[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft das kontinuierliche Färben und Bedrucken von Wollfasern
mit sulfogruppen-haltigen Reaktivfarbstoffen nach einem Klotz-Schnelldämpf-Prozeß
bzw. einem Druck-Schnelldämpf-Prozeß.
[0002] Das kontinuierliche Färben von Wollfasern, besonders in Form von Kammzug, Fadenscharen,
Garnbündeln, aber auch Geweben, mit Reaktivfarbstoffen ohne die Verwendung von Textilhilfsmitteln
bzw. ohne gezwungen zu sein, mit zweiphasigen Färbeflotten arbeiten zu müssen, läßt
sich bis jetzt noch nicht mit der für die Praxis erforderlichen Sicherheit und Reproduzierbarkeit
der Nuance durchführen. Einmal sind es die Dämpfzeiten, welche für eine ökonomische,
energiebewußte Farbstoff-Fixierung zu lange dauern; zum andern fallen bei den bisher
bekannten Färbeprozessen auf dieser Grundlage immer hohe Mengen von mit grenzflächenaktiven
Produkten verunreinigte Abwässer an, deren Aufbereitung ziemlich umständlich und auch
kostspielig ist.
[0003] So ist es beispielsweise aus der DE-PS 22 44 524 bekannt, Wollkammzug mit Hilfe des
Vigoureuxdrucks zu gleichmäßig gefärbten Melangen zu verarbeiten, wobei die Echtheitseigenschaften
der in dieser Weise erzielbaren Farbeffekte in erster Linie aufgrund der eingesetzten
Reaktivfarbstoffe denen anderer Farbstoffklassen überlegen sind. Die Dämpfzeiten zur
Farbstoff-Fixierung - es sind beim Vigoureuxdruck Einwirkun
gs-
' zeiten bei 100 - 102°C von 15 bis 40 Minuten empfohlen - können für die damalige
technische Entwicklung wohl als kurz bezeichnet werden, ebensowenig erscheint eine
vorhergehende Zwischentrockung geboten. Allerdings muß man beim bekannten Verfahren
für eine volle Fixierung der Reaktivfarbstoffe den Druckpasten noch Harnstoff als
Lösungsvermittler und gleichzeitig als Fixierhilfsmittel beifügen, ein Essigsäure/Natriumacetat-Puffer
dient zum Einstellen des pH-Wertes.
[0004] Fernerhin ist in der Musterkarte Hoe 2990 "®REMAZOL-Farbstoffe für den Druck" der
Hoechst AG, Frankfurt/Main ein Stoffdruckverfahren für Wolle erläutert, bei welchem
Reaktivfarbstoffe vom Vinylsulfon-Typ zusammen mit Natriumacetat und Harnstoff auf
Gewebe aus Wolle gedruckt, zwischengetrocknet und zur Fixierung im Sattdampf gedämpft
werden. Das zuletzt genannte Rezept schreibt zwecks Farbvertiefung Harnstoffmengen
von 150 bis 200 g/kg Druckpaste und in diesem Fall das Zwischentrocknen vor, die Dämpfzeit
beträgt 10 bis 15 Minuten.
