(19)
(11) EP 0 111 139 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
20.06.1984  Patentblatt  1984/25

(21) Anmeldenummer: 83110782.6

(22) Anmeldetag:  28.10.1983
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)3D01F 11/10, C23C 3/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
DE FR GB NL

(30) Priorität: 10.11.1982 DE 3241513

(71) Anmelder: BAYER AG
51368 Leverkusen (DE)

(72) Erfinder:
  • Ebneth, Harold, Dr.
    D-5090 Leverkusen (DE)
  • Fitzky, Hans Georg, Dr.
    D-5068 Odenthal (DE)

   


(54) Getemperte Rovings, textile Flächengebilde und Monofilamente aus vernickelten Kohlenstoffasern


(57) Vernickelte, graphitische Kohlenstoffasern werden durch eine Temperung bei Temperaturen bis 1500°C modifiziert. Sie zeigen danach sowohl bei 25°C eine wesentlich verbesserte als auch eine mit der Temperatur stark ansteigende elektrische Leitfähigkeit. Textile Flächengebilde aus diesem Material zeigen bei Blitzeinschlag gegenüber dem ungetemperten Material eine verbesserte Standfestigkeit.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung richtet sich auf getemperte Rovings und textile Flächengebilde aus vernickelten, graphitischen Kohlenstoffasern, ein Verfahren zur Erzeugung von bei hohen Temperaturen beständigen leitfähigen Rovings, textilen Flächengebilden und Monofilamenten und deren Verwendung.

[0002] Faserverstärkte Kunststoffe, insbesondere auch kohlenstoffaserverstärkte Kunststoffe (KFK), werden zur Verminderung des Gewichts in zunehmendem Maße beim Bau von Luft- und Raumfahrzeugen verwendet. Im Gegensatz zu den bisher für die Außenhaut verwandten Materialien, beispielsweise Aluminium- und Titanlegierungen, bieten Kunststoffe aber nicht ausreichend Schutz gegen elektromagnetische Einstreuungen und insbesondere gegen Blitzschlag. Selbst wenn man dünne Aluminiumnetze oder Kupfergitter in die Verbundmaterialien einlaminiert oder metallisierte Kunststoff- bzw. Kohlenstoffasern oder mit Aluminium überzogene Glasfasern verwendet, besteht bei einem Blitzeinschlag die Gefahr der Zerstörung der Außenhaut und die Beeinträchtigung wichtiger innerer Installationen.

[0003] Reine Kohlenstoffasergewebe werden bei Blitzeinschlag durch mechanische elektrodynamische Kräfte bei gleichzeitiger thermischer Belastung zerstört. Auch wenn sie durch eine starke Metallisierung, beispielsweise mit Kupfer, erheblich leitfähiger werden, wird doch noch eine lokale, thermisch und mechanisch bedingte Zerstörung beobachtet.

[0004] Es wurde nun gefunden, daß durch eine Temperung Rovings, textile Flächengebilde und Monofilamente aus vernickelten graphitischen Kohlenstoffasern eine erheblich bessere thermische Beständigkeit und höhere Leitfähigkeit bis in hohe Temperaturbereiche haben.

[0005] Gegenstand der Erfindung sind getemperte Rovings, textile Flächengebilde und Monofilamente aus vernickelten graphitischen Kohlenstoffasern. Bevorzugt sind solche Gebilde, deren Nickelschichtdicke auf dem Kohlenstoffmonofil 1 bis 10 % des Durchmessers des Kohlenstoffmonofils beträgt. Neben Nickel kann in der Schicht bis 5-Atom-% Bor enthalten sein. Neben dem-Bor können in der Schicht' einzeln oder zusammen bis zu 5 Atom-% Kobalt oder Eisen enthalten sein.

[0006] Gegenstand der Erfindung ist auch ein Verfahren zur Erzeugung von bei hohen Temperaturen beständigen, leitfähigen Rovings, textilen Flächengebilden, und Monofilamenten, das dadurch gekennzeichnet ist, daß naßchemisch stromlos vernickelte Rovings, textile Flächengebilde oder Monofilamente unter Inertgas oder im Vakuum getempert werden. Bevorzugt werden sie bei Temperaturen bis 1500°C zwischen 0,1 und 10 Minuten getempert. Nachträglich kann auf den getemperten Rovings, textilen Flächengebilden und Monofilamenten naßchemisch stromlos oder galvanisch eine weitere Nickelschicht aufgebracht werden. Die Schichtdicke dieser weiteren Nickelschicht beträgt vorzugsweise 0,5 bis 5 % des Durchmessers des Kohlenstoffmonofils. Eine solche Schicht dient der Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit, insbesondere während der Dauer der Stromstoßbelastung.

