[0001] Die Erfindung betrifft ein Feuerleit- und Navigationssystem für bewegte Waffenträger
nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1, das sich insbesondere für Kampfpanzer
aber auch für andere Fahrzeuge eignet, die für Ziel- und Ortungszwecke über ein primärstabilisiertes
System und außerdem über ein relativ zum Fahrzeug bewegbares sekundärstabilisiertes
System verfügen.
[0002] Von modernen Waffensystemen wird heutzutage verlangt, daß sie bei bewegtem Waffenträger
eingesetzt werden können. Das bedeutet für ballistisch wirkende Waffen eine Kompensation
der Störungen beim Abgang des Geschosses. Dazu muß die Bewegung der Waffe bekannt
oder die Waffe muß stabilisiert sein, um die Bewegungen und damit Störeinflüsse des
Trägers wie gegebenenfalls andere auf die Waffe wirkende Bewegungs- und Beschleunigunskomponenten
, zum Zeitpunkt des Geschoßabgangs zu kompensieren.
[0003] Am Beispiel eines modernen Kampfpanzers soll im folgenden aufgezeigt werden, welche
Baugruppen heutzutage eingesetzt werden und welche Probleme dabei auftreten.
[0004] Betrachtet werden soll ein Kampfpanzer mit einer Rohrwaffe, die um zwei Achsen frei
beweglich ist, das heißt um die Hochachse in azimutaler Richtung und um eine Elevationsachse
in der Höhe. Über den Höhen-Richtwinkel wird unter anderem die ballistische Bahn des
Schusses und damit seine Reichweite bestimmt. Um die Waffe auch bei bewegtem Fahrzeug
einsetzen zu können, muß die Bewegung des Waffenträgers kompensiert, das heißt die
Waffe muß stabilisiert werden. Für das Feuerleitsystem eines bekannten Kampfpanzers
werden dazu mehrere Kreiselpakete als Sensoren zur Primärstabilisierung von Sichtmitteln
und der Waffenanlage verwendet. Ein solches Kreiselpaket umfaßt in der Regel zwei
einachsige Wendekreisel, die auf der Waffe montiert sind und die Drehbewegungen in
Elevations- und Azimutachse messen und über je einen geschlossenen Regelkreis mit
Hilfe von Richtantrieben ausgleichen. Für die Feuerleitung muß darüberhinaus zum Ermitteln
der ballistischen Daten der Kantwinkel der Waffe bekannt sein, was durch einen Lotsensor
erfaßt wird. Zusätzlich werden zur Vorstabilisierung der Waffe Wendekreisel in Turm
und Wanne eingesetzt.
[0005] Der Kampfpanzer als direkt gerichtete Waffe verfügt über Sichtmittel für Kommandanten
und Richtschützen, mit denen die Lage des Ziels optisch festgestellt wird. Um diese
Sichtmittel während der Fahrt benutzen zu können, müssen sie ebenfalls stabilisiert
sein. Sind sie primärstabilisiert, so bedeutet das, daß auch die Sichtgeräte über
zwei einachsige Wendekreisel-Pakete mit entsprechenden Servoantrieben und Regelkreisen
verfügen. Damit stehen in einem solchen Kampfpanzer drei primärstabilisierte Geräte
mit insgesamt sechs Wendekreiseln zur Verfügung. Diese Wendekreisel arbeiten jedoch
unabhängig voneinander, so daß bei Ausfall eines Kreiselpaketes das andere dessen
Funktion nicht miterfüllen kann. Darüberhinaus sind die bekannten Kreisel nicht geeignet,
Führungsinformationen, zum Beispiel in Form von Navigationsdaten,bereitzustellen.
[0006] Das Schießen bei schnellbewegter Waffe ist aus den folgenden Gründen nur mit reduzierter
Treffgenauigkeit möglich:
1. Die Waffenbewegung ist nicht vollständig bekannt, da die Kreisel nur Drehdaten
messen können. Damit ist keine Aussage über die translatorische Bewegung der Waffe
möglich. Wie jedoch die Figur 1 veranschaulicht, überlagern sich die Fahrzeuggeschwindigkeit
V sowie die Richtgeschwindigkeit V (Drehwinkelgeschwindigkeit WR) der Anfangs- oder Mündungsgeschwindigkeit VO des'Geschosses, so daß sich eine tatsächliche Geschoßgeschwindigkeit VG ergibt.