[0005] Zum Unterschied davon ist auf dem-Anwendungsgebiet Wolle ein kontinuierliches Färben
von Garn durch Farbstoffimprägnierung und schnellwirkende Fixierung, ähnlich der von
Druckverfahren, bislang nicht bei Kammzug, Fadenscharen und Garnbündeln realisiert
worden. Lediglich beim Bedrucken von Warenbahnen hat sich - infolge der verhältnismäßig
kleinen bedeckten Flächen, welche von nichtbedruckten und daher trockenen Stellen
umgeben sind - im Falle von Wolle als kürzeste Fixierdauer eine Dämpfzeit im Bereich
von 10 bis 15 Minuten ermöglichen lassen. Das Aufheizen der bedruckten Flächen geht
nämlich auf diese Weise viel schneller, als wenn man ein in seiner gesamten Breite
ununterbrochen feuchtes Textilmaterial aufheizen muß. Andere Voraussetzungen liegen
hingegen vor, wenn man in eine derartige Untersuchung alle kontinuierlichen Färbe-
und Druckverfahren von Wollfasern einbezieht, die entweder auf den Einsatz von spezifischen,
die Affinitätsunterschiede innerhalb der Wollfaser ausgleichende Farbstoffe ausgerichtet
sind, wie z.B. Methyltaurino-ethylsulfon-Reaktivfarbstoffe entsprechend der DE-PS
23 40 044, wo aus neutralem oder nur schwach davon abweichendem Medium sowie ohne
Zwischentrocknung nach einer Dampffixiermethode gearbeitet wird und den Imprägnierflotten
zur Verhinderung des Grauschleiers auf den erzeugten Färbungen ein Gemisch aus anionischen
und nichtionischen Tensiden zugesetzt werden muß; oder man erstreckt die erwähnte
Überprüfung weiterhin auf Kontinue-Färbetechniken, welche unter Einwirkung bzw. in
Anwesenheit von Textilhilfsmitteln oder ähnlich wirkenden Substanzen durchgeführt
werden. Hierher gehören auch solche Produkte, die ein Arbeiten in zweiphasigen Färbeflotten
erlauben. Prozesse der zuvor besprochenen Kategorie bringen einen hohen Wasserverbrauch
mit sich und erfordern demzufolge den Verbrauch von viel Energie sowie entsprechend
großen Aufwand an Arbeitskraft. In heutiger Zeit spielen aber Energieeinsparungen
und einfach zu beseitigende Abwässer eine bedeutsame Rolle.
[0006] Der nachstehend erläuterten Erfindung liegt nunmehr die Aufgabe zugrunde, die vom
Stand der Technik her bekannten Nachteile zu beheben und ein sehr schnell ablaufendes
Verfahren zum kontinuierlichen Färben und Bedrucken von Wollfasern mit sulfogruppenhaltigen
Reaktivfarbstoffen zu verwirklichen, womit ganz besonders eine starke Verkürzung der
Dämpfzeit erreicht wird. Wie schon eingangs geschildert, sind Fixierzeiten von mindestens
10 Minuten für das Fixieren von Farbstoffen auf tierischen Fasern das Minimum, was
bisher zur Verfügung gestanden hat... Kürzer realisierbare Prozesse und schnellere
Färbetechniken würden indessen die Möglichkeit einer besseren Energieausnutzung bieten
und auch höhere Produktionsgeschwindigkeiten erlauben. Daneben sollte die obligatorische
Verwendung von
Textilhilfsmitteln möglichst gering sein, so daß der Ausstoß an dermaßen belasteten
Abwässern weitgehend herabgesetzt wird.
[0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß man das zu färbende bzw. zu
bedruckende Fasermaterial mit einer neben den gelösten Farbstoffen noch 60 bis 100
g/1 bzw. /kg, vorzugsweise.80 bis 90 g/1 bzw. /kg Natriumacetat enthaltenden wäßrigen
Färbeflotte bzw. Druckpaste klotzt oder bedruckt, gegebenenfalls nach dem Entfernen
des Flottenüberschusses die Klotzung bzw. den Druck zweckmäßig bei Temperaturen unterhalb
100°C kurz zwiscHentrocknet und sodann zwecks Farbstoff-Fixierung 30 bis . 180 Sekunden,
vorzugsweise 60 bis 120 Sekunden lang der Einwirkung von Sattdampf bei Temperaturen
von 102° bis 115°C unterwirft.
[0008] Die Durchführbarkeit des neuen Verfahrens beruht auf dem Prinzip einer Zugabe von
sehr hohen Mengen Natriumacetat zur Klotzflotte bzw. Druckpaste kombiniert mit einem
anschließenden Schnelldämpf-Prozeß nach vorhergehender Zwischentrocknung der Klotzung
bzw. des Druckes mit den Reaktivfarbstoffen. Unter dieser Voraussetzung gestattet
die erfindungsgemäße Arbeitsweise, das Wollmaterial ohne Mitwirkung zusätzlicher Textilhilfsmittel
bzw. Lösungsvermittler kontinuierlich zu färben bzw. zu bedrucken. Dabei ist es unerheblich,
ob das Wollmaterial einem Vigoureux-, Film- oder Rouleauxdruck unterworfen wird.
