[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von lösungsmittelarmen Polyacrylnitril-Spinnfäden
mit mindestens 45 Gew.-% Acrylnitrileinheiten durch ein Trockenspinnverfahren bei
dem die Fäden nicht mit einem Extraktionsmittel für das Spinnlösungsmittel in Berührung
kommen. Derartig hergestelltes restlösungsmittelarmes Spinngut läßt sich beispielsweise
in einem Arbeitsgang ohne jedwede Unterbrechung direkt Verstrecken, Kräuseln, Relaxieren
und Schneiden und somit auf kontinuierliche Weise in fertige Fasern überführen.
[0002] Spinngut aus trockengesponnenen Acrylfasern weist üblicherweise einen Lösungsmittelgehalt
von ca. 15 - 50 Gew.-% auf. Dieser Restlösungsmittelanteil, beispielsweise an Dimethylformamid,
wird durch einen Waschprozeß vor, während oder auch nach der Verstreckung nahezu quantitativ
entfernt.
[0003] Die lösungsmittelhaltigen Waschwässer werden aus ökonomischen und ökologischen Gründen
destillativ aufgearbeitet. In der US-P 2 811 409 wird ein Verfahren zur kontinuierlichen
Herstellung von Acrylfäden mit niedrigen Restlösungsmittelgehalten aus Spinndüsen
niedriger Lochzahl von max. 200 Loch und sehr langen Spinnschächten bis zu 9 m mit
mehreren Heißlufteinlässen unter Verwendung von Acrylnitrilcopolymerisaten mit hohen
Viskositäten beschrieben.
[0004] Wie aus den Beispielen ferner hervorgeht, werden für den Spinnprozeß Spinndüsen mit
extrem feinen Bohrungen von z.B. 0,08 mm Durchmesser eingesetzt, was zu äußerst niedrigen
Spinnverzügen führt. Diese niedrigen Spinnverzüge sind offenbar notwendig, um bei
den hohen Viskositäten der Spinnlösungen und den hohen Energiebelastungen im Spinnschacht
Abrisse und Aufläufer auf den Spulen zu vermeiden.
[0005] Nach diesem Verfahren lassen sich lediglich Acrylseiden mit niedrigen Gesamttitern
herstellen.
[0006] Außerdem treten nach dem.Verfahren der US-PS bei Restlösungsmittelgehalten unter
ca. 5 Gew.-% an DMF starke statische Aufladungen der Fäden ein.
[0007] Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es, ein Verfahren zur Herstellung von lösungsmittelarmen
Polyacrylnitril-Spinnfäden nach einem Trockenspinnprozeß mit hohen Gesamttitern von
100 000 dtex und mehr zur Verfügung zu stellen, welches ohne ein Extraktionsmittel
für das Spinnlösungsmittel auskommt und statische Aufladungen vermeidet.
[0008] Wie dem Fachmann bekannt ist, läßt sich beim Trockenspinnen der Restlösungsmittelgehalt
im Spinngut über verschiedene Parameter steuern. Geeignete Einflußgrößen sind die
Temperaturen des Schachtes und der zu verwendenden Spinnluft, die Luftmenge und die
Verweilzeit im Spinnschacht. Diese wiederum läßt sich durch die Spinnschachtgeometrie
und Spinngeschwindigkeit beeinflussen. Die vorstehend definierte Aufgabe läßt sich
mit dem bekannten Wissen allein jedoch nicht lösen.
[0009] Es wurde nun überraschenderweise gefunden, daß man die vorstehend definierte Aufgabe
lösen kann, wenn man eine Spinnlösung bestimmter Viskosität verwendet, das Spinngut
unmittelbar am Ende des Spinnschachtes innerhalb oder unmittelbar außerhalb des Schachtendes
in noch heißem Zustand mit einer Präparation, die ein Gleitmittel und ein Antistatikum
enthält und den Fäden einen Feuchtegehalt (Wasser) von maximal 10 %, bezogen auf Faserfeststoff,
verleiht, benetzt und direkt ohne Abkühlung einer Wärmebehandlung aussetzt, z.B. indem
man das Spinngut durch ein Rohr leitet, durch welches im Gegenstrom zur Fadenlaufrichtung
Heißluft, Sattdampf oder überhitzter Dampf geführt wird oder indem man die Fadenschar
über einen beheizten, geschlossenen Walzenkalander mit Absaugvorrichtung für die Lösungsmittelreste
führt.