2. Die Stabilisierung wird üblicherweise nur als sogenannte Richtungsstabilisierung
durchgeführt. Das bedeutet, wie in Figur 2 veranschaulicht, daß der Richtungsvektor
unabhängig von den auftretenden Drehdaten des Waffenträgers im Raum richtungsstabilisiert
bleibt, aber zu sich selbst parallel verschoben wird. Je nach Fahrtrichtung von Waffenträger
und Ziel können damit relativ große translative Verschiebungen auftreten, die durch
die Stabilisierungsanlage allein nicht ausgeglichen werden können.
3. Die translatorischen Verschiebungen können über sogenannte Mitrichthilfen und dynamische
Vorhaltbildung kompensiert werden. Dazu gibt der Richtschütze an einem Richtgriff
die Richtgeschwindigkeit vor, die vom Feuerleitsystem zur Vorhaltberechnung verwendet
wird. Diese Richtwinkelgeschwindigkeit WRS enthält jedoch sowohl Komponenten der Geschwindigkeit des Waffenträgers VW als auch der Geschwindigkeit des Ziels VZ (siehe Figur 3). Die Zielgeschwindigkeit VZ muß jedoch entsprechend dem Vorhaltewinkel Wv kompensiert werden, während die Geschwindigkeit des Waffenträgers Vw selbst als ballistische Störung beim Abgang des Geschosses behandelt werden muß.
Durch die Vermischung beider Informationen im Richtsignal WRS ist beides gemeinsam bei bewegtem Waffenträger heute nicht möglich, oder anders ausgedrückt,
der Waffenträger muß zum Zeitpunkt des Schusses kurzzeitig anhalten, so daß nur einer
der beiden Informationswerte benötigt wird und erfaßt werden kann, oder es kommt in
erheblichem Maße auf die Erfahrung des Richtschützen an, wie genau das Geschoß bei
fahrendem Waffenträger das bewegte Ziel trifft. In der Regel sind auch über Mitrichthilfen
dynamische Vorhaltbildungen nicht korrekt zu ermitteln.
4. Die einachsigen Wendekreisel in den heutigen Waffenstabilisierungsanlagen geben
ein Analog-Signal aus und besitzen im allgemeinen nur eine begrenzte Bandbreite und
Stabilität. Damit ist es kaum möglich, die gemessenen Drehraten auch für andere Funktionen
als für die Stabilisierung des dem Kreiselpaket zugeordneten Geräts zu verwenden.
[0007] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Feuerleit-und Navigationssystem für
bewegte Waffenträger zu schaffen, das alle für die Feuerleitung und die Stabilisierung
der Waffe unter allen denkbaren Fahrbedingungen von Waffenträger und Ziel notwendigen
Informationen mißt und zusätzlich Führungsinformation für taktische Aufgaben zur Verfügung
stellt. Darüberhinaus soll die Genauigkeit des Gesamtsystems verbessert und sollen
neue taktische Einsatzmöglichkeiten erschlossen werden.
[0008] Die erfindungsgemäße Lösung ist im Patentanspruch 1 angegeben.
[0009] Vorteilhafte Weiterbildungen des Erfindungsgedankens sind in Unteransprüchen gekennzeichnet.
[0010] Die oben erläuterte Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die Kombination folgender
Merkmale gelöst:
a) Es wird nur ein einziger zentraler Sensorblock in Strapdown-Technologie auf dem
primär zu stabilisierenden Gerät montiert. Dieser zentrale Sensorblock mit digitaler
Datenausgabe umfaßt zwei zweiachsige trockene und dynamisch abgestimmte Kreisel sowie
drei einachsige Beschleunigungsmesser.
b) Die gemessenen Drehraten werden zur Primärstabilisierung des Geräts sowie außerdem
zur Sekundär- stabilisierung der Waffe verwendet.
c) Die gemessenen Lagewinkel aus dem insgesamt digital ausgelegten System und die
ermittelte Fahrzeuggeschwindigkeit können unmittelbar zur ballistischen Berechnung
bei der Feuerleitung herangezogen werden.
d) Weiterhin ist eine laufende Berechnung der aktuellen Position des Fahrzeugs und
damit eine Fahrzeugnavigation möglich.
e) Schließlich ist im Gegensatz zu bisherigen Systemen (s. obige Punkte 2 und 3) eine
Punktstabilisierung und eine korrekte dynamische Vorhaltbildung möglich.
