[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Fibriden aus thermoplastischen
Kunststoffen, wie Folyolefinen, Polyvinylhalogeniden, Polyvinylidenhalogeniden, sonstigen
Polymeren auf Basis von Vinylderivaten, Polyamiden, Polyestern, Polyacrylnitril, Polyurethanen,
deren Copolymeren und dgl., durch Entspannungsverdampfung in Gegenwart eines gasförmigen
Treibmittels einer entsprechenden unter erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur stehenden
Polymerlösung in einer Zweistoffdüse unter scherinduzierenden Bedingungen sowie die
Anwendung eines Ver-Verfahrens der vorgenannten Art.
[0002] Unter Fibriden versteht man in Längsrichtung hochorientierte Fäserchen mit zellstoffähnlicher
Gestalt von bis zu einigen Millimetern Länge (vgl. Angewandte Chemie, 90, 833/1978).
[0003] Es sind verschiedene Arbeitsweisen zur Herstellung von Fibriden aus thermoplastischen
Kunststoffen bekannt, die sich nach der Art der Energiezufuhr für die aufzuwendende
Arbeit zur Bildung der Fibride aus einer flüssigen Phase, z.B. durch Scherung unter
Abkühlen, Ausfällen oder Verdampfen der flüssigen Phase, voneinander unterscheiden.
[0004] So werden bei der scherinduzierten Kristallisation unter der Einwirkung von turbulenten
Strömungswirbeln durch Abkühlung einer etwa 5 Gew.-%igen Lösung von Polyethylen in
einem Lösungsmittel Fibride aus Polyethylen gebildet.
[0005] Fibride können auch durch Ausfällen des Polymeren aus einer Lösung mittels einer
als Fällungsmittel dienenden Flüssigkeit (DE-AS 14 69 120) oder durch Abkühlen unter
der Scherwirkung von rotierenden Elementen oder eines turbulenten Flüssigkeitsstrahles
gebildet werden.
[0006] Eine weitere Methode der Herstellung von Fibriden geht aus von einem uniaxial verstreckten
Polymerfilm. Durch mechanische Zerkleinerung in einer entsprechenden Vorrichtung erübrigt
sich die Verwendung eines Fällungsmittels (US-PS 3 693 851).
[0007] Bei der Herstellung von faserähnlichen Gebilden aus der Lösung eines Polyolefins
durch Entspannungsverdampfung des Lösungsmittels (DE-AS 2 227 021) wird die zur Erzeugung
der Scherkräfte und zur Verdampfung des Lösungsmittels erforderliche Energie dem System
durch Entspannen über ein Drosselventil eines unter erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur
befindlichen flüssigen Gemisches aus Lösungsmittel und der Schmelzwärme des Polymeren
entnommen.
[0008] Der Nachteil dieses Verfahrens besteht in der Notwendigkeit zum Verdampfen des Lösungsmittels
und zum Erreichen der geforderten hohen Geschwindigkeiten von mehr als 50 ms
-1 für die flüssige Phase vor dem Drosselventil eines hohen Druckes und einer so hohen
Temperatur, daß diese oft oberhalb der Schmelzetemperatur bzw. der Schmelzlösungstemperatur
des gelösten Polymeren liegt.
[0009] Insbesondere bei zersetzungsempfindlichen Polymeren, wie z.B. bei Polyvinylidenfluorid
oder auch Polyvinylchlorid, sind daher Grenzen für die Anwendung des erwähnten Verfahrens
oberhalb der Schmelztemperatur des Polymeren bzw. der Schmelzlösungstemperatur zu
beachten.
[0010] Eine weitere Einschränkung des Verfahrens der Entspannungsverdampfung ist darin zu
sehen, daß mit Temperatur und Druck der Polymerlösung die Verdampfungsgeschwindigkeit
und die Strömungsgeschwindigkeit festgelegt sind. Dies führt dazu, daß die Abmessungen
der so erhaltenen faserähnlichen Gebilde, wie z.B. deren Länge, häufig noch durch
nachträgliche Manipulationen, z.B. durch Mahlen, verringert werden müssen.
