(19)
(11) EP 0 073 366 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
09.03.1983  Patentblatt  1983/10

(21) Anmeldenummer: 82107178.4

(22) Anmeldetag:  09.08.1982
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)3G21F 9/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE DE FR GB IT SE

(30) Priorität: 01.09.1981 CH 5611/81

(71) Anmelder: Gesellschaft zur Förderung der industrieorientierten Forschung an den Schweizerischen Hochschulen und weiteren Institutionen
CH-3015 Bern (CH)

(72) Erfinder:
  • Hanulik, Jozef
    CH-8049 Zürich (CH)

(74) Vertreter: Scheidegger, Werner & Co. 
Siewerdtstrasse 95
8050 Zürich
8050 Zürich (CH)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Dekontamination von Stahloberflächen und Entsorgung der radioaktiven Abfälle


    (57) Die Dekontaminationslösung ist eine wäßrige Lösung aus Ameisensäure und/oder Essigsäure und wenigstens einem Reduktionsmittel, wie Formaldehyd und/oder Acetaldehyd. Die Lösung ist imstande, die Eisenoxide der kontaminierten Stahloberfläche direkt und/oder reduktiv zu lösen und in Fe(11)formiate bzw. -acetate zu überführen, die durch die reduzierenden Bedingungen in der Lösung stabilisiert sind. Zur Entsorgung wird aus der gebrauchten Dekontaminationslösung das gelöste Eisen ausgefällt, wobei die gebildeten Eisenverbindungen das alleinige Adsorbens für die in der Dekontaminationslösung enthaltenen radioaktiven Stoffe sind. Das Gewicht der durch Filtern abgetrennten Präzipitate ist gegebenenfalls nach einer Wärmebehandlung ungefähr gleich dem der abgetragenen Oberflächenschicht. Die kontaminierten Präzipitate können leicht durch Mischen mit Zement zu insbesondere dem Ferrozement ähnlichen Produkten aufbereitet und so entsorgt werden. Die abgetrennte Flüssigkeit wird entweder zur Wiederverwendung als Dekontaminationslösung regeneriert oder durch Oxidieren in umweltfreundliche Produkte zersetzt. Ein Nachspülen des Kühlkreislaufes ist bei diesem einstufigen Prozeß nicht erforderlich.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Dekontamination von Stahloberfläche, insbesondere in Reaktor-KUhlkreisläufen, durch Abtragen der kontaminierten Oberflächenschicht mit einer säurehaltigen wässrigen Dekontaminationslösung und zur Aufbereitung der die abgelösten radioaktiven Stoffe enthaltenden Dekontaminationslösung für die Entsorgung.

    [0002] Zur Dekontamination von Reaktor-Kühlkreisläufen wurden häufig wässrige Lösungen von Mineralsäuren verwendet. Mineralsäuren sind für das Metall der Kühlkreisläufe aggressive Stoffe, und es ist daher äusserst schwierig, allein durch die Säurekonzentration den Dekontaminationsvorgang so ablaufen zu lassen, dass in einer annehmbaren Zeit die kontaminierte Oberflächenschicht wirkungsvoll abgetragen wird, das reine Metall des Kühlkreislaufes jedoch nicht korrodiert, denn korrodierte Stellen im Kühlsystem könnten zu Lecks führen, die wegen der u.U. schwerwiegenden Folgen nicht entstehen dürfen.

    [0003] Es sind daher kompliziertere Dekontaminationsverfahren entwickelt worden, von denen eines der bekanntesten das sogenannte "AP-Citrox"-Verfahren ("Kernenergie", 11. Jg., 1968, S. 285-290) ist. Bei diesem zweistufigen Verfahren wird die kontaminierte Metalloberfläche in der ersten Prozessstufe durch eine mehrstündige Behandlung mit einer oxydierenden alkalischen Permanganatlösung für die in der zweiten Prozessstufe erfolgende Auflösung mit einer reduzierenden wässrigen Lösung von dibasischem Ammoniumcitrat vorbereitet, die ebenfalls mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Auf jeder Stufe folgt eine Spülung mit Wasser.

