(19)
(11) EP 0 077 322 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
20.04.1983  Patentblatt  1983/16

(21) Anmeldenummer: 82890145.4

(22) Anmeldetag:  07.10.1982
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)3B22D 11/00, B21C 23/08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
DE FR GB IT SE

(30) Priorität: 08.10.1981 AT 4313/81

(71) Anmelder: VEREINIGTE EDELSTAHLWERKE AKTIENGESELLSCHAFT (VEW)
A-1010 Wien (AT)

(72) Erfinder:
  • Stiebellehner, Johann, Dipl.-Ing.
    A-2633 Pottschach (AT)
  • Machner, Peter, Dipl.-Ing.
    A-8700 Leoben (AT)

(74) Vertreter: Widtmann, Georg, Dr. 
Vereinigte Edelstahlwerke Aktiengesellschaft (VEW) Elisabethstrasse 12
1010 Wien
1010 Wien (AT)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung von nahtlosen Rohren


    (57) Bei der Herstellung von nahtlosen Rohren aus austenitischen Chrom-Nickel-haltigen Stählen durch Strangpressen musste bislang das abgelängte Stranggussstück einer Warmverformung unterzogen werden. Unter Einhaltung bestimmter Erstarrungs- und Wärmebehandlungsbedingungen kann bei hoher Güte des Rohres auf die Warmverformung verzichtet werden.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von nahtlosen Rohren aus austenitischen, Chrom und Nickel enthaltenden Stählen.

    [0002] Austenitische Rohre können mit einem Schrägwalzverfahren, durch Strangpressen, Stranggießen oder durch Schweißen von Blechbändern hergestellt werden. Die geschweißten Rohre sind zwar in ihrer Herstellung weniger aufwendig, weisen jedoch auf Grund der vorhandenen Schweißnaht nur einen relativ geringen Anwendungsbereich auf. Beim Schrägwalzverfahren muß ein Dorn durch eine entsprechende Luppe getrieben werden, wobei eine wirtschaftliche Anwendung nur bei bestimmten Querschnitten gegeben ist. Bei der Herstellung von nahtlosen Rohren mittels Strangpressens wird ein erhitzter Stahl durch eine Matrize gepreßt, wobei stärkste Verformungen auftreten. Für die Qualität der austenitischen Rohre war es für das Strangpressen erforderlich, daß der Stahl, bevor er dem Strangpressen unterworfen wird, einer entsprechenden Verformung unterzogen wird, damit eine entsprechende Gefügeveränderung und Verbesserung der Verformbarkeit erreicht wird.

    [0003] Weiters ist es bekannt, daß Stähle mit einem hohen Chrom-und Nickelgehalt durch Stranggießen zu beliebig langen und nahtlosen Rohren verarbeitet werden. Hierbei wird eine überhitzte Stahlschmelze kontinuierlich in eine um ihre Achse rotierende Kokille geleitet. Die Stahlschmelze wird durch die Zentrifugalkraft gegen die Kokille gepreßt, wobei ein rotationssymmetrischer Hohlraum bei geeigneter geringer Zuführung der Metallschmelze erreicht werden kann. Dieses Verfahren erlaubt einerseits nur Rohre mit einem relativ großen Durchmesser zu erzeugen, wobei andererseits die mechanischen und metallurgischen Eigenschaften nicht zufriedenstellend sind.

    [0004] Die vorliegende Erfindung hat sich zum Ziel gesetzt,ein Verfahren zur Herstellung von nahtlosen Rohren aus einer austenitischen, Chrom und Nickel enthaltenden Legierung zu schaffen, bei dem die o.a. Nachteile vermieden sind, wobei weiters die Vorteile des Stranggießens mit jenen des Strangpressens vereint werden sollen.

    [0005] Das erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung von nahtlosen Rohren aus austenitischen Chrom-Nickel-hältigen Stählen mit Stranggießen, wobei eine Metallschmelze kontinuierlich in eine gekühlte Kokille mit einem runden Formhohlraum gegossen und in dieser teilweise erstarren gelassen, abgezogen und der durcherhärtete Strang abgelängt wird, besteht im wesentlichen darin, daß die noch nicht erstarrte Metallschmelze elektromagnetisch in Richtung um die Stranglängsachse gerührt wird und daß die abgelängten Stranggußstücke einer Glühung zwischen 1100 und 1250 °C, vorzugsweise zwischen 1150 und 1200 °C, zwischen 30 Minuten und 4 Stunden, vorzugsweise zwischen 1 und 2 Stunden unterzogen werden, worauf die Stranggußstücke abkühlen gelassen und mechanisch spanabhebend zu Strangpreßluppen verarbeitet werden, worauf aus den im Gußzustand befindlichen und noch keiner Warmverformung unterworfenen Strangpreßluppen in an sich bekannter Weise durch Strangpressen nahtlose Rohre erzeugt werden.

