes.



    [0023] Im weiteren müssen vom Giessling bekannt sein:

    Dessen Wärmeleitwert sowie die inneren und äusseren Radien auf der jeweils zu berechnenden Querschnittsebene.



    [0024] Ausserdem müssen, ebenfalls im jeweiligen Querschnitt, von der Wärmedämmung der Wärmeleitwert des vorgesehenen Isoliermaterials, die inneren und äusseren Radien sowie die Wärmeübergangszahl der äusseren Oberfläche der Isolationshaube 9 an die Luft bekannt sein.

    [0025] Zur eigentlichen Berechnung dienen die Systemvoraussetzungen, dass einerseits die bei der Erstarrung des Sprengstoffes frei werdende Wärmemenge dQL gleich sein soll, wie die durch die Wärmeleitung an die Luft abgegebene Wärmemenge dQV:

    wobei ΔT die Temperaturdifferenz zwischen Sprengstofferstarrungszone und Aussenraum,

    dt die zur Abkühlung der erstarrten Sprengstoffmasse erforderliche Zeit und

    R der thermische Widerstand zwischen Sprengstofferstarrungszone und äusserer Oberfläche sind.



    [0026] Der Giessling 1 Fig. 2 weist im Gegensatz zu demjenigen in Fig. 1 eine grössere Eingiessöffnung 6a auf, so dass kein Latentwärmespeicher benötigt wird. Trotzdem lässt sich der Erstarrungsprozess als Folge der Isolationshaube 9 allgemein charakteristisch darstellen. Die eingezeichnete Isochronenschar 3, in stündlichen Abständen eingezeichnet, zeigt deutlich wie der Erstarrungsbereich von unten nach oben fortschreitet und dabei die Schmelze im Bereich der Eingiessöffnung 6a nach über 6 Stunden in einem zentralen konzentrischen Bereich noch flüssig ist und somit einen hochwertigen lunkerfreien Sprengeinsatz ergibt.

    [0027] Randseitig sind die Horizontalebenen A - H bezeichnet, welche der vorgängig betrachteten Berechnung der Isolationshaube 9 dienten.

    [0028] Im vorliegenden Fall wurde der Berechnung eine Schmelze aus reinem Trinitrotoluol (TNT) mit einem 20%igen Anteil an Festkörpern zugrunde gelegt. Ein Wiederaufschmelzen der Festkörper erfolgte nicht; es resultierte ein feinkristallines Gussgefüge.

    [0029] Die Isolationshaube 9 wurde während zwei Stunden auf die Schmelztemperatur des TNT (ca. 80°) aufgeheizt, anschliessend die Schmelze in den Giesstrichter 2 eingegossen und dann in zwei Temperaturschritten, nämlich während zwei Stunden bei einer Temperatur von 70° bis 80° C und anschliessend bei Raumtemperatur auf diese abgekühlt.

    [0030] Die erfindungsgemässen Vorrichtungen und Verfahren sind keineswegs auf die Verwendung von TNT beschränkt, jeder an sich bekannte Mischsprengstoff, welcher in seiner flüssigen Phase Festkörper aufweist, ist hierfür anwendbar. Der Festkörperanteil kann auch durch einen anderen Hochleistungssprengstoff eingebracht werden, wie beispielsweise Octogen, Hexogen, Penta etc. Das gleiche gilt auch für die an sich bekannten Treibladungen.


    Ansprüche

    1. Vorrichtung zur Herstellung lunkerfreier Sprengstoff-und/oder Treib-Ladungen vorgegebener Raumform und Zusammensetzung durch Giessen, wobei der Erstarrungsvorgang innerhalb der Schmelze von unten nach oben zunehmend verzögert erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass ausserhalb der Giessform eine Isolationshülle (9) vorgesehen ist, deren radialer Wärmedurchlass in einer beliebigen Horizontalebene (B-H) wenigstens annähernd der bei der Erstarrung der Schmelze frei werdenden, radial abfliessenden Wärmemenge im in derselben Horizontalebene befindlichen Querschnitt entspricht. (Fig. 2)
     
    2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Isolationshülle (9) aus wenigstens einem Kunststoff besteht. (Fig. 1)
     
    3. Vorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Isolationshülle (9) wenigstens zum Teil aus Polypropylen und/oder geschäumtem Polyurethan besteht. (Fig. 1)
     
    4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Isolationshülle (9) wenigstens einen Hohlraum (11) zur Aufnahme eines Wärmeträgers aufweist. (Fig. 1)
     
    5. Vorrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Wärmeträger eine gleiche oder gegenüber der Schmelze höhere Wärmekapazität aufweist. (Fig. 1)
     
    6. Vorrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Wärmeträger ein latente Wärme speicherndes Medium ist. (Fig. 1)
     
    7. Vorrichtung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Wärmeträger Schmelze ist. (Fig. 1)
     
    8. Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass eine Verbindungsleitung zwischen der in der Giessform befindlichen Schmelze und der im Hohlraum (11) befindlichen Schmelze vorgesehen ist. (Fig. 1)
     
    9. Verfahren zur Herstellung lunkerfreier Sprengstoff- und/ oder Treib-Ladungen mit einer Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Isolationshülle samt Wärmeträger in einem 1. Schritt während mindestens einer Stunde auf wenigstens die Schmelztemperatur des Wärmespeichers aufgeheizt wird, dass in einem 2. Schritt die Sprengstoff- und/oder Treib-Ladung in die Giessform gegossen wird und dass in einem 3. Schritt die Giessform in wenigstens zwei Temperaturschritten abgekühlt wird.
     
    10. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Giessform während wenigstens zwei Stunden bei einer Temperatur von 70 - 80° C und anschliessend bei 20* C abgekühlt wird.
     




    Zeichnung










    Recherchenbericht