(19)
(11) EP 0 125 510 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
21.11.1984  Patentblatt  1984/47

(21) Anmeldenummer: 84104214.6

(22) Anmeldetag:  13.04.1984
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)3B22C 9/00, B22C 9/12, B22D 27/15
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE FR GB IT LI LU NL SE

(30) Priorität: 04.06.1983 DE 3320309
06.05.1983 DE 3316571

(71) Anmelder: Giulini Chemie GmbH
D-67065 Ludwigshafen (DE)

(72) Erfinder:
  • Fässle, Fritz
    D-6703 Limburgerhof (DE)
  • Stadler, Siegmund
    D-6724 Dudenhofen (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung von Präzisionsgüssen


    (57) Verfahren zur Herstellung von Gußteilen mit scharfer Detailwiedergabe und hoher Meßgenauigkeit, bei dem das abzubildende Modell mit einer Drainagevorrichtung, die mindestens je einen Zu- bzw. Ablauf außerhalb des Formkastens aufweist, versehen wird und die in den Formkasten gegossene, einen Phosphatbinder enthaltende Formmasse erstarren gelassen wird. Das Wasser aus der erstarrten Formmasse wird nach Entfernung des Modells durch Einleiten von Druckgas herausgepreßt und die vom Modell abgelöste Form nach Trocknung bei mindestens 250°C an eine Vakuumleitung angeschlossen und evakuiert. Die Metallschmelze wird anschließend unter Beibehaltung des Vakuums in die Form gegossen und erstarren gelassen.


    Beschreibung


    [0001] Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist ein neues Verfahren zur Herstellung von GuBteilen mit scharfer Detailwiedergabe und hoher Meßgenauigkeit nach einem neuen Formverfahren sowie der mit diesem Formverfahren hergestellte Präzisionsguß. Geeignet ist das neue Formverfahren besonders für hochschmelzende Metalle und Legierungen.

    [0002] Formverfahren für hochschmelzende Metalle sind be- kannt, auch solche für Präzisionsgüsse. Das bekannteste Präzisionsguß-Formverfahren ist das Wachsmodell-Ausschmelzverfahren, bei dem zur Erzeugung des Formhohlraumes das Modell herausgeschmolzen wird. Bei anderen Verfahren wird als Modellmaterial Kunststoff oder gefrorenes Quecksilber eingesetzt. Nachteilig bei diesen Formverfahren ist, daß zur Erzielung eines Präzisionsgusses eine Anzahl von Hilfsmitteln und zusätzlichen Maßnahmen erforderlich sind, sodaß der Feinguß als industrielles Massenproduktionsmittel in vielen Industriezweigen auch heute noch als nicht zufriedenstellend, insbesondere zu kostenintensiv und arbeitsaufwendig, angesehen wird. So müssen Modelle für hochschmelzende Eisen- und Nichteisenmetalle mit einer Feinschicht aus einem feinkörnigen, hochwertigen, meist silikatgebundenen keramischen Formstoff umgeben werden, da nur so eine glatte .Oberfläche erzeugt wird und feinste Konturen wiedergegeben werden können. Erst dann, kann der Formstoff, welcher der Gießform die notwendige Standfestigkeit verleiht, um dem Gießdruck widerstehen zu können, in den Formkasten gegossen werden. Es stellte sich somit die Aufgabe, ein Verfahren zur Herstellung von Präzisionsgüssen zu finden, das insbesondere für hochschmelzende Metalle und Legierungen geeignet ist und die vorstehenden Nachteile nicht aufweist.

    [0003] Überraschenderweise kann die gestellte Aufgabe derart gelöst werden, daß

    a) das abzubildende und mit einem Trennmittel beschichtete Modell mit einer Drainagevorrich- tung, die mindestens je einen Zu- bzw. Ablauf außerhalb des Formkastens aufweist, versehen wird, (in statu nascendi)

    b) die einen Phosphatbinder/enthaltende Formmasse in den Formkasten gegossen und erstarren gelassen wird,

    c) das Wasser der erstarrten Formmasse nach Entfernung des Modells durch Einleiten von Druckgas herausgepreßt wird und die vom Modell abgelöste Form nach Calcinierung bei einer Temperatur von mindestens 250°C

    d) an eine Vakuumleitung angeschlossen und evakuiert wird, und daß

    e) die Metallschmelze unter Beibehaltung des Vakuums in die Form gegossen und erstarren gelassen wird.



