[0001] Die Erfindung betrifft einen papier, karton- oder pappenartigen Werkstoff hergestellt
durch Blattbildung aus einer wässrigen faserhaltigen Stoffaufschlämmung und Entwässerung
der Stoffaufschlämmung auf einem Sieb mit anschließender Trocknung, wobei die Gefügefestigkeit
eines Blattes abhängig ist von Wasserstoffbrücken, die sich bei der Entwässerung zwischen
den einzelnen Fasern bilden.
[0002] Die Bedeutung von anorganischen Füllstoffen im Hinblick auf bestimmte Papier-, Karton-
und Pappenqualitäten,wie z.B. Weißgrad, Glätte, Opazität und Bedruckbarkeit sind bekannt.
[0003] Die Gefügefestigkeit von papier-, karton- oder pappenartigen Werkstoffen ist bekanntlich
abhängig von der Anzahl der Wasserstoffbrücken zwischen den faserartigen Trägermaterialien
des Werkstoffes, die sich beim Entwässern der Stoffaufschlämmung bilden. Dabei verringert
sich allerdings die Gefügefestigkeit des Werkstoffes mit steigendem Füllstoffgehalt,
da die herkömmlichen anorganischen Füllstoffe die Ausbildung von Wasserstoffbrücken
zwischen den Fasern blockieren oder behindern.
[0004] Bei herkömmlichen, leicht brennbaren papier-, karton- und pappenartigen Werkstoffen
mit Cellulosefasern als Trägermaterial bilden sich Wasserstoffbrücken zwischen HydroxylGruppen
an den Oberflächen der Cellulosefasern aus. Zwischen anorganischen Fasern bilden sich
dagegen keine Wasserstoffbrücken aus. Es sind daher Festigkeits- und/
[0005] oder Vernetzungshilfsmittel (organische Polyelekrolyte) notwendig, die sich wenigstens
stellweise adsorptiv an den anorganischen Faseroberflächen anlagern, um dadurch gecoatete,
aktivierte Faserstellen zu bilden, zwischen denen sich bei der Entwässerung der Stoffaufschlämmung
zur Bindung der anorganischen Fasern, vergleichbar wie bei den Cellulosefasern, Wasserstoffbrücken
ausbilden.
[0006] Aufgabe der Erfindung ist es, einen papier-, karton- oder pappenartigen Werkstoff
anzugeben, dessen Qualität durch einen Füllstoff einstellbar ist, der aufgrund seiner
besonderen Eigenschaften die Gefügefestigkeit des blattförmigen Werkstoffes weder
blockiert noch behindert, sondern im Gegenteil zu den bekannten Füllstoffen die Gefügefestigkeit
unterstützt oder positiv beeinflußt.
[0007] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß als Füllstoff mit Wasserstoffbrückenbindungsfähigkeit,
kristallines Calciumsilikat verschiedener Hydratisationsstufen vorgesehen ist, das
zur Unterstützung der Gefügefestigkeit des Blattes in die Wasserstoffbrücken zwischen
den Fasern eingebunden ist.
[0008] Vorteilhafte Ausführungen ergeben sich aus den Merkmalen der Unteransprüche.
[0009] Der erfindungsgemäße Füllstoff weist damit eine besondere Affinität zu organischen
Fasern und zu gecoateten, aktivierten anorganischen Fasern mit Wasserstoffbrückenbindungsfähigkeit
auf und unterscheidet sich damit wesentlich von herkömmlichen Füllstoffen, wie z.B.
Talkum, Kaolin, Gips, Schwerspat, Kreide, Magnesit, Dolomit, Titanweiß, Zinkspat und
Zinkweiß.