[0010] Im Falle von Kontakthitze oder Heißluft liegen besonders geeignete Temperaturen des
Heizmediums zwischen 150 und 300°C bei Behandlungszeiten von 5 Sekunden bis 3 Minuten;
im Falle von Sattdampf beträgt die Temperatur des Heizmediums vorzugsweise 103 bis
120°C, die Einwirkungszeit 5 Sekunden bis 5 Minuten; und im Falle von überhitztem
Dampf liegen die Temperaturen bevorzugt zwischen 120 und 180°C und die Behandlungszeiten
zwischen 5 Sekunden und 5 Minuten.
[0011] Weiterhin sind zur Wärmebehandlung Heizschiene, Heizbügel und beheizte Galetten geeignet.
[0012] Gegenstand der Erfindung ist daher ein Trockenspinn-Verfahren zur Herstellung von
Polyacrylnitrilspinnfäden mit mindestens 45 Gew.-% Acrylnitrileinheiten, einem Restlösungsmittelgehalt
unter 5 Gew.-% und einem Gesamttiter über 100 000 dtex ohne Kontaktierung mit einem
Extraktionsmittel für das Spinnlösungsmittel durch Verspinnen einer Spinnlösung des
Polymerisates, dadurch gekennzeichnet, daß
a) eine Spinnlösung versponnen wird, deren Viskosität bei 100°C 10 bis 60 Kugelfallsekunden
beträgt,
b) die Fäden unmittelbar am Ende des Spinnschachtes innerhalb oder unmittelbar außerhalb
des Schachtendes in noch heißem Zustand mit einer Präparation versehen werden, die
ein Gleitmittel und ein Antistatikum enthält und den Fäden einen Feuchtegehalt von
maximal 10 Gew.-%, bezogen auf Faserfeststoffgehalt, verleiht und
c) die Fäden direkt ohne Abkühlung einer Wärmebehandlung ausgesetzt werden.
[0013] Vorzugsweise ist der Spinnverzug des Verfahrens größer als 2. In einer besonders
bevorzugten Ausführungsform weist die Spinnlösung bei 100°C eine Viskosität von 15
bis 50 Kugelfallsenkungen auf.
[0014] Der Spinnverzug V ist definiert als Verhältnis von Abzugsgeschwindigkeit A zur Ausspritzgeschwindigkeit
S:

[0015] Die Auspritzgeschwindigkeit S ergibt sich zu:

mit
F = Fördermenge (cm3/min)
Z = Anzahl der Düsenlöcher pro Düse
d = Düsenlochdurchmesser (cm)
[0016] Vergleiche Faserforschung 16 (1965), Heft 9, Seite 465. Die Fördermenge (Pumpenvolumen
mal Umdrehungen pro Minute) läßt sich nach folgender Gleichung errechnen:
GST = Gesamtspinntiter (dtex = g/10000m)
P = Pumpenvolumen (cm3)
U = Umdrehungen pro Minute (min -1)
K = Konzentrationen der Spinnlösung (g/cm3)
A = Abzugsgeschwindigkeit (m/min)
[0017] Als Acrylnitrilpolymerisate sind alle zu sogenannten Acrylfasern bzw. Modacrylfasern
verspinnbaren Acrylnitrilhomo- und -copolymerisate geeignet, vorzugsweise Acrylnitrilcopolymerisate
mit mindestens 85 Gew.-% Acrylnitrileinheiten. Ganz besonders bevorzugt sind Homopolymere
und Terpolymere aus 89 bis 95 Gew.-% Acrylnitril, 4 bis 10 Gew.-% nicht ionogenen
Comonomeren, beispielsweise Acrylsäuremethylester, Methacrylsäuremethylester oder
Vinylacetat und 0,5 bis 3 Gew.-% ionogenen Comonomeren, beispielsweise Methallylsulfonat
oder Styrolsulfonat. Die Polymerisate sind bekannt.
[0018] Die Präparation kann auch Wasser als Bestandteile enthalten. Präparationsgemische
mit über 50 % Feuchtegehalt werden jedoch nicht bevorzugt, weil die Fadenschar vor
den anschließenden Nachbehandlungsschritten, wie Strecken, Kräusel usw., sonst zu
stark gekühlt wird und eine gleichmäßige Durchwärmung des Spinngutes vor dem Strecken
nicht mehr gewährleistet ist.
[0019] Als geeignete Gleitmittel kommen Glykole, deren Derivate, Siliconöle, ethoxylierte
Fettsäuren, -alkohle, -ester, -amide, -alkylethersulfate, sowie deren Mischungen in
Frage.