    [0004] Das wesentliche Kennzeichen des neuen Verfahrens besteht darin, daß das anhaftende Wasser der Formmasse durch Druckentwässerung entfernt wird. Auf diese Weise können beträchtliche Energiemengen eingespart werden, so daß das Gießverfahren nunmehr auch für großflächige Präzisionsgüsse und Seriengüsse einsetzbar ist. Durch die Evakuierung beim Metallguß wird der Energiebedarf zusätzlich herabgesetzt, wobei weiterhin vorteilhaft ist, daß Druckentwässerung und Evakuierung über das gleiche System ( Drainagevorrichtung ) vorgenommen werden können.

    [0005] Zur Herstellung der Formmasse wird Quarzsand und/oder Zirkonsand verwendet, der als Hochtemperaturbinder einen Phosphatbinder, hergestellt aus aktivem Magnesiumoxid oder aktivem Magnesiumhydroxid und Monoammoniumorthophosphat, enthält. Abbindeverzögerer und andere Hilfsstoffe,z.B. temperaturbeständige Füllstoffe,können gegebenenfalls der Mischung zugesetzt werden. In Gegenwart von Wasser reagiert das aktive Magnesiumoxid unter Wärmeentwicklung mit dem Ammoniumorthophosphat, wobei in Abhängigkeit von der Reaktivität des Magnesiumoxids, der Konzentration des Ammoniummagnesiumorthophosphats und der Wassermenge der Erstarrungsvorgang beginnt. Die Wassermenge muß außerdem auf das gewünschte Porenvolumen der Formen abgestellt werden, damit eine ausreichende Gasdurchlässigkeit bei der erfindungsgemäßen Inbetriebnahme der Drainagevorrichtung vorliegt. Das Porenvolumen sollte etwa 15% betragen. Mit einer definierten Kornverteilung des Quarz-und/oder Zirkonsandes ( einige /u bis 3 mm ) wird eine glatte Oberfläche der Form erzielt. Da das gebildete Magnesiumorthophosphat 6 Moleküle Kristallwasser enthält, ist nach Beendigung des Erstarrungsvorganges eine Calcination erforderlich. Die Calcinationstemperatur sollte mindestens 250°C betragen, so daß neben dem Kristallwasser auch ein Teil des gebundenen Ammoniaks freigesetzt wird. Auf diese Weise wird die Entgasung während des Gießvorganges erleichtert und die Oberflächenbeschaffenheit des Gießlings verbessert.

    [0006] Unter hochschmelzenden Metallen und Metallegierungen werden hier solche verstanden, deren Schmelzpunkt oberhalb 1000°C, insbesondere oberhalb 1100°C liegt.

    [0007] Anhand der nachstehenden Ausführungen wird nun das neue Verfahren noch näher erläutert.

    [0008] Vor dem Formenguß wird über das abzuformende Original, das mit einem Trennmittel beschichtet wird, eine Drainage in Form eines porösen Schlauches oder einer gelochten Glasfasermatte aufgebracht. Bei der Schlauchmethode erfolgt das zweckmäßigerweise mit einem engmaschigen Drahtgewebe, das in einem Abstand von ca. 10 mm über dem Original befestigt wird und leicht biegsam ist. Anschließend wird der Schlauch schlangenförmig über das Drahtgewebe verteilt befestigt und mit einem Ende durch den Formrahmen bzw. durch die Kokille nach außen geführt. Bei der Verwendung von gelochten Glasfasermatten wird kein Drahtgewebe benötigt.

    [0009] Nach Anrühren wird die Formmasse in den vorbereiteten Formkasten gegossen. Je nach Formteil können ein Ober- oder Unterkasten bzw. auch mehrteilige Formen hergestellt werden.

