(19)
(11) EP 0 135 882 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.04.1985  Patentblatt  1985/14

(21) Anmeldenummer: 84110777.4

(22) Anmeldetag:  10.09.1984
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4G21F 9/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR IT LI

(30) Priorität: 24.09.1983 DE 3334629

(71) Anmelder: KRAFTWERK UNION AKTIENGESELLSCHAFT
D-4330 Mülheim (Ruhr) (DE)

(72) Erfinder:
  • Queiser, Horst, Dipl.-Ing.
    D-6454 Bruchköbel (DE)
  • Eckardt, Bernd, Dipl.-Ing.
    D-6454 Bruchköbel (DE)

(74) Vertreter: Mehl, Ernst, Dipl.-Ing. et al
Postfach 22 13 17
D-80503 München
D-80503 München (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zum Betreiben eines Kernreaktors


    (57) In einem Kernreaktor sind die Abgasquellen, insbesondere die Kühlmittelreinigung, an ein Abgassystem angeschlossen, das mindestens einen Kompressor, einen Gaskühler, ein Reduzierventil, einen Feuchteadsorber, eine Verzögerungsstrecke und einen Kaminanschluß umfaßt. Dieser Kernreaktor wird so betrieben, daß der Feuchteadsorber und die Verzögerungsstrecke im Normalbetrieb parallel betrieben werden, wobei die Verzögerungsstrecke mit dem Kaminanschluß in Verbindung steht, während der Feuchteadsorber in einem Gaskreis zum Kompressor betrieben wird, und daß bei erhöhtem Abgasanfall, insbesondere bei Kühlmittelverlagerung beim An- und Abfahren des Reaktors, der Feuchteadsorber und die Verzögerungsstrecke in Reihe geschaltet und über ein Reduzierventil mit dem Kaminanschluß verbunden sind, das auf einen mindestens doppelt so hohen Druck wie im Normalbetrieb eingestellt ist.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Kernreaktors mit einer Abgasquelle, insbesondere einer Kühlmittelreinigung, und einem an diese angeschlossenen Abgassystem, das mindestens einen Kompressor, einen Gaskühler, ein Reduzierventil, einen Feuchteadsorber, eine Verzögerungsstrecke und einen Kaminanschluß umfaßt.

    [0002] Aus der DE-PS 23 02 905 ist ein Druckwasserreaktor bekannt, der ein Kühlwasserreinigungssystem mit einer Entgasungseinrichtung umfaßt. Die aus dem Kühlwasser abgeschiedenen Gase werden zunächst durch eine Verbrennung von Wasserstoff befreit. Sie gelangen dann in eine Trocknungsanlage, in der Wasser ausgefällt wird. Danach werden sie in einer Gaszerlegungsanlage durch fraktionierte Verflüssigung zerlegt, damit die Edelgase, insbesondere Krypton und Xenon, in einem kleinen Speicher gelagert werden können, während die verbleibenden Gase in das System zurückgeführt werden, wenn sie nicht über einen Kaminanschluß abgelassen werden.

    [0003] Bei anderen bekannten Kernreaktoren werden die Gase über eine Verzögerungsstrecke geführt, so daß sie in ihrer Aktivität abklingen können. Die Verzögerungsstrecke wird entweder in einem Kreis durchfahren oder sie ist dem Kamin vorgeschaltet, wie in dem Buch "VGB-Kernkraftwerks-Seminar 1970" auf den Seiten 43, 44 und 45 ausgeführt ist.

    [0004] Die Erfindung geht von der Aufgabe aus, den durch die Abgasbehandlung bedingten Aufwand zu verringern. Dies gelingt erstaunlicherweise dadurch, daß der Feuchteadsorber und die Verzögerungsstrecke im Normalbetrieb parallel betrieben werden, wobei die Verzögerungsstrecke mit dem Kaminanschluß in Verbindung steht, während der Feuchteadsorber in einem Gaskreis zum Kompressor betrieben wird, und daß bei erhöhtem Abgasanfall, insbes. bei Kühlmittelverlagerung beim An- und Abfahren des Reaktors,der Feuchteadsorber und die Verzögerungsstrecke in Reihe geschaltet und über ein Reduzierventil mit dem Kaminanschluß verbunden sind, das auf einen mindestens doppelt so hohen Druck wie im Normalbetrieb eingestellt ist.

    [0005] Mit dem neuen Verfahren ergibt sich ohne apparativen Mehraufwand eine erhebliche Verkleinerung der für die Abgasbehandlung erforderlichen Komponenten und eine einfachere Systemgestaltung. Dabei werden die Vorteile des bei Überdruck günstigeren Retentionsverhaltens für den kurzzeitig vorliegenden Betrieb großen Gasanfalls mit den zeitlich überwiegenden Betriebsphasen mit geringem Gasanfall kombiniert, in denen durch Betriebsdruckreduzierung die Möglichkeiten der Entspannungstrocknung zur Aufwandsminimierung der bisher üblichen Trocknungseinrichtungen genutzt werden.

    [0006] Das Verfahren nach der Erfindung kann vorteilhaft dadurch weitergebildet werden, daß die Gasstrecke vom Gaskühler bis zum Feuchteadsorber einschließlich thermisch isoliert und/oder gekühlt bzw. geheizt wird.

    [0007] Für den Übergang von dem einen Betrieb (erhöhter Abgasanfall) auf den anderen (Normalbetrieb) hat es sich als vorteilhaft herausgestellt, daß die Verringerung des Druckes nach einem erhöhten Anfall von Abgasen über einen Zeitraum von mehreren Stunden vorgenommen wird. Dabei sollte zweckmäßigerweise die Umschaltung des Feuchteadsorbers in den Gaskreis zum Kompressor nach Erreichen des niedrigen Betriebsdruckes vorgenommen werden.

    [0008] Zur näheren Erläuterung der Erfindung wird anhand der beiliegenden Zeichnung ein Ausführungsbeispiel beschrieben. Dabei zeigt die Fig. 1 stark vereinfacht die Abgasanlage eines Druckwasserreaktors mit zwei durch unterschiedliche Pfeile (durchgezogen und gestrichelt) dargestellten Betriebszuständen. Die Fig. 2 zeigt in einem Schaubild den charakteristischen Abgasanfall in Nm3/h über der Zeit, wobei ein Betriebszyklus mit einer Betriebszeit von mindestens 10 Monaten mit 100% bezeichnet ist.

    [0009] Die Abgasquellen sind Behälter 1 und 2 mit einer Flüssigkeit mit einem veränderlichen Flüssigkeitsspiegel 4 bzw. 5 und einer Gasatmosphäre 6 bzw. 7 über dem Flüssigkeitsspiegel, sowie Entgasungseinrichtung 8. In der Gasatmosphäre 6 bzw. 7 und der Entgasungseinrichtung 8 sind Spaltgase enthalten. Deshalb sind die Oberseiten der Behälter 1, 2 und die Entgasungseinrichtung 8 an einer Abzugsleitung 10 angeschlossen. Sie führt über einen Rekombinator 11 für H2/02. Hinter diesem sind zwei Kompressoren 12 und 13 redundant angeordnet. Ihre Druckseite führt zu einem Gaskühler 15 mit einem Flüssigkeitsauslaß 16, der durch einen Kondensatableiter 17 geregelt werden kann.

    [0010] Dem Gaskühler 15 ist ein Reduzierventil 20 nachgeschaltet, dessen Stellglied 21 über Leitungen 22 betätigt werden kann. Die Niederdruckseite führt über eine Leitung 23 zu einem Umschaltventil 24. Von dem Umschaltventil 24 führt eine erste Leitung 26 zu einem weiteren Reduzierventil 27, das für die Gasrückführung vorgesehen ist. Sein Niederdruckausgang ist über eine Leitung 28 mit den Gasatmosphären 6, 7 der Abgasbehälter 1, 2 verbunden. Das Stellglied 30 des Reduzierventils 27 kann über Steuerleitungen 31 betätigt werden.

    [0011] Der andere Auslaß des Umschaltventils 24 ist über eine Leitung 33 mit einer Verzweigung 34 verbunden, die zu einem Feuchteadsorber 35 einerseits und einer Verzögerungsstrecke 36 andererseits führt. Der Feuchteadsorber 35 ist als Behälter mit einem Adsorptionsmittel 37, wie zum Beispiel Gel oder Aktivkohle, gefüllt. Sein Auslaß 38 führt zu der Leitung 26 und damit zum Reduzierventil 27.

    [0012] Die Verzögerungsstrecke 36 ist als Aktivkohlebehälter ausgeführt, der von unten nach oben durchströmt wird. An den Auslaß 40 ist über ein Reduzierventil 41 ein Kamin 42 angeschlossen. Das Stellglied 43 des Reduzierventils 41 kann über Steuerleitungen 44 betätigt werden.

    [0013] In der Fig. 1 ist noch hervorgehoben, daß die Leitungen zwischen dem Gaskühler 15 und dem Umschaltventil 24 sowie dessen Leitungszweig 26 und die Leitung 38 vom Auslaß des Adsorbers 35 mit einer Isolierung 46 versehen sind, die auch eine Kühlmöglichkeit, zum Beispiel mit Kühlwasser, umschließt. Der Adsorber 35 kann einen Kühlmantel 47 tragen, zum Beispiel in Form von Pelltier-Elementen, deren Stromkreis die Anschlußklemmen 48 hat. Ferner ist es günstig, wenn zur Verbesserung der Regeneration dem Feuchteadsorber 35 eine Rohrbereichsheizung 49 vorgeschaltet ist. Sie erfaßt den Rohrbereich zwischen der Oberseite des Feuchteadsorbers 35 und der Verzweigung 34

    [0014] Der Abgasanfall im Druckwasserreaktor ist, wie die Fig. 2 zeigt, sehr unterschiedlich. Über mehr als 95% der Betriebszeit liegt nur ein geringer Abfall von durchschnittlich weniger als 0,5 Nm3/h vor, wie in Fig. 2 in den Bereichen 50, 51, 52, 53 und 54 angedeutet ist. In den bei 55, 56, 57 und 58 angedeuteten Zeitabschnitten ist der Abgasanfall praktisch Null. Nur in den restlichen 5% der Betriebszeit tritt ein erhöhter Abgasanfall ein, der dann allerdings für mehrere Stunden zum Beispiel das 100-fache beträgt. In der Fig. 2 ist dies durch den Bereich 60 für den Fall der Inbetriebsetzung und der damit verbundenen Expansionen des Kühlwassers beim Aufheizen angedeutet, die die Gasatmosphärevolumina 6, 7 in den Abgasquellen 1 und 2 verringern. Bei 61 ist eine Spülung der Abgasquellen zum Beispiel vor einer Behälteröffnung dargestellt. Der Bereich 63 umfaßt das Absenken des Füllstandes im Reaktordruckbehälter mit einer denkbaren Spülung am Ende des Betriebszyklus, d.h. vor dem Öffnen des Reaktordruckbehälters.

    [0015] Bei dem neuen Verfahren lassen sich die folgenden drei Betriebszyklen unterscheiden:

    1) Kontinuerlichem Dauerbetrieb (>95% der Betriebszeit eines DWR's). Hier liegt ständig ein relativ geringer Abgasanfall von durchschnittlich z.B.<: 0,5 Nm3/h vor. Diese Abgasmenge sowie eine Spülgasmenge, die sich aus der Förderleistung des Kompressors 12, 13 ergibt, wird durch die Kompressionseinheit kontinuierlich oder diskontinuierlich komprimiert (z.B.: pe= 8 - 25 bar). Im nachfolgenden Gaskühler 15, der zum Beispiel mit Kaltwasser gekühlt wird, erfolgt die Kühlung und Reduzierung der absoluten Gasfeuchte. Im sich anschließenden Reduzierventil 20 erfolgt die Gasentspannung mit entsprechender Reduktion der relativen Gasfeuchte (z.B.: pe= 1-4 bar).



    [0016] Das aufgrund der Expansion sowie Gaskühlung leicht abgekühlte Gas wird dann durch entsprechende Führung der Rohrleitung durch die Raumluft oder andere Hilfseinrichtungen auf Raumtemperatur aufgewärmt.

    [0017] Nach Passieren des Umschaltventils 24 wird das Abgas in der Verzweigung 34 in zwei Gasströme aufgeteilt. Über die Verzögerungsstrecke 36 wird lediglich das überschüssige Abgas (z.B.<. 0,5 Nm3/h) geführt, der Rest wird über den Feuchteadsorber 35 zwecks dessen Regeneration auf die Kompressorsaugseite zurückgeleitet. Die in der Verzögerungsstrecke 36 bei erniedrigtem Betriebsdruck ablaufende Gasadsorption bringt trotz der geringeren Adsorptionswirkung, aufgrund des geringen Abgasanfalles, z.B. im ersten Viertel des Adsorbers, bereits die geforderte Verzögerungszeit, so daß der restliche Teil für andere Betriebsfälle zur Verfügung steht.

    ?) Der Schiebegasfall tritt zum Beispiel bei DWR-Anlagen praktisch nur während des Anfahrens und Absenkens des Reaktordruckbehälter-Füllstandes sowie evtl. nachfolgender Spülvorgänge des Primärkreises auf.



    [0018] Während dieses Betriebsfalles erfolgt der Betrieb der Verzögerungsstrecke 36 unter erhöhtem Betriebsdruck. Der Abgasanfall übersteigt nun für mehrere Stunden den vorgenannten kontinuierlichen Abgasanfall um das z.B. 100-fache.

    [0019] Durch die Betriebsdruckerhöhung wird aufgrund der Gaskompression das effektive Retentionsvermögen der Verzögerungsstrecke 36 neben der zusätzlichen Gasspeicherung durch die Druckerhöhung, deutlich verbessert.

    [0020] In Abhängigkeit von den exakten Betriebsbedingungen werden z.B. bei Pe - 8 - 25 bar für Xe-Isotope eine ca. 2-3 fache und für die in diesem Betriebsfall relevanten (wegen kürzerer Adsorberdurchbruchszeit) Kr-Isotope eine ca. 3-5 fache verbesserte Verzögerungswirkung erreicht.

    [0021] Die Abgasentfeuchtung wird hierbei mittels des bei diesem Betriebsfall der Verzögerungsstrecke durch Umschalten des Ventils 24 vorgeschalteten Feuchteadsorbers 35 durchgeführt. Für diesen auslegungsbestimmenden Betriebsfall wird der bisher praktisch nicht zur Aktivitätsreduktion wirksame Teil der Verzögerungsstrecke 36 nun unter optimalen Bedingungen genutzt.

    3) Betrieb direkt anschließend an Schiebegasfall.



    [0022] Die anfallende Abgasmenge sinkt wieder auf Werte z.B. < 0,5 Nm3/h ab. Für eine kurze Zeit wird der erhöhte Betriebsdruck beibehalten, um auch die sich bereits kurz vor Austritt aus der Verzögerungsstrecke 36 befindlichen Edelgasisotope mit relevanter Aktivität noch ausreichend zu verzögern (z.B. Kr 85 m bei 5-10 HWZ d 21,5 - 43 h).

    [0023] Konservativ erfolgt dann nach z.B. 40 h die langsame Betriebsdruckerniedrigung durch Abgabemengenerhöhung auf einen fixierten Wert auf den Auslegungswert, so daß wegen des geringen Abgasanfalls sich z.B. über ca. 10 h eine entsprechende Betriebsdruckreduzierung ergibt.

    [0024] Die Umschaltung des zuvor als Gastrockner arbeitenden Feuchteadsorbers 35 zwecks Regeneration erfolgt ab Erreichen des erniedrigten Betriebsdrucks. Dann kann die Heizung 49 eingeschaltet und die Kühlung der Isolierung 46 im Bereich der Leitung 38 eingestellt werden.


    Ansprüche

    1. Verfahren zum Betreiben eines Kernreaktors mit einer Abgasquelle, insbes. einer Kühlmittelreinigung, und einem an diese angeschlossenen Abgassystem, das mindestens einen Kompressor, einen Gaskühler, ein Reduzierventil, einen Feuchteadsorber, eine Verzögerungsstrecke und einen Kaminanschluß umfaßt, dadurch gekennzeichnet, daß der Feuchteadsorber und die Verzögerungsstrecke im Normalbetrieb parallel betrieben werden, wobei die Verzögerungsstrecke mit dem Kaminanschluß in Verbindung steht, während der Feuchteadsorber in einem Gaskreis zum Kompressor betrieben wird, und daß bei erhöhtem Abgasanfall, insbes. bei Kühlmittelverlagerung beim An- und Abfahren des Reaktors, der Feuchteadsorber und die Verzögerungsstrecke in Reihe geschaltet und über ein Reduzierventil mit dem Kaminanschluß verbunden sind, das auf einen mindestens doppelt so hohen Druck wie im Normalbetrieb eingestellt ist.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Gasstrecke vom Gaskühler bis zum Feuchteadsorber einschließlich thermisch isoliert und/oder gekühlt bzw. geheizt wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Verringerung des Druckes nach einem erhöhten Anfall von Abgasen über einen Zeitraum von mehreren Stunden vorgenommen wird.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Umschaltung des Feuchteadsorbers in den Gaskreis zum Kompressor nach Erreichen des niedrigen Betriebsdruckes vorgenommen wird.
     




    Zeichnung










    Recherchenbericht