    [0004] Ein ähnliches zweistufiges Dekontaminationsverfahren ist in der US-PS 3 873 362 beschrieben. Zum Oxydieren der kontaminierten Stahloberflächenschicht in der ersten Prozessstufe werden hier wässrige Lösungen von Alkalimetall-Permanganaten, Salpetersäure, Natriumpersulfat, Natriumbromat und vorzugsweise von Wasserstoffperoxid verwendet. Für die reduzierende zweite Prozessstufe sind wässrige Lösungen von Mischungen aus Mineralsäuren, wie Schwefelsäure und/oder Salpetersäure, und komplexbildenden Stoffen, wie Oxalsäure, Zitronensäure oder Ameisensäure, angegeben, denen noch Korrosionshemmstoffe, z.B. Eisen(III)-sulfat, Eisen(III)-nitrat, Salpetersäure, Phenylthioharnstoff o.a. zugesetzt sein können. Die Verwendung von Wasserstoffperoxid in der ersten Prozessstufe hat wegen dessen leichten Zerfalls in Wasser und Sauerstoff den besonderen Vorteil, dass auf die darauffolgende Spülung mit Wasser verzichtet werden kann.

    [0005] Aus der gebrauchten Dekontaminationslösung der zweiten Prozessstufe werden dann die gelösten metallischen Komponenten zusammen mit den radioaktiven Stoffen ausgefällt. Zum Ausfällen können die in der Dekontaminationslösung enthaltene Schwefel- und Oxalsäure mit Calciumhydroxid neutralisiert werden, so dass-Calciumsulfate und Calciumoxalate entstehen, die einen grossen Anteil der vorhandenen radioaktiven Stoffe enthalten und durch Filtrieren von der Flüssigkeit getrennt werden. Statt dessen kann der gebrauchten Dekontaminationslösung zuerst Kaliumpermanganat zugegeben werden, um die Oxalsäure zu zersetzen und Mangandioxid und Mangansulfate zu erhalten, die dann durch Einstellen eines pH-Wertes von etwa 10 mit z.B. Calciumhydroxid ausgefällt werden. Auch hier wird mit dem Präzipitat nur ein wenn auch grosser Anteil der radioaktiven Stoffe ausgefällt, so dass in beiden Fällen das Filtrat noch kontaminiert ist und einer nuklearen Entsorgung zugeführt werden muss.

    [0006] Solche zweistufige Dekontaminationsverfahren können als ein kontinuierlich ablaufender Prozess oder als ein schubweise ablaufender, ein sogenannter Batch-Prozess, durchgeführt werden. Unbefriedigend sind jedoch, abgesehen von dem grossen Zeitaufwand, ein erheblicher Bedarf an Chemikalien und an Wasser und vor alle, dass ausser verhältnismässig grossen Mengen an festen radioaktiven Abfällen auch flüssige radioaktive Abfälle erhalten werden, wodurch die Entsorgung von gebrauchten Dekontaminationslösungen schwierig wird. Mit den bekannten Verfahren ist die Dekontamination von Reaktor-Kühlkreisläufen aufwendig und verhältnismässig kostspielig, insbesondere wenn für die angestrebte Sicherheit eine Korrosion der reinen Metalloberflächen ausgeschlossen wird.

    [0007] Es war daher Aufgabe der vorliegenden:Erfindung, ein Dekontaminationsverfahren für Reaktor-Kühlkreisläufe zu schaffen, das für die Dekontamination einer gleich grossen Stahloberfläche kleinere Mengen an Chemikalien und an Spülwasser benötigt, als die bekannten zweistufigen Verfahren, das eine solche Aufbereitung von gebrauchter Dekomtaminationslösung zulässt, dass feste radioaktive Abfallstoffe nur in minimalsten Mengen anfallen und die anfallenden flüssigen Abfälle allenfalls eine geringe, möglichst unterhalb des zugelassenen Grenzwertes liegende Radioaktivität aufweisen, und das eine leichte Steuerung des Dekontaminationsvorganges ermöglicht und eine Korrosion der reinen Stahloberflächen praktisch ausschliesst.

    [0008] Die erfindungsgemässe Lösung der Aufgabe besteht in dem im Anspruch 1 gekennzeichneten Verfahren.