[0010] Besonders vorteilhaft ist es, wenn ein nadelförmig kristallisiertes Calciumhydrosilikat
verwendet wird, das Xonotlit-
[0011] Struktur besitzt. Solche Calciumhydrosilikate lassen sich vorteilhafterweise synthetisch
im Hydrothermalprozeß hergestellten und besitzten im wesentlichen die Formel 6Ca0.6SiO
2 x H
20 bzw. Ca
6 [(OH)
2Si
6O
17]
nH20. So läßt sich Calciumhydrosilikat bekanntlich durch eine Direkt-Synthese aus Kalk
und Kieselsäure unter bestimmten Mineralisationsbedingungen durch Fällungsprozesse
oder aus Kalk und Quarzsand mit Wasser unter Druck bei hohen Temperaturen herstellen,
wobei die Mengenverhältnisse gemäß dem gewünschten Endprodukt variiert werden können
und dabei auch verschiedene Hydratisationsstufen verzielt werden können, um Restfeuchtigkeiten
von 2 bis etwa 50 Gew.-% sicherstellen zu können. Unterschiedliche Restfeuchtigkeiten
der kristallinen synthetischen Calciumhydrosilikate werden bei der Herstellung durch
verschiedene Hydratisationsstufen erhalten.
[0012] Überraschenderweise zeigte es sich, daß ein Xonotlitmit einer minimalen Restfeuchte
etwa entsprechend der Formel 6Ca0 · 6SiO
2 H
20 bzw. CaO . SiO
2 0,2H
20 keine Wasserstoffbrückenbindungsfähigkeit besitzt. Das hängt wahrscheinlich damit
zusammen, daß an der Oberfläche der XonotlitKristalle weitgehend Siloxangruppen und
nur vereinzelte Silanolgruppen vorhanden sind. Je höher der Wassergehalt des synthetischen
Xonotlits ist um so größer ist jedoch der'Anteil der Silanolgruppen, die sich an den
Xonotlit-Kristalloberflächen ausbilden können und die befähigt sind, Wasserstoffbrücken
zu binden.
[0013] Erfinderseits wurde also besonders erkannt, daß solche synthetischen kristallinen
Calciumsilikate verschiedener Hydratisationsstufen bevorzugt als Füllstoffe mit Wasserstoffbrückenbindungsfähigkeit
im aufgabengemäßen Sinne verwendbar sind, die eine relativ hohe Restfeuchtigkeit vorzugsweise
von 2 Gew.-% bis etwa 50 Gew.-% H
20 vorzugsweise um 40 bis 50 Gew.-% H
20 besitzen.
[0014] Xonotlitische Calciumhydrosilikate besitzen eine hohe spezifische Oberfläche und
enthalten weniger als 1% an freier kristalliner Kieselsäure.
[0015] Auch unter definierten Trocknungsbedingungen lassen sich kristalline Calciumhydrosilikate
mit Restfeuchten von 2 Gew.-% bis etwa 50 Gew.-% einstellen. Mittels Differentialthermoanalyse
und Differntialthermogravimetrie zeigen sich Veränderungen bei xonotlitischen Calciumhydrosilikat
im Temperaturbereich oberhalb 500°C, die durch Umwandlung von einer Xonotlit-Struktur
zur Wollastonit-Struktur erklärt werden können.
[0016] Synthetische, kristalline Calciumhydros-ilikate mit hohen Restfeuchtigkeiten besitzen
kurze Alterungsfähigkeit bei Zutritt von Luft. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen,'
daß sich durch Zutritt von C0
2 aus der Luft an den Oberflächen der wasserreichen Calciumhydrosilikate Karbonate
bilden, die die Wasserstoffbrückenbindungsfähigkeit vereiteln, also wahrscheinlich
die vorhandenen Silanolgruppen blockieren. Es zeigte sich, daß ein Xonotlit mit einer
Restfeuchte von etwa 42 % H
20 seine guten Wasserstoffbrückenbindungsfähigkeit bei einer Lagerzeit von 1 Woche
wesentlich eingebüßt hatte. Außer der oberflächlichen Karbonatisierung kann das auch
damit zusammenhängen, daß bei einer längeren Lagerung von synthetischen kristallinem
Calciumhydrosilikat mit hohem Wassergehalt, Wasser abgeschieden wird. Wichtig ist
dabei, daß es sich um originäre Wassergehalte handelt. Xonotlit mit niedrigen Wassergehalten,
der keine Wasserstoffbrückenbindungsfähigkeit besitzt, erhält diese nicht dadurch,
daß man ihn in einer wässrigen Trübe ansetzt und dort längere Zeit rührt.
