(19)
(11) EP 0 131 144 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
16.01.1985  Patentblatt  1985/03

(21) Anmeldenummer: 84106324.1

(22) Anmeldetag:  02.06.1984
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4B01B 1/06
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE CH DE FR GB IT LI NL

(30) Priorität: 15.06.1983 DE 3321590

(71) Anmelder:
  • Kieser, Manfred, Dr.
    D-6100 Darmstadt (DE)
  • Stahlecker, Otto
    D-6100 Darmstadt (DE)

(72) Erfinder:
  • Kieser, Manfred, Dr.
    D-6100 Darmstadt (DE)
  • Stahlecker, Otto
    D-6100 Darmstadt (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Vermeidung von Siedeverzügen


    (57) Durch einen Zusatz von feinteiligem Glimmer bzw. von Glimmerschuppenpigmenten lassen sich Siedeverzüge bei Destillationen und chemischen Reaktionen auch in technischen Maßstab sehr wirksam vermeiden.


    Beschreibung


    [0001] Verfahren zur Vermeidung von Siedeverzügen Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vermeidung von Siedeverzügen bei Destillationen und chemischen Reaktionen bei Siedetemperatur sowie neue Siedehilfsmittel hierfür.

    [0002] Siedeverzüge, wie sie im Labor und in der Produktion bei Destillationen und chemischen Reaktionen bei Siedetemperatur häufig auftreten, stellen eine nicht unerhebliche Gefahr dar. Sie äußern sich in einem ungleichmäßigen Siedeverhalten des Mediums mit plötzlichem stoßenden Aufsieden, Spritzen und Schäumen des Destillations- bzw. Reaktionsgutes.

    [0003] Insbesondere durch das stoßende Aufsieden werden die Siede- bzw. Reaktionsapparaturen plötzlichen starken mechanischen Belastungen ausgesetzt, die zu Beschädigungen bis hin zum Bruch an den Apparaturen führen können.

    [0004] Durch das Spritzen, Schäumen und Aufsteigen des Siedegutes werden z. B. auch Destillationskolonnen und -kühler bzw. Rückflußkühler verunreinigt oder gar geflutet, so daß deren Trenn- bzw. Kühlwirkung beeinträchtigt wird. Bei heftigen Vorgängen kann auch Destillationsgut bis in die Vorlage gelangen, so daß der Reinigungseffekt der Destillation zunichte gemacht wird.

    [0005] Maßnahmen gegen Siedeverzüge bei Arbeiten im Labormaßstab sind bekannt.

    [0006] So kann durch den Zusatz von Gegenständen mit rauher, grober oder kantiger Oberfläche zum Siedegut, wie etwa Siedesteine, Ton- oder Glasscherben, Glasfritten, Abschnitte von Glasstäben oder -rohren, durch Rühren oder bei Vakuumdestillationen durch Zuhilfenahme von Siedekapillaren ein einwandfreies Sieden erreicht werden.

    [0007] Diese Maßnahmen sind jedoch auf technischen Maßstab nicht übertragbar.

    [0008] Der Zusatz von rauhen Gegenständen als Siedehilfen führt bei großtechnischen Destillationen oder Reaktionsprozessen zu Problemen, da Apparaturen beschädigt, Armaturen, Ventile usw. verstopft oder blockiert werden können. Auch besitzen Siedehilfsmittel, wie Siedesteine, Tonscherben und Glasfritten die Eigenschaft, daß sie meist schnell desaktiviert werden und insbesondere nach Abkühlen und erneutem Aufheizen nicht mehr wirksam sind.

    [0009] Der Einsatz von Rührern ist nicht immer möglich oder erwünscht.

    [0010] Siedekapillaren sind in GroBansätzen nicht realisierbar.

    [0011] Es bestand daher die Aufgabe, ein Verfahren zur Vermeidung von Siedeverzügen zu entwickeln und Siedehilfsmittel bereitzustellen, die für die Anwendung in technischen Prozessen geeignet sind und nicht die obengenannten Nachteile aufweisen.

    [0012] Diese Aufgabe wurde durch die vorliegende Erfindung gelöst.

    [0013] Es wurde überraschend gefunden, daß sich durch den Zusatz von feinteiligem Glimmer bzw. von Glimmerschuppenpigmenten Siedeverzüge bei Destillationen und chemischen Reaktionen bei Siedetemperatur sehr wirksam vermeiden lassen.

    [0014] Gegenstand der Erfindung ist somit ein Verfahren zur Vermeidung von Siedeverzügen bei Destillationen und chemischen Reaktionen, in dem man dem Destillations- bzw. Reaktionsgut feinteiligen Glimmer bzw. Glimmerschuppenpigmente als Siedehilfsmittel zufügt.

    [0015] Gegenstand der Erfindung ist weiterhin die Verwendung von feinteiligem Glimmer bzw. von Glimmerschuppenpigmenten als Siedehilfsmittel zur Vermeidung von Siedeverzügen bei Destillationen und chemischen Reaktionen.

    [0016] Für das erfindungsgemäße Verfahren geeignet ist feinteiliger Glimmer, der aus natürlich vorkommendem mineralischen Glimmer durch einfaches Vermahlen zu schuppenförmigen Teilchen beliebiger Teilchengröße erhältlich ist. Bevorzugt für die erfindungsgemäBe Verwendung als Siedehilfsmittel sind Glimmerteilchen mit Teilchengrößen zwischen 0,1 und 150 µm, wobei Teilchengrößen zwischen 2 und 50 pm besonders bevorzugt sind.

    [0017] Ebenfalls geeignet sind aus solchen Glimmerschuppen durch Beschichtung mit Metalloxiden hergestellte Glimmerschuppenpigmente, wie sie z. B. als Perlglanzpigmente Verwendung finden. Die Art der Metalloxidbeschichtung ist hierbei völlig unkritisch und hat keinen feststellbaren Einfluß auf die Wirksamkeit als Siedehilfsmittel. Aufgrund ihrer technischen Bedeutung sind Perlglanzpigmente auf Basis von mit Titandioxid beschichteten Glimmerschuppen bevorzugt. Es ist möglich, auch solche bei der Produktion von Glimmerperlglanzpigmenten anfallenden Produktionschargen, die den hohen Qualitätsanforderungen für Pigmente nicht voll genügen, als Siedehilfsmittel entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren zu verwenden.

    [0018] Diese neuen Siedehilfen besitzen aufgrund ihrer feinteiligen, blättchenförmigen Beschaffenheit eine große aktive Oberfläche und bewirken bei allen Siedemedien und bei beliebigen Ansatzgrö8en ein einwandfreies, gleichmäßiges Sieden ohne Stoßen, Spritzen oder Schäumen. Sie können dem Destillations- bzw. Reaktionsgut in einem Anteil von 0,001 bis 1 Gew.%, bezogen auf die Gesamtmenge, zugefügt werden.

    [0019] Bedingt durch die blättchenförmige Struktur und die geringe Schichtdicke der Teilchen sind Funktionsbeeinträchtigungen oder Beschädigungen von Apparaturen und Armaturen auszuschließen. Ein eventueller Rührvorgang wird ebenfalls nicht behindert.

    [0020] Ein weiterer besonderer Vorteil der Glimmerteilchen bzw. Glimmerschuppenpigmente ist, daß sie im Gegensatz zu den bekannten Siedehilfen ihre Aktivität durch Abkühlen nicht verlieren und somit beliebig oft, auch nach mehrmaligem Abkühlen, verwendbar sind.

    [0021] Weiterhin sind diese Materialien physiologisch unbedenklich, chemisch weitgehend resistent, temperaturstabil und, z. B. durch Filtration, leicht vom Siede- bzw. Reaktionsmedium abzutrennen.

    [0022] Die nachfolgenden Beispiele zeigen die vorteilhafte Verwendbarkeit dieser neuen Siedehilfsmittel.

    Beispiel 1:



    [0023] 50 ml Chloroform werden in einer üblichen Glasapparatur unter Zusatz von 0,02 g gemahlenem Glimmer (Teilchengröße zwischen ca. 0,1 und 150 pm) am Rückfluß gekocht.

    [0024] Siedeverhalten beim ersten Sieden:

    einwandfreies ruhiges Sieden; sehr gut brauchbar.



    [0025] Siedeverhalten nach fünfmaligem Abkühlen: einwandfreies ruhiges Sieden; sehr gut brauchbar.

    Beispiel 2:



    [0026] Wie Beispiel l, jedoch unter Zusatz von 0,02 g Ti02-Glimmer-Perlglanzpigment (Iriodin(R) 100).

    [0027] Siedeverhalten beim ersten Sieden:

    einwandfreies ruhiges Sieden; sehr gut brauchbar.



    [0028] Siedeverhalten nach fünfmaligem Abkühlen: einwandfreies ruhiges Sieden; sehr gut brauchbar.

    Vergleichsversuch:



    [0029] 50 ml Chloroform werden in einer üblichen Glasapparatur am Rückfluß gekocht:

    a. ohne jeglichen Zusatz



    [0030] Siedeverhalten beim ersten Sieden:

    nicht ganz einwandfreies Sieden; häufiges StoBen



    [0031] Siedeverhalten nach fünfmaligem kurzen Abkühlen: starkes StoBen, Spritzen und Aufschäumen.

    b. unter Zusatz von 0,2 g Siedesteinenhandelsüblicher Qualität



    [0032] Siedeverhalten beim ersten Sieden:

    weitgehend einwandfreies Sieden: brauchbar



    [0033] Siedeverhalten nach fünfmaligem kurzen Abkühlen: nur 2 Abkühlphasen ohne StoBen, danach häufiges Stoßen; wenig brauchbar.

    [0034] An Stelle von Chloroform können auch andere Lösungsmittel verwendet werden, z.B. Wasser; Ketone wie Aceton; Ester wie Ethylacetat, Butylacetat; Alkohole wie Methanol, Ethanol, n- und i-Propanol, Butanol; Säuren wie Essigsäure; Nitrile wie Acetonitril; Basen wie Pyridin; Ether wie Diethylether, Diisopropylether, Tetrahydrofuran; Dioxan; andere halogenierte Kohlenwasserstoffe wie Dichlormethan, Tetrachlormethan, Trichlorethylen, 1,2-Dichlorethan, sowie aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe wie Hexan, Cyclohexan, Octan, Petrolether, Ligroin, Benzol, Toluol, Xylol.

    Beispiel 3:



    [0035] In ein gängiges beheizbares Reaktionsgefäß von 1000 1 Fassungsvermögen, versehen mit einem geeigneten Rückflußkühler, wurden 500 1 Toluol zusammen mit 3 kg gemahlenem Glimmer (Teilchengröße zwischen 0,1 und 150 µm) eingebracht. Die Mischung wurde dann auf Siedetemperatur erhitzt und 2 Stunden lang ohne den Einsatz einer Rührapparatur unter Rückfluß gekocht. Das Sieden war gleichmäßig und ruhig, ohne Stoßen, Spritzen und Schäumen. Nach Abkühlen auf Raumtemperatur wurde das Gemisch in mehreren Portionen durch das Bodenventil des Reaktionsgefäßes abgelassen, wobei keine Beeinträchtigung der Funktion des Ventils durch den Glimmer auftrat.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Vermeidung von Siedeverzügen bei Destillationen und chemischen Reaktionen bei Siedetemperatur, dadurch gekennzeichnet, daß man dem Destillations- bzw. Reaktionsgut feinteiligen Glimmer bzw. Glimmerschuppenpigmente als Siedehilfsmittel zufügt.
     
    2. Verwendung von feinteiligem Glimmer bzw. von Glimmerschuppenpigmenten als Siedehilfsmittel zur Vermeidung von Siedeverzügen bei Destillationen und chemischen Reaktionen.
     





    Recherchenbericht