[0011] In einer Abwandlung des Entspannungsverdampfungsverfahrens wird zusätzlich gasförmiger
Stickstoff als Treibmittel verwendet und die Verdampfung in einer Zweistoffdüse bewirkt
(vgl. GB-PS 1 491 050). 1
[0012] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, das Verfahren der Entspannungsverdampfung
so weiterzuentwickeln, daß danach echte Fibride aus thermoplastischen Kunststoffen,
auch aus bei nur wenig über dem Schmelzpunkt liegenden Temperaturen zersetzungsempfindlichen
Polymeren, z.B. PVDF, hergestellt werden können und ohne daß sich mechanische Zerkleinerungsvorgänge
anschließen müssen, um zu Fibriden und daraus hergestellten porösen Flächengebilden
zu gelangen, die sich durch eine hohe spezifische Oberfläche und andere erwünschte
Eigenschaften auszeichnen.
[0013] Gemäß der Erfindung wird diese Aufgabe bei einem Verfahren der eingangs genannten
Art dadurch gelöst, daß die echte oder scheinbare Lösung des Polymeren in einem Lösungsmittel
unter Anwendung von überhitztem Wasserdampf bei einer mittleren Energiedichte von
mindestens 50 Ws/cm
3 in der Zweistoffdüse entspannt wird.
[0014] Der überwiegende Teil des Lösungsmittels geht augenblicklich in die Gasphase über,
und das Polymere erfährt in dem sich ausbildenden Scherfeld eine Orientierung und
fällt in Form von Fibriden an.
[0015] Die Strömungsverhältnisse in der Zweistoffdüse werden vorzugsweise so eingestellt,
daß die Dampfgeschwindigkeit mindestens das Zehnfache der Geschwindigkeit der Polymerlösung
beträgt.
[0016] Die Masse des Dampfes im Vergleich zur Masse des Lösungsmittels beträgt maximal 3
: 1, vorzugsweise 1 : 1.
[0017] Aus nach dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellten Fibriden kann ein Vlies so
hergestellt werden, daß die gebildeten Fibride separat aufgefangen und direkt zu einen
vliesartigen Material verfestigt werden, während das Gemisch von Wasserdampf und Lösungsmitteldampf
direkt einer geeigneten Wiederaufarbeitungsstufe zugeführt wird.
[0018] Erfindungsgemäß wird die zur Bildung der Fibride benötigte Energie nicht durch die
in latenter Form durch das geschmolzene Polymere und das Lösungsmittel gespeicherte
Wärme aufgebracht, um die überwiegende Verdampfung des Lösungsmittels beim Entspannungsvorgang
zu gewährleisten. Der erfindungsgemäß angewendete Wasserdampf dient gleichzeitig der
Übertragung der kinetischen Energie auf den Polymerstrahl und der Verdampfung des
Lösungsmittels. Es reicht aus, die Temperatur des Lösungsmittels soweit zu erhöhen,
bis eine einheitliche flüssige Phase des Polymeren in dem Lösungsmittel vorliegt.
[0019] In Abhängigkeit von der Konzentration und der Molmasse des Polymeren wird im allgemeinen
die erforderliche Temperatur der Lösung die Schmelztemperatur des Polymeren nicht
überschreiten.
[0020] Als Lösungsmittel für PVDF sind grundsätzlich geeignet die bekannten aprotischen
polaren Lösungsmittel, von denei Dimethylformamid, Dimethylacetamid, N-methylpyrolidon
und Dimethylsulfoxid bei 20 bis 25 °C, Aceton bei erhöhter Temperatur, PVDF scheinbar
lösen. Diese Lösungsmittel können allein oder in Mischung, z.B. auch mit Aceton, angewendet
werden. Eine umfangreiche Aufzählung weiterer Lösungsmittel für PVDF findet sich in
US-PS 3 376 370.
[0021] Bezüglich geeigneter Lösungsmittel für andere thermoplastische Kunststoffe als PVDF
wird ebenfalls auf die Fachliteratur verwiesen.
[0022] Bevorzugt werden Lösungsmittel, deren Siedetemperatur unterhalb der Schmelzetemperatur
des reinen Polymeren liegt, und die ohne größere Schwierigkeiten aus dem bei dem erfindungsgemäßen
Verfahren anfallenden wäßrigen Gemisch abgetrennt werden können.
[0023] Erfindungsgemäß wird eine hohe Ausströmgeschwindigkeit der Polymerlösung, die einen
Anteil an gasförmigem Lösungsmittel enthalten kann, durch Beaufschlagen mit einem
Dampfstrom einer Geschwindigkeit von mindestens 300 ms
-1, vorzugsweise 400 ms
-1, in einer nach dem Prinzip einer Laval-Düse arbeitenden Zweistoffdüse in gleicher
Richtung erreicht. Dabei wird der Flüssigkeitsstrahl zerteilt und das Lösungsmittel
verdampft und durch den Wasserdampf mitgerissen. Für das Scherfeld wird eine mittlere
Energiedichte von mindestens 50 Ws/cm
3 erreicht.
