(19)
(11) EP 0 062 365 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
13.10.1982  Patentblatt  1982/41

(21) Anmeldenummer: 82200313.3

(22) Anmeldetag:  11.03.1982
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)3C22F 1/18, C22C 14/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR GB IT LI

(30) Priorität: 23.03.1981 CH 1934/81

(71) Anmelder: BBC Aktiengesellschaft Brown, Boveri & Cie.
CH-5401 Baden (CH)

(72) Erfinder:
  • Albrecht, Joachim, Dr.
    CH-5243 Mülligen (CH)
  • Duerig, Thomas, Dr.
    CH-5415 Nussbaumen (CH)
  • Richter, Dag
    CH-1227 Carouge (CH)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung eines Bauteils aus einer Titanlegierung sowie Bauteil und Verwendung des Bauteils


    (57) Verfahren zur Herstellung eines Bauteils aus einer mechanisch instabilen ß-Titanlegierung, welches 3 voneinander verschiedene Formgedächtniseffekte zeigt:
    Einen Einwegeffekt, einen nahezu hysteresisfreien aber in einem weiten Temperaturbereich der Phasenumwandlung kontinuierlich ablaufenden Zweiwegeffekt (ähnlich Bimetall) und einen irreversiblen isothermen Effekt. Ausnutzung der Effekte in thermischen Auslöseelementen (elektrische Schalter) sowie in festen oder lösbaren Verbindungselementen für Bauelemente.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung geht aus von einem Verfahren zur Herstellung eines Bauteils aus einer Titanlegierung nach der Gattung des Anspruchs 1, sowie eines Bauteils nach der Gattung des Anspruchs 11 und der Verwendung eines Bauteils nach der Gattung des Anspruchs 18.

    [0002] Es ist seit längerer Zeit bekannt, dass gewisse Legierungen einen sog. Gedächtniseffekt zeigen, d.h. eine Art Formerinnerungsvermögen besitzen. Unter ihnen haben vornehmlich zwei Hauptgruppen technische Bedeutung erlangt. Zur ersten gehören die Legierungen auf der Basis von Ni/Ti (z.B. Buehler, W.J. Cross, W.B.: 55 Nitinol, unique wire alloy with a memory. Wire J. 2 (1969), p. 41 - 49) oder Ni/Ti/Cu, zur zweiten die kupferreichen oder nickelreichen Legierungen des β-Messing-Typs auf der Basis von Cu/Zn/Al, Cu/Al, Cu/Al/Ni mit Ni/Al (z.B. US-PS 3 783 037 und US-PS 4 019 925). Ein Formgedächtniseffekt ist ausserdem in einer 35 % Niob enthaltenden supraleitenden Titanlegierung entdeckt und beschrieben worden (siehe Baker, C.: The shape memory effect in a titanium 35 wt-% niobium alloy. Metal Sci. J. 5 (1971), p. 92-100).

    [0003] Allen diesen Legierungen ist gemeinsam, dass sie nicht einer Gruppe der allgemein verfügbaren klassischen Werkstoffe angehören und in der Regel nach mehr oder weniger aufwendigen Verfahren speziell hergestellt werden mü3sen. Letzteres gilt insbesondere für pulvermetallurgisch herzustellende Legierungen. Ausserdem ist den bis jetzt technisch angewendeten Gedächtnislegierungen gemeinsam, dass sie fast ausnahmslos verhältnismässig spröde sind. Der Mangel an Duktilität setzt sowohl ihrer Verarbeitbarkeit wie ihrer Verwendung engere Grenzen oder bedingt entsprechende, das Fertigprodukt verteuernde zusätzliche Verfahrensschritte. Die gebräuchlichen Legierungen.zeigen für den Zweiwegeffekt eine mehr oder weniger grosse Hysteresis beim Durchlaufen einer Temperatur/Weg-Schleife. Diese Hysteresis - vor allem wenn sie beträchtliche Werte erreicht - ist nicht für alle Anwendungsfälle erwünscht.

    [0004] Gedächtnislegierungen auf der Basis von Ni/Ti weisen eine Temperatur MS der martensitischen Umwandlung von theoretisch höchstens 80°C (praktisch meist nicht über 50°C) auf, welche für viele Anwendungen, vor allem im Gebiet elektrischer Thermoschalter, zu tief ist. Ausserdem sind solche Legierungen kostspielig, besonders wenn man noch die verteuernde Bauteilherstellung mitberücksichtigt.

    [0005] Die dem β-Messingtyp angehörenden Kupferlegierungen wie z.B. Cu/Al/Ni weisen mit höchstens 600 MPa für viele praktische Anwendungen zu niedrige Zugfestigkeit auf. Zudem ist deren MS-Temperatur stark von der Genauigkeit der Zusammensetzung - insbesondere vom Aluminiumgehalt - abhängig, was deren Reproduzierbarkeit erschwert. Denn es ist ja gerade das Aluminium, welches entsprechend seinem hohen Dampfdruck beim Erschmelzen der Legierungen zu schwer kontrollierbaren Verlusten und damit Abweichungen von der Sollwert-Analyse führt.

    [0006] Es besteht daher ein Bedürfnis, das Gebiet der Anwendbarkeit der Gedächtniseffekte durch neue Auswahl bisher nicht in Betracht gezogener Legierungen sowie geeigneter materialspezifischer Verfahren und entsprechende Herstellung von Bauteilen zu erweitern.

    [0007] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Herstellungsverfahren für ein Bauteil aus einer Titanlegierung sowie ein Bauteil und dessen Verwendung anzugeben, das von der Ausnutzung der martensitischen Umwandlung zwecks Erzielung eines Gedächtniseffektes Gebrauch macht. Es besteht ferner die Aufgabe, den Gedächtniseffekt in seinen verschiedenen Erscheinungsform näher zu charakterisieren und seine Nutzbarmachung in der Technik aufzuzeigen.

    [0008] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäss durch die Merkmale der Ansprüche l, 11 und 18 gelöst.

    [0009] Die Erfindung wird anhand der nachfolgenden, durch Figuren erläuterten Ausführungsbeispiele beschrieben.