    [0006] Bislang war es nicht gelungen, austenitischen Stahl, der im Stranggußverfahren verarbeitet wurde, unmittelbar für die Erzeugung von nahtlosen Rohren durch das Strangpreßverfahren zu verarbeiten. Die zum Zentrum des Stranges ausgerichteten Dendriten und die strahlige, grobkörnige Erstarrungsstruktur haben sich für die Verarbeitung besonders nachteilig ausgewirkt. Gleichzeitig sind eine bevorzugte Anreicherung von Verunreinigungen und auch Porositäten im Zentrum des Stranges aufgetreten. Durch die Ungleichmäßigkeit der Porositäten im Stranginneren war ein genaues zentriertes Lochen nicht möglich, sodaß ungleichmäßige Wandstärken der Rohre hervorgerufen wurden. Die Orientierung der Dendriten, die Grobkornstruktur und die Mikroseigerungen führten zu einem unzureichenden Warmverformungsvermögen der Luppe, sodaß Risse bzw. BrUchigkeit im gepreßten Rohrrohling auftraten. Es wurde nun völlig überraschend gefunden, daß durch die Kombination der elektromagnetischen Rührung der Schmelze um die Strangachse und einer daran anschließenden Wärmebehandlung der Strangstücke ohne einer Warmverformung vor dem Strangpressen ein vollauf befriedigendes Ergebnis erzielt werden kann. Durch die Rührung der noch nicht erstarrten Metallschmelze in Richtung um die Stranglängsachse wird einerseits eine Homogenisierung der Legierung im Strang erreicht, wobei andererseits eine zentrumsmäßige Orientierung der Dendriten vermieden wird. Weiters wird eine feinkörnige Struktur und eine feine sowie gleichmäßige Verteilung von ausgeschiedenen Phasen,insbesondere Deltaferrit,durch geringere Mikroseigerungen erreicht. Dieser nunmehr vorliegende feinkörnige Deltaferrit kann durch die nachgeschaltete Glühbehandlung zum größten Teil aufgelöst werden. Es kann somit eine Strangpreßluppe erhaltenwerden, die einen geringen Gehalt an Deltaferrit aufweist, sodaß eine entsprechende hohe Verformung, wie sie beim Strangpressen durchgeführt werden muß, erfolgen kann. Dieses Ergebnis ist umso überraschender, als man bedenken muß, daß man mit Glühungen bei höheren Temperaturen an sich den Gehalt an Deltaferrit im Stahl wesentlich erhöhen kann.

    [0007] Durch die feinkörnige Struktur der Strangpreßluppe wird weiters eine besonders gleichmäßige und hervorragende Oberflächenqualität des an sich dadurch auch leicht zu fertigenden Rohres erreicht.

    [0008] Gemäß einem weiteren Merkmal der Erfindung wird die Metallschmelze zumindest in einem Teil der Kokille um die Stranglängsachse bewegt, wobei vorzugsweise die Relativbewegung zwischen Strangschale und flüssigem Strangkern bis zum Gießspiegel reicht. Durch diese Vorgangsweise kann erreicht werden, daß die erwünschte Dendritenkonfiguration und eine feinkörnige Struktur bis zur Strangoberfläche reicht, womit ein höheres Ausbringen bei der Luppenfertigung erreichbar ist.

    [0009] Werden die Stranggußstücke mit einer Mindesttemperatur von ca. 700 °C an ihrer Oberfläche unmittelbar nach dem Stranggießen der Glühung unterzogen, so wird dadurch erreicht, daß eine geringere Ausscheidung von Karbiden, z.B. Chromkarbiden an den Korngrenzen stattfindet, wobei gleichzeitig eine Umwandlung des Deltaferrits in die Sigmaphase nicht stattfindet, wodurch ein längeres Glühen erforderlich wäre.