[0024] Durch die Verwendung von überhitztem Wasserdampf wird im Vergleich zur Verwendung
von Stickstoff als Treibmittel bei gleichem Druckgefälle eine höhere Geschwindigkeit
im Düsenaustritt und eine höhere mittlere Energiedichte erreicht. Damit steht dem
System zusätzlich eine größere Wärmemenge zur Verdampfung des Lösungsmittels zur Verfügung.
[0025] Das Abstromgemisch fällt in Form von Fibriden aus dem thermoplastischen Polymeren
und einer Gasphase aus Wasserdampf und Lösungsmitteldampf sowie einer kondensierten
flüssigen Phase aus Wasser und Lösungsmittel sowie Spuren des Polymeren an.
[0026] Die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren anfallenden Fibride lassen sich durch Auffangen
aus dem Gasstrom, z.B. auf ein siebartiges Gewebe, direkt zu einem vliesartigen Gewebe
aus Fibriden verdichten.
[0027] Über das Verhältnis der Masse der Polymerlösung zur Masse des eingesetzten Wasserdampfes,
über die Temperatur und Konzentration der Polymerlösung werden die mittlere Dicke
und Länge der Fibride, d.h. die Größenverteilung, deren spezifische Oberfläche und
die Kristallstruktur der Fibride kontrolliert.
[0028] Damit zeichnen sich die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellten Fibride
und aus diesen hergestellten Vliese durch besondere Eigenschaften, wie sehr hohe Werte
der spezifischen Oberfläche von bis zu 140 m
2g
-1 (BET) und bei Fibriden aus PVDF eine hohe Temperaturbeständigkeit und Beständigkeit
gegen oxidierende Medien sowie aufgrund eines hohen erreichbaren Anteils an der gewünschten
Kristallform I (vgl. J. Polym. Sci. Part A, Vol. 3, 4263 ff./1965) durch interessante
dielektrische Eigenschaften aus.
[0029] Das zur Verdampfung des Lösungsmittels und zum Zerteilen des Polymeren erforderliche
Massenverhältnis von Wasserdampf zur Polymerlösung beträgt höchstens 3 : 1 und liegt
vorzugsweise bei 1 : : 1 oder darunter. Dabei wird die mittlere Energiedichte wesentlich
von der hohen Dampfgeschwindigkeit von mindestens 300 ms
-1, die sich oberhalb der kritischen Geschwindigkeit durch Ausgestaltung der Zweistoffdüse
als Laval-Düse deutlich erhöht, bestimmt. Somit kann bei relativ geringem apparativen
Aufwand und relativ geringer Masse des als Hilfsmittel fungierenden Wasserdampfes
eine sehr hohe mittlere Energiedichte von z.B. 100 Ws/cm
3 erreicht werden.
[0030] Für die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens sind Zweistoffdüsen mit kreisförmigem
Querschnitt geeignet, bei denen die Polymerlösung zentral eingeleitet wird (1) und
der Dampfstrom über einen ringförmigen Querschnitt (2) seitlich auf die Polymerlösung
trifft. Der Durchmesser der Zentralbohrung, durch die die Polymerlösung eingeleitet
wird, beträgt vorzugsweise 0,5 bis 1 mm. Der ringförmige Querschnitt der Zweistoffdüse
zum Durchleiten des Dampfstromes entspricht einem äquivalenten Durchmesser von vorzugsweise
1 bis 2 mm.
[0031] Die Dampftemperatur richtet sich nach der Art des zur Herstellung der Fibride ausgewählten
Ausgangsmaterials und liegt typisch für PVDF oder PVC bei etwa 150 °C (423 K).
[0032] Zur Erhöhung der Dampfgeschwindigkeit ist die Ausbildung der Austrittsöffnung (3)
in Form einer Laval-Düse vorteilhaft (Fig. 1).
[0033] Das erfindungsgemäße Verfahren wird nachfolgend weiter anhand eines Beispiels illustriert,
ohne daß in der Art der gewählten Lösungsmittel oder der eingesetzten Polymeren eine
Beschränkung gesehen sein soll.

Beispiel
[0034] In einem Rührautoklaven wurde Aceton auf eine Temperatur geringfügig unterhalb des
Siedepunkts bei Normaldruck erwärmt und PVDF in Form von Pulver (MFI 20) bis zu einer
Konzentration von 35 Gew.-%, bezogen auf die Lösung, unter Rühren langsam zugegeben.