    [0010] Dabei zeigt:

    Fig. 1 einen Ausschnitt aus einem schematischen Phasendiagramm einer binären Titanlegierung,

    Fig. 2 den Verlauf der rückgewinnbaren Dehnung in Funktion der aufgebrachten bleibenden Dehnung für eine Titanlegierung,

    Fig. 3 den Verlauf der Formänderung über der Temperatur für den Einweg-Effekt,

    Fig. 4 den Verlauf der Formänderung über der Temperatur für den Zweiweg-Effekt,

    Fig. 5 den Verlauf der Formänderung über der Temperatur für den isothermen Effekt,

    Fig. 6 die Abmessungen eines Probestabes für Zugproben,

    Fig. 7 die Abmessungen eines Probestabes für Torsionsproben,

    Fig. 8 die schematische Schnitt-Darstellung eines elektrischen Schalters mit Schraubenfedern,

    Fig. 9 die schematische perspektivische Darstellung eines elektrischen Schalters mit einem Torsionsstab,

    Fig. 10 den Längsschnitt durch eine Schrumpfverbindung in der Ausgangslage,

    Fig. 11 den Längsschnitt durch eine Schrumpfverbindung im Moment des Aufweitens,

    Fig. 12 den Längsschnitt durch eine Schrumpfverbindung nach dem Zusammenbau,

    Fig. 13 den Längsschnitt durch eine Schrumpfverbindung nach dem Lösen,

    Fig. 14 den Längsschnitt durch eine Keramikdichtung,

    Fig. 15 den Längsschnitt durch einen Hohlkörperabschluss vor dem Zusammenbau,

    Fig. 16 den Längsschnitt durch eine Hohlkörperverbindung mit Trennwand vor dem Zusammenbau,

    Fig. 17 den Längsschnitt durch eine Hohlkörperverbindung mit verschiedenen Durchmessern.



    [0011] In Fig. 1 ist ein Ausschnitt aus einem schematischen, supponierten Phasendiagramm einer binären Titanlegierung dargestellt. Es handelt sich um die Titanseite. Die Ordinate stellt die Temperaturskala dar und entspricht gleichzeitig 100 % Ti, d.h. 0 % Legierungselement. Auf der Abszisse ist das Legierungselement X in Prozenten (beispielsweise Gew.-%) aufgetragen. Die ausgezogenen Kurven unterteilen das Diagramm in das α-, (α+β)- und β-Phasengebiet. Zwei weitere, gestrichelt gezeichnete Kurven MS und Md stehen im Zusammenhang mit der beim Abschrecken aus dem β-Gebiet eintretenden Phasenumwandung (Martensitbildung) und werden weiter unten näher erläutert. Sie treffen die 0°C-Isotherme (Abszisse) in den Punkten A resp. B. Errichtet man in B eine Senkrechte, so trifft sie die β-Umwandlungslinie in G. Die durch 0 gezogene Isotherme schneidet die in A errichtete Senkrechte im Punkt D. Durch CD wird nach oben das Gebiet abgegrenzt, aus welchem die Titanlegierung abgeschreckt werden muss, um den gewünschten für die Gedächtniseffekte erforderlichen Gefügezustand (sog. "mechanisch instabile β-Titanlegierung") zu erhalten.

    [0012] Fig. 2 zeigt ein Diagramm, in welchem der Verlauf der rückgewinnbaren Dehnung r (%) in Funktion der primär aufgebrachten bleibenden Dehnung ε (%) als Kurve a für eine Titanlegierung dargestellt ist. Vergleichsweise ist die Linie b für ideale Rückgewinnung (100 %) als 45°-Gerade eingezeichnet. Man stellt fest, dass bis zu bleibenden Dehnungen von über 2 % beide Linien praktisch zusammenfallen, dass die maximale rückgewinnbare Dehnung ca. 3 % beträgt, und dass eine bleibende primäre Verformung von über 6 % keinen Gedächtniseffekt mehr zeitigt. Das Diagramm hat selbstverständlich grundsätzlichen Charakter und die Zahlenwerte sind für verschiedene Legierungen verschieden. Im vorliegenden Fall gilt es numerisch für eine Titanlegierung mit ca. 10 Gew.-% Vanadium, 2 Gew.-% Eisen und 3 Gew.-% Aluminium (Ti 10 V2 Fe 3 Al).

    [0013] Fig. 3 stellt ein Diagramm des Verlaufs der Formänderung über die Temperatur für den Einwegeffekt einer β-Titanlegierung (im vorliegenden Fall TilOV2Fe3Al) dar. AS ist die Temperatur des Beginns der Rückumwandlung des Martensits (Tieftemperaturphase) in die Hochtemperaturphase. AF stellt die entsprechende Temperatur für das Ende dieser Phasenumwandlung dar. Im vorliegenden Fall einer Verformung durch Zug, wobei eine bleibende Dehnung von 2,39 % aufgebracht wurde, beträgt der rückgewinnbare Anteil A EI = l,94 %. Die Pfeile geben den Richtungssinn der Verformungs/Temperatur-Schleife an. Die gestrichelte Linie bezeichnet die reine thermische Schrumpfung des Werkstückes nach Abkühlung auf Raumtemperatur. Das Diagramm hat grundsätzlichen Charakter und gilt qualitativ für alle mechanisch instabilen β-Titanlegierungen.

    [0014] In Fig. 4 ist der Verlauf der Formänderung über der Temperatur für eine Titanlegierung aufgezeichnet, die den Zweiwegeffekt zeigt. Die ursprüngliche bleibende Verformung durch Zug betrug hier εo = 3,7 %, war also höher als für die Induzierung des Einwegeffektes. Die kontinuierlich mit der Temperatur verlaufende reversible Dehnung ΔεIII = 0,4 % zeigt praktisch keine Hysteresis. Der Mechanismus ist von demjenigen der bekannten Ni/Ti-Legierungen verschieden. Das Material verhält sich grundsätzlich ähnlich wie ein Bimetallstreifen. Der Verlauf der Kurve ist im besagten Temperaturintervall zwischen Raumtemperatur und ca. 3000C leicht nach oben gekrümmt (konkav gegen die Temperaturachse hin). Ueber die Grundsätzlichkeit gilt das unter Fig. 3 Gesagte.

    [0015] Fig. 5 zeigt den Verlauf der Formänderung über der Temperatur für den irreversiblen isothermen Effekt der Legierung Til0V2Fe3Al. Nach einer primären Verformung durch Zug (bleibende Dehnung ε= 2,39 %) wurde zunächst der Einwegeffekt von A bis AF durchlaufen, was die übliche Schrumpfung von ΔεI = 1,94 % zur Folge hatte. Nach einer weiteren Erwärmung des Materials (im vorliegenden Fall auf ca. 400°C) stellt sich der in umgekehrter Richtung verlaufende isotherme Gedächtniseffekt ein, was hier gleichbedeutend mit einer Ausdehnung von ΔεII = 0,9 % ist. Auch hier gilt das unter Fig. 3 Gesagte.

    [0016] Fig. 6 und Fig. 7 zeigen je einen Probestab für Zug- resp. Torsionsproben in den Längen- und Durchmesserabmessungen, was keinen weiteren Erklärungen bedarf. Demgemäss wurden die Torsionsversuche an hohlzylindrischen Probestäben durchgeführt.