[0007] In der DE-PS 2 743 768 oder in der DE-OS 2 739 179 ist beschrieben, wie Filamente und textile Flächengebilde naßchemisch stromlos vernickelt werden können. Die so metallisierten Filamente bzw. textilen Flächengebilde sind sehr gleichmäßig mit einer Metallschicht umgeben. Bei der Temperung werden sie unter Sauerstoffausschluß im Inertgas oder im Vakuum üblicherweise durch Strombelastung auf Temperaturen bis 1500°C erhitzt. Nach wenigen Minuten hat sich bei ca. 1500°C eine stabile neue Phase gebildet. Durch den Tempervorgang hat sich die elektrische Leitfähigkeit bei 25°C um einen Faktor 3 bis 5 erhöht. Bei den erfindungsgemäßen Filamenten bzw. Rovings und textilen Flächengebilden nimmt die elektrische Leitfähigkeit reversibel, näherungsweise exponentiell, mit der Temperatur zu. In der nachfolgenden Tabelle ist der an einem aus mehreren Monofilen bestehenden Multifilamentgarn der Widerstandsverlauf als Funktion der Stromstärke bei einer Garnlänge von 20 mm dargestellt:



[0008] Die getemperten Materialien zeigen bei 1500°C einen ca. 10-fach niedrigeren Flächenwiderstand als die ungetemperten vernickelten Gewebe bei 25°C. In diesem Beispiel betrug bei einem Durchmesser des Monofils von 30µm die Nickelauflage ca. 1,5µm. Die textiltechnische Konstruktion hat Einfluß auf die Stromverteilung. Es hat sich beispielsweise herausgestellt, daß ein Kohlenstoff-Filamentgarngewebe in Leinwandbindung L 1/1 den-Blitzstrom vorzugsweise in Richtung der Kettfäden leitet. Dagegen zeigt ein Satin der Konstruktion

(3), ein Satin

(7) oder mit Käper

Z eine gleichmäßige Flächenverteilung des Blitzstroms über das gesamte Bauelement.

Beispiel 1 (Vergleichsbeispiel)



[0009] Ein Kohlenstoff-Filamentgarngewebe ist naßchemisch stromlos verkupfert worden. Die abgeschiedene Kupfermenge entspricht 190 g Kupfer/m2. Das Gewebe wurde einem 100 kA Blitzeinschlag ausgesetzt; eine Zone von etwa 1 cm Durchmesser wurde dabei stark zerstört. (Die Prüfverfahren unter realistischen Bedingungen sind beschrieben in Report of SAE Committee AE 4 L vom 20.6.1978, Lightning Test Wareforms and Techniques for Aerospace Vehicles and Hardware.)

[0010] Alle im folgenden beschriebenen erfindungsgemäßen Flächengebilde zeigen dagegen beim Blitztest unter ähnlichen Bedingungen eine praktisch unzerstörte Gewebestruktur.

Beispiel 2



[0011] Ein Kohlenstoff-Filamentgarngewebe in Satinbindung (Satin 1 4 (2)), 75 Kettfäden/10 cm und 75 Schußfäden/10 cm wird 10 Sekunden in einer Lösung von 0,01 g/1 Butadien-palladiumchlorid aktiviert, getrocknet und anschließend 80 Minuten in einem Metallisierungsbad, das 30 g/1 Nickelchlorid 6 H20, 10 g/l Zitronensäure und 3 g/l Dimethylaminboran enthält, bei einem pH 8,5 vernickelt. Das Kohlenstoff-Filamentgarngewebe hat 120 g Ni/m2 aufgenommen und besitzt einen Oberflächenwiderstand, gemessen nach DIN 54 345, in Schuß- und in Kettrichtung von 0,05 Ohm.

[0012] Das vernickelte Gewebe wird anschließend 10 Minuten lang einer Temperung unter Argon unterworfen.

Beispiel 3



[0013] Ein Kohlenstoff-Filamentgarngewebe in Köperbindung (Köper

(Z)), 49 Kettfäden/10 cm und 41 Schußfäden/10 cm, wird 10 Sekunden in eine Lösung von 0,01 g/l Butadienpalladiumchlorid aktiviert, getrocknet und anschließend 90 Minuten in einem Metallisierungsbad, das 30 g/l Nickelchlorid 6 H2O, 10 g/1 Zitronensäure und 3 g/1 Dimethylaminboran enthält, bei einem pH 8,5 vernickelt. Das Kohlenstoff-Filamentgarngewebe hat 188 g Ni/m2 aufgenommen und besitzt einen Oberflächenwiderstand sowohl in Kettals auch in Schußrichtung von 0,04 Ohm.