Der Autoklav wurde verschlossen und der Inhalt auf eine Temperatur von 98 °C erwärmt.
Der sich hierbei einstellende Dampfdruck lag bei etwa 4 bar.
[0035] Analog wurde eine Lösung von PVC (S-PVC, K-Wert 68) in Aceton hergestellt. Dabei
geht das PVC oberhalb von 60 °C unter erhöhtem Druck in Lösung. Nach dem Verschließen
des Autoklaven wurde mit N
2 ein Druck von etwa 2 bis 4 bar vorgegeben, um während des Aufheizens unter Rühren
Verkrustungen im Dampfraum durch Verdampfen des Acetons an der heißen Behälterwand
zu vermeiden.
[0036] Die hergestellten Lösungen wurden durch eine Zweistoffdüse mit kreisförmigem Querschnitt
und 0,7 mm Durchmesser geleitet, während Wasserdampf mit den in der Tabelle angegebenen
Temperaturen und Drücken von 2 bis 4 bar über die Zweistoffdüse mit einstellbaren
ringförmigen Querschnitten mit äquivalenten Durchmessern von 0,8 bis 1,8 mm zugeführt
wurde. Die Variation der Massenverhältnisse Polymerlösung zur Wasserdampfmenge erfolgte
durch die Wahl der verschiedenen Öffnungsquerschnitte und Vordrucke.
[0037] In Tabelle 1 sind die Ergebnisse der Versuche 1 bis 7 und wesentliche Eigenschaften
der Fibride, nämlich die spezifische Oberfläche und der Anteil an der Kristallform
I zusammengefaßt.

Das durch Aufsprühen auf ein siebartiges Gewebe in einem Abstand von≦30 cm unterhalb
der Düsenöffnung hergestellt vliesartige Material aus PVDF-Fibriden zeigte bei einem
Flächengewicht von 280 g/m
2 folgende Eigenschaften:
a) Luftdurchlässigkeit Ld = 142 1/dm2 . min bei 20 °C und einem Differenzdruck von 2 mbar,
b) Wasserdurchlässigkeit L = 6,7 1/dm2 . min bei 20 °C und einem Differenzdruck von 20 mbar,
c) bei der Vakuumfiltration bei 20 mbar und 20 °C wurde eine Dispersion, bestehend
aus 10 Gew.-% Al (OH)3 und Wasser mit einer Partikelgröße von 1µm≦dP≦50µm zu 88 Gew.-% auf dem obengenannten
Vlies bei einem mittleren Filtrationsdurchsatz von 2 1/dm2 . min zurückgehalten.
1. Verfahren zur Herstellung von Fibriden aus thermoplastischen Kunststoffen, wie
Polyolefinen, Polyvinylhalogeniden, Polyvinylidenhalogeniden, sonstigen Polymeren
auf Basis von Vinylderivaten, Polyamiden, Polyestern, Polyacrylnitril, Polyurethanen,
deren Copolymeren und dgl., durch Entspannungsverdampfung in Gegenwart eines gasförmigen
Treibmittels einer entsprechenden unter erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur stehenden
Polymerlösung in einer Zweistoffdüse unter scherinduzierenden Bedingungen, dadurch
gekennzeichnet, daß die echte oder scheinbare Lösung des Polymeren in einem Lösungsmittel
unter Anwendung von überhitztem Wasserdampf bei einer mittleren Energiedichte von
mindestens 50 Ws/cm3 in der Zweistoffdüse entspannt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Dampfgeschwindigkeit
mindestens das Zehnfache der Geschwindigkeit der Polymerlösung beträgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Dampfgeschwindigkeit
mindestens 300 ms-1, vorzugsweise 400 bis 800 ms-1, beträgt.
4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Masse des Dampfes im
Vergleich zur Masse des Lösungsmittels maximal 3 : 1, vorzugsweise 1 : 1, beträgt.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß Fibride
aus PVDF, PVC oder Copolymerisaten aus PVDF oder PVC mit einem Gehalt von mindestens
50 Gew.-% PVDF oder PVC und Aceton als Lösungsmittel hergestellt werden, wobei die
Lösung eine Temperatur von 90 bis 150 °C aufweist und die Konzentration für das Polymere
im Bereich von 0,5 bis 35 Gew.-% liegt.
6. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 5 zur Herstellung von porösen
Flächengebilden, Vliesen oder dgl. Filtrationsmitteln.