[0009] Das beanspruchte Verfahren ist in erster Linie eine sehr rasch anwendbare Färbe-
bzw. Drucktechnik, die zu ihrer Durchführung keines besonderen, darauf zugeschnittenen
Maschinenparks bedarf und sich vor allem dadurch auszeichnet, daß eine hohe Farbausbeute
erreicht wird. Als überraschend muß das bei der hohen Farbstärke der Verfahrenserzeugnisse
erzielbare Echtheitsniveau angesehen werden. Die außerordentlich guten Echtheitseigenschaften
kommen durch die innerhalb ganz kurzer Zeit stattfindende kovalente Bindung zwischen
Farbstoff und Wollfaser zustande, die wiederum ihren Ursprung in der Anwendung von
Natriumacetat hat. Um das geschilderte hohe Echtheitsniveau zu realisieren, brauchen
keinerlei zusätzliche Maßnahmen wie pH-Kontrolle usw.
'ergriffen werden, so daß die Durchführung des beschriebenen Verfahrens sehr vereinfacht
wird.
[0010] In Bezug auf die vorliegende Erfindung war es erstaunlich und ist selbst von einem
Fachmann nicht erwartet worden, daß beim Einsatz von je nach Farbtiefe 60 bis 100
g/1 bzw. /kg Natriumacetat der dem Schema nach an sich bekannte Reaktionsverlauf der
Fixieroperation derart beschleunigt wird, so daß sich in diesem Fall eine kontinuierliche
Prozeßführung ermöglichen läßt. Das bedeutet aber auch, daß - weil große Mengen an
dem Natriumacetat zur Ver--fügung stehen - diese dann einen direkten Beitrag zur Fixierung
der eingesetzten Farbstoffe leisten und man demzufolge die hierfür erforderlichen
Dämpfzeiten niedrig halten kann.
[0011] Ebenso hat man nicht ohne weiteres vorhersehen können, daß die Färbungen unter diesen
Bedingungen außerordentlich egal werden. In Textil-Praxis 1971, Seiten 164-167, insbesondere
167 wird nämlich betont, daß die Egalität einer Färbung von Wolle mit Reaktivfarbstoffen
mit sinkendem pH-Wert besser, und zwar deutlich besser wird. Daß trotzdem mit dem
in diesen Mengen deutlich alkalisch reagierenden Natriumacetat überhaupt egale Färbungen
zu erhalten sind, ist einfach in keiner Weise naheliegend gewesen.
[0012] Es wird in Fachkreisen als eine Faustregel angesehen, daß man für das Fixieren von
Farbstoffen in Fasermaterialien im allgemeinen bei kurzer Einwirkungszeit erfahrungsgemäß
hohe Temperaturen benötigt, während bei der Beaufschlagung niedriger Temperaturen
- also in einem Temperaturbereich, der nur wenig über 100°C liegt - die Hitzeeinwirkungszeit
für den beabsichtigten Vorgang entsprechend länger andauern muß. Einer willkürlichen
Ausnutzung dieser Beobachtung in Richtung auf eine Reduzierung der Fixierzeit sind
im vorliegenden Falle aber Grenzen dadurch gesetzt, daß reine, ungemischte Wollfasermaterialien
lediglich bei Temperaturen von 100° bis 115°C einer solchen Hitzebehandlung für den
zuvor erwähnten Zweck unterzogen werden können, denn oberhalb von 115°C erfolgt eine
feststellbare Schädigung der Wolle durch den Einfluß der Hitze. Die Verwendung von
Natriumacetat ermöglicht wiederum jedoch, wie erfindungsgemäß festgestellt worden
ist, eine-weitere Herabsetzung der Einwirkungszeit, ohne daß die Dämpftemperatur .
von 115°C überschritten zu werden braucht. Folglich kann bei sehr hohen Mengen Natriumacetat
die Dauer der Hitzeeinwirkung sehr stark gekürzt werden. Die Erhöhung der Natriumacetatmenge
im Zuge der Erfindung bringt also eine enorme Zeitersparnis bei der Farbstoff-Fixierung
auf Wolle mit sich. Die Farbtiefen sind dann - beim beanspruchten Verfahren trotz
der für tierische Fasern bemerkenswert kurzen Fixierzeiten überraschend gut, die Echtheitseigenschaften
entsprechen dem Standard.