    [0017] In Fig. 8 ist ein elektrischer Schalter schematisch im Schnitt dargestellt, welche Schraubenfedern als Bauelemente verwendet. 1 ist ein Gehäuse, in welchem eine Stütze 2 befestigt ist, die das Lager 3 für den Kontakthebel 4 trägt. 5 stellen je einen festen und 6 je einen beweglichen Kontakt dar. Der Kontakthebel 4 wird durch die Federn 7 und 8 in einer zuvor wählbaren Ruhelage gehalten. Dies kann die eingezeichnete Lage (beide Kontaktstellen offen) oder auch eine andere Lage (eine Kontaktstelle geschlossen) sein. 7 ist eine Schraubenfeder aus einer Gedächtnislegierung. Sie kann sowohl als Druck- wie als Zugfeder mit oder ohne Verspannung ausgebildet sein. 8 ist eine gewöhnliche Schraubenfeder, welche wieder als Zug- oder Druckfeder mit oder ohne Vorspannung wirken kann. Je nach der vorgesehenen Ausführung von 7 und 8 und der zur Anwendung kommenden Kombination dieser Federn wirkt 8 dem Gedächtniseffekt von 7 entgegen (Rückstell- oder Gegenfeder) oder unterstützt ihn (Hilfsfeder).

    [0018] Fig. 9 zeigt eine schematische perspektivische Darstellung eines elektrischen Schalters unter Verwendung eines Torsionsstabes. 9 ist eine Grundplatte auf welcher rechtwinklig ein aus Gedächtnislegierung bestehender Torsionsstab 10 befestigt ist. Letzterer wiederum trägt an seinem Ende den Schaltarm 11, dessen Beweglichkeit (Schwenkbereich) durch einen Doppelpfeil angedeutet ist. Er besitzt an seinem Ende einen beweglichen Kontakt 6, der einem festen Kontakt 5 gegenübersteht, welcher im Halter 12 befestigt ist.

    [0019] Die Fig. 10 bis 13 zeigen den Verfahrensablauf bei der Herstellung einer festen wie einer lösbaren Verbindung. 14 stellt je ein zu verbindendes Rohr im Längsschnitt dar. 13 ist eine Muffe aus einer Gedächtnislegierung, deren Innendurchmesser im Ausgangszustand vor dem Aufweiten gegenüber dem Rohraussendurchmesser Untermass besitzt. 15 zeigt die Muffe während des Aufweitprozesses mittels einer Kugel 16. 17 stellt die Muffe nach dem Schrumpfprozess (Einweg-Gedächtniseffekt) über den Rohren 14 dar. Dies entspricht dem Zustand einer festen Rohrverbindung. In Fig. 13 ist der Zustand nach dem Lösen (falls erforderlich) der gleichen Verbindung dargestellt. 18 ist die durch den isothermen Gedächtniseffekt wieder gelockerte Muffe nach dem Ausdehnungsprozess.

    [0020] Die Fig. 14 bis 17 zeigen Ausführungsbeispiele von Dichtungen, Hohlkörperabschlüssen und Hohlkörperverbindungen. 19 stellt eine mit einer Nut 20 versehene Scheibe aus einer Gedächtnislegierung dar. 21 ist ein Hohlkörper aus Keramikmaterial, welcher in die Nut 19 vakuumdicht eingreift. Die mit einer konischen Hinterdrehung 23 versehene Scheibe 22 besteht aus einer Gedächtnislegierung. Der zu verbindende Hohlkörper 24 aus Metall, Kunststoff oder Keramikmaterial ist gestrichelt vor dem Zusammenbau angedeutet. 25 stellt eine beidseitig abgesetzte Scheibe aus einer Gedächtnislegierung dar, welche je eine zylindrische Hinterdrehung 23 aufweist. Die Enden der Hohlkörper 24 können, wie angedeutet, verschiedene Formen haben. In dem vorliegenden Fall dient die Scheibe 25 sowohl als Verbindungselement wie als Trennwand. 26 ist ein abgesetzter Hohlkörper aus Gedächtnislegierung, welcher die Hinterdrehungen 23 sowie eine zentrale Oeffnung 27 aufweist. Die zu verbindenden Hohlkörper 24 können verschiedenen Durchmessersund selbstverständlich verschiedenen Materials sein.

    [0021] Unter den Titanlegierungen gibt es solche, die nach einer geeigneten thermischen und thermomechanischen Vorbehandlung Gedächtniseffekte zeigen. Der Zusammensetzungsbereich dieser Legierungen ist verhältnismässig eng begrenzt. Bedingung ist zunächst, dass sie im stabilen Ausgangszustand bei Raumtemperatur mindestens teilweise die kubisch-raumzentrierte /3-Phase enthalten. Reine α-Legierungen fallen somit aus. Das gleiche gilt für reine β-Legierungen bei Raumtemperatur, da ja in jenem Gebiet keine Phasenumwandlung mehr stattfindet ( β-Phase stabil bis Raumtemperatur herunter). Praktisch müssen daher die Legierungen im Ausgangszustand bei Raumtemperatur in den heterogenen (α+β)-Phasenraum hineinfallen. Eine weitere Einschränkung in der Zusammensetzung besteht nun darin, dass die Legierungen der Klasse der mechanisch instabilen /3-Titanlegierungen (im Sinne dieser Erfindung) angehören müssen, welche grundsätzlich folgendermassen definiert sind:

    [0022] Legierung, gekennzeichnet durch die Eigenschaft, dass ihre kubisch-raumzentrierte β-Phase durch Aufbringen einer bleibenden Verformung mindestens teilweise in die spannungsinduzierte martensitische α "-Phase umgewandelt werden kann.

    [0023] Praktisch kann dies dadurch festgestellt werden, dass von der β-Titanlegierung ein dünnes Blech von maximal 1 mm Dicke zunächst einer Lösungsglühung oberhalb der β-Umwandlungstemperatur unterworfen und hierauf innerhalb von höchstens 10 sec Abkühlungszeit zum Durchlaufen der Differenz zwischen Lösungsglühtemperatur und 100°C in Eiswasser abgeschreckt wird. Nach dem Abschrecken darf das Material höchstens 10 Vol.-% thermisch induzierten Martensit aufweisen.

    [0024] Weiterhin ist die Legierung dadurch gekennzeichnet, dass sich bei anschliessender mechanischer Verformung die β-Phase in Martensit (α") umwandelt. Die maximale Temperatur, bei der nach dieser Verformung mechanisch induzierter Martensit (α") feststellbar ist, wird alsA Md definiert.