[0020] Geeignete Antistatika sind die üblichen kationaktiven, anionaktiven oder nichtionogenen
Verbindungen, wie langkettige, ethoxilierte, sulfierte und neutralisierte Alkohole.
[0021] Zweckmäßigerweise bringt man die Präparation bei erhöhten Temperaturen von 50 - 90°C
mit den einzelnen Fadenbändchen in Berührung, um eine Abkühlung der heißen Fadenschar
zu vermeiden. Die von einer Spinnmaschine mit beispielsweise 20 Spinnschächten ersponnenen
Schachtbändchen vom Gesamttiter 100 000 dtex und mehr werden auf diese Weise präpariert,
nach Verlassen des Fixieraggregates gebündelt und direkt einer weiteren Nachbehandlung,
z.B. mit den Prozeßschritten Strecken - Kräuseln - Schrumpfen - Schneiden, zugeführt.
[0022] Ein großer Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht darin, daß sich derartig
hergestellte, restlösungsmittelarme Spinnfäden direkt in einem kontinuierlichen Prozeß
zu fertigen Acrylfasern ohne jedwede Unterbrechung nachbehandeln lassen.
[0023] Ein weiterer großer Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Herstellung von
restlösungsmittelarmen Spinnfäden besteht ferner darin, daß infolge des Fortfalls
eines Waschprozesses auch kein Trockenaggregat mehr notwendig ist. Neben den geringeren
Investitions- und Instandhaltungskosten lassen sich naturgemäß auch die Energiekosten
deutlich vermindern.
[0024] Im allgemeinen reichen Spinnabzugsgeschwindigkeiten bis zu 100 m/min vollkommen aus,
um den Restlösungsmittelgehalt im Spinngut deutlich unter 5 Gew.-% zu halten.
[0025] Das erfindungsgemäße restlösungsmittelarme Spinnverfahren läßt sich auch auf sogenanntes
düsengefärbtes Spinngut übertragen. Setzt man Spinnlösungen aus Acrylnitrilpolymerisaten
Farbstoffe oder Pigmente zu, so erhält man gefärbtes Spinngut, das sich zu spinngefärbten
Acrylfasern verarbeiten läßt.
[0026] Die Viskosität in Kugelfallsekunden, gemessen bei 100°C, wurde nach der Methode von
K. Jost, Reologica Acta, Band 1 (1958), Seite 303, bestimmt. Es gilt dabei die Umrechnungsformel:
1 Kugelfallsekunde entspricht 4,37 poise.
Beispiel 1
[0027] 700 kg Dimethylformamid (DMF) werden in einem Kessel bei Raumtemperatur unter Rühren
mit 300 kg eines Acrylnitrilcopolymerisates aus 93,6 % Acrylnitril, 5,7 % Acrylsäuremethylester
und 0,7 % Natriummethallylsulfonat vom K-Wert 81 vermischt. Die Suspension wird über
eine Zahnradpumpe in einen mit einem Rührwerk versehenen Spinnkessel gepumpt. Dann
wird die Suspension in einem doppelwandigen Rohr mit Dampf von 4,0 bar erhitzt. Die
Verweilzeit im Rohr beträgt 5 Minuten. Die Spinnlösung, welche am Rohrausgang eine
Temperatur von 138°C aufweist und eine Viskosität von 19 Kugelfallsekunden, gemessen
bei 100°C besitzt, wird nach Verlassen der Aufheizvorrichtung auf 90°C abgekühlt,
filtriert und direkt einer Spinnanlage mit 20 Spinnschächten zugeführt.
[0028] Die Spinnlösung wird aus 1264-Lochdüsen mit Düsenlochdurchmessern von 0,25 mm mit
50 m/min Abzugsgeschwindigkeit trocken versponnen. Die geförderte Spinnlösungsmenge
pro Spinnschacht liegt bei 370,8 ccm/min. Die Schachttemperatur liegt bei 200°C und
die Lufttemperatur beträgt 360°C. Die durchgesetzte Luftmenge beträgt 40 m
3/h für jeden Schacht. Die Spinnfäden, welche mit einem Spinnverzug von 2,1 gesponnen
worden sind, werden unmittelbar vor Verlassen der Spinnschächte vor Eintritt in ein
dahinter geschaltetes Rohr mit einer 80 - 90°C warmen ein Gleitmittel und ein Antistatikum
enthaltenden wasserarmen Präparation derartig benetzt, daß der ölgehalt der Fäden
ca. 0,16 Gew.-% und der Gehalt an Antistatikum 0,04 Gew.-%, bezogen auf den Feststoffgehalt,
ausmacht. Die Dosierung der Präparation geschieht über Zahnradpumpen. Das waagrecht
nach der Spinnmaschine geschaltete Rohr, durch welches die Spinnfadenschar geleitet
wird, ist im Gegenstrom zur Fadenlaufrichtung mit heißer Luft von 300°C zur DMF-Entfernung
beschickt. Die Verweilzeit der Spinnfäden in den Spinnschächten und dem mit Heißluft
beschickten Rohr beträgt ca. 18 Sekunden. Die durch das Rohr im Gegenstrom geschickte
Heißluftmenge liegt bei 600 m
3/h.