[0013] Andererseits tritt eine Faserschädigung im Rahmen des erfindungsgemäßen Färbeprozesses
in Anbetracht des Einsatzes der ungewöhnlich hohen Mengen an Natriumacetat gleichfalls
nicht auf, obwohl zu Beginn der Behandlung der pH-Wert der Klotzflotte wie auch der
Druckpaste bei etwa 9 liegt. Erstens ist die Einwirkungszeit in diesem Milieu sehr
kurz, sie beträgt nur wenige Sekunden, und gleich darauf beim Eintritt der Ware in
den Dämpfer wird Essigsäure frei, die den pH-Wert sodann ins schwach saure verschiebt.
Gegen Ende der Dampfbehandlung wird allerdings das Fixiermedium wieder ins alkalische
verschoben, aber dieser Zustand dauert ebenfalls nur Sekunden und ersetzt gleichzeitig
eine alkalische Nachbehandlung der erzeugten Färbungen bzw. Drucke.
[0014] Die spezifische Art der Färbebedingungen gestattet es, auf die sonst beim Färben
von Wolle meistens benutzten Egalisiermittel zu verzichten. Man erhält trotzdem sehr
gleichmäßige Färbungen. Es sollten indessen bei der Durchführung des neuen Verfahrens
nicht ohne weiteres Egalisiermittel oder Retardiermittel zugesetzt werden; sie können
sich hierbei gegebenenfalls als störend erweisen. Im Bedarfsfalle können selbstverständlich
gewisse Umstände beispielsweise eine Harnstoffzugabe vorteilhaft erscheinen lassen,solange
diese sich in den Grenzen hält, wo eine Wollschädigung nicht zu befürchten ist. Diese
ist für die Durchführbarkeit des neuen ' Verfahrens in der Praxis jedoch nicht von
ausschlaggebender Bedeutung. Ein solcher Zusatz schadet dann aber nicht und beeinflußt
die technologischen wie auch die Echtheitseigenschaften der in dieser Weise erzeugten
Wollfärbungen in keinem Fall negativ. Reißfestigkeitsprüfungen haben dies bestätigt.
Bisherige kontinuierliche oder halbkontinuierliche Färbeverfahren haben dagegen die
Verwendung von 80 g/1 Harnstoff als äußerste Mindestmenge vorgeschrieben; die Höchstmenge
liegt in dieser Hinsicht bei bis zu 300 g/l. Bei allen solchen bekannten Verfahren
sind freilich deutlich längere Dämpfzeiten erforderlich.
[0015] Ein ganz besonderer Vorteil ist unter den gegebenen Bedingungen darüber hinaus die
Stabilität der Klotzflotten und Druckpasten, die in diesem ganz schwach alkalischen
Milieu über 24 Stunden beträgt. Somit läßt sich der ganze Färbeprozeß leichter handhaben.
[0016] Als Fasermaterial für das beanspruchte Verfahren kommen Wollfasern besonders in Form
von Kammzug Garn, Fadenscharen und Garnbündeln, aber auch Geweben in Betracht. Selbstverständlich
können auch einzelne Fäden auf diese Weise behandelt werden, die Effektivität des
Verfahrens ist in diesem Falle jedoch in Frage gestellt. Das neue Verfahren eignet
sich auch zum Färben bzw. Bedrucken des Wollanteils von Fasermischungen.
[0017] Eine besondere Bedeutung kann dem erfindungsgemäßen Verfahren für das Bemustern von
Teppichen aus reiner Wolle zugemessen werden. Mit den diese Arbeitsweise kennzeichnenden
kurzen Fixierzeiten läßt sich nicht nur eine hohe Materialproduktion, sondern auch
ein einfacher Verfahrensablauf erzielen.. Im einfachsten Fall erfolgt auf das Substrat
ein Teppichdruck oder eine Bemusterung nach der Art des TAK-Färbe-Verfahrens. Auf
diese Weise kann man eine Vielzahl von Einzelstücken herstellen, die sich durch ein
individuelles Muster auszeichnen.