    [0010] Ein besonders vorteilhaftes arbeitsparendes Verfahren ergibt sich dann, wenn die mechanische spanabhebende Bearbeitung der Stranggußstücke zu einer Strangpreßluppe vor dem Glühen durchgeführt wird. Bei dieser Vorgangsweise ist die mechanische spanabhebende Bearbeitung besonders leicht durchzuführen, da vor dem Glühen eine geringere Materialzähigkeit vorliegt.

    [0011] Wird aus der Glühhitze die im Gußzustand befindliche Strangpreßluppe dem Strangpressen unterworfen, so entfällt eine zusätzliche Manipulation, wobei gleichzeitig die Energie für ein erneutes Erhitzen nicht verbraucht werden muß.

    [0012] Im folgenden wird die Erfindung an Hand von Beispielen näher erläutert.

    Beispiel 1:



    [0013] Ein Stahl X10CrNiTi 18 9 wurde in einem Mittelfrequenz-Induktionstiegelofen geschmolzen, in eine Pfanne abgestochen und zu einer Stranggußanlage gebracht. Von dieser Pfanne erfolgte der Einguß der Legierung in den Verteiler der Stranggußanlage, wobei die Überhitzung des Metalls 35 °C betrug. Aus dem Verteiler wurde der Stahl mittels Gießrohres in die Stranggußkokille mit einem Innendurchmesser 210 mm eingeleitet, nach einer Anfahrphase von 0,3 min. war eine Gießgeschwindigkeit von 1,05 m/min. erreicht. Der Guß erfolgte mit abgedecktem Gießspiegel, d.h. unter Pulver.

    [0014] Eine dreipolige Drehfeldeinrichtung war in der Anlage 220 mm unterhalb des unteren Randes der 650 mm langen Kokille montiert. Während des Gusses erfolgte die Anspeisung des Drehfeldes mit einer Leistung von 72 kVA. Aufgrund von Beobachtungen des Gießspiegels bzw. des Gießpulvers am-Gießkopf konnte festgestellt werden, daß der flüssige Strang bis zum Gießspiegel in der Kokille eine Drehbewegung um die Längsachse des Stranges ausfUhrte.

    [0015] Nach dem Erkalten des Stranges wurde diesem ein Probestück für weitere Untersuchungen entnommen. In einem Ofen erfolgte eine Glühung der Strangstücke bei 1190 °C, wobei die Haltezeit 1,6 Stunden betrug. Nach der Glühbehandlung wurde dem Strang wiederum ein Probestück entnommen. Die vergleichenden Untersuchungen erbrachten, daß nach dem Strangguß im Material ein Deltaferritgehalt von 4,6 % vorlag. Derartig hohe Deltaferritgehalte wirken äußerst nachteilig auf die Verformbarkeit des Materials. Nach der Glühung betrug der Deltaferritgehalt im Strang unter 1 %.

    [0016] Nach dem Bearbeiten der Oberfläche des StranggußstUckes, dem Sägen und Bohren erfolgte ein induktives Aufwärmender Strangpreßluppe und das Aufweiten mittels Aufweitkappe und Lochdorn. Der Aufweitvorgang verlief problemlos, d.h. das Material wies gute Warmverformbarkeitseigenschaften auf. Im Anschluß an das Aufweiten der Luppe erfolgte, nach Zwischenwärmung, der Strangpreßvorgang (gemäß Handbook of Stainless Steels, Mr. Graw Hill Book Comp. 1977, Chapter 23). Das gepreßte Rohrohr wies sowohl innen als auch außen eine gute Oberfläche auf. Auch bei der Weiterverarbeitung wurden keine Schwierigkeiten festgestellt, da gute Verformbarkeit des Materials vorlag.

    [0017] Die Güte des Rohres wurde auch durch Stufendrehproben untersucht. Es zeigte sich, daß keine störenden langgestreckten nichtmetallischen Einschlüsse in der Rohrwand vorlagen, d.h. daß das Rohr besonders hohe Qualitätsmerkmale aufwies.

    Beispiel 2:



    [0018] Es wurde analog Beispiel 1 verfahren, wobei eine Verbundrohrkokille mit integrierter Rührspule verwendet wurde und ein Stahl X5CrNi 18 9 vergossen wurde. Die Überhitzung der Schmelze betrug 25 °C. Nach einer Anfahrphase von 0,4 min. betrug die Gießgeschwindigkeit 1,0 m/min. Die Drehfeldleistung der elektromagnetischen Rührung betrug 65 kVA. Die Glühung wurde nach Erkalten des Stranges bei 1150 °C und 2,8 Stunden lang durchgeführt. Der Deltaferritgehalt betrug vor der Glühung 4,8 % und war nach derselben unter 1 %. Beim Strangpreßvorgang traten keinerlei Schwierigkeiten auf und das gepreßte Rohr wies eine gute Oberfläche sowohl innen als auch außen auf..

    Beispiel 3:



    [0019] Ein Stahl X2CrNiMo 18 10 wurde analog Beispiel verarbeitet, wobei die Überhitzung der Schmelze 30 °C betrug und nach einer Anfahrphase von 0,3 min. eine Gießgeschwindigkeit von 1,1 m/min. eingehalten wurde. Die Drehfeldleistung der elektromagnetischen Rühreinrichtung betrug 72 kVA. Die Stranggußstücke wurden unmittelbar nach dem Stranggießen mit einer Strangoberflächentemperatur von 715 °C in einen Ofen verbracht und einer Glühung bei 1200 °C u. zw. 1, 4 Stunden lang unterworfen. Der Deltaferritgehalt betrug unter 1 %. Das sodann zu einer Strangpreßluppe mechanisch spanabhebend bearbeitete Stranggußstück wurde gemäß Beispiel 1 dem Strangpreßvorgang unterworfen, wobei das erhaltene Rohr keinerlei Oberflächenfehler aufwies und der Strangpreßvorgang klaglos verlief.

    Beispiel 4:



    [0020] Ein Stahl X10CrNiNb 18 9 wurde analog Beispiel 1 verarbeitet, wobei die mechanische spanabhebende Bearbeitung des Stranggußstückes zu einer Strangpreßluppe vor dem Glühen durchgeführt wurde. Die mechanische Bearbeitung war leichter als in den vorhergehenden Beispielen, da kurzbrechende Späne vorhanden waren. Die Stranggußluppe wurde sodann im-Drehherdofen auf 1190 °C erhitzt und 2 Stunden bei dieser Temperatur belassen. Unmittelbar aus der GlUhhitze heraus wurde der Strangpreßvorgang durchgeführt, wobei bei der Verarbeitung durch das Strangpressen keine Schwierigkeiten festgestellt werden konnten und das Rohrohr sowohl innen als auch außen eine gute Oberfläche aufgewiesen hat.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Herstellung von nahtlosen Rohren aus austenitischen Chrom-Nickel-hältigen Stählen mit Stranggießen, wobei eine Metallschmelze kontinuierlich in eine gekühlte Kokille mit einem runden Formhohlraum gegossen und in dieser teilweise erstarren gelassen, abgezogen und der durcherhärtete Strang abgelängt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die noch nicht erstarrte Metallschmelze elektromagnetisch in Richtung um die Stranglängsachse gerührt wird und daß die abgelängten Stranggußstücke einer Glühung zwischen 1100 und 1250 °C, vorzugsweise zwischen 1150 und 1200 °C, zwischen 30 Minuten und 4 Stunden, vorzugsweise zwischen 1 und 2 Stunden unterzogen werden, worauf die Stranggußstücke abkühlen gelassen und mechanisch spanabhebend zu Strangpreßluppen verarbeitet werden, worauf aus den im Gußzustand befindlichen und noch keiner Warmverformung unterworfenen Strangpreßluppen in an sich bekannter Weise durch Strangpressen nahtlose Rohre erzeugt werden.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Metallschmelze zumindest in einem Teil der Kokille um die Stranglängsachse bewegt wird, wobei vorzugsweise die Relativbewegung zwischen Strangschale und flüssigem Strangkern bis zum Gießspiegel reicht.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Stranggußstücke mit einer Mindesttemperatur von ca. 700 °C an ihrer Oberfläche unmittelbar nach dem Stranggießen der Glühung unterzogen werden.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die mechanische spanabhebende Bearbeitung der Stranggußstücke zu einer Strangpreßluppe vor dem Glühen durchgeführt wird.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß aus der Glühhitze die im Gußzustand befindliche Strangpreßluppe dem Strangpressen unterworfen wird.
     





    Recherchenbericht