[0001] Die Aminosäuren sind Bestandteile des Eiweißes. Sie werden dem Organismus u.a. durch
eiweißhaltige Nahrung zugeführt und daraus im Magen-Darm-Trakt durch die Wirkung der
Verdauungsenzyme freigelegt und dann resorbiert. Beim Ausfall oder bei Insuffizienz
dieser Enzyme oder bei stark geschwächten Patienten, ferner in Situationen, bei denen
der Abbau von körpereigenem Protein den Aufbau überwiegt, weiterhin im Falle von spezifischen
Krankheitsbildern, z.B. chronischem Nierenversagen oder Leberinsuffizienz, welche
hochgradige und weit über das Normalmaß hinausgehende Supplementation mit essentiellen
Aminosäuren in geeigneten Proportionen erfordert, müssen die freien Aminosäuren mittels
entsprechender Präparate oral zugeführt werden, um zum Aufbau körpereigenen Eiweißes
unmittelbar zur Verfügung zu stehen.
[0002] In vielen Fällen schwerer Erkrankung ist die Ernährung auf oralem Wege-- nicht oder
nur schwer möglich. Insbesondere bei postoperativen und posttraumatischen Zuständen
und in schweren Fällen von Karzinomen, Verbrennungen, Infektionen, akutem und chronischen
Nierenversagen, Leberinsuffizienz, sowie langanhaltender Bewußtlosigkeit oder schweren
Stoffwechselstörungen müssen die Patienten dann parenteral mit Infusionslösungen ernährt
werden, wobei zur Aufrechterhaltung der Ernährung dem Organismus neben Kohlenhydraten
und Fett insbesondere auch Aminosäuren parenteral zugeführt werden müssen. Wegen der
negativen Stickstoffbilanz, besonders bei postoperativer und posttraumatischer Stoffwechsellage,
ist die Versorgung mit Aminosäuren von besonderer Bedeutung, wobei das Angebot nicht
nur die essentiellen Aminosäuren umfassen soll, die der Organismus nicht selbst synthetisieren
kann, sondern auch die anderen Aminosäuren, damit der Verlust an körpereigenen Proteinen
möglichst schnell durch erneuten Aufbau dieser Proteine wieder ausgeglichen werden
kann.
[0003] Zu den wichtigen Aminosäuren, die hierbei dem Organismus zur Verfügung gestellt werden,
gehören u.a. auch die in Wasser nur sehr schwer löslichen Aminosäuren Tyrosin, deren
Zufuhr essentiell ist bei Nierenversagen, und Cystin, das essentiell ist bei Neugeborenen
und Säuglingen. Wegen ihrer geringen Wasserlöslichkeit ist die Bioverfügbarkeit dieser
Aminosäuren nur gering. In Aminosäure-Infusionslösungen sind sie ebenfalls aus diesen
Gründen nicht oder nur in sehr geringer Menge vorhanden und applizierbar.
[0004] Es wurde nun überraschenderweise festgestellt, daß durch eine Bindung dieser schwerlöslichen
Aminosäuren an die beiden Aminogruppen der Aminosäure Lysin sich Tripeptide herstellen
lassen, die trotz des Gehalts dieser beiden Aminosäuren im Verhältnis 2 : 1 Mol Lysin
dennoch eine gute Wasserlöslichkeit aufweisen. Die Aminosäure Lysin besitzt außer
der primären Aminogruppe in AC-Stellung noch am endständigen C-Atom, d.h. inf-Stellung,
eine zweite primäre Aminogruppe, die substituierbar ist. An diese beiden Aminogruppen
sind bei den neuartigen Tripeptiden der allgemeinen Formel I gemäß Anspruch 1 jeweils
Tyrosin-oder Cystin-Reste peptidartig gebunden. Während das Tyrosin nur eine Löslichkeit
von 0,384 g/L H
20 aufweist, beträgt die Löslichkeit des N
2-Tyrosinyl-N
6-ytyrosinyl-lysins 622 g/L H
2O. Das Tripeptid ist somit um den Faktor 1,62 . 10
3besser löslich in Wasser als das freie Tyrosin.