[0018] Die Färbe- bzw. Drucktechnik gemäß der vorliegenden Erfindung kann man auch auf Wollfasern,
die einem "filz- . frei"-Ausrüstungsprozeß unterzogen worden sind - solche Wolle wird
im allgemeinen als "Superwash" ausgerüstete Wolle bezeichnet - anwenden. Hierbei handelt
es sich um Wollfasern, die z.B. mit einem Polyimin- oder Polyacrylharz-Film (entsprechend
den Angaben in Melliand Textilberichte 9/1971, Seite 1100, oder im Journal of the
Society of Dyers and Colourists, Volume 88, Number 3/1972, Seiten 93-100) überzogen
worden sind. Ein daraus gefertigter textiler Artikel muß den bei normaler Wolle nicht
verlangten und auch nicht erreichten, harten Beanspruchungen einer mehrfachen Wäsche
bei 60°C unter Mitverwendung von perborathaltigen Haushaltswaschmitteln standhalten,
ohne zu verfilzen, und demzufolge auch entsprechend farbecht sein. Derartige Anforderungen
auf diesem hohen Echtheitsniveau, besonders in der Wasch- und Schweißechtheit, werden
in erster Linie von Färbungen und Drucken mit Reaktivfarbstoffen erreicht.
[0019] Bei solchermaßen filzfrei ausgerüsteter Wolle werden im Rahmen des erfindungsgemäßen,Färbens
bzw. Bedruckens gleich gute Ergebnisse wie bei normaler Wolle erzielt. Dieser Umstand
ist insofern überraschend, als die filzfrei ausgerüstete Wolle ein anderes Ziehvermögen
aufweist als es die unbehandelten Wollfasern zeigen. Trotzdem bedarf dieses unterschiedliche
Verhalten keiner besonderen Berücksichtigung beim Erstellen eines Färbe- bzw. Druckrezeptes.
Damit ist das neue Verfahren das bislang einzige seiner Art, bei dem nach ein- und
derselben Vorschrift sowohl auf ausgerüsteten wie auch auf nicht-ausgerüsteten Wollfasern
die gleichen Farbtiefen und auch dieselbe Egalität zu realisieren sind.
[0020] Für das Färben bzw. Bedrucken der Wollfasern bzw. des Wollanteils von Fasermischungen
nach dem vorliegenden Verfahren kommen als Reaktivfarbstoffe die unter diesem Begriff
bekannten organischen Farbstoffe - unabhängig von der Art ihrer reaktiven Gruppe -
in Betracht. Diese Farbstoffklasse wird im Colour Index, 3. Auflage 1971 als "Reactive
Dyes" bezeichnet. Es handelt sich hierbei vorwiegend um solche Farbstoffe, die mindestens
eine mit den Aminogruppen von Polyamidfasern reaktionsfähige Gruppe, eine Vorstufe
hierfür oder einen mit den Aminogruppen von Polyamidfasern reaktionsfähigen Substituenten
enthalten. Als Grundkörper der organischen Farbstoffe eignen sich besonders solche
aus der Reihe der Azo-, Anthrachinon- und Phthalocyaninfarbstoffe, wobei die Azo-
und Phthalocyaninfarbstoffe sowohl metallfrei als auch metallhaltig sein können. Als
reaktionsfähige Gruppen und Vorstufen, die solche reaktionsfähige Gruppen bilden,
seien beispielsweise Epoxygruppen, die Ethylenimidgruppe, die Vinylgruppierung im
Vinylsulfon- oder im Acrylsäurerest, ferner die ß-Sulfatoethylsulfongruppe, die ß-Chlorethylsulfongruppe
oder die ß-Dialkylaminoethylsulfongruppe genannt. Außerdem kommen für dieses Verfahren
Derivate der Tetrafluorcyclobutyl-Reihe, z.B. der Tetrafluorcyclobutylacrylsäure,
in Frage. Als reaktionsfähige Substituenten in Reaktivfarbstoffen dienen solche, die
leicht abspaltbar sind und einen elektrophilen Rest hinterlassen. Als Substituenten
kommen beispielsweise 1 bis 3 Halogenatome an folgenden Ringsystemen in Betracht:
Chinoxalin, Triazin, Pyrimidin, Phthalazin, Pyridazin und Pyridazon. Es können auch
Farbstoffe mit mehreren gleich- oder verschiedenartigen Reaktivgruppen verwendet werden.