[0014] Das vernickelte Gewebe wird anschließend 10 Minuten lang einer Temperung unter Argon unterworfen.

Beispiel 4



[0015] Ein Kohlenstoff-Filamentgarngewebe in Satinbindung (Satin

(7)), 59 Kettfäden/10 cm und 62 Schußfäden/10 cm wird 10 Sekunden in eine Lösung von 0,01 g/l Butadien-palladiumchlorid aktiviert, getrocknet und anschließend 90 Minuten in einem Metallisierungsbad, das 30 g/l Nikkelchlorid 6 H20, 10 g/1 Zitronensäure und 3 g/l Dimethylaminboran enthält, bei einem pH 8,5 vernickelt. Das Kohlenstoff-Filamentgarngewebe hat 154 g Ni/m2 aufgenommen und besitzt einen Widerstand pro Quadrat sowohl in Kett- als auch in Schußrichtung von 0,05 Ohm.

[0016] Das vernickelte Gewebe wird anschließend 10 Minuten lang einer Temperung unter Argon unterworfen.

Beispiel 5



[0017] Ein Kohlenstoff-Filamentgarn einer Hochmodulfaser aus verkohltem Polyacrylnitril (tex 220 f 6000) wird 10 Sekunden in einer Lösung von 0,01 g/l Butadien-Palladiumchlorid aktiviert, getrocknet und anschließend 80 Minuten in einem Metallisierungsbad, das 30 g/1 Nickelchlorid 6 H2O, 10 g/l Zitronensäure und 3 g/1 Dimethylaminboran enthält, bei einem pH von 8,5 vernickelt. Das Kohlenstoff-Filamentgarn hat, als Gewebe gewebt, 140 g Ni/m2 aufgenommen.

[0018] Dieses Filamentgarn wird unter Argon 10 Minuten lang bei 1500°C einer Hitzebehandlung unterworfen, Eine 20 mm lange Faser zeigt im Vakuum bei 10-4 Torr folgenden Widerstandsverlauf in Abhängigkeit von der Stromstärke:




Ansprüche

1) Getemperte Rovings, textile Flächengebilde und Monofilamente aus vernickelten, graphitischen Kohlenstofffasern.
 
2) Getemperte Rovings, textile Flächengebilde und Monofilamente nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Nickelschichtdicke auf dem Kohlenstoffmonofil 1 bis 10 % des Durchmessers des Kohlenstoffmonofils beträgt.
 
3) Getemperte Rovings, textile Flächengebilde und Monofilamente nach Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß in der Nickelschicht 0 bis 5 Atom-% Bor enthalten ist.
 
4) Getemperte Rovings, textile Flächengebilde und Monofilamente nach Ansprüchen 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß in der Nickelschicht 0 bis 5 Atom-% Kobalt und/oder Eisen enthalten sind.
 
5) Verfahren zur Erzeugung von bei hohen Temperaturen beständigen leitfähigen Rovings, textilen-Flächengebilden und Monofilamenten, dadurch gekennzeichnet, daß naßchemisch stromlos vernickelte Rovings, textile Flächengebilde und Monofilamente unter Inertgas oder im Vakuum getempert werden.
 
6) Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß sie bei Temperaturen bis 1500°C getempert werden.
 
7) Verfahren nach Ansprüchen 5 und 6, dadurch gekennzeichnet, daß sie zwischen 0,1 und 10 Minuten getempert werden.
 
8) Verfahren nach Ansprüchen 5 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die getemperten Rovings, textilen Flächengebilde und Monofilamente mit einer weiteren Schicht aus Nickel, deren Schicht vorzugsweise 0,5 bis 5 % des Durchmessers des Kohlenstoffmonofils beträgt, versehen werden.
 
9) Verwendung der getemperten Rovings, textilen Flächengebilde und Monofilamente nach Ansprüchen 1 bis 8 als elektrisch leitfähiges Material in Verbundwerkstoffen.
 
10) Verwendung der getemperten Rovings und textilen Flächengebilde nach Ansprüchen 1 bis 8 als Blitzschutzmaterial, bevorzugt beim Bau von Flug- und Raumfahrzeugen.