[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung der Aktivität des Komplementsystems
des Blutes von Menschen oder Säugetieren.
[0002] Das Komplementsystem flbt im humanen und tierischen Organismus eine ganze Reihe von
Funktionen aus. Als wichtigste gelten die Chemotaxis, Opsonierung und Lyse von Zellen.
Es unterstützt das Immunsystem des Körpers, das aus Antikörpern und immunkompetenten
Zellen besteht. Eine ganze Reihe von Berührungspunkten besteht zwischen Komplement-
und anderen Regulationssystemen im Blut, beispielsweise dem Gerinnungs- und Fibrinolysesystem.
So kann eine durch Komplement vermittelte Lyse von Leukozyten Thromboplastin freisetzen,
was zur Aktivierung des exogenen Gerinnungssytems führt. Andererseits können aber
auch aktivierte Gerinnungsfaktoren wie Thrombin Proteine des Komplementsystems aktivieren.
Auch kommt dem wichtigsten Gerinnungsinhibitor, Antithrombin III, eine regulatorische
Funktion im Komplementsystem zu. Die bei der Aktivierung des Gerinnungssystems qleichzeitig
induzierte Bildung von Plasmin führt auch zu einer Aktivierung der Komplementfaktoren
Clr und Cls, bei längerer Einwirkung aber zu deren Desaktivierung. Der bei der Gerinnung
aktivierte Faktor XIIa verbraucht den wichtigen Komplement-Inhibitor Cl-Inaktivator
und aktiviert ebenfalls Komplement.
[0003] Ein bekanntes Verfahren zur Bestimmung des Komplements ist die CH
50-Bestimmung nach Mayer, die üblicherweise in Serum durchgeführt wird. In Serum sind
jedoch Gerinnungs-und Fibrinolysefaktoren bereits aktiviert; auch die Blutplättchen
haben ihren Inhalt abgegeben und Inhibitoren wie das AT III sind teilweise verbraucht,
so daß die volle biologische Wirkung des Komplementsystems qestört ist.
[0004] Es ist bekannt, daß in qewissen Fällen bei Verwendung von Serum pathologische Werte
bei CH
50-Bestimmungen erhalten werden, obwohl die Bestimmung einzelner Komplementfaktoren
und der CH
50-Aktivität in Plasma normale Werte liefern (Übersichten: Th.F. Lint, Laboratory Detection
of Complement Activation and Complement Deficiencies, Am.J.Med.Technol. (1982) 48,
743 und A.T. Luskin und M.C. Tokin, Alterations of Complement Component in Disease,
Am.J.Med.Technol. (1982) 48, 749). Aus diesen durch Einwirkung des Gerinnungssystems
in vitro entstandenen Komplementdefekten erscheint eine Bestimmung in Plasma vorteilhafter
zu sein als in Serum.
[0005] Ein weiteres Verfahren zur Erfassung der Komplementaktivität in Serum ist in Z. Naturforschung
20b, 569-574 (1965) beschrieben.
[0006] In dieser Methode wird die Lyse einer Schaferythrozytensuspension, die mit Kaninchenantikörpern
gegen Schaferythrozyten sensibilisiert wurden, durch Serum erfaßt und die Zeit bestimmt,
in der die Extinktion der Suspension auf die Hälfte gesunken ist. Die Messung der
Zeit liefert damit eine Aussage über die Aktivität des Serums. Dieses Verfahren ist
jedoch umständlich und führt insbesondere bei geringen Komplementaktivitäten zu verhältnismäßig
langen Meßzeiten.
[0007] Uberraschenderweis8 wurde gefunden, daß die Aktivität des Komplementsystems von Blut
bestimmt werden kann, indem Citrat-Plasma mit in einem Calcium- und Magnesiumionen
enthaltenden Puffer suspendierten und mit Antik8r-pern sensitivierten Erythrozyten
versetzt, die Zeit bis zum Erreichen einer bestimmten Extinktionserniedrigung gemessen
und mit der Zeit in Beziehung gesetzt wird, die an einem Plasma-Standard gemessen
wird.