[0029] Das warme Acrylkabel, welches einen Gesamttiter von 344 000 dtex aufweist, besitzt
noch einen Restlösungsmittelgehalt von 1,6 Gew.-% an DMF. Das Kabel läßt sich anschließend
ohne Unterbrechung verstrecken, kräuseln, schrumpfen und zu Stapfelfasern schneiden.
Beispiel 2
[0030] Eine Spinnlösung wird gemäß Beispiel 1 zu Fäden versponnen und vor Eintritt in das
dahinter geschaltete Rohr wieder mit einer 80 - 90°C warmen, ein Gleitmittel und ein
Antistatikum enthaltenden wasserarmen Präparation benetzt. Im Gegenstrom zur Fadenlaufrichtung
wird das Rohr mit überhitztem Dampf von 110°C zur DMF-Entfernung beschickt. Die Dampfmenge
beträgt 150 kg/h. Die Verweilzeit des Spinngutes in den Spinnschächten und dem mit
überhitztem Dampf beschickten Rohr beträgt wiederum ca. 18 Sekunden. Das warme Acrylkabel,
welches wieder einen Gesamttiter von 344 000 dtex aufweist, besitzt noch einen Restlösungsmittelgehalt
von 1,3 Gew.-% an DMF. Das Kabel läßt sich anschließend ohne Unterbrechung zu fertiger
Stapelfaser verarbeiten.
Beispiel 3
[0031] Eine Spinnlösung gemäß Beispiel 1 wird zu Fäden versponnen, die Abzugsgeschwindigkeit
beträgt jedoch 100 m/min und die geförderte Spinnlösungsmenge pro Spinnschacht liegt
bei 512 ccm/min. Die Spinnfäden, welche mit einem Spinnverzug von 3,0 gesponnen worden
sind, werden unmittelbar vor Verlassen der Spinnschächte und vor Eintritt in das dahinter
geschaltete Rohr präpariert und anschließend im Rohr im Gegenstrom zur Fadenlaufrichtung
mit heißer Luft von 300°C zur DMF-Entfernung beschickt. Die Verweilzeit des Spinngutes
in den Spinnschächten und dem mit Heißluft beschickten Rohr beträgt ca. 9 Sekunden.
Die durch das Rohr im Gegenstrom geschickte Heißluftmenge liegt bei 800 m
3/h. Das warme Acrylkabel, welches einen Gesamttiter von 265 500 dtex aufweist, besitzt
noch einen Restlösungsmittelgehalt von 2,2 Gew.-% an DMF. Das Kabel läßt sich anschließend
ohne Unterbrechung direkt weiter zu Stapelfasern verarbeiten.
Beispiel 4
[0032] Eine Spinnlösung wurde unter den in Beispiel 1 angegebenen Bedingungen hergestellt,
versponnen und präpariert.
[0033] Die gebündelte Fadenschar wird anschließend über einen auf 195°C elektrisch geheizten
Walzenkalander mit 13 Walzen von 40 cm Durchmesser geschickt. Die Fadenschar nimmt
dabei eine Temperatur von 159°C an, berührungslos gemessen mit dem Strahlungsthermometer
KT 15 (Hersteller Fa. Heimann GmbH, Wiesbaden, BRD). Die Verweilzeit der Fäden auf
den Kalanderwalzen beträgt ca. 10 Sekunden. Der Walzenkalander ist mit einer Absaugvorrichtung
zur Entfernung restlicher Spinnlösungsmittelmengen ausgerüstet.
[0034] Das warme Acrylkabel vom Gesamttiter 344 000 dtex besitzt noch einen Restlösungsmittelgehalt
von 0,8 Gew.-% an DMF. Das Kabel läßt sich anschließend ohne Unterbrechung verstrecken,
kräuseln, schrumpfen und zu Stapelfasern schneiden.