Solche Reaktivfarbstoffe der zuvor definierten Art weisen häufig mehr als eine Sulfonsäuregruppe
(außer dem reaktiven Bestandteil des Farbstoffes) im Molekül auf, welche beliebig
über den Chromophor verteilt sein können, bevorzugt aber an dessen aromatische Reste
gebunden sind. Bezogen auf die bei konventionellen Ausziehverfahren erzielbaren Farbausbeuten
liefern die obengenannten Farbstoffe im Falle des erfindungsgemäßen Kontinueverfahrens
sehr gute Ausbeuten auf Wolle.
Beispiel 1
[0021] Wollgarn aus nicht-chlorierter Wolle wird in Form von parallelen Garnbündeln bei
Raumtemperatur sowie einer Flottenaufnahme von 110 % (vom Gewicht der trockenen Ware)
durch dreimaliges Tauchen und Abquetschen mit einer wäßrigen Flotte geklotzt, die
im Liter enthält
20 g des Farbstoffes Reactive Blue 19 mit der C.I.-Nr. 61200,
70 g Natriumacetat und
10 g m-nitrobenzolsulfonsaures Natrium.
[0022] Das Fasermaterial wird nun bei 90°C zwischengetrocknet und sofort danach durch einen
Dämpfer geführt und dort zur Farbstoff-Fixierung 3 Minuten lang im Sattdampf bei 110°C
gedämpft.
[0023] Daraufhin wird das so behandelte Textilgut zuerst mit kaltem Wasser, dann mit 40°C
warmem Wasser gespült und schließlich in einem wäßrigen Bad unter Zusatz von
1 g/1 eines nichtionischen Waschmittels enthaltend 30 Gew.-% eines Umsetzungsproduktes
von 1 Mol Stearylamin mit 12 Mol Ethylenoxid, und
1,5 ml/l Ammoniak (pH 8,5)
[0024] 5 Minuten lang bei 55°C geseift. Zuletzt wird die gefärbte Ware nochmals warm und
kalt mit Wasser gespült. Man erhält auf dem Garn eine dunkelblaue Färbung.
Beispiel 2
[0025] Chloriertes Wollgewebe (Leinwandbindung) wird bei 25°C sowie einer Flottenaufnahme
von 100 % (vom Gewicht der trockenen Ware) mit einer wäßrigen Flotte geklotzt, die
im Liter 16 g des Reaktivfarbstoffs der Formel
80 g Natriumacetat und
10 g m-nitrobenzolsulfonsaures Natrium enthält.
[0026] Das Wollmaterial wird nun bei 85-90°C zwischengetrocknet und sodann in einem Dämpfer
120 Sekunden lang bei 113°C gedämpft und anschließend wie in Beispiel 1 beschrieben
nachbehandelt. Man erhält eine kräftige Rotfärbung.
Beispiel 3
[0027] Wirkware aus chlorierten Wollfasern wird bei Raumtemperatur sowie einer Flottenaufnahme
von 95 % (vom Gewicht der trockenen Ware) mit einer wäßrigen Flotte geklotzt, die
im Liter 16 g des Reaktivfarbstoffs der Formel
90 g Natriumacetat und
10 g m-nitrobenzolsulfonsaures Natrium enthält.
[0028] Das Fasermaterial wird nun bei etwa 90°C zwischengetrocknet und danach 60 Sekunden
lang bei 115°C gedämpft. Die Nachbehandlung der gefärbten Ware erfolgt wie im Beispiel
1 beschrieben. Man erhält eine klare, kräftige Orange-Nuance.
Beispiel 4
[0029] Wollkammzug, der mit polymerem Polyamid-Epichlorhydrin filzfrei ausgerüstet worden
ist, wird bei Raumtemperatur sowie einer Flottenaufnahme von 110 % (vom Gewicht der
trockenen Ware) mit einer wäßrigen Flotte geklotzt, die im Liter
15 g des Farbstoffs Reactive Red 4 mit der C.I.-Nr. 18 105,
95 g Natriumacetatund
80 g Harnstoff enthält.
[0030] Der Klotzflotte werden außerdem noch 10 g m-nitrobenzolsulfonsaures Natrium als Reduktionsschutzmittel
zugesetzt.