    [0010] Die Formmassen ( Negativformen ) werden nach dem Erstarren sofort vom Original abgehoben und zur Entfernung des Wassers an die Preßluftleitung angeschlossen. Das Auspressen des Wassers erfolgt vorteilhafterweise mit einem Druckanstieg von 0,01 bar pro Minute und zwar so lange, bis ca. 1,2 bar erreicht sind. Zur vollständigen Wasserentfernung wird dieser Druck noch über einen Zeitraum beibehalten, etwa 10 bis 20 Minuten. In den meisten Fällen reichen 10 bis 20 Minuten aus. Der durch das Wasserauspressen gebildete Porenraum ist für den nachfolgenden Metallguß von wesentlicher Bedeutung. Nach dem Auspressen können die Negativformen unmittelbar oder nach Lagerung an der Luft bei einer Temperatur von mindestens 250°C calciniert werden. Die Calcination ist notwendig, damit eine ausreichende Vakuumleistung beim nachfolgenden Metallguß erbracht werden kann.

    [0011] Vor dem Metallguß wird (werden) an den ( die) Druckluftstutzen die Vakuumleitungen angeschlossen. Dies kann sowohl über eine direkt arbeitende Vakuumpumpe mit ausreichender Leistung, wie auch über ein vorevakuiertes Gefäß erfolgen. Unmittelbar vor dem Metallguß wird die Negativform evakuiert und die Schmelze sofort eingegossen.

    [0012] Bis zur Erstarrung der Schmelze wird die Evakuierung fortgesetzt.

    [0013] Die maximale Gasmenge liegt bei 4 1/qdm Formoberfläche. Zur Reduzierung von Vakuumverlusten ist es bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wesentlich, daß die rückwärtige Wanddicke der Form größer ist als der Abstand zwischen Schlauch und Arbeitsoberfläche beträgt. In den meisten Fällen reicht eine doppelte bis dreifache Wanddicke aus.

    [0014] Bei sorgfältiger Verarbeitung, vor allem gleichmäßiger Verteilung der Drainage, bilden sich sehr glatte Metalloberflächen aus, welche die aufgeführten technischen Vorteile bringen.

    Beispiel 1



    [0015] Zur Herstellung der Negativform wurde ein Armaturenkunststofforiginal ( Modell ), Größe ca. 20 x 10 x 8 cm, mit einem hauchdünnen Ölfilm als Trennmittel überzogen und in einen Formkasten mit den Innenmaßen 24 x 14 x 11 cm eingelegt. Auf diese Originaloberfläche wurde ein leicht verformbares Drahtgewebe mit ca. 2 - 3 cm Maschenweite angepaßt. Nach dieser Anformung wurde auf das Drahtgewebe ein poröser Gewebeschlauch von 8 mm Durchmesser mit seitlichem Abstand von etwa 2 cm angebunden, das Schlauchende mit dem am Formkasten angebrachten Rohrstutzen verbunden und die Drainage-Einrichtung ca. 1 cm über dem Modell fixiert.

    [0016] Zum Füllen des vorbereiteten Formkastens wurden 6 kg eines Pulvergemisches, bestehend aus

    8,0 Gew.-% aktivem Mg0

    8,0 Gew.-% Monoammoniumphosphat und

    84,0 Gew.-% Quarzsand ( Körnung < 1 mm ) mit 1,2 1 Wasser 1 Minute homogen gemischt und ( zur Verdrängung von Haftblasen ) im dünnen Strahl von der Mitte beginnend eingegossen.



    [0017] Eine Minute nach dem Erstarrungsende der Formmasse - ermittelt durch Fingerdruck - wurde an den Rohrstutzen die Preßluftleitung angeschlossen. Der Anfangsdruck betrug 0,2 bar, die Drucksteigerung 0,01 bar pro Minute. Nach 100 Minuten betrug der Freßdruck 1,2 bar, der so lange beibehalten wurde, bis kein Wasser mehr austrat.

    [0018] Bei Anlegung des Preßdrucks trennte sich das Original von der Formmasse. Der Formkasten mit dem Negativmodell wurde gleichmäßig nach oben abgehoben und hochkant gestellt, damit das ausgepreßte Wasser frei abfließen konnte.

    [0019] Die Calcinierung des Formkastens mit Negativmodell erfolgte bei 250°C.

    [0020] Nach Calcinierung wurde der Formkasten mit dem Negativmodell für den folgenden Eisenguß ( Schmp. 1.2500C ) an eine Vakuumleitung angeschlossen. Es stellte sich ein Unterdruck von - 0,9 bar ein. Das geschmolzene Eisen wurde in die evakuierte Form eingefüllt. Die Entformung des Gußteiles erfolgte nach völliger Erstarrung des Eisens, was nach ca. 20 Minuten der Fall war.