    [0025] Im schematischen, supponierten Phasendiagramm Fig. 1 ist der Verlauf der MS- und Md-Linie über der Temperatur eingezeichnet. MS stellt dabei die Temperatur der beginnenden Martensitbildung dar. Md wurde schon oben näher definiert. Für die praktisch in Betracht fallenden Legierungen bei Raumtemperatur ergibt sich daher die Bedingung, dass ihre Zusammensetzung ungefähr in den Bereich zwischen A und B (Schnittpunkt der MS- und Md-Linie mit der OOC-Isothermen) fallen muss. Um die gewünschten Gedächtniseffekte voll zu erreichen, ist es wünschenswert, bei der nachfolgenden primären bleibenden Verformung möglichst viel spannungsinduzierten Martensit zu erzeugen. Dies wird dadurch erreicht, dass man das Bauteil zuvor aus einem Gebiet oberhalb der β-Umwandlungslinie abschreckt, wie dies durch die rechts verlaufende strichpunktierte Vertikale mit Pfeil angedeutet ist. Mindestens aber sollte man aus einer der Isothermen CD entsprechenden Temperatur abschrecken, da beim Abschrecken von tiefer liegenden Temperaturen obige Bedingung nicht mehr erfüllt werden kann. Dies ist durch die links liegende strichpunktierte Vertikale mit Pfeil angedeutet. Im letzteren Fall verliert man dann allerdings einen durch das Hebelgesetz angezeigten kleinen Anteil an Material, das sich beim Uebergang über die β-Umwandlungslinie in die stabile α-Phase umwandelt und für den Gedächtniseffekt verloren geht. Für den restlichen Anteil an β-Phase sind jedoch die Bedingungen für die nachfolgende Martensitbildung immer noch optimal.

    [0026] Nach der erfindungsgemässen Definition der mechanisch instabilen β-Titanlegierung eignen sich prinzipiell alle Legierungselemente welche stabilisierend auf die kubisch-raumzentrierte β -Phase wirken. Diese sind V, Al, Fe, Ni, Co, Mn, Cr, Mo, Zr, Nb, Sn, Cu, welche sowohl einzeln als auch in Kombination verwendet werden können. Für diese Elemente lassen sich gewisse Konzentrationsgrenzen angeben, welche den obigen Bedingungen genügen, die sich aus' den thermodynamischen Gleichgewichten herleiten lassen. Demzufolge ist es möglich, die Legierungszusammensetzung mit Hilfe empirisch ermittelter Zusammenhänge durch eine quadratische Näherung mathematisch auszudrücken. Es muss die Bedingung erfüllt sein, dass die in Atomprozenten ausgedrückten Konzentrationsgrenzen der Legierungselemente der Titanlegierung der Formel

    genügen, wobei Xi die Konzentration des jeweiligen Elements in Atomprozent bedeutet und die Koeffizienten Ai und B1 dem jeweiligen Element gemäss nachfolgender Tabelle zugeordnet .sind:





    [0027] Besonders geeignet sind Titanlegierungen, die dem binären Typus angehören und neben Titan noch 14 bis 20 Gew.-% Vanadium oder 4 bis 6 Gew.-% Eisen oder 6,5 bis 9 Gew.-% Mangan oder 13 bis 19 Gew.-% Molybdän enthalten.

    [0028] Weitere bevorzugte Legierungen sind solche, die dem ternären Typus angehören und neben Titan noch 13 bis 19 Gew.-% Vanadium plus 0,2 bis 6 Gew.-% Aluminium oder 4 bis 6 Gew.-% Eisen plus 0,2 bis 6 Gew.-% Aluminium oder 1,5 bis 2,3 Gew.-% Eisen plus 10 bis 14 Gew.-% Vanadium enthalten.

    [0029] Ferner gibt es eine Gruppe von Legierungen, die dem quaternären Typus angehören und neben Titan noch 9 bis 11 Gew.-% Vanadium plus 1,6 bis 2,2 Gew.-% Eisen plus 2 bis 4 Gew.-% Aluminium enthalten.

    [0030] Die oben definierten und näher gekennzeichneten mechanisch instabilen /3-Titanlegierungen (im Sinne dieser Erfindung) zeigen drei Formgedächtniseffekte je nach thermomechanischer oder mechanischer Vorbehandlung und je nach Temperaturbereich. Wird auf eine derartige Legierung eine Spannung durch Zug, Druck, Scherung oder eine Kombination von mindestens zwei dieser Operationen derart ausgeübt, dass eine primäre bleibende Verformung erzeugt wird, so sind die Voraussetzungen für die Einstellung eines Gedächtniseffekts gegeben. Durch eine an die Verformung anschliessende Erwärmung des Bauteils auf eine Temperatur oberhalb AS stellt sich zunächst der Einweg-Effekt ein (siehe Fig. 3). Bei weiterer Erwärmung bis AF ist der Effekt, der in einer der ursprünglichen Verformungsrichtung entgegengesetzten Verformung besteht, beendet. AS und AF geben also die Temperatur der beginnenden bzw. beendeten Rückumwandlung des Martensits in die Hochtemperaturphase an. Im Gegensatz zu herkömmlichen Gedächtnislegierungen liegen bei mechanisch instabilen β-Titanlegierungen An und AF verhältnismässig hoch (im Gebiet oberhalb 100°C), was ein neues Verwendungsgebiet erschliesst. Wird das Bauteil von einer Temperatur in der Nähe von AF auf Raumtemperatur abgekühlt, so bleibt die durch den Einwegeffekt erzielte Verformung bestehen. Auf diese Weise lassen sich z.B. feste Verbindungen von Bauelementen verwirklichen. Wird die primäre bleibende Verformung über ein gewisses Mass hinaus erhöht, so stellt sich nach darauffolgender Erwärmung zunächst wieder der Einwegeffekt beim Durchlaufen der Strecke zwischen AS und AF ein. Wird nun noch etwas über AF hinaus erwärmt, so befindet sich das Material nun im Zustand, wo es einen Zweiwegeffekt zeigt (siehe Fig. 4). Bei der Abkühlung aus einem Temperaturbereich von ca. 300 bis 350°C herunter auf Raumtemperatur erleidet das Bauteil eine Verformung, welche in entgegengesetzter Richtung zu derjenigen des Einwegeffekts verläuft, somit der ursprünglich aufgebrachten bleibenden Verformung gleichgerichtet ist. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Gedächtnislegierungen des Ni/Ti- und β-Messingtyps erfolgt diese Verformung mit der Temperatur kontinuierlich und praktisch hysteresisfrei: Das Verhalten des Materials hat also eher Aehnlichkeit mit demjenigen eines Bimetalls. Im vorliegenden Fall von Til0V2Fe3Al ist die Kurve nicht linear sondern leicht gekrümmt, so dass sie gegen die Temperaturachse hin konkav erscheint. Wird ein in üblicher Weise für den Einwegeffekt vorbehandeltes Material wesentlich über AF hinaus erwärmt und auf der erreichten Temperatur gehalten, so kann ein dritter Effekt, der isotherme Gedächtniseffekt beobachtet werden (siehe Fig. 5). Dabei verformt sich das Bauteil in einem zum Einwegeffekt gegenläufigen Sinne. Im Falle der obenerwähnten Titanlegierung wurde dieser Effekt bei ca. 400°C ausgelöst. Er ist irreversibel und auf die Umwandlung der martensitischen α"-Phase in die stabile α-Phase zurückzuführen. Das Gefüge besteht dann im wesentlichen aus den stabilen Phasen.α und β . Dieser Effekt kann z.B. zur Konstruktion einer lösbaren Schrumpfverbindung herangezogen werden.