[0011] Außer den bereits angesprochenen Vorteilen der Erfindung ist auch der geringe technische
Aufwand im Vergleich zu den bisher in dreifacher Ausführung vorhandenen Wendekreiselpaketen
zu erwähnen. Das erfindungsgemäße digitale Navigationssystem in Strapdown-Technik
benötigt außer den inertialen Sensoren keine komplizierten aufwendigen mechanischen
Teile. Es umfaßt lediglich zwei zweiachsige trockene, dynamisch abgestimmte Kreisel
sowie drei einachsige Beschleunigungsmesser, die mit den Kreiseln in einem einzigen
Sensorblock zusammengefaßt sind. Damit sind alle aufgabengemäßen Funktionen vollständig
autonom und ohne Störungsmöglichkeit von außen ausführbar.
[0012] Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wird nachfolgend unter Bezug auf die Zeichnungen
näher erläutert. Es zeigen:
Fig. 1 eine bereits erläuterte Skizze zur Verdeutlichung, welche zusätzlichen Geschwindigkeitskomponenten
zum Zeitpunkt des Abgangs auf ein Geschoß additiv überlagernd wirken;
Fig. 2 eine ebenfalls bereits erläuterte Darstellung zur Verdeutlichung der Richtungsstabilisierung
der Waffe eines im Gelände bewegten Waffenträgers;
Fig. 3 die für dynamische Vorhaltbildung bei bewegtem Ziel und bewegtem Waffenträger
zu berücksichtigenden Geschwindigkeiten;
Fig. 4 ein konkretes erprobtes Ausführungsbeispiel eines Strapdown-Sensorblocks, wie
er erfindungsgemäß zur Primär- und Sekundärstabilisierung vorgeschlagen wird;
Fig. 5 den Blockschaltbildaufbau eines Feuerleitsystems im Zusammenhang mit der Erfindung;
und
Fig. 6 eine der Figur 2 entsprechende Darstellung zur Verdeutlichung des Unterschieds
einer Punktstabilisierung im Vergleich zu einer Richtungsstabilisierung.
[0013] Der Strapdown-Sensorblock umfaßt gemäß Figur 4 zwei senkrecht zueinander angeordnete
trockene, dynamisch abgestimmte zweiachsige Kreisel 1 und 2 sowie drei einachsige,
in den drei Raumachsen ausgerichtete Beschleunigungsmesser 3, 4, 5. Die Beschleunigungsmesser
3, 4, 5 ermitteln die Fahrzeugbeschleunigungen in drei orthogonalen Achsen und die
Kreisel 1, 2 messen die Drehraten ebenfalls in drei orthogonalen Achsen. Durch Integration
der Beschleunigungen unter Berücksichtigung der Richtung kann damit die Fahrzeuggeschwindigkeit
ermittelt werden. Durch Integration der Fahrzeuggeschwindigkeit erhält man den zurückgelegten
Weg. Sind die Ausgangsposition und die Anfangsgeschwindigkeit des Fahrzeugs bekannt,
so ist damit eine Navigation möglich, das heißt, es läßt sich ständig die aktuelle
Fahrzeugposition im dreidimensionalen Raum errechnen.
[0014] Um das System voll autonom arbeiten zu lassen, ist außerdem eine Selbstausrichtung,
das heißt das selbständige Auffinden der Richtung von geographisch Nord,Voraussetzung.
Die gemessenen Drehraten können zur Primärstabilisierung des die Kreisel tragenden
Fahrzeugs herangezogen und außerdem zur Sekundärstabilisierung eines weiteren Geräts
mitbenutzt werden.
[0015] Anhand eines Ausführungsbeispiels wird die Arbeitsweise des Gesamtsystems im einzelnen
erläutert:
Angenommen werden soll ein Kampfpanzer mit stabilisierter Waffe und stabilisiertem
Sichtgerät. Der in Figur 4 dargestellte Strapdown-Sensorblock mit zwei Kreiseln 1,
2 und drei Beschleunigungsmessern 3, 4, 5 ist zur Primärstabilisierung der Sichtlinie
in das Sichtgerät integriert und wird gleichzeitig zur Sekundärstabilisierung der
Waffe verwendet.
[0016] Das Blockschaltbild der Figur 5 gibt eine Übersicht über das Feuerleitsystem. Ein
Strapdown-Sensorblock 8 ist in ein Zielgerät 6 integriert, das mit Hilfe von Regler
und Servoantrieben 7 primärstabilisiert wird. Die zur Stabilisierung ermittelten Drehraten
werden durch eine Regelelektronik 16 einer Waffe 15 zur Sekundär-Stabilisierung der
Waffe mitbenutzt. Zur Verbesserung der Stabilisierungsgüte kann die Waffe mit Hilfe
eines Feuerleitrechners 10 nachstabilisiert werden. Darüber hinaus berechnet der Feuerleitrechner
10 abhängig vom Geschoßtyp die ballistischen Werte sowie Vorhalt und Aufsatz. Über
einen Richtgriff 9 kann die Führungsgröße als Richtgeschwindigkeit auf Zielgerät und
Waffe gegeben werden.
[0017] Ein Navigationsrechner 11 ermittelt aus Drehraten und Beschleunigungen, gemessen
durch den Strapdown-Sensorblock 8, Geschwindigkeit und Position, bezogen auf das Trägerfahrzeug.
Ein Anzeige- und Bediengerät 13 dient zum Anzeigen der ermittelten Werte, z.B. der
Position in UTM-Koordinaten und zur Eingabe, z.B. der Startposition. Weitere Sensoren
14 wie z.B. Wärmebild-Nachtsichtgeräte, können zur Ergänzung in das System integriert
werden. Durch die Mehrfachausnützung der Sensoren werden über die eigentliche Stabilisierungsaufgabe
hinaus aus den gemessenen translatorischen Beschleunigungen und den Drehraten die
Positionsdaten des Trägerfahrzeugs ermittelt.
[0018] Als Zwischenergebnis der Navigationsrechnung ermittelt das System darüberhinaus die
Lagewinkel der Waffe, die zum Verkantungsausgleich zur Berechnung der ballistischen
Winkel benötigt werden. Außerdem ist die Bewegung der Waffe beim Abschuß vollständig
bekannt, so daß ballistische Störungen kompensiert werden können.
[0019] Eine mit der Erfindung mögliche Verbesserung ist dadurch gegeben, daß bei Kenntnis
der Zielentferriung die Waffe punktstabilisiert werden kann, wie die Figur 6 verdeutlicht.
Ferner läßt sich über die Richtbewegung die tatsächliche Zielbewegung ermitteln, da
die Fahrzeugbewegung bekannt ist. Damit wird eine korrekte dynamische Vorhaltbildung
bei gleichzeitiger korrekter ballistischer Kompensation ermöglicht.
[0020] Als besonderer Vorteil der mit der Erfindung gegebenen Navigationsfähigkeit zusammen
mit einer Richtungsreferenz ist außerdem der Einsatz der Waffe im indirekten Schuß,
das heißt, ohne direkte Sichtverbindung zum Ziel möglich. Damit kann die Waffe für
neue taktische Aufgaben zum Beispiel zur Hubschrauberabwehr und zur Unterstützung
der Artillerie bei einem Feuerschlag eingesetzt werden. Darüberhinaus bietet die Navigationsfähigkeit
dem Kommandanten zusätzliche Führungshilfen, insbesondere die Anzeige der eigenen
Position und die Anzeige der Position anderer Fahrzeuge seines Trupps, so daß die
Sichtverbindung der freundlichen Fahrzeuge zueinander zur taktischen Führung nicht
mehr unabdingbare Voraussetzung ist. Damit ist auch unter schwierigen Sichtbedingungen,
zum Beispiel unter ABC-Bedingungen oder bei Nacht der Einsatz ohne Degradation der
Systemleistung möglich. Das gleiche gilt für den Kampf im monotonen oder im fremden
Gelände, in dem keine Orientierungspunkte zu finden sind.
[0021] Das erfindungsgemäße System arbeitet verschleißarm und wartungsfrei. Durch die digitale
Systemauslegung können die Meßwerte mehrfach benutzt und Zwischenergebnisse verwendet
werden. Dadurch ist eine deutliche Verbesserung der Leistung des Gesamtsystems gegeben
und neue Einsatzmöglichkeiten sind eröffnet.