[0031] Das Fasermaterial wird nun bei etwa 85°C zwischengetrocknet und sodann durch einen
Dämpfer geführt, wo man es zur Farbstoff-Fixierung 50 Sekunden lang bei 115°C dämpft.
Daraufhin wird das so behandelte Textilgut zuerst mit kaltem Wasser., dann mit 40°C
warmem Wasser gespült und danach in einem wäßrigen Bad unter Zusatz von
1 g/1 eines nichtionischen Waschmittels enthaltend 30 Gew.-% eines Umsetzungsproduktes
von 1 Mol Stearylamin mit 12 Mol Ethylenoxid, und
1,5 ml/l Ammoniak (pH 8,5)
[0032] 5 Minuten lang bei 55°C geseift. Anschließend wird die gefärbte Ware warm und kalt
mit Wasser gespült. Man erhält eine sehr kräftige Rotfärbung auf dem Wollkammzug.
Beispiel 5
[0033] Gewebe aus chlorierten Wollfasern wird mit einer Druckpaste, bestehend pro kg aus
20 g des Reaktivfarbstoffs der Formel

700 g Alginatverdickung
100 g Harnstoff
90 g Natriumacetat und
10 g m-nitrobenzolsulfonsaures Natrium
sowie als Ausgleich Wasser, bedruckt, wobei man eine Rotationsfilmdruckmaschine einsetzt
oder den Druck auf Filmdrucktischen durchführt.
[0034] Das bedruckte Fasermaterial wird nun bei 90°C zwischengetrocknet und sofort anschließend
60 Sekunden lang bei 114°C gedämpft. Die Nachbehandlung der Ware erfolgt wie aus Beispiel
4 ersichtlich. Man erhält einen kräftigen gelben Druck auf dem Wollmaterial.
Beispiel 6
[0035] Wollkammzug wird im Vigoureuxdruck-Verfahren mit einer Druckpaste bedruckt, die pro
kg
20 g des Farbstoffs der Formel

680 g Alginatverdickung,
80 g Harnstoff,
80 g Natriumacetat und
10 g m-nitrobenzolsulfonsaures Natrium sowie als
Ausgleich Wasser enthält.
[0036] Nach einem Zwischentrocknen bei 85°C wird die bedruckte Ware 150 Sekunden lang bei
112°C gedämpft und sodann wie in Beispiel 4 beschrieben nachbehandelt. Es resultiert
ein tiefes, leuchtendes Blau auf dem Wollkammzug, der zu entsprechenden Melangen verarbeitet
werden kann.
1. Verfahren zum kontinuierlichen Färben und Bedrucken von Wollfasern mit sulfogruppenhaltigen
Reaktivfarbstoffen nach einem Klotz-Schnelldämpf-Prozeß bzw. einem Druck-Schnelldämpf-Prozeß,
dadurch gekennzeichnet, daß man das zu färbende bzw. zu bedruckende Fasermaterial
mit einer neben den gelösten Farbstoffen noch 60 bis 100 g/1 bzw. /kg Natriumacetat
enthaltenden wäßrigen Färbeflotte bzw. Druckpaste klotzt oder bedruckt, gegebenenfalls
nach dem Entfernen des Flottenüberschusses die Klotzung bzw. den Druck kurz zwischentrocknet
und sodann zwecks Farbstoff-Fixierung 30 bis 180 Sekunden lang der Einwirkung von
Sattdampf bei Temperaturen von 102° bis 115°C unterwirft.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Menge an Natriumacetat
in der Klotzflotte bzw. Druckpaste 80 bis 90 g/1 bzw. /kg beträgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Klotzflotte bzw.
Druckpaste außer dem gelösten Farbstoff und dem Natriumacetat noch Harnstoff enthält.
4. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet,
daß die Klotzflotte bzw. Druckpaste noch m-nitrobenzolsulfonsaures Natrium enthält.
5. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet,
daß die Dämpfzeit 60 bis 120 Sekunden beträgt.
6. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet,
daß man Wollfasern in Form von Kammzug, Garn, Fadenscharen und Garnbündeln färbt oder
bedruckt.
7. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet,
daß man mit einer Auflage aus einem Polyiminharz oder einem Polyacrylharz filzfrei
ausgerüstete Wolle färbt oder bedruckt.