    [0031] Bei der Herstellung des Bauteils aus der Titanlegierung ist es notwendig, das Werkstück aus dem oben angegebenen Temperaturgebiet - vorzugsweise oberhalb der β-Umwandlungslinie - mit einer Geschwindigkeit abzukühlen, welche einerseits hoch genug ist, um die mechanisch instabile β-Phase zu erhalten und andererseits die Bildung jeglicher neuen Phase ausser der athermalen ω -Phase zu unterdrücken. Als weitere Bedingung kommt hinzu, dass höchstens die Bildung von maximal 10 Vol.-% durch Abschrecken thermisch induzierten Martensits zugelassen sein soll. Es geht also darum, den β-Gefügezustand durch Abschrecken möglichst rein bis zur Raumtemperatur herunter zu verschleppen. Der Idealfall stellt 100 % mechanisch instabile /3-Phase dar. Der Martensit soll sich ja erst nachher, durch Aufbringen einer Verformung, d.h. spannungsinduziert bilden. Was die athermale ω -Phase betrifft, so lässt sich deren Bildung oftmals nicht ganz vermeiden. Für die Stabilität des Gedächtniseffektes sind allfällige (ω-Ausscheidungen jedenfalls unerwünscht. Die obere Grenze der sinnvollen bleibenden Verformung zur Induzierung des Martensits ergibt sich aus der Tatsache, dass bei grösseren Verformungen das Plateau der rückgewinnbaren Dehnung erschöpft ist (siehe Fig. 2, wo diese Grenze für Til0V2Fe3Al bei ca. 6 % liegt). Im Folgenden soll die Temperatur AS' welche bereits oben allgemein beschrieben worden ist, im Sinne dieser Erfindung als verfahrenstechnische Grösse genauer definiert werden. Unter AS soll jene Temperatur verstanden werden, bei welcher 1/100 der zuvor aufgebrachten, primären bleibenden mechanischen Verformung zurückgebildet ist. Als weitere, für die Gedächtniseffekte charakteristische Grösse soll A90 eingeführt werden. Darunter soll jene Temperatur verstanden werden, bei welcher das Gefüge des Bauteils nach vorangegangener Verformung und darauffolgender Erwärmung noch maximal 10 Vol.-% Martensit enthält.

    [0032] Soll der Einwegeffekt erzielt werden, so ist das Werkstück nach erfolgter primärer Verformung auf eine Temperatur oberhalb AS zu erhitzen. Im Falle des isothermen Effektes muss das Werkstück auf eine Temperatur erhitzt werden, bei welcher sich die stabile α-Phase ausscheidet, und es ist auf dieser Temperatur so lange zu halten, bis sich mindestens 1 Vol.-% der ursprünglichen Phase in die α -Phase umgewandelt haben. Soll der Zweiwegeffekt ausgenutzt werden, so ist das Werkstück nach erfolgter primärer Verformung auf eine Temperatur oberhalb A90 zu erhitzen und nachher auf eine solche unterhalb AS abzukühlen. Die vorgenannten Bedingungen sind die Minimalbedingungen, um die besagten Gedächtniseffekte überhaupt zu erzielen. Den optimalen Einwegeffekt erhält man jedoch erst nach einem Erhitzen auf eine um AF liegende Temperatur. Für den isothermen Effekt ist im allgemeinen eine Erhitzung auf eine mindestens 500C über dem AF-Punkt liegende Temperatur notwendig. Der Zweiwegeffekt kann durch Erhitzen auf eine zwischen AS und AF liegende Temperatur erreicht werden, wobei das Gefüge teilweise aus der aC "-Phase, teilweise aus der β-Phase besteht.

    Ausführungsbeispiel I:



    [0033] β-Titanlegierungen werden im allgemeinen durch doppeltes Lichtbogenschmelzen mit verzehrbarer Elektrode hergestellt. Ausgangsmaterial sind Titanschwamm und entsprechende Vorlegierungen. Der Schmelzprozess erfolgt unter Vakuum oder Schutzgas mit niedrigem Wasserstoff-Partialdruck. Zur Herstellung eines Bauteils werden die Komponenten gemischt, erschmolzen und gegossen und das auf diese Weise erhaltene Werkstück warmverformt und einer Lösungsglühung im Temperaturgebiet mindestens der teilweisen Existenz der stabilen /3-Phase unterworfen. Daraufhin wird das Werkstück auf Raumtemperatur abgeschreckt und einer mechanischen Verformung sowie einer weiteren thermischen Behandlung unterzogen.

    [0034] Im vorliegenden Fall wurde von Halbzeug in Form eines zylindrischen Schmiedestückes von 254 mm Durchmesser und einem Gewicht von 130 Kg ausgegangen. Die Titanlegierung entsprach der Bezeichnung Ti-10V-2Fe-3Al und hatte folgende tatsächliche.Zusammensetzung:



    [0035] Aus dem Material im Anlieferungszustand wurden Proben angefertigt, und zwar Zugproben gemäss Fig. 6, sowie hohle Torsionsproben gemäss Fig. 7.

    [0036] Um einen eindeutigen reproduzierbaren Ausgangszustand einzustellen, wurden die Proben im Gebiet der β-Phase bei 8500C während 60 Minuten lösungsgeglüht und anschliessend in bewegtes Wasser auf Raumtemperatur abgeschreckt. Um Oxydation während der Lösungsglühung auszuschliessen, wurde die Wärmebehandlung entweder in einem Vakuumofen durchgeführt, oder die Proben wurden in eine luftdicht versiegelte, mit Schutzgas gefüllte Quarzglasampulle gegeben. Die Glasampulle zerbricht unmittelbar beim Eintauchen in das Abschreckmedium (Wasser) und erlaubt so ein schnelles Abschrecken. Sowohl bei der Wärmebehandlung unter Vakuum als auch bei Verwendung der schutzgasgefüllten Ampulle wurden die Proben zusätzlich lose in Zirkonfolie eingewickelt, um restlichen Sauerstoff durch dessen hohe Affinität zu Zirkon abzubinden.

    [0037] Um den Einwegeffekt zu erhalten, wurden Zugproben bei Raumtemperatur mit einer Dehngeschwindigkeit £ = 0,0007 sec-1 verformt. Proben, die bis zu 3 % bleibend verformt wurden, kehrten praktisch vollständig zu ihrer ursprünglichen Länge (vor der Verformung) zurück, nachdem sie in einem Salzbad auf 3000C aufgeheizt und für 60 sec bei dieser Temperatur gehalten wurden. Proben, die mehr als 3 % verformt wurden, zeigten zwar ebenfalls einen Einweg- effekt, kehrten aber nicht mehr vollständig in ihre Ausgangsform zurück. Bei Verformungen von mehr als 7 % war kein Gedächtniseffekt mehr messbar (siehe Fig. 2). Bei einer primären Verformung unter Anwendung von Druck statt Zug konnten die gleichen Phänomene mit den selben Ergebnissen festgestellt werden.

