[0001] Verfahren zur Vermeidung von Siedeverzügen Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur
Vermeidung von Siedeverzügen bei Destillationen und chemischen Reaktionen bei Siedetemperatur
sowie neue Siedehilfsmittel hierfür.
[0002] Siedeverzüge, wie sie im Labor und in der Produktion bei Destillationen und chemischen
Reaktionen bei Siedetemperatur häufig auftreten, stellen eine nicht unerhebliche Gefahr
dar. Sie äußern sich in einem ungleichmäßigen Siedeverhalten des Mediums mit plötzlichem
stoßenden Aufsieden, Spritzen und Schäumen des Destillations- bzw. Reaktionsgutes.
[0003] Insbesondere durch das stoßende Aufsieden werden die Siede- bzw. Reaktionsapparaturen
plötzlichen starken mechanischen Belastungen ausgesetzt, die zu Beschädigungen bis
hin zum Bruch an den Apparaturen führen können.
[0004] Durch das Spritzen, Schäumen und Aufsteigen des Siedegutes werden z. B. auch Destillationskolonnen
und -kühler bzw. Rückflußkühler verunreinigt oder gar geflutet, so daß deren Trenn-
bzw. Kühlwirkung beeinträchtigt wird. Bei heftigen Vorgängen kann auch Destillationsgut
bis in die Vorlage gelangen, so daß der Reinigungseffekt der Destillation zunichte
gemacht wird.
[0005] Maßnahmen gegen Siedeverzüge bei Arbeiten im Labormaßstab sind bekannt.
[0006] So kann durch den Zusatz von Gegenständen mit rauher, grober oder kantiger Oberfläche
zum Siedegut, wie etwa Siedesteine, Ton- oder Glasscherben, Glasfritten, Abschnitte
von Glasstäben oder -rohren, durch Rühren oder bei Vakuumdestillationen durch Zuhilfenahme
von Siedekapillaren ein einwandfreies Sieden erreicht werden.
[0007] Diese Maßnahmen sind jedoch auf technischen Maßstab nicht übertragbar.
[0008] Der Zusatz von rauhen Gegenständen als Siedehilfen führt bei großtechnischen Destillationen
oder Reaktionsprozessen zu Problemen, da Apparaturen beschädigt, Armaturen, Ventile
usw. verstopft oder blockiert werden können. Auch besitzen Siedehilfsmittel, wie Siedesteine,
Tonscherben und Glasfritten die Eigenschaft, daß sie meist schnell desaktiviert werden
und insbesondere nach Abkühlen und erneutem Aufheizen nicht mehr wirksam sind.
[0009] Der Einsatz von Rührern ist nicht immer möglich oder erwünscht.
[0010] Siedekapillaren sind in GroBansätzen nicht realisierbar.
[0011] Es bestand daher die Aufgabe, ein Verfahren zur Vermeidung von Siedeverzügen zu entwickeln
und Siedehilfsmittel bereitzustellen, die für die Anwendung in technischen Prozessen
geeignet sind und nicht die obengenannten Nachteile aufweisen.
[0012] Diese Aufgabe wurde durch die vorliegende Erfindung gelöst.
[0013] Es wurde überraschend gefunden, daß sich durch den Zusatz von feinteiligem Glimmer
bzw. von Glimmerschuppenpigmenten Siedeverzüge bei Destillationen und chemischen Reaktionen
bei Siedetemperatur sehr wirksam vermeiden lassen.
[0014] Gegenstand der Erfindung ist somit ein Verfahren zur Vermeidung von Siedeverzügen
bei Destillationen und chemischen Reaktionen, in dem man dem Destillations- bzw. Reaktionsgut
feinteiligen Glimmer bzw. Glimmerschuppenpigmente als Siedehilfsmittel zufügt.
[0015] Gegenstand der Erfindung ist weiterhin die Verwendung von feinteiligem Glimmer bzw.
von Glimmerschuppenpigmenten als Siedehilfsmittel zur Vermeidung von Siedeverzügen
bei Destillationen und chemischen Reaktionen.
[0016] Für das erfindungsgemäße Verfahren geeignet ist feinteiliger Glimmer, der aus natürlich
vorkommendem mineralischen Glimmer durch einfaches Vermahlen zu schuppenförmigen Teilchen
beliebiger Teilchengröße erhältlich ist. Bevorzugt für die erfindungsgemäBe Verwendung
als Siedehilfsmittel sind Glimmerteilchen mit Teilchengrößen zwischen 0,1 und 150
µm, wobei Teilchengrößen zwischen 2 und 50 pm besonders bevorzugt sind.
[0017] Ebenfalls geeignet sind aus solchen Glimmerschuppen durch Beschichtung mit Metalloxiden
hergestellte Glimmerschuppenpigmente, wie sie z. B. als Perlglanzpigmente Verwendung
finden. Die Art der Metalloxidbeschichtung ist hierbei völlig unkritisch und hat keinen
feststellbaren Einfluß auf die Wirksamkeit als Siedehilfsmittel. Aufgrund ihrer technischen
Bedeutung sind Perlglanzpigmente auf Basis von mit Titandioxid beschichteten Glimmerschuppen
bevorzugt. Es ist möglich, auch solche bei der Produktion von Glimmerperlglanzpigmenten
anfallenden Produktionschargen, die den hohen Qualitätsanforderungen für Pigmente
nicht voll genügen, als Siedehilfsmittel entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren
zu verwenden.
