(19)
(11) EP 0 204 196 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
10.12.1986  Patentblatt  1986/50

(21) Anmeldenummer: 86106678.5

(22) Anmeldetag:  15.05.1986
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4C10M 105/52
// C10N40:08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE FR GB IT LI LU NL SE

(30) Priorität: 29.05.1985 DE 3519221

(71) Anmelder: HYDROCOR FORSCHUNGS- UND ANALYTIK GMBH
D-1000 Berlin 30 (DE)

(72) Erfinder:
  • Theunissen, Helmut
    D-5600 Wuppertal 1 (DE)
  • Weber, Raymund, Dr.
    D-1000 Berlin 28 (DE)

(74) Vertreter: TER MEER - MÜLLER - STEINMEISTER & PARTNER 
Mauerkircherstrasse 45
81679 München
81679 München (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Bromierte Alkylbenzole als Basis schwerentflammbarer, biologisch abbaubarer funktioneller Flüssigkeiten


    (57) Schwerentflammbare, biologisch abbaubare funktionelle Flüssigkeit, bestehend aus oder enthaltend mindestens ein Brombenzolderivat der allgemeinen Formel

    worin h für eine Zahl mit einem Wert von 1 bis 4 und x für eine Zahl mit einem Wert von 1 bis 5 stehen.


    Beschreibung


    [0001] Gegenstand der Erfindung ist eine schwerentflammbare, biologisch abbaubare funktionellen Flüssigkeit, namentlich eine Hydraulikflüssigkeit, die als wesentlichen Be-standteil ein Brombenzolderivat enthält.

    [0002] Chlorierte Aromaten, insbesondere chlorierte Biphenyle, haben in den letzten Jahrzehnten einen bedeutenden Platz in weiten Bereichen der Technik eingenommen. Besonders die polychlorierten Biphenyle wurden in großem Umfang als Hydraulikflüssigkeiten, als Isolationsflüssigkeiten für elektrische Anlagen und als flammhemmende Zusätze für Kunststoffe und dergleichen eingesetzt. Indessen sind in den letzten Jahren diese Verbindungen in erheblichen Verruf geraten. Es wurde schwere gesundheits- und umweltschädigende Wirkungen dieser Produkte festgestellt, wobei katastrophenartige Gefahren möglich sind, wenn es zu Bränden kommt, da hierbei hochgiftige Dioxine und Dibenzofurane gebildet werden können. Dies hat dazu geführt, daß die Herstellung oder zumindest die Verwendung solcher Verbindungen von den staatlichen Aufsichtsorganen zum Teil schon völlig verboten wurde und zum Teil gravierende Vorschriften erlassen wurden, die die Verwendung dieser Stoffe einschränken sollen.

    [0003] Zur Überwindung dieser Nachteile wird in der europäischen Patentanmeldung Nr. 88 650 vorgeschlagen, als Schmiermittel, die auch als Hydraulikflüssigkeiten eingesetzt werden können, chlorierte Benzyltoluole und chlorierte Benzylxylole einzusetzen, da diese Verbindungen schwer entflammbar und oxidationsbeständig und daneben biologisch abbaubar sein und im Hinblick auf ihr toxisches Verhalten Vorteile aufweisen sollen.

    [0004] Die GB-PS 1 504 655 beschreibt elektrische Vorrichtungen, die biologisch leicht abbaubare dielektrische Flüssigkeiten enthalten, nämlich halogenierte Diphenylmethane, die dadurch gekennzeichnet sind, daß die Halogensubstituenten und etwaige Alkylsubstituenten nur in einem der beiden Phenylringe vorliegen, während der andere Phenylring unsubstituiert sein muß, wobei angegeben ist, daß nur solche halogenierten Diphenylmethane, die eine unsbustituierte Phenylgruppe aufweisen, leicht biologisch abgebaut werden können, während die an beiden Phenylresten substituierten Diphenylmethane dem mikrobiologischen Abbau widerstehen sollen.

    [0005] Die ältere deutsche Patentanmeldung 34 02 863 beschreibt bromhaltige Benzyltoluol-Derivate, die als funktionelle Flüssigkeiten, beispielsweise Hydraulikflüssigkeiten oder Isolationsflüssigkeiten für elektrische Vorrichtungen eingesetzt werden können und die sich dadurch auszeichnen, daß sie eine günstige Umweltverträglichkeit besitzen, indem das Benzyltoluolgerüst im Vergleich zu dem Biphenylgerüst der üblicherweise für diese Zwecke eingesetzten halogenierten Biphenyle biologisch leichter abbaubar ist.

    [0006] Die DE-OS 15 94 505 beschreibt funktionelle Flüssigkeitszubereitungen, die eine größere Menge eines dihalogenierten Diphenylethers und eine kleinere Menge weiterer Mischungsbestandteile enthält, die aus halogenierten nie-drigalkyl-substituierten Benzolen, monohalogenierten Diphenylethern und chlorierten Biphenylen und Mischungen davon ausgewählt sind. Als halogenierte Niedrigalkylbenzole sind solche mit 1 bis 5 Halogenatomen und 1 bis 4 Kohlenstoffatomen in der Alkylgruppe angegeben, wobei von diesen als kleinerer Mischungsbestandteil einzusetzenden Verbindungen Dibromethylbenzol bevorzugt scheint. Über die alleinige Verwendung solcher Verbindungen oder über ihre biologische Abbaubarkeit ist in dieser Druckschrift nichts gesagt.