    [0009] Bei dem erfindungsgemässen Verfahren enthält die Dekontaminationslösung Ameisensäure und/oder Essigsäure und ein Reduktionsmittel, vorzugsweise Formaldehyd und/oder Acetaldehyd. Diese Chemikalien sind nicht nur sehr billig sondern auch relativ ungiftig, so dass bei der Handhabung dieser Dekontaminationslösung keine besonderen Vorsichtsmassnahmen erforderlich sind. Bei Kontakt mit den zu dekontaminierenden Stahloberflächen gehen Fe2+-Ionen in Lösung. Das erfindungsgemässe Dekontaminationsverfahren ist demnach ein Einstufenverfahren, das gegenüber einem Zweistufenverfahren einen Gewinn an Zeit und Aufwand sicherstellt. Durch das in der Dekontaminationslösung enthaltene Reduktionsmittel werden in der Lösung die Fe2+ stabil gehalten. Die Flüssigkeit ist dann leicht grünlich gefärbt, aber klar durchsichtig ohne Trübung,und ihre Zusammensetzung kann während der Behandlung der-Stahloberfläche verhältnismässig einfach überwacht werden. Es hat sich gezeigt,dass von einer solchen Dekontaminationslösung Eisenoxide 10 bis 50 mal schneller abgetragen werden als das reine Grundmaterial, und dies gestattet es, den Dekontaminationsvorgang ohne grosse Schwierigkeiten so zu führen, dass ein zu einer schädlichen Korrosion führendes Angreifen der reinen Stahloberfläche durch die Dekontaminationslösung praktisch ausgeschlossen ist. Für die Entsorgung werden aus der Dekontaminationslösung Eisenverbindungen ausgefällt. Da die gebrauchte Dekontaminationslösung nur Fe - Ionen enthält, ergeben sich bei der Ausfällung keine Probleme. Die gebildeten Niederschläge haben die Eigenschaft, die in der Lösung enthaltenen radioaktiven Stoffe zu adsorbieren, so dass durch die Abtrennung des Niederschlages sehr hohe Fällungsdekontaminations-Faktoren erzielbar sind. Der abgetrennte feste Niederschlag enthält dann praktisch alle radioaktiven Stoffe aus der Dekontaminationslösung, während die Flüssigkeit allenfalls nur eine unwesentliche Restaktivität aufweist, die unterhalb der Toleranzgrenze liegen kann, und die Flüssigkeit so für eine Wiederverwendung regeneriert oder einer einfachen chemischen Entsorgung durch Zersetzung der gelösten Stoffe in gasförmige Produkte und Wasser, NaOH, evtl. Na2CO3, zugeführt werden kann. Die chemische Zusammensetzung der erfindungsgemäss vorgesehenen Dekontaminationslösung gestattet, die Fe2+-Ionen in Form von Eisenverbindungen auszufällen, deren Dichte etwa der Dichte von Eisenoxid entspricht oder die sich leicht in solche Eisenverbindungen umwandeln lassen. Der bei einem durchgeführten Dekontaminationsverfahren erhaltene radioaktive Abfall ist dann ungefähr gleich dem von der kontaminierten Oberfläche abgetragenen Material und stellt somit ein Minimum dar.

    [0010] Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.

    [0011] Im folgenden wird die Erfindung beispielsweise näher erläutert.

    [0012] Es soll z.B. ein.aus niederlegiertem oder rostfreiem Stahl hergestellter Reaktor-Kühlkreislauf in einem kontinuierlich ablaufenden Prozess dekontaminiert werden. Die Grösse der Innenfläche sowie das Fassungsvermögen des Kühlkreislaufes ist bekannt.

    [0013] Als Dekontaminationslösung ist erfindungsgemäss eine wässrige Lösung von Ameisensäure und/oder Essigsäure und von wenigstens einem Reduktionsmittel zu verwenden. Bevorzugte Reduktionsmittel sind solche, die aus C, H, 0, auch N zusammengesetzt sind und keine schädliche Fremdelemente, wie etwa S, enthalten. Solche Reduktionsmittel sind z.B. Hydrazin, Oxalsäure, Ascorbinsäure, Essigsäureanhydrid usw., wobei die Dekontaminationslösung nach der Erfindung als Reduktionsmittel vorzugsweise Formaldehyd und/oder Acetaldehyd enthält.

    [0014] Bei der kontaminierten Oberfläche sind in einer Schicht aus einer Mischung von Eisenoxiden radioaktive Stoffe adsorbiert, und durch vorgängige Probennahmen kann die Dicke und Zusammensetzung der abzutragenden Oberflächenschicht ermittelt werden (CH-PS : Anmelde Nr. 2184/80-7). Aufgrund der zur Verfügung stehenden bzw. ermittelten Daten und der gegebenen Möglichkeiten, wie insbesondere der für die Dekontamination zur Verfügung stehenden Zeit, Heiz- bzw. Kühleinrichtungen usw., wird dann für die Dekontaminationslösung die zweckmässige Zusammensetzung, die benötigte Menge und auch der Prozessablauf in den Grundzügen-festgelegt.