[0017] Die vorteilhaften Eigenschaften des erfindungsgemäßen Füllstoffes kommen auch dann
wirksam zur Geltung, wenn die Fasern wenigstens teilweise aus synthetischen, im Hydrothermalprozeß
hergestellten Magnesium-Aluminiumsilikatfäsern bestehen. Solche Silikatfasern können
im Mittel aus 45% Si0
2, 20% Ca0, 15% Mg0, 12% A1203, 3% Na0, 5% Fe be- stehen und können eine Länge von
1 bis 5 mm bei einem mittleren Durchmesser von 3 bis 5µm aufweisen. Ein bekanntes
Verfahren zur Herstellung solcher Silikatfasern ist in der DE-OS 28 29 692 offenbart.
[0018] Die anorganischen Fasern können mit Vorteil auch Glasfasern enthalten. Dabei können
die Glasfasern eine Länge von 3 bis 12 mm und einen mittleren Durchmesser von 10 bis
14µm aufweisen. Vorzugsweise weisen die Glasfasern eine größere Länge auf als die
im Hydrothermalprozeß hergestellten Magnesium-Aluminiumsilikatfasern.
[0019] Damit die anorganischen Fasern in der Lage sind, Wasserstoffbrücken zu binden, werden
sie durch Zugabe von Festigkeits- und/oder Vernetzungshilfsmittel in Form von organischen
Polyelektrolyten wenigstens stellenweise gecoatet und aktiviert.
[0020] Nach der Erfindung lassen sich damit vor allem auch nicht brennbare oder schwer entflammbare
Papiere, Kartons und Pappen angeben bzw. herstellen, die ausschließlich oder überwiegend
aus anorganischen Fasern und wenigstens einem anorganischen Füllstoff bestehen, der
eine auffällige Affinität zu den aktivierten, gecoateten anorganischen Fasern aufweist
und sich dabei - Dank seiner Fähigkeit, Wasserstoffbrücken zu binden - vorteilhafterweise
in die Wasserstoffbrücken zwischen den aktivierten, anorganischen Fasern einbinden
läßt und auch unter sich Wasserstoffbrücken bindet, um dadurch die Gefügefestigkeit
zwischen den Fasern, den Fasern und den Füllstoffen und zwischen den Füllstoffen zu
unterstützen oder wenigstens positiv zu beeinflußen. Nach der deutschen Industrienorm
DIN 4102 "Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen", Ausgabe September 1977, sind
Feuerwiderstandsklassen F30, F60 und F90 für Baustoffe der Klasse Al und A2 definiert.
Die Erfindung umfaßt damit vor allem auch nicht brennbare oder schwer entflammbare
Papiere, Kartons und Pappen, die wenigstens die F30-Bedingung für Baustoffe der Klasse
Al und A2 erfüllen. Dabei lassen sich die erfindungsgemäßen Papiere, Kartons und Pappen
falz- und rillfähig ausbilden, so daß sie zur Herstellung von brandsicheren-Verpackungen,
wie Kartons und Schachteln, geeignet sind. Die Werkstoffe lassen sich mit jedem bekannten
Verfahren bedrucken. Durch entsprechende Oberflächenbehandlung sind den erfindungsgemäßen
Papieren, Kartons und Pappen hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit vor allem auf dem Bausektor,
einschließlich dem Studio- und Ausstellungsbau sowie für Displays praktisch keine
Grenzen gesetzt. Dabei können die erfindungsgemäßen Papiere, Kartons und Pappen aus
anorganischen Fasern oder überwiegend aus solchen Fasern vorteilhafterweise asbestfaserfrei
sein.
[0021] Dank der hohen Restfeuchtigkeitsgehalte der erfindungsgemäß in nicht brennbaren oder
schwer entflammbaren Papieren, Kartons und Pappen verwendeten Calciumhydrosilikat-Füllstoffe
besitzen derartige Papier- oder Pappenwerkstoffe vorteilhafterweise eine überraschend
hohe Wärmedämmfähigkeit, wenn sie - wie z.B. bei Bränden extrem hohen Temperaturen
ausgesetzt werden. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß die erfindungsgemäßen
Füllstoffe so lange eine hohe Wärmedämmfähigkeit besitzen, bis sie unter der Einwirkung
hoher Temperaturen ihr gebundenes Wasser abgegeben haben und sich dabei wahrscheinlich
mehr oder weniger von feiner -
XonotlitStruktur in eine Wollastonit-Struktur umgewandelt haben.
[0022] Erfindungsgemäß lassen sich besonders gute Ergebnisse erzielen, wenn das kristallisierte
Calciumhydrosilikat ein Längen-/Breitenverhältnis von 10:1 bis 200:1 aufweist, wenn
das kristallisierte Calciumhydrosilikat außerdem
XonotlitStruktur besitzt oder ein hydratisierter Wollastonit ist. Der nadelförmig kristallisierte
Xonotlit oder bandförmig kristallisiertes Calciumhydrosilikat besitzt vorteilhafterweise
auch ein Längen-/Breitenverhältnis von 100:1 bis 50:1 und weist Breitenabmessungen
unter 1µm auf.
1. Papier, karton- oder pappenartiger Werkstoff, hergestellt durch Blattbildung aus
einer wässrigen faserhaltigen Stoffaufschlämmung und Entwässerung der Stoffaufschlämmung
auf einem Sieb mit anschließender Trocknung, wobei die Gefügefestigkeit eines Blattes
abhängig ist von Wasserstoffbrücken, die sich bei der Entwässerung zwischen den einzelnen
Fasern bilden, dadurch gekennzeichnet, daß brücken als Füllstoff mit Wasserstoffbindungsfähigkeit
kristallines Calciumsilikat verschiedener Hydratisationsstufen vorgesehen ist, das
zur Unterstützung der Gefügefestigkeit des Blattes in die Wasserstoffbrücken zwischen
den Fasern eingebunden ist.
2. Werkstoff nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das kristallisierte Calciumhydrosilikat
ein hohes Längen-/ Breitenverhältnis sowie eine Breitenabmessung unter lgm besitzt.
3. Werkstoff nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß das kristallisierte Calciumhydrosilikat
ein Längen-/ Breitenverhältnis von 10:1 bis 200:1 aufweist.
4. Werkstoff nach Anspruch 2 und 3, dadurch gekennzeichnet, daß das kristallisierte
Calciumhydrosilikat Xonotlit-Struktur besitzt.
5. Werkstoff nach Anspruch 2 und 3, dadurch gekennzeichnet, daß das Calciumhydrosilikat
ein hydratisierter Wollastonit ist.
6. Werkstoff nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, daß das nadelförmig kristallisierte
Xonotlit oder bandförmig kristallisiertes Calciumhydrosilikat ein Längen-/Breitenverhältnis
von 100:1 bis 50:1 und Breitenabmessungen unter 1µm aufweist.
7. Werkstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß das Calciumhydrosilikat
synthetisch im Hydrothermalprozeß hergestellt ist und im wesentlichen die Formel 6Ca0.6SiO2 · nH2O bzw. Ca6 [(OH)2Si6O17]·nH2O be- sitzt, wobei die Restfeuchtigkeit 2 bis etwa 50 Gew.-% H20 vorzugsweise 35 bis 50 Gew.-% H20 beträgt.
8. Werkstoff nach Anspruch l,dadurch gekennzeichnet, daß die Fasern wenigstens teilweise
aus synthetischen, im Hydrothermalprozeß hergestellten Magnesium-Aluminiumsilikatfasern
bestehen.
9. Werkstoff nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Magnesium-Aluminiumsilikatfasern
im Mittel etwa aus 45% Si02, 20% CaO, 15 Mg0, 12% A1203, 3% Na0 und 5% Fe bestehen.
10. Werkstoff nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Magnesium-Aluminiumsilikatfasern
eine Länge von 1 bis 5 mm bei einem mittleren Durchmesser von 3 bis 5µm aufweist.
11. Werkstoff nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß ein Anteil der anorganischen
Fasern aus Glasfasern besteht.
12. Werkstoff nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Glasfasern eine Länge
von 3 bis 12 mm, vorzugsweise 3 bis 6 mm und einen mittleren Durchmesser von 10 bis
14µm, vorzugsweise 12 bis 13µm aufweisen.