[0008] Die Extinktionserniedrigung braucht ledialich eine Differenz von zum Beispiel 0,1
der optischen Dichte (O.D.) der Suspension direkt nach Vereinigen von Probe und Reagenz
zu betragen, so daß sich eine vorteilhafte Verkürzung des Zeitbedarfs für eine Bestimmung
besonders bei niederen Komplementaktivitäten und Vereinfachung verglichen mit dem
bekannten optischen Verfahren für Serum ergibt.
[0009] Gegenstand der Erfindung ist daher ein kinetisches Verfahren zur Bestimmung der Aktivität
des klassichen Wegs des Komplementsystems von humanem oder säugetierischem Blut mittels
photometrischer Verfolgung der Lyse von mit Antikörpern sensitivierten Schaferythrozyten
in einem Calcium- und Magnesiumionen enthaltenden Puffer, dadurch gekennzeichnet,
daß ein Citratplasma des Blutes als Probematerial verwendet wird.
[0010] Eine besonders vorteilhafte neue erfindungsgemäße Ausführungsform besteht darin,
daß die Zeit gemessen wird, in der die optische Dichte des Systems bei 578 nm um 0,025
bis 0,2, vorzugsweise 0,05 bis 0,15, abnimmt. Alternativ können auch andere Wellenlängen
von 540 bis zu 800 nm verwendet werden, bei denen man die Trübung einer Erythrozytensuspension
messen kann.
[0011] Es ist vorteilhaft, die Komplementaktivität in einem Probenmaterial zu bestimmen,
in dem das Gerinnungssystem weitgehend intakt ist wie in Citratplasma. Der Test kann
in dieser Form jedoch auch - mit den erwähnten Einschränkungen - an Serum durchgeführt
werden.
[0012] Bei der Gewinnung von Plasma für eine Untersuchung der Komplementfunktion muß sichergestellt
sein, daß das Komplementsystem durch ein Antikoagulans, das den Entzug der komplement-
und gerinnungsaktiven Calciumionen und auch der für das Komplementsystem erforderlichen
Magnesiumionen bewirkt, nicht inaktiviert wird.
[0013] In dem hier beschriebenen Verfahren kann das für Gerinnungsuntersuchungen übliches
Citratplasma eingesetzt werden, nicht jedoch EDTA-Plasma, das offensichtlich zu einer
Inaktivierung des klassischen Wegs des Komplementsystems führt. Im Gegensatz dazu
wurde in der oben zitierten Literatur auch auf die Verwendung von EDTA-Plasma hingewiesen
(Lint und Luskin und Tokin). Auch Heparinplasma kann im fotometrischen Test eingesetzt
werden. Es wird fotometrisch im langwelligen Bereich des sichtbaren Lichtes die Turbiditätsänderung
der durch Komplement vermittelten Lyse von suspendierten, mit Antikörpern gegen Schaferythrozyten
vom Kaninchen sensibilisierten Schaferythrozyten gemessen. Die Erythrozyten sind in
einem calcium- und magnesium-ionenhaltigen Puffer suspendiert. Alternativ kann eine
gereinigte Immunglobulinfraktion oder auch ein Antiserum zur Sensibilisierung eingesetzt
werden.
[0014] Da die Reaktionsgeschwindigkeit mit zunehmender Temperatur ansteigt, ist das Arbeiten
bei erhöhter Temperatur und die Verwendung eines vortemperierten Reagenzes vorteilhaft.
Es wird vorzugsweise bei 37°C gearbeitet. Die in der Z. Naturforschung beschriebene
Methode hingegen benutzt auf Ein gelagertes Reagenz, wobei eine Temperaturkonstanz
während der Bestimmung nicht gewährleistet ist, da es während der Reaktion zu einer
stetigen Erwärmung des Reagenz kommt, so daß aktive Seren in kurzer Zeit bei relativ
geringer Temperatur reagieren, weniger aktive jedoch bei höherer Temperatur. überraschenderweise
ist jedoch das in Beispiel 1 erläuterte Reagenz auch bei 37°C über mindestens 8 Stunden
stabil und kann daher bei dieser Temperatur gut eingesetzt werden.