    [0015] Von der in den Kühlkreislauf eingeführten Dekontaminationslösung werden die Oxide der kontaminierten Stahloberfläche direkt und/oder reduktiv gelöst und in lösliche Eisen(II)-Formiate und/oder Eisen(II)-acetate überführt, welche durch die in der Dekontaminationslösung vor allem durch in ihr enthaltene Reduktionsmittel geschaffenen reduzierenden Bedingungen stabilisiert sind und insbesondere eine Oxydation zu ausfallenden Eisen(III)-Verbindungen nicht stattfindet. Gebrauchte Dekontaminationslösung ist daher leicht grün gefärbt, aber klar durchsichtig und ohne Trübungen und enthält allenfalls beim Lösungsvorgang anfallende feste .Partikel der Oxidschicht, die weder bei der Dekontamination selbst noch bei der Behandlung der gebrauchten Dekontaminationslösung für die Entsorgung störend in Erscheinung treten.

    [0016] Eine im allgemeinen zu befriedigenden Resultaten führende Dekontaminationslösung nach der Erfindung braucht z.B. nur Ameisensäure und Formaldehyd enthalten, wobei im Liter Dekontaminationslösung beispielsweise 7-22 ml Ameisensäure und 12-36 ml Formaldehyd enthalten sind.

    [0017] Eine solche Dekontaminationslösung ist bei Anwesenheit von O2 -Ionen charakterisiert durch folgende Formeln:

    für das Reduktionsmittel Ameisensäure

    und für das Reduktionsmittel Formaldehyd

    Für die Auflösung der kontaminierten Oberflächenschicht gilt:









    [0018] Ein Mol Eisen reagiert mit zwei Mol Ameisensäure und,da die Molekulargewichte der für die Dekontaminationslösung verwendeten Stoffe (HCOOH: MG = 46,03, HCOH: MG = 30,03) niedrig sind, und, wie sich experimentell gezeigt hat, 1 1 Dekontaminationslösung bis zu 30 g Eisen in Form von Fe2+ aufnehmen kann, ergibt sich für die Dekontamination ein verhältnismässig geringer Chemikalienverbrauch, wobei zudem die Kosten für Ameisensäure und Formaldehyd niedrig sind, so dass das erfindungsgemässe Verfahren mit einer solchen Dekontaminationslösung besonders wirtschaftlich ist. Dies gilt auch dann, wenn anstelle von oder zusätzlich zu Ameisensäure und Formaldehyd Essigsäure und Acetaldehyd für die Dekontaminationslösung verwendet werden, so dass sich die Dekontaminationslösung nach der Erfindung im Vergleich mit bekannten Dekontaminationslösungen im allgemeinen durch einen niedrigen Chemikalienverbrauch und niedrigen Kosten sowie eine hohe Aufnahmekapazität für Eisen auszeichnet.

    [0019] Die aus dem Kühlkreislauf austretende gebrauchte Dekontaminationslösung wird während des Ablösungsprozesses überwacht, wobei laufend die Fe2+- , die Säure- und die Aldehyd-Konzentration kontrolliert wird. Eine solche Kontrolle ist analytisch einfach und gestattet eine zuverlässige Steuerung des gesamten Dekontaminationsprozesses, durch die eine unzulässige Korrosion der reinen Metalloberfläche mit Sicherheit ausgeschlossen wird.

    [0020] Die in der aus dem Kühlkreislauf austretenden Dekontaminationslösung enthaltenen Eisenverbindungen werden ausgefällt, und die gebrauchte und so gereinigte Dekontaminationslösung wird zur Wiederverwendung, d.h. zum erneuten Einleiten in den Kühlkreislauf regeneriert. Das Ausfällen der Eisenverbindungen erfolgt vorzugsweise elektrolytisch, indem die gebrauchte Dekontaminationslösung durch eine Elektrolysestufe geführt wird, die eine Eisenkatode und eine Graphitanode enthält.