    [0007] Schließlich offenbart die US-PS 2 257 903 nichtbrennbare flüssige Zubereitungen, die als Wärmeübertragungsflüssigkeiten, Dielektrika, feuerlöschende Mittel und flammfest machende Mittel eingesetzt werden können. Diese flüssigen Zubereitungen bestehen im wesentlichen aus Mischungen von am Kern bromierten Monoethylbenzolen mit einem Bromgehalt zwischen etwa 2,0 und etwa 3,0 Atomen Brom pro Mol Ethylbenzol. Über die biologische Abbaubarkeit dieser Materialien finden sich keine Angaben.

    [0008] Die aus dem Stand der Technik bekannten funktionellen Flüssigkeiten können nicht in vollem Umfang befriedigen, weil sie nicht alle kriterien einer schwerentflammbaren funktionellen Flüssigkeit, namentlich Hydraulikflüssigkeit, erfüllen können, nämlich wirtschaftliche Herstellung, biologische Abbaubarkeit, geringe Toxizität der Flüssigkeit oder ihrer Zersetzungsprodukte und dergleichen.

    [0009] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht nun darin, funktionelle Flüssigkeiten anzugeben, die neben den für das angestrebte Einsatzgebiet technologischen Kriterien auch die toxikologischen und wirtschaftlichen Anforderun- gen erfüllen.

    [0010] Es hat sich nun überraschenderweise gezeigt, daß eine bestimmte kleine Gruppe von Brombenzolderivaten nicht nur auf der einen Seite wertvolle technische Eigenschaften besitzt, sondern andererseits auch nicht die Gefahren und umweltschädigenden Wirkungen mit sich bringt, die den für funtkionelle Flüssigkeiten eingesetzten vorbekannten Verbindungen eigen sind, so daß sie sich besonders gut als oder für funktionelle Flüssigkeiten eignet. Gegenstand der Erfindung ist daher die schwerentflammbare, biologisch abbaubare funktionelle Flüssigkeit gemäß Hauptanspruch. Die Unteransprüche betreffen besonders bevorzugte Ausführungsformen dieses Erfindungsgegenstandes.

    [0011] Die Erfindung betrifft somit eine schwerentflammbare, biologisch abbaubare funktionelle Flüssigkeit, bestehend aus oder enthaltend mindestens ein Brombenzolderivat der allgemeinen Formel (I)

    in der n für eine Zahl mit einem Wert von 1 bis 4 und x für eine Zahl mit einem Wert von 1 bis 5 stehen.

    [0012] Vorzugsweise enthält die funktionelle Flüssigkeit als Brombenzolderivat ein Brombenzolderivat der allgemeinen Formel (II)

    worin x für eine Zahl mit einem Wert von 1 bis 5 steht.

    [0013] Die erfindungsgemäß als oder in funktionellen Flüssigkeiten eingesetzten Bromtoluolderivate können in Form von reinen Verbindungen, in Form von Isomerengemischen oder auch in Form von Gemischen mit Verbindungen unterschiedlichen Bromierungsgrads eingesetzt werden, wobei mit Vorteil die Auswahl so erfolgt, daß die eingesetzten Bromtoluolderivate einen Bromgehalt von etwa 60 Gew.-% aufweisen, um besonders schwer entflammbare funktionelle Flüssigkeiten zu ergeben, und andererseits innerhalb eines relativ großen Temperaturbereichs von vorzugsweise -25°C bis 220°C flüssig sind. Die letztere Bedingung läßt sich ohne weiteres durch die Anwendung von Isomerengemischen erfüllen.

    [0014] Mit Vorteil verwendet man erfindungsgemäß als Brombenzolderivat ein bei der Bromierung von Benzol anfallendes Gemisch von Brombenzolderivaten. Besonders bevorzugt setzt man solche Gemische von einem oder mehreren Brombenzolderivaten ein, die 1 bis 3 Bromatome als Kernsubstituenten aufweisen.

    [0015] Als überraschend und besonders vorteilhaft hat es sich erwiesen, als Brombenzolderivat Dibromtoluolderivate einzusetzen, die in Form der reinen Isomeren oder auch in Form von Isomerengemischen eingesetzt werden können. Die Dibromtoluole haben sich als besonders gut für funktionelle Flüssigkeiten geeignet erwiesen, da sie einerseits hervorragende technologische Eigenschaften aufweisen, die für die Anwendung in oder als funktionelle Flüssigkeiten erforderlich sind, und andererseits ein unerwartet gutes Umweltverhalten zeigen, d. h. als solche ein sehr geringe Toxizität besitzen, beim Erhitzen keine giftigen Zersetzungsprodukte, wie hochgiftige Dioxinderivate ergeben und darüber hinaus leicht biologisch abgebaut werden können. Weiterhin zeigen sie im Hinblick auf ihr Brandverhalten, ihr Viskositäts-Temperatur-Verhalten, ihre Verträglichkeit mit üblicherweise eingesetzten Dichtelementmaterialien und im Hinblick auf ihr korrosives Verhalten vorteilhafte Eigenschaften, die sie für die angestrebte Verwendung besonders gut geeignet erscheinen lassen. Da gerade bezüglich des überraschenden Umweltverhaltens der erfindungsgemäß ausgewählten Brombenzolderivate und namentlich der Dibromtoluolderivate dem Stand der Technik