[0015] Der zur Suspendierung der sensibilisierten Schaferythrozyten verwendete Puffer hat
vorteilhafterweise einen pH-Wert von 6 bis 8, vorzugsweise von 7 bis 7,5. Als Puffersubstanzen
können beispielsweise Veronal , HEPES, TRIS oder Imidazol, bevorzugt HEPES eingesetzt
werden. Geeignete Konzentrationen der Puffersubstanz sind 5-100, vorzugsweise 20 mM.
[0016] Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt auch von der Beladungsdichte der Schaferythrozyten
ab. Daher ist eine optimale Dosierung des Kaninchenantikörpers gegen Schaferythrozyten
wichtig. Eine geeignete Konzentration ist in Beispiel 1 angegeben. Die Zelldichte
selbst spielt jedoch für die Reaktionszeiten nur eine untergeordnete Rolle, wenn man
die erfindungsgemäße Methode benutzt. Dagegen ist die Zeit für die 50 %-Hämolyse bei
höherer Zelldichte von der Erythrozytenkonzentration abhängig.
[0017] Das folgende Beispiel erläutert die Erfindung.
Beispiel 1
Herstellung eines erfindungsgemäßen Reaqenz
[0018] 200 µl einer Suspension von gewaschenen Schaferythrozyten wurden mit 200 µ1 einer
Lösung von Kaninchenantikörpern gegen Schaferythrozyten (Ambozeptor 6000, (Behringwerke
AG, Marburg, Bundesrepublik Deutschland; Verdünnung 1:50, oder auch eine gereinigte
Immunglobulinfraktion dieses Antiserums) gemischt und mit einem Puffer, der 0,15 mmol/1
CaCl
2, 0,5 mmol/1 MgCl
2, 20 mmol/1 Hepes, pH 7,3, 150 mmol/1 NaCl und 1 g/l Gelatine enthielt, auf 10 ml
aufgefüllt. Die Zelldichte der Erythrozytensuspension betrug 2 x 10
7 Zellen/ml. Nach etwa 10 min ist das Reagenz gebrauchsfertig. Vor Verwendung im fotometrischen
Test wurde die Suspension of 37°C erwärmt und eventuell sedimentierte Erythrozyten
vorsichtig aufgeschüttelt.
[0019] Während einer Bestimmung kann jedoch die Sedimentation der Zellen vernachlässigt
werden.
Beispiel 2
Meßverfahren
[0020] 50 µ1 Human-Citratplasma wurden in eine auf 37°C vorgewärmte Küvette pipettiert und
500 ul des voranstehend hergestellten Reagenzes, das auf 37°C qehalten worden war,
zugesetzt. Nach Vermischung der Komponenten wurde die Extinktion bei 578 nm bestimmt.
Als Maßparameter wird die Zeit für das Erreichen einer Extinktionsdifferenz von -0,1
O.D., die durch die Lysis von Erythrozyten durch Komplement hervorgerufen wird, bestimmt.
Diese Zeit ist selbstverständlich kürzer als die für eine Lysis der Hälfte der Erythrozyten.
Insbesondere bei pathologischen Plasmen mit verringerter Komplementaktivität zeigt
sich der Zeitgewinn bei Verwendung des erfindungsgemäßen Verfahren im Vergleich zu
einer Bestimmung der für die halbmaximalen Lyse nötigen Zeit (Abbildung 1).
Beispiel 3
Empfindlichkeit des Verfahrens für Komplementdefekte
[0021] 1 ml Citratplasma wurde mit 200 µ1 einer Lösung von Fab'-Fragmenten von Kaninchenantikörpern
(Behringwerke AG, Marburg, Bundesrepublik Deutschland) gegen die Komplementfaktoren
Clq, Cls, C3, C4 oder C5 des klassichen Weges oder Faktor B des alternativen Weges
versetzt. Zur Verdünnung der Lösung der Fab'-Fragmente wurde sie mit physiologischer
Kochsalzlösung versetzt.