    [0021] An der Anode werden COOH‾-Ionen gemäss

    zu Ameisensäure oder zu C02 und Wasser oxydiert und an der Katode Fe2+-Ionen gemäss

    zu metallischem Eisen reduziert, an das zumindest ein erheblicher Anteil der in der Dekontaminationslösung enthaltenen radioaktiven Stoffe adsorbiert ist. Die aus der Elektrolysestufe austretende Dekontaminationslösung wird gegebenenfalls nach Ergänzung des Gehaltes an Ameisensäure und/oder Formaldehyd erneut in den Kühlkreislauf eingespeist. Anstelle der elektrolytischen kann auch eine chemische Ausfällung von Fe2+ vorgesehen sein, wobei dann allerdings darauf zu achten ist, dass durch den Ausfällungsprozess keine schädlichen Stoffe, vor allem keine S-Ionen, eingeschleppt werden. Im allgemeinen wird daher eine elektrolytische Ausfällung bevorzugt.

    [0022] Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemässen Dekontaminationsverfahrens ist, dass die Reaktionen beim Ablösen der kontaminierten Oberflächenschicht irreversibel verlaufen und deshalb ein Verschleppen von radioaktiven Stoffen auf nicht oder nicht mehr kontaminierte Oberflächenbereiche nicht zu erwarten ist.

    [0023] Nach dem Abtragen der vorgesehenen Schichtdicke wird die Dekontaminationslösung aus dem Kühlkreislauf abgelassen. Nach dem Ablassen werden in jedem Fall irgendwelche Rückstände in dem Kühlkreislauf zurückbleiben. Bei dem Dekontaminationsverfahren nach der Erfindung sind zufolge der Zusammensetzung der Dekontaminationslösung nur solche Rückstände vorhanden, die durch eine einfache Wärmebehandlung bei 175 - 300°C thermisch in Eisenoxid und in gasförmige Zersetzungsprodukte, insbesondere C0, C02 und H20, d.h. in dem Kühlkreislauf eigene Zersetzungsprodukte, zersetzt werden und daher keinerlei schädlichen Einfluss auf den Betrieb haben. Diese thermische Zersetzung der Rückstände kann durch Einleiten von Heissluft oder Heisswasser vorgenommen werden, im allgemeinen jedoch entfallen, da der Kühlkreislauf bei Wiederinbetriebnahme sich in kurzer Zeit auf die erforderliche Temperatur erwärmt.

    [0024] Ein nach der Dekontamination noch Restaktivitäten aufweisender Kühlkreislauf kann auf herkömmliche Weise durch Ionenaustausch nuklearrein gespült werden. Eine solche Spülung wird jedoch nur in Ausnahmefällen erforderlich sein, da Restaktivitäten durch eine entsprechende abzutragende Schichtdicke leicht auszuschliessen sind.

    [0025] Die abgelassene gebrauchte Dekontaminationslösung wird für eine Entsorgung weiterbehandelt. Bei der Dekontaminationslösung nach der Erfindung ist der Transporteur für die abgetragenen radioaktiven Stoffe das in Lösung gegangene Eisen selbst und nicht irgendein anderer zusätzlicher Stoff, so dass durch Ausfällen des Eisens aus der Dekontaminationslösung praktisch alle Aktivität in dem Präzipitat enthalten sein wird und die abgetrennte Flüssigkeit allenfalls nur zulässige Radioaktivität aufweisen wird.

    [0026] Bei der Ausfällung zum Entsorgen wird angestrebt, dass alle in der gebrauchten Dekontaminationslösung enthaltenen radioaktiven Stoffe an eine möglichst kleine Menge Präzipitat adsorbiert werden, das Präzipitat sich leicht entsorgen lässt und die abgetrennte Flüssigkeit möglichst keinerlei Umweltbelastung ergibt. Im Gegensatz zu der bei der Regeneration von gebrauchter Dekontaminationslösung vorgesehenen Ausfällung können bei der entsorgenden Ausfällung jedoch beliebige Stoffe, wie auch S-Verbindungen eingesetzt werden, sofern mit diesen auf wirtschaftliche Weise befriedigende Fällungsergebnisse erzielt werden.

    [0027] Die hier infrage kommenden Fällungsverfahren sind in der Literatur sehr gut beschrieben (z.B. L. Hardinger "Taschenbuch der Abwasserbehandlung" I. und II. Teil, Karl Hanser-Verlag, 1977), so dass auf Einzelheiten nicht eingegangen werden braucht. Summarisch werden hier lediglich erwähnt:

    a) Fällung von Fe2+ als FeS mit (NH4)2S gemäss

    wobei Ammoniumformiat erhalten wird, das sich thermisch und/ oder katalytisch in C0, C02, H20 und NH3 zersetzen lässt, und als in Wasser unlösliches Eisen(II)-sulfid (D.4,6) ausfällt, das ein verhältnismässig kleines Molekulargewicht (MG 87,9) hat, sehr gut filtrierbar ist und z.B. gegenüber Eisenhydroxid den Vorteil geringen Wassergehaltes im Filterkuchen hat, das aber bei der Entsorgung schwieriger ist, da es sich z.B. nur schwer einzementieren lässt. Zudem ist diese Ausfällung wegen des Schwefels besser nur dann anzuwenden, wenn die abgetrennte Flüssigkeit chemisch entsorgt und nicht zur Wiederverwendung als Dekontaminationslösung aufbereitet wird.