    [0038] Der an einem Zugstab gemessene Einwegeffekt ist schematisch in Fig. 3 darges tellt. Aehnliche Ergebnisse erhält man mit Torsionsstäben oder bei der Umkehrung der Verformung (Druckbelastung).

    Ausführunsbeisiel II:



    [0039] Aus dem gleichen Material und nach dem gleichen Verfahren wie unter Beispiel I angegeben wurden Zug- und Torsionsproben hergestellt. Eine Zugprobe wurde bei Raumtemperatur derart beansprucht, dass eine bleibende Verformung von 3,7 % erzeugt wurde. Beim Aufheizen zeigte die Probe zunächst einen Einwegeffekt, d.h.es trat eine Schrumpfung in der Längsachse ein(qualitativ ähnlich Fig. 3). Nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur zeigte sich eine Ausdehnung in der Längsrichtung. Die Probe wurde nun einige Male zyklisch aufgeheizt und abgekühlt. Die entsprechende Dehnung bzw. Kontraktion zwischen Raumtemperatur und ca. 340°C betrug 0,4 % (Zweiwegeffekt).

    Ausführun sbeispiel III:



    [0040] Aus Til0V2Fe3Al wurde gemäss Beispiel I ein Torsionsstab (siehe Fig. 7) gefertigt. Der Stab wurde bei Raumtemperatur um 1,16 rad (entsprechend ε =5,8 %) verdrillt. Nach Wegnahme der Last federte er auf einen Drallwert von 0,774 rad (entsprechend ε= 3,87 %) bleibender Verformung zurück. Beim Aufheizen auf 3200C ging die Verformung auf 0,61 rad (entsprechend E= 3,05 %) zurück. Beim anschliessenden Abkühlen auf Raumtemperatur nahm die Verformung um 0,098 rad (entsprechend ε= 0,49 %) zu. Ein nochmaliges Aufheizen auf 3000C verminderte die Verformung wieder um 0,082 rad (entsprechend ε= = 0,41 %). Nach 5 Erwärmungs/Abkühlungs-Zyklen zwischen Raumtemperatur und 320°C ergab sich eine Verformungsdifferenz um 0,078 rad (entsprechend ε= 0,39 %). Dieser Torsions-Zweiwegeffekt entspricht qualitativ (nicht genau numerisch) ebenfalls dem in Fig. 4 dargestellten Phänomen.

    Ausführunsbeispiel IV:



    [0041] Gemäss Beispiel I wurden Zugproben aus Til0V2Fe3Al herausgearbeitet und wie dort beschrieben verformt und auf 3000c aufgeheizt. Dabei stellte sich erwartungsgemäss der Einwegeffekt in Form einer entsprechenden Schrumpfung in der Längsrichtung des Stabes ein. Anschliessend wurden die Proben auf eine Temperatur von 400 bis 450°C aufgeheizt und auf dieser Temperatur während 100 min gehalten. Dabei dehnten sich die Probestäbe in Längsrichtung vom Werte aus, die in der Grössenordnung von 1 bis 2 % lagen, je nach aufgebrachter primärer Verformung. Dieser, dem Einwegeffekt entgegenlaufende irreversible isotherme Effekt ist qualitativ in Fig. 5 dargestellt. Es können dabei Werte der Dehnung von bis rel. 50 % (bezogen auf die primär aufgebrachte bleibende Verformung) erreicht werden.

    Ausführungsbeispiel V:



    [0042] Siehe Fig. 8.

    [0043] Aus dem Material gemäss Beispiel I und nach der dort angegebenen Vorbehandlung wurde ein Draht hergestellt und daraus eine Schraubenfeder 7 gewunden. Hierauf wurde diese Feder einer Behandlung gemäss Beispiel II bzw. III unterworfen, um den Zweiwegeffekt dergestalt herbeizuführen, dass sich die im Ruhezustand bei Raumtemperatur unter einer geringen Druckvorspannung befindliche Feder 7 bei Temperaturerhöhung sukzessive zusammenzieht. Die Feder 7 aus Gedächtnislegierung wurde in einen elektrischen Schalter gemäss Fig. 8 zusammen mit einer gewöhnlichen Druckfeder 8 zusammengebaut. Der Strom wird über die Feder 8 geleitet. Im Normalzustand bewirkt er keine Erwärmung, so dass sich letztere praktisch auf Raumtemperatur befindet und mit der Gegenfeder 8 im Gleichgewicht ist. Bei Ueberstrom verkürzt sich zufolge Erwärmung die Feder 7 und entlastet dadurch die Gegenfeder 8, so dass die oberen Kontakte 5/6 schliessen und z.B. dadurch einen Hauptschalter zur Unterbrechung des Stromkreises auslösen. Selbstverständlich sind auch alle umgekehrten Kombinationen von 7 und 8 ausführbar, wie unter Fig. 8 beschrieben ist.

    Ausführungsbeispiel-VI:



    [0044] Siehe Fig. 9.

    [0045] Aus dem Material gemäss Beispiel I und nach der dort angegebenen Vorbehandlung wurde ein Torsionsstab nach Fig. 7 hergestellt. Letzterer wurde gemäss Beispiel II bzw. III weiterbehandelt, um den Zweiwegeffekt zu erzeugen. Der vorbereitete Torsionsstab 10 wurde nun mit einem Schaltarm 11 versehen und auf die Grundplatte 9 montiert. Alle weiteren Bauelemente des elektrischen Schalters ergeben sich aus der Beschreibung der Fig. 9. Der Torsionsstab 10 kann dabei direkt vom Strom durchflossen sein (direkte Heizung) oder von einem isolierten Heizwendel dicht umschlossen sein (indirekte Heizung). Der Auslösemechanismus ist prinzipiell der gleiche wie unter Beispiel I angegeben. Die Gegenfeder kommt hier in Wegfall. Diese Konstruktion zeichnet sich durch grosse Einfachheit aus. Durch geeignete Wahl der Geometrie des Schalters (Länge des Schaltarms und Schwenkbereich etc.) kann die Auslösetemperatur in weiten Grenzen eingestellt werden.

    Ausführungsbeispiel VII:



    [0046] Siehe Fig. 10 bis 13.