Tabelle 1
[0022] Einfluß von Antikörperfragment Fab' gegen Clq, Cls, C3, C4, C5 und Faktor B auf die
Reaktionszeit
Ansatz: 60 µ1 Plasma 30 µl Fab'- bzw. NaCl-Lösung 600 µl Suspension sensitivierter
Erythrozyten (37°C)

[0023] In der Tabelle 1 sieht man, wie steigende Fab'-Konzentrationen gegen Clq, Cls, C3,
C4 und C5 die Reaktionszeit gegenüber der Kontrolle (Fab'-Konzentration = 0
1 nur NaCl-Lösung) verlängern. Der Antikörper qegen Faktor B zeigt dagegen keinen Einfluß.
[0024] Dieses Ergebnis zeigt, daß das Reagenz alle untersuchten Faktoren des klassischen
Weges empfindlich anzeigt, nicht jedoch einen Mangel an Faktor B aus dem alternativen
Weg des Komplements.
Beispiel 4
Bestimmung eines Einzelfaktors (C4)
[0025] C4-Mangelserum wurde von Meerschweinchen mit genetisch bedingtem C4-Mangel erhalten.
Zur Bestimmung der Aktivität des Faktors C4 wurde humanes Citratplasma mit NaCl ausverdünnt.
[0026] 20 µl Plasma wurde mit einem überstand von 100 µ1 Mangelserum versetzt und durch
Zusatz sensitivierter Erythrozyten die Reaktion gestartet.Bei doppelt logarithmischer
Auftragung wurde eine lineare Beziehung zwischen C4-Konzentrationen und Reaktionszeit
gefunden.
[0027] Ein vergleichbarer Ansatz läßt sich mit einem C2-Manqel- serum für C2 durchführen.
Beispiel 5
Einfluß von Proteasen des Gerinnunqssystems auf die Komplementaktivität
[0028] Den Einfluß von Thrombin, Kallikrein und Plasmin, die während der Gerinnung aktiviert
werden, auf die Komplementaktivität von Plasma zeigt Tabelle 2. Aus diesen Ergebnissen
läßt sich ableiten, daß das Gerinnungssystem die Komplementaktivität beeinflussen
kann. So werden durch Thrombin- und Kallikreineinwirkung auf Plasma längere Meßzeiten
erhalten.
[0029] Ansatz:
20 µl Enzym-Lösung und 60 µl Citratplasma wurden 60 sec bei 37°C inkubiert. Dann wurden
600 µl Reagenz nach Beispiel 1 zugegeben. Es wurde die Zeit für Delta-E = 0,1 bestimmt.

1. Verfahren zur Bestimmung der Aktivität des Komplementsystems von humanem oder säugetierischem
Blut mittels photometrischer Verfolgung der Lyse von sensitivierten Erythrozyten in
einem Calcium- und Maqnesiumionen enthaltenden Puffer, dadurch gekennzeichnet, daß
als Probenmaterial Blutplasma, das als Antikoagulans Zitronensäure oder ein Salz davon
enthält, verwendet wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Zeitdauer gemessen wird,
in der die optische Dichte des Systems bei einer Wellenlänge von 540 bis 800 nm, vorzugsweise
578 nm, um 0,025 bis 0,2, vorzugsweise 0,05 bis 0,15, abnimmt.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Erythrozyten solche
vom Schaf sind.
4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Erythrozyten mit Antikörpern
sensitiviert wurden, die durch Immunisieren von Kaninchen mittels Erythrozyten-Antigenen
vom Schaf erhalten wurden.
5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Puffer ein HEPES enthaltender
Puffer, Konzentrationsbereich 5-100, vorzugsweise 20 mM, pH 6,5-8,5, vorzugsweise
7,3, ist.
6. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch qekennzeichnet, daß der Puffer Calciumionen
in einer Konzentration von 0,05-0,5, vorzugsweise 0,15 mmol/1, und Magnesiumionen
in einem Konzentrationsbereich von 0,1-2 mmol/1, vorzugsweise 0,5 mmol/1, sowie Kochsalz
zum Erreichen einer physiologischen Leitfähigkeit (15 mS ± 2,5 mS) enthält.
7. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß ein Mangelplasma oder Mangelserum
eines Faktors des klassischen Wegs des Komplements im Überschuß zugesetzt und die
Aktivität dieses Mangelfaktors im Probenmaterial bestimmt wird.