[0005] Die oral oder parenteral applizierten wasserlöslichen Tripeptide der schwer löslichen
Aminosäuren mit dem Lysin besitzen die Eigenschaft, daß sie im Organismus durch körpereigene
Aminopeptidasen, wie Peptidhydrolasen, gespalten werden, so daß mit dieser Applikation
die schwer löslichen Aminosäuren dem Organismus leicht zum Aufbau körpereigener Proteine
in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden können, wobei ihm gleichzeitig
auch noch die essentielle Aminosäure Lysin zugeführt wird. Beim erfindungsgemäß verwendeten
N
2-Cystinyl-N
6-cystinyl-lysin werden dem Lysin sogar vier Mole Cystein bereitgestellt, da das freigelegte
Cystin bekanntlich durch hydrierende Enzyme an der Disulfidbrücke in 2 Mole Cystein
gespalten wird. Dies ist inbesondere wichtig für Neugeborene und Säuglinge, weil für
diese Patientengruppe Cystin/Cystein essentiell ist. Daher kann diese schwe-
- felhaltige Aminosäure, die einen wichtigen Baustein der Keratine in Haut, Haaren
und Nägeln darstellt, und zur Vernetzung der linearen Eiweißmoleküle beiträgt, in
ausreichender Menge als leicht resorbierbares Derivat zur Verfügung gestellt werden.
[0006] Im allgemeinen werden die erfindungsmäßen Peptide dem Organismus zusammen mit anderen
Aminosäuren und gegebenenfalls anderen niederen Peptiden mittels Infusionslösung appliziert.
Das
N2 -Cystinyl-N
6-cystinyl-lysin kann hierbei in einer Menge von 0,1 - 10 g je Liter, das N
2-Tyrosinyl-N
6-tyrosinyl-lysin in einer Menge von 0,1 - 20 g je Liter Infusionslösung enthalten
sein.
[0007] Durch Auflösen der gereinigten Peptide und der gewünschten Aminosäuren in Aqua dest.
werden diese Infusionslösungen erhalten, die gegebenenfalls noch Mineralsalze und
andere Stoffe für die parenterale Ernährung aufweisen können und sich leicht isotonisch
einstellen lassen. Die Lösungen können in üblicher Weise hitzesterilisiert werden,
(z.B. 0,5 h, 120°C, pH = 5,5 - 7,5), ohne Gefahr einer Veränderung der neuartigen
Tripeptide, da diese sehr hitzestabil sind. Im Falle der Verwendung zusammen mit Glucose
oder anderen Kohlenhydraten in Infusionslösungen für parenterale Ernährung sind diese
jedoch erst nach der Sterilisierung oder kurz vor der Verwendung beim Patienten zuzufügen,
um Nebenreaktionen der freien Aminogruppe des Peptids mit der Glucose bei der Hitzesterilisierung
auszuschließen.
[0008] Aber auch für die orale Applikation sind diese wasserlöslichen Tripeptide geeignet
und können gegebenenfalls zusammen mit Aminosäuren und anderen Peptiden als Granulat
oder in Dragees verabreicht werden.
[0009] Die neuen Tripeptide enthalten vorzugsweise die Aminosäuren jeweils in ihrer-physiologisch
aktiven-L-For.m.Sowohl das N
2-Cystinyl-N
6-cystinyl-lysin als auch das N
2-Tyrosinyl-N
6-tyrosinyl-lysinyl-lysin lassen sich in einfacher Weise nach der N-Carboxy-Anhydrid-Methode
herstellen, wobei die freie Aminogruppe der vorgelegten Aminosäure mit dem jeweiligen
N-Carboxyanhydrid der anzuhängenden Aminosäure reagiert; R. Hirschmann et al, J.Org.
Chem., Bd. 32, 3415-3425 (1967); J.Am.Chem.Soc., Bd. 93, 2746-2754 (1971). Diese Methode
ist sehr vielseitig anwendbar und läßt sich in automatischen Vorrichtungen durchführen,
siehe P. Pfaender et al, Hoppe-Seyler's Z. Physiol.Chem., Bd. 354, S. 267-285 (1973)
und DE-OS 24 16 941 sowie US-PS 3 951 741. Zur Herstellung der erfindungsgemäßen Tripeptide
werden die N-Carboxy-anhydride des Cystins oder Tyrosins mit dem Lysin umgesetzt unter
Anknüpfung der Aminosäuren an die beiden Aminogruppen des Lysins.
[0010] Bei der bekannten Synthesemethode unter Verwendung der N-Carboxy-Anhydrid-Aminosäure-Verbindungen
wird in Gegenwart eines Boratpuffers gearbeitet. Da die für therapeutische Zwecke
notwendige Abtrennung des erhaltenen Tripeptids von dem Boratpuffer Schwierigkeiten
bereitet, kann man diese Synthese auch in Aqua dest. durchführen, was überraschenderweise
mit guten Ausbeuten gelingt. Um es von Nebenprodukten, d.h. eventuell entstandenen
höheren Peptiden abzutrennen, werden dann die Tripeptide chromatographisch gereinigt,
z.B. unter Verwendung von Sephadex-Säulen.