    b) Fällung von Fe3+ und Fe2+ als Hydroxide gemäss



    wobei als Fällungsreagenz z.B. NaOH verwendet werden kann.



    [0028] Die Fällung als Eisen(II)-hydroxid hat den Vorteil, dass weniger NaOH verbraucht wird, aber den Nachteil, dass sich das Präzipitat etwas schwerer als Eisen(III)-hydroxid filtrieren lässt. Wenn dies unerwünscht ist, wird in der gebrauchten Dekontaminationslösung zuerst Fe(II)-formiat zu Fe(III)-formiat z.B. mit Wasserstoffperoxid oxydiert gemäss

    wobei das Eisen(III)-formiat als Formiat der Hexaformiato- trieisen(III)base (Fe3(HCO2)6(OH)2HCO2). 4 H20 in der Struktur

    vorliegt und ein Verhältnis Fe:(HCO2) = 3 : 7 zu beachten ist. Das erhaltene Eisen(III)-hydroxid lässt sich leichter als Eisen(II)-hydroxid von der Flüssigkeit z.B. durch Filtrieren abtrennen, zum Fällen wird jedoch mehr Fällungsmittel als bei Eisen(II)-hydroxid benötigt.

    [0029] Mit NaOH als Fällungsmittel ergeben sich die Reaktionen:

    und



    [0030] An dem ausfallenden Eisenhydroxid ist zumindest ein sehr grosser Anteil der in der Dekontaminationslösung enthaltenen radioaktiven Stoffe adsorbiert, und die vom Präzipitat abgetrennte Flüssigkeit, im vorliegenden Fall eine wässrige Lösung von Natriumformiat mit allenfalls Resten von Formaldehyd, wird nur sehr wenig oder gar nicht radioaktiv sein. Das Natriumformiat kann nun oxydativ zu NaOH, Na2CO3, Co2 und H20 zerlegt werden.

    [0031] Ein Vorteil dieser Fällung besteht darin, dass das abgetrennte Präzipitat im Gewicht dem bei der Dekontamination abgetragenen Material entspricht, also praktisch keine Gewichtszunahme stattgefunden hat und dass sich das Präzipitat ohne weitere Behandlung leicht durch Mischen mit Zement entsorgen lässt, wobei zweckmässig dem Ferrozement ähnliche Produkte hergestellt werden, die einen besonders niedrigen Anfall an zu entsorgendem kontaminierten Material gewährleisten.

    [0032] Ein weiterer Vorteil dieser Eisenhydroxid-Ausfällung ist durch die gersetzbarkeit des erhaltenen Natriumformiats gegeben. Statt die bei der Dekontamination eines Kühlkreislaufes anfallende gesamte Menge an gebrauchter Dekontaminationslösung auf einmal dem Fällungsprozess zu unterwerfen, wird zweckmässig die Dekontaminationslösung in mehrere Chargen unterteilt. Der ersten Charge wird dann gegebenenfalls nach Behandlung mit Wasserstoffperoxid die erforderliche geringe Menge an Fällungsmittel,z.B. NaOH,zugesetzt, und nach dem Abtrennen des Präzipitats wird das erhaltene Natriumformiat oxydativ, elektrolytisch oder pyrolytisch,wie oben angegeben,zersetzt. Das erhaltene flüssige Produkt wird dann zum Ausfällen der zweiten Charge Dekontaminationslösung verwendet usw.Man kommt daher mit einer bedeutend kleineren Menge an Fällungsstoff aus, und das entsorgende Fällen der gebrauchten Dekontaminationslösung kann als Kreisprozess gestaltet oder als solcher in einen kontinuierlichen Dekontaminationsprozess eingebaut werden. Besonders günstig ist ein solches Vorgehen, wenn die nach dem Ausfällen abgetrennte Flüssigkeit noch gewisse Restaktivitäten aufweist, da damit eine entsprechende Verdünnung der Aktivität erzielt wird. Welches Fällungsverfahren im einzelnen Fall anzuwenden ist, ergibt sich aus den jeweils vorhandenen Einrichtungen, Ausführungsmöglichkeiten und insbesondere auch aus dem Fassungsvermögen des Kühlkreislaufs und der zu dekontaminierenden Materialmenge.