[0018] Diese neuen Siedehilfen besitzen aufgrund ihrer feinteiligen, blättchenförmigen Beschaffenheit
eine große aktive Oberfläche und bewirken bei allen Siedemedien und bei beliebigen
Ansatzgrö8en ein einwandfreies, gleichmäßiges Sieden ohne Stoßen, Spritzen oder Schäumen.
Sie können dem Destillations- bzw. Reaktionsgut in einem Anteil von 0,001 bis 1 Gew.%,
bezogen auf die Gesamtmenge, zugefügt werden.
[0019] Bedingt durch die blättchenförmige Struktur und die geringe Schichtdicke der Teilchen
sind Funktionsbeeinträchtigungen oder Beschädigungen von Apparaturen und Armaturen
auszuschließen. Ein eventueller Rührvorgang wird ebenfalls nicht behindert.
[0020] Ein weiterer besonderer Vorteil der Glimmerteilchen bzw. Glimmerschuppenpigmente
ist, daß sie im Gegensatz zu den bekannten Siedehilfen ihre Aktivität durch Abkühlen
nicht verlieren und somit beliebig oft, auch nach mehrmaligem Abkühlen, verwendbar
sind.
[0021] Weiterhin sind diese Materialien physiologisch unbedenklich, chemisch weitgehend
resistent, temperaturstabil und, z. B. durch Filtration, leicht vom Siede- bzw. Reaktionsmedium
abzutrennen.
[0022] Die nachfolgenden Beispiele zeigen die vorteilhafte Verwendbarkeit dieser neuen Siedehilfsmittel.
Beispiel 1:
[0023] 50 ml Chloroform werden in einer üblichen Glasapparatur unter Zusatz von 0,02 g gemahlenem
Glimmer (Teilchengröße zwischen ca. 0,1 und 150 pm) am Rückfluß gekocht.
[0024] Siedeverhalten beim ersten Sieden:
einwandfreies ruhiges Sieden; sehr gut brauchbar.
[0025] Siedeverhalten nach fünfmaligem Abkühlen: einwandfreies ruhiges Sieden; sehr gut
brauchbar.
Beispiel 2:
[0026] Wie Beispiel l, jedoch unter Zusatz von 0,02 g Ti0
2-Glimmer-Perlglanzpigment (Iriodin
(R) 100).
[0027] Siedeverhalten beim ersten Sieden:
einwandfreies ruhiges Sieden; sehr gut brauchbar.
[0028] Siedeverhalten nach fünfmaligem Abkühlen: einwandfreies ruhiges Sieden; sehr gut
brauchbar.
Vergleichsversuch:
[0029] 50 ml Chloroform werden in einer üblichen Glasapparatur am Rückfluß gekocht:
a. ohne jeglichen Zusatz
[0030] Siedeverhalten beim ersten Sieden:
nicht ganz einwandfreies Sieden; häufiges StoBen
[0031] Siedeverhalten nach fünfmaligem kurzen Abkühlen: starkes StoBen, Spritzen und Aufschäumen.
b. unter Zusatz von 0,2 g Siedesteinenhandelsüblicher Qualität
[0032] Siedeverhalten beim ersten Sieden:
weitgehend einwandfreies Sieden: brauchbar
[0033] Siedeverhalten nach fünfmaligem kurzen Abkühlen: nur 2 Abkühlphasen ohne StoBen,
danach häufiges Stoßen; wenig brauchbar.
[0034] An Stelle von Chloroform können auch andere Lösungsmittel verwendet werden, z.B.
Wasser; Ketone wie Aceton; Ester wie Ethylacetat, Butylacetat; Alkohole wie Methanol,
Ethanol, n- und i-Propanol, Butanol; Säuren wie Essigsäure; Nitrile wie Acetonitril;
Basen wie Pyridin; Ether wie Diethylether, Diisopropylether, Tetrahydrofuran; Dioxan;
andere halogenierte Kohlenwasserstoffe wie Dichlormethan, Tetrachlormethan, Trichlorethylen,
1,2-Dichlorethan, sowie aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe wie Hexan,
Cyclohexan, Octan, Petrolether, Ligroin, Benzol, Toluol, Xylol.
Beispiel 3:
[0035] In ein gängiges beheizbares Reaktionsgefäß von 1000 1 Fassungsvermögen, versehen
mit einem geeigneten Rückflußkühler, wurden 500 1 Toluol zusammen mit 3 kg gemahlenem
Glimmer (Teilchengröße zwischen 0,1 und 150 µm) eingebracht. Die Mischung wurde dann
auf Siedetemperatur erhitzt und 2 Stunden lang ohne den Einsatz einer Rührapparatur
unter Rückfluß gekocht. Das Sieden war gleichmäßig und ruhig, ohne Stoßen, Spritzen
und Schäumen. Nach Abkühlen auf Raumtemperatur wurde das Gemisch in mehreren Portionen
durch das Bodenventil des Reaktionsgefäßes abgelassen, wobei keine Beeinträchtigung
der Funktion des Ventils durch den Glimmer auftrat.