    [0047] Aus Til0V2Fe3Al wurde eine hohlzylindrische Muffe 13 von 20,25 mm Innen- und 26,25 mm Aussendurchmesser bei 30 mm axialer Länge hergestellt. Sie diente dazu, um zwei Rohre 14 (Metall, Kunststoff, Keramikmaterial) von 20,6 mm Aussendurchmesser zu verbinden. Die Muffe 13 wurde gemäss Beispiel I vorbehandelt (Lösungsglühen, Abschrecken). Hierauf wurde sie mittels einer polierten Stahlkugel 16 von 21 mm Durchmesser durch axiales Hindurchdrücken (siehe Pfeil in Fig. 11) auf einen Innendurchmesser von 2.0,79 mm aufgeweitet. Nun wurden die Rohre 14 symmetrisch axial in die Muffe eingeschoben und das Ganze auf eine bei AF liegende Temperatur (im vorliegenden Fall ca. 260°C) aufgeheizt. Durch das in Erscheinungtreten des Einwegeffektes wurde eine dichte feste Schrumpfverbindung der Rohre 14 erzielt, die auch bei Abkühlung auf Raumtemperatur erhalten bleibt, da sich die Muffe höchstens noch geringfügig weiter zusammenzieht. Der Vorteil dieser Verbindung unter Verwendung eines Bauelements aus einer mechanisch instabilen β-Titanlegierung liegt darin, dass dieses bei Raumtemperatur vorverformt werden kann, da die Temperaturen AS und AF verhältnismässig hoch liegen. Dies ist beispielsweise bei Legierungen auf Ni/Ti-Basis nicht der Fall. Da muss bei Temperaturen weit unterhalb der Raumtemperatur vorverformt werden, wozu spezielle Kühlmittel und entsprechende Apparaturen erforderlich sind. Demgegenüber kann die Erwärmung der Muffe 13 aus Titanlegierung in einfacher Weise in jeder Werkstatt und auch im Freien oder am Montageplatz mittels Lötlampe, Schweissbrenner etc. bewerkstelligt werden, wobei zur Temperaturüberwachung einfache Mittel (Anlauffarben, Temperaturkreiden etc.) genügen.

    [0048] Soll die Verbindung wieder gelöst werden, so kann hiezu der isotherme Effekt herangezogen werden. Dabei wird die aufgeschrumpfte Muffe 17 (Fig. 12) auf eine Temperatur von ca. AF plus 100 bis 150°C gebracht, wobei sich der irreversible isotherme Gedächtniseffekt einstellt und sich die Muffe ausdehnt (18 in Fig. 13). In diesem Zustand können die Rohre 14 aus der Muffe 18 herausgezogen werden. Soll letztere wieder Verwendung finden, so muss der Prozess von Anfang an wiederholt werden: Lösungsglühen, Abschrecken, Vorverformen etc.

    [0049] Die Anwendung des erfindungsgemässen Verfahrens und die Verwendung der danach hergestellten Bauteile ist nicht auf die beschriebenen Ausführungsbeispiele beschränkt. Das Bauteil kann unter wahlweiser Ausnutzung mindestens eines der oben beschriebenen Effekte beispielsweise die Form einer einfachen oder abgesetzten Blattfeder oder die Form eines beliebigen Torsionsstabes sowie diejenige einer zylindrischen oder konischen Schraubenfeder aufweisen. Als Verbindungs- bzw. Abschlusselemente z.B. Hohlkörper können die Bauteile aus Gedächtnislegierung die verschiedensten Formen aufweisen, wovon die Fig. 14 bis 17 nur eine Auswahl zeigen. Insbesondere kann das Bauteil die Form eines einfachen oder abgesetzten zylindrischen, vierkantigen, sechskantigen oder achtkantigen Hohlkörper aufweisen. Ferner kann das Bauteil als eine mit einem Randwulst versehene einseitig oder zweiseitig abgesetzte volle oder gelochte zylindrische oder polygonale Scheibe ausgeführt werden.

    [0050] Die Bauteile aus mechanisch instabiler j.9-Titanlegierung können beispielsweise als temperaturabhängige Auslöseelemente in elektrischen Schaltern, als Temperaturfühler allgemein, als feste oder lösbare Verbindungsmuffen für Rohre und Stangen sowie als feste oder lösbare Dichtungen (Scheiben- oder Muffenform) für keramische Bauelemente Verwendung finden.

    [0051] Mit dem erfindungsgemässen Verfahren und den danach hergestellten Bauteilen wird dank der Erzielung von drei verschiedenen Gedächtniseffekten das Werkstoffangebot sowie der Verwendungsbereich der Gedächtnislegierungen bedeutend erweitert. Dies gilt insbesondere für Anwendungen oberhalb Raumtemperatur (speziell von 100°C an aufwärts), wo es eine technologische Lücke zu schliessen gibt. β-Titanlegierungen zeichnen sich ausserdem durch gute Warm- wie Kaltverformbarkeit und Zerspanbarkeit aus. Im Falle von Til0V2Fe3Al liegt überdies eine kommerziell erhältliche Legierung vor, was wesentliche wirtschaftliche Vorteile gegenüber bisherigen herkömmlichen Gedächtnislegierungen auf anderer Legierungsbasis bedeutet.


    Ansprüche

    l. Verfahren zur Herstellung eines Bauteils aus einer Titanlegierung, welche im stabilen Ausgangszustand bei Raumtemperatur mindestens teilweise die kubisch-raumzentrierte Phase enthält, wobei die Komponenten gemischt, erschmolzen und gegossen werden und das auf diese Weise erhaltene Werkstück warmverformt und einer Lösungsglühung im Temperaturgebiet mindestens der teilweisen Existenz der stabilen β-Phase unterworfen und anschliessend auf Raumtemperatur abgeschreckt wird und hierauf einer mechanischen Verformung sowie einer weiteren thermischen Behandlung unterzogen wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung in ihrer metallurgischen Zusammensetzung der Klasse der mechanisch instabilen β-Titanlegierungen angehört, welche dadurch definiert sind, dass ihre kubisch-raumzentrierte β-Phase durch Aufbringen einer bleibenden Verformung mindestens teilweise in die spannungsinduzierte martensitische α"-Phase umgewandelt werden kann, und dass das Werkstück mit einer Geschwindigkeit, welche hoch genug ist, um die mechanisch instabile β-Phase zu erhalten und die Bildung jeglicher neuen Phase ausser der athermalen ω-Phase sowie von maximal 10 Vol.-% durch Abschreckung thermisch induzierten Martensits zu unterdrücken, aus dem Temperaturgebiet oberhalb der β-Umwandlung oder oberhalb einer Temperatur, welche hoch genug ist, wenigstens teilweise die Bildung einer ihrerseits instabilen /-9-Phase zu bewirken, auf eine Temperatur abgeschreckt wird, bei welcher die β-Phase mechanisch instabil ist, und dass die mechanische Verformung in der Anwendung von Zug, Druck, Scherung oder einer Kombination von mindestens zwei dieser Operationen im Temperaturbereich, in dem die β-Phase mechanisch instabil ist, besteht, derart, dass eine bleibende Verformung von bis zu maximal 7 % erzeugt wird und dass die weitere thermische Behandlung mindestens in einer Erwärmung besteht.
     