    Beispiel 2



    [0021] Anstelle des im Beispiel 1 eingelegten porösen Schlauches wurde eine gelochte Mineralwollfasermatte mit 2 cm Dicke verwendet. Der Lochdurchmesser betrug 1,5 cm, der Abstand von Lochung zu Lochung 2 - 3 cm. Um ein Hochschwimmen der Mineralwollfasermatte zu unterbinden, wurde sie kurzzeitig in Wasser getaucht. Vor dem Einbringen der Drainage'wurde der Formkasten mit der Gießmasse ca. 1 cm über das Original gefüllt und anschließend die Mineralwollfasermatte mit einem Abstand von ca. 1 cm über der Originaloberfläche fixiert und danach der Formkasten aufgefüllt. Ausbrechen, Evakuieren und Metallgießen erfolgten wie im Beispiel 1.

    [0022] Die beiliegende Figur, die einen Querschnitt durch die beim erfindungsgemäßen Verfahren eingesetzte Gußform zeigt, dient zur weiteren Erläuterung des Erfindungsgegenstandes.

    [0023] Mit 1a) und 1b) sind in der Figur Teile des Formkastens bezeichnet. Das in der Kastenhälfte 1a) liegende Modell 7 ist mit dem Maschendrahtgewebe 6, auf dem der poröse Gewebeschlauch 2 schlangenförmig angeordnet ist, umgeben. Das Druckgas wird über die Stutzen bei 4 eingeleitet und das Vakuum über den gleichen Stutzen abgezogen. Die Formmasse ist mit der Ziffer 3 angedeutet.


    Ansprüche

    1) Verfahren zur Herstellung von Präzisionsgüssen, bei welchem eine poröse Gußform aus gießfähiger, Phosphatbinder als Bindemittel enthaltenden Formmasse hergestellt und eingesetzt wird, dadurch gekennzeichnet, daß

    a) das abzubildende und mit einem Trennmittel beschichtete Modell mit einer Drainagevorrichtung, die mindestens je einen Zu- bzw. Ablauf außerhalb des Formkastens aufweist, versehen wird,

    b) die einen Phosphatbinder ( in statu nascendi ) enthaltende Formmasse in den Formkasten gegossen und erstarren gelassen wird,

    c) das Wasser der erstarrten Formmasse nach Entfernung des Modells durch Einleiten von Druckgas herausgepreßt wird und die vom Modell abgelöste Form nach Calcinierung bei einer Temperatur von mindestens 250°C

    d) an eine Vakuumleitung angeschlossen und evakuiert wird, und daß

    e) die Metallschmelze unter Beibehaltung des Vakuums in die Form gegossen und erstarren gelassen wird.


     
    2) Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Drainagevorrichtung ein poröser Schlauch eingesetzt wird.
     
    3) Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß der poröse Schlauch auf ein engmaschiges und formbares Drahtgewebe aufgelegt wird.
     
    4) Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Drainagevorrichtung'eine gelochte Glasfasermatte eingesetzt wird.
     
    5) Verfahren nach den Ansprüchen 1 - 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Drainagevorrichtung in einem Modellabstand von mindestens 10 mm angebracht wird.
     
    6) Verfahren nach den Ansprüchen 1 - 5, dadurch gekennzeichnet, daß das Wasser aus der erstarrten Formmasse mit Druckluft ausgepreßt wird.
     
    7) Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß das Wasser mit steigendem Druck ausgepreßt wird.
     
    8) Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß der Druck bis zum Erreichen von etwa 1,2 bar um 0,01 bar pro Minute erhöht wird.
     
    9) Verfahren nach den Ansprüchen 1 - 8, dadurch gekennzeichnet, das die Calcination der Form bei'260 bis 300° C durchgeführt wird.
     
    10) Verfahren nach den Ansprüchen 1 - 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Metallschmelze bei einem Unterdruck von 0,6 bar in die Form gegossen und unter Aufrechterhaltung des Unterdrucks zur Erstarrung gebracht wird.
     
    11) Verfahren nach den Ansprüchen 1 - 10, dadurch gekennzeichnet, daß eine Formmasse, bestehend aus aktivem Magnesiumoxid, Monoammoniumphosphat, Quarzsand und/oder Zirkonsand, Wasser und an sich bekannten Hilfsmitteln, in den Formkasten gegossen wird.
     




    Zeichnung