    [0033] Das Trennen von Niederschlag und Flüssigkeit kann durch einfaches Filtrieren erfolgen. Zum leichten Filtrieren können der gebrauchten Dekontaminationslösung Flockungsmittel, wie z.B. Polyacrylamid, zugesetzt werden, durch die die ausgefällten Partikel zu grösseren Partikeln zusammengefügt werden. Als bevorzugtes Flockungsmittel wird das Präzipitat eines früheren Fällungsprozesses verwendet.

    [0034] Die abgetrennte Flüssigkeit wird, wie erwähnt, entweder zur Wiederverwendung als Dekontaminationslösung aufbereitet oder "chemisch" entsorgt. Zur chemischen Entsorgung wird insbesondere der Formaldehyd zu Ameisensäure oxidiert

    und die so gewonnene Ameisensäure wird zusammen mit der vorhandenen Ameisensäure durch ein Oxydationsmittel in H20 und C02 zersetzt

    und ebenso werden Salze der Ameisensäure entsorgt.

    [0035] Die so erhaltenen Abfallstoffe sind die umweltfreundlichsten überhaupt und führen zu keinen Problemen in der Beseitigung. Als Oxydationsmittel kann jedes beliebige verwendet werden, wobei bei der Auswahl im wesentlichen nur auf Wirtschaftlichkeit, d.h. auf niedrige Kosten, und darauf zu achten ist, dass die vorteilhafte chemische Entsorgung nicht durch das Oxydationsmittel beeinträchtigt wird.

    [0036] Vorstehend ist die Erfindung anhand einer einfachen Dekontaminationslösung mit Ameisensäure und Formaldehyd ausführlich behandelt worden; es ist jedoch ohne weiteres verständlich, dass diese Ausführungen auch für jede beliebige andere Zusammensetzung der Dekontaminationslösung nach der Erfindung Gültigkeit haben.

    [0037] Das Dekontaminationsverfahren nach der Erfindung kann als kontinuierlich ablaufender Prozess mit im Kreislauf umgewälzter Dekontaminationslösung wie auch als Batch-Prozess durchgeführt werden, wobei die erzielten Vorteile die gleichen sind.

    [0038] Es hat sich insbesondere gezeigt, dass mit dem Dekontaminationsverfahren nach der Erfindung kontaminierte Oberflächen von niederlegiertem Stahl sowie von rostfreiem Stahl wirkungsvoll dekontaminiert werden können. So konnte z.B. bei einer Probe aus rostfreiem Stahl, deren hauptsächlich Magnetit aufweisende Oberfläche eine Aktivität von 8 µCi/cm2 aufwies, durch das erfindungsgemässe Dekontaminationsverfahren die Aktivität bis auf 0,025 µCi/cm2 vermindert werden, was bei einem Materialabtrag von etwa 10 mg/cm2 einen hohen Dekontaminationsfaktor von 330 ergibt.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Dekontamination von Stahloberflächen, insbesondere in Reaktor-Kühlkreisläufen, durch Abtragen der kontaminierten Oberflächenschicht mit einer säurehaltigen wässrigen Dekontaminationslösung und zur Aufbereitung der die abgelösten radioaktiven Stoffe enthaltenden verbrauchten Dekontaminationslösung für die Entsorgung, dadurch gekennzeichnet, dass die kontaminierte Stahloberfläche mit einer als Dekontaminationslösung dienenden wässrigen Lösung aus Ameisensäure und/oder Essigsäure zum Auflösen von Eisenoxiden und Eisen und aus wenigstens einem Reduktionsmittel zur Stabilisierung der Fe2+-Ionen in der Lösung behandelt und während der Behandlung die Lösungszusammensetzung überwacht wird, und dass aus der gebrauchten wässrigen Dekontaminationslösung alles gelöste Eisen als Eisenverbindung oder Eisenverbindungen ausgefällt wird, wobei die radioaktiven Stoffe von der bzw. den Eisenverbindung(en) adsorbiert werden, und das kontaminierte Präzipitat einer nuklearen Entsorgung zugeführt wird, während die aktivitätsfreie Lösung zur Wiederverwendung regeneriert oder chemisch entsorgt wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die wässrige Dekontaminationslösung als Reduktionsmittel Formaldehyd und/oder Acetaldehyd enthält.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zur Behandlung der kontaminierten Stahloberfläche die wässrige Dekontaminationslösung im Kreislauf umgewälzt wird, wobei aus der gebrauchten Dekontaminationslösung das gelöste Eisen ausgeschieden und die Dekontaminationslösung auf die Zusammensetzung für einen neuen Lösungsvorgang gebracht wird.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass aus der gebrauchten Dekontaminationslösung das gelöste Eisen durch Elektrolyse ausgeschieden wird, wobei die Fe2+-Ionen vorzugsweise an einer Eisen-Katode zu Metall reduziert werden.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass nach dem Abtragen der kontaminierten Oberflächenschicht die Stahloberfläche einer Wärmebehandlung bei einer Temperatur von 175° bis 300° C unterworfen wird, bei welcher die Rückstände thermisch in Eisenoxid als einen der Stahloberfläche eigenen Stoff und in gasförmige Zersetzungsprodukte, insbesondere C0, C02, H20, zersetzt werden.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass aus der gebrauchten Dekontaminationslösung das gelöste Eisen als Sulfid ausgefällt wird.
     