    2. Verfahren nach Anspruch l, dadurch gekennzeichnet, dass die weitere thermische Behandlung in einer Erwärmung auf eine Temperatur oberhalb AS besteht, wobei AS jene Temperatur ist, bei welcher 1/100 der zuvor aufgebrachten bleibenden mechanischen Verformung zurückgebildet ist.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die weitere thermische Behandlung in einer Erwärmung auf eine Temperatur besteht, welche hoch genug ist, um die oC-Phase zur Ausscheidung zu bringen, sowie in einem Halten auf dieser Temperatur so lange, bis mindestens 1 Vol.-% der ursprünglichen Phase in die α-Phase umgewandelt sind.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die weitere thermische Behandlung in einer Erwärmung auf eine Temperatur oberhalb A90 und einer nachfolgenden Abkühlung auf eine Temperatur unterhalb AS besteht, wobei A90 jene Temperatur ist, bei welcher das Gefüge maximal 10 Vol.-% Martensit enthält, und wobei AS jene Temperatur ist, bei welcher 1/100 der zuvor aufgebrachten bleibenden mechanischen Verformung zurückgebildet ist.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Titanlegierung mindestens eines der Elemente V, Al, Fe, Ni, Co, Mn, Cr, Mo, Zr, Nb, Sn, Cu enthält.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die in Atomprozenten ausgedrückten Konzentrationsgrenzen der Legierungselemente der Titanlegierung der Formel

    genügen, wobei Xi die Konzentration des jeweiligen Elements in Atomprozent bedeutet und die Koeffizienten Ai und Bi dem jeweiligen Element gemäss nachfolgender Tabelle zugeordnet sind:


     
    7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Titanlegierung dem binären Typus angehört und neben Titan noch 14 bis 20 Gew.-% Vanadium oder 4 bis 6 Gew.-% Eisen oder 6,5 bis 9 Gew.-% Mangan oder 13 bis 19 Gew.-% Molybdän enthält.
     
    8. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Titanlegierung dem ternären Typus angehört und neben Titan noch 13 bis 19 Gew.-% Vanadium plus 0,2 bis 6 Gew.-% Aluminium oder 4 bis 6 Gew.-% Eisen plus 0,2 bis 6 Gew.-% Aluminium oder 15, bis 2,3 Gew.-% Eisen plus 10 bis 14 Gew.-% Vanadium enthält.
     
    9. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Titanlegierung dem quaternären Typus angehört und neben Titan noch 9 bis 11 Gew.-% Vanadium plus 1,6 bis 2,2 Gew.-% Eisen plus 2 bis 4 Gew.-% Aluminium enthält.
     
    10. Verfahren nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Titanlegierung aus 10 Gew.-% Vanadium, 2 Gew.-% Eisen, 3 Gew.-% Aluminium, Rest Titan besteht.
     
    11. Bauteil aus einer Titanlegierung, welche im Ausgangszustand bei Raumtemperatur aus einem (α+β )-Gefüge besteht, durch Lösungsglühung oberhalb der β-Umwandlungstemperaturen und darauffolgendem Abschrecken in einem metastabilen Gefügezustand vorliegt, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung in ihrer metallurgischen Zusammensetzung der Klasse der mechanisch instabilen β-Titanlegierungen angehört, welche folgendermassen definiert ist:

    - Legierung, welche nach einem Lösungsglühen oberhalb der β-Umwandlungstemperatur und nachfolgendem Abschrecken in Eiswasser mit einer Abkühlzeit von höchstens 10 sec für das Durchlaufen des Temperaturgefälles zwischen der β-Umwandlungstemperatur und einer Temperatur von 100°C und nach darauffolgender mechanischer Verformung
    mindestens teilweise in die spannungsinduzierte martensitische Phase übergeführt werden kann, und dass das Bauteil nach dem Abschrecken durch Aufbringen einer bleibenden Verformung von maximal 7 % durch Zug, Druck, Scherung oder eine Kombination dieser Verformungszustände im Zustand spannungsinduzierten Martensits in Form des α"-Gefüges vorliegt und einen Gedächtniseffekt aufweist.


     
    12. Bauteil nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass es nach Erhitzen auf eine dem AF-Punkt entsprechende Temperatur in Form von β-Gefüge vorliegt und einen Einweg-Gedächtniseffekt zeigt, wobei AF diejenige Temperatur bezeichnet, bei welcher die Rückumwandlung des Martensits in die Hochtemperaturphase zu 99 % abgeschlossen ist.
     
    13. Bauteil nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass es nach Erhitzen auf eine zwischen dem AS- und dem AF-Punkt liegende Temperatur teilweise in Form von α"-Gefüge und teilweise in Form von β-Gefüge vorliegt und einen kontinuierlichen Zweiweg-Gedächtniseffekt zeigt, wobei AS diejenige Temperatur bezeichnet, bei der 1/100 der zuvor aufgebrachten bleibenden mechanischen Verformung zurückgebildet ist und AF diejenige Temperatur bezeichnet, bei der die Rückumwandlung des Martensits in die Hochtemperaturphase zu 99 % abgeschlossen ist.
     
    14. Bauteil nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass es nach Erhitzen auf eine mindestens 500C oberhalb des AF-Punktes liegende Temperatur und entsprechendem Halten auf dieser Temperatur teilweise in Form von β-Gefüge und teilweise in Form von α-Gefüge vorliegt und einen irreversiblen isothermen Gedächtniseffekt zeigt, wobei AF diejenige Temperatur bezeichnet, bei der die Rückumwandlung des Martensits in die Hochtemperaturphase zu 99 % abgeschlossen ist.
     
    15. Bauteil nach einem der Ansprüche 12 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass es die Form einer einfachen oder abgesetzten Blattfeder oder die Form eines Torsionsstabes oder die Form einer zylindrischen oder konischen Schraubenfeder aufweist.
     
    16. Bauteil nach einem der Ansprüche 12 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass es die Form eines einfachen oder abgesetzten zylindrischen, vierkantigen, sechskantigen oder achtkantigen Hohlkörpers aufweist.
     
    17. Bauteil nach einem der Ansprüche 12 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass es die Form einer mit einem Randwulst versehenen einseitig oder zweiseitig abgesetzten vollen oder gelochten zylindrischen oder polygonalen Scheibe aufweist.
     
    18. Verwendung eines Bauteils nach Anspruch 12 oder 13 als temperaturabhängiges Auslöseelement in einem elektrischen Schalter.
     
    19. Verwendung eines Bauteils nach Anspruch 12 oder 13 oder 12 und 14 als feste oder lösbare Verbindungsmuffe von Rohren und Stangen.
     
    20. Verwendung eines Bauteils nach Anspruch 12 oder 13 als feste oder lösbare scheiben- oder muffenförmige Dichtung für keramische Bauelemente.
     




    Zeichnung






















    Recherchenbericht