Beispiel 1
(Herstellung von N2-Cystinyl-N6-L-cystinyl-L-lysin)
[0011] a) Da Cystin-bis-N-Carboxy-Anhydrid sich nicht nach der üblichen Phosgenmethode herstellen
läßt, wurde die Phosphor-Tribromid-Methode (Ben-Ishai u. Katchalski, J.Amer.Chem.Soc.,
Bd. 74, S. 3688 - 3689 (1952)) angewendet. Es wurden 7,8 g (≙ 1,535 x 10
2 Mol) getrocknetes Di-Z-L-Cystin in 200 ml abs. Diethylether suspendiert und bei 30°C
im Wasserbad unter Rühren mit 1,15 mL PBr
3 versetzt. Die Suspension wurde hierbei zunächst dickflüssig, nach 30 min jedoch wieder
dünner. Nach 18 h Rühren unter Rückfluß wurde der Niederschlag abgenutscht, der Filterkuchen
noch einmal in wenig Ether suspendiert und erneut 30 min gerührt. Danach wurde wieder
abgenutscht und das gebildete Cystin-bis-N-Carboxyanhydrid mit wenig Ether gewaschen.
[0012] b) 1,875 g Lysin·HCl (
e 1,5 g oder 0,0103 Mol freies Lysin) wurden in 400 mL H
2O bidest. unter Rühren gelöst, wobei unter Stickstoff gearbeitet wurde. Nach dem Kühlen
der Lösung auf 0°C und Einstellung auf pH 10,2 mit ca. 50% NaOH wurden 3,30 g Cystin-bis-N-carboxy-anhydrid
(≙ 0,0113 Mol) bei 10000 UpM in kleinen Anteilen zugegeben, um die pH-Schwankungen
möglichst gering zu halten. Nach 15 min wurde zur Decarboxylierung des entstandenen
Peptidcarbaminats mit ca. 50% H
2S0
4 auf pH 3,5 eingestellt,worauf das Reaktionsgemisch mit 1 N NaOH neutralisiert wurde.
Anschließend wurde das Reaktionsgemisch durch Lyophilisation von Wasser befreit. Der
Rückstand betrug 8,6 g. Das trockene Rohprodukt wurde in 20 mL H
20 bidest. gelöst und nach Abzentrifugieren von einem geringen Rückstand (Cystin) auf
die Sephadex-G-10-Säule (2,5 cm x
250 cm) gegeben. Als Elutionsmittel diente 0,5% Essigsäure. Als Eluat wurden 6 Fraktionen
erhalten, die dünnschicht-chromatographisch untersucht wurden. Die 1. Fraktion enthielt
reines Tripeptid, während die 5.und 6. Fraktion nur Cystin und Nebenprodukte enthielten.
Die 2. und 4. Fraktion wurden zusammen erneut in Aqua dest. aufgenommen und erneut
auf die Sephadex-Säule gegeben. Insgesamt konnten 1,04 g N
2,N
6-Di-L-cystinyl-L-lysin erhalten werden, das noch etwas mit dem Dipeptid (Cystinyl-Lysin)
verunreinigt war. Im allgemeinen ist dessen Abtrennung nicht nötig, da auch das Dipeptid
vom Organismus verwertet wird. Das erhaltene Produkt zeigte eine Löslichkeit von 125
g/L H
20 (20°C), während die Werte für Cystin 0,09 g/L H
20 (20°C) und für Lysin 666,0 g/L H
20 (20°C) betragen.
Beispiel 2
(Herstellung von N2-Tyrosinyl-N6-L-tyrosinyl-L-lysin)
[0013] Es wurde ein durch Umsetzung von Phosgen mit Tyrosin in TetrahydroJfuran als Lösungsmittel
in üblicher Weise hergestelltes Tyrosin-N-Carboxy-Anhydrid verwendet. Die Umsetzung
mit dem Lysin wurde in der automatischen Vorrichtung, wie sie in der DE-OS 24 16 941
oder US-PS 3 951 741 beschrieben ist, in Gegenwart eines NA-Boratpuffers, pH 10,2,
durchgeführt, wobei das Lysin in der Pufferlösung gelöst mit dem feinst gepulverten
Tyrosin-N-Carboxy-Anhydrid im Mol-Verhältnis 1 : 2 umgesetzt wurde. Nach 5 min wurde
mit ca. 50% H
2S0
4 auf pH 3,5 angesäuert und dadurch das gebildete Tripeptid-Carbaminat decarboxyliert,
worauf mit ca. 50% NaOH neutralisiert wurde. Zur Abtrennung von Natriumborat und Reinigung
des Tripeptids wurde das lyophilisierte Reaktionsgemisch mit Methanol extrahiert.