    7. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass aus der gebrauchten Dekontaminationslösung das gelöste Eisen als Eisen(II)-hydroxid ausgefällt wird.
     
    8. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass vor der Eisenausfällung in der gebrauchten Dekontaminationslösung die gelösten Eisen(II)-Verbindungen durch Zugabe eines Oxydationsmittels, insbesondere Wasserstoffperoxid, zu Eisen(III)-Verbindungen oxydiert werden und als wasserunlösliche Eisen(III)-Verbindungen ausgefällt werden.
     
    9. Verfahren nach Anspruch 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, dass zum Ausfällen von Eisen(II)-hydroxid bzw. Eisen(III)-Verbindungen der gebrauchten Dekontaminationslösung Alkalimetall-Hydroxid oder -Carbonat, insbesondere NaOH, zugesetzt und nach dem Abtrennen des Präzipitats von der Flüssigkeit das in ihr vorhandene ameisensaure und/oder essigsaure Alkalimetallsalz oxydativ zu Alkalimetall-Hydroxid, Alkalimetall-Carbonat, Kohlenoxide und Wasser zersetzt wird.
     
    10. Verfahren nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass das Ausfällen von wasserlöslichen Eisenverbindungen aus der gebrauchten Dekontaminationslösung chargenweise vorgenommen wird, wobei nach dem Ausfällen einer ersten Charge Dekontaminationslösung und oxydativer Behandlung der abgetrennten Flüssigkeit die so behandelte Flüssigkeit zum Ausfällen von Eisenverbindungen aus der zweiten Charge Dekontaminationslösung verwendet und der Vorgang so oft wiederholt wird, bis alles Eisen aus der gesamten Dekontaminationslösung ausgefällt ist.
     
    11. Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass die ausgefällten Eisenverbindungen durch Filtrieren von der Flüssigkeit getrennt werden.
     
    12. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass vor dem Filtrieren der gebrauchten Dekontaminationslösung ein Flockungsmittel zugesetzt wird.
     
    13. Verfahren nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass gebrauchter Dekontaminationslösung als Flockungsmittel Präzipitat eines vorgängigen Fällungsprozesses zugegeben wird.
     
    14. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass die ausgefällten Eisenverbindungen thermisch und/oder katalytisch in die radioaktiven Stoffe enthaltende Eisenoxide und in aktivitätsfreie gasförmige Zersetzungsprodukte, insbesondere CO, C02, H20, zersetzt werden und die Eisenoxide einer nuklearen Entsorgung zugeführt werden.
     
    15. Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass die die radioaktiven Stoffe enthaltenden Präzipitate durch Mischen mit Zement nuklear entsorgt werden.
     
    16. Verfahren nach Anspruch 15, dadurch gekennzeichnet, dass durch Mischen der Präzipitate mit Zement ein Ferrozement ähnliches Produkt hergestellt wird.
     
    17. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zur chemischen Entsorgung die aktivitätsfreie Lösung durch ein Oxydationsmittel oxydiert und zu Wasser und insbesondere CO, C02, Na2CO3 und gegebenenfalls NaOH zersetzt wird.