Der eingedampfte Methanolextrakt wurde dann in Aqua dest. gelöst und analog, wie in
Beispiel 1 beschrieben, chromatographisch an einer Sephadex-G-10-Säule gereinigt.
Das erhaltene N
2-Tyrosinyl-N6-L-tyrosinyl-L-lysin wurde durch Säurehydrolyse und übliche
ASAR-Analyse der daraus erhaltenen Aminosäuren (2 Mol Tyrosin, 1 Mol Lysin) charakterisiert.
[0014] Das erhaltene N
2-Tyrosinyl-N
6-L-tyrosinyl-L-lysin läßt sich als Tyrosinquelle den Aminosäure-Infusionslösungen
wegen seiner großen Wasserlöslichkeit leicht in den gewünschten Mengen zusetzen. Für
die vollständige parenterale Ernährung sollte in der Infusionslösung vorzugsweise
das Tripeptid entsprechend einer Menge von 0,5 bis 0,8 g Tyrosin je Liter (2,762 -
10
-3 bis
4,4
20 ·10
-2 Mol) vorhanden sein. In einer 5%igen Aminosäurelösung sollte daher das N
2-Tyrosinyl-N
6-L-tyirosinyl-L-lysin in einer Menge von 0,6 bis 1,32 mMol 100 mL enthalten sein,
um den biologisch und therapeutisch erforderlichen Mengen in der Infusionsmischung
gerecht werden zu können. Wegen der guten Löslichkeit des Tripeptids kann erfindungsgemäß
die erforderliche Menge an Tyrosin nun in solche Lösungen eingebracht werden.
[0015] Die nachfolgenden Beispiele 3 - 6 zeigen die Verwendung des erfindungsgemäßen N
2 -Cystinyl-N
6-L-cystingyl-L-lysins (Cys-Lys(Cys)) und des
N 2 -Tyrosinyl-N
6-L-tyrosinyl-L-lysins (Tyr-Lys(Tyr)) in Kombination mit Aminosäuren und Peptiden bei
Infusionslösungen. Das Tripeptid Glycyl-L-alanyl-L-glutamin (Gly-Ala-Gln) dient in
der Lösung der Beispiele 5 und G als Glutaminquelle, wie dies in einer gleichzeitig
eingereichten Anmeldung näher beschrieben ist. Bei der Herstellung der Lösungen können
außer den angegebenen Bestandteilen gegebenenfalls noch Mineralsalze, Vitamine oder
dergl. in üblichen Mengen zugesetzt werden.
B e i s p i e 1 3
[0016] Die erfindungsgemäßen beiden Tripeptide wurden zusammen mit den anderen Substanzen
(essentielle Aminosäuren und Histidin) in Aqua dest. gelöst, die Lösung in Infusionsflaschen
abgefüllt und sterilisiert (0,5 h bei 120°C).

Beispiel 5
[0017]

Beispiel 6

1. Wasserlösliche Peptide sehr schwer löslicher Aminosäuren der allgemeinen Formel

wobei R jeweils ein Tyrosinyl- oder Cystinylrest ist.
2. Verfahren zur Herstellung der Peptide nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet ,
daß man Lysin und Tyrosin-N-Carboxy-Anhydrid oder Cystin-bis-N-Carboxy-Anhydrid im
Mol-Verhältnis 1 : 1 bis 4 umsetzt, das Reaktionsprodukt durch Ansäuren decarboxyliert
und N2-Tyrosinyl-N6-L-tyrosinyl-L lysin oder das N2-Cystinyl-N6-L-cystinyl-L-lysin isoliert.
3. Verwendung der wasserlöslichen Peptide nach Anspruch 1 in oralen Aminosäure-Präparaten.
4. Verwendung der wasserlöslichen Peptide nach Anspruch 1 in Infusionslösungen für
parenterale Ernährung.
5. Verwendung von N2-Tyrosinyl-N6-L-tyrosinyl-L-lysin in Mengen von 0,1 - 20 g, vorzugsweise 2 - 20 g, je Liter Infusionslösung.
6. Verwendung von N2-Cystinyl-N6-L-cystinyl-L-lysin in Mengen von 0,1 - 10 g, vorzugsweise 1 - 10 g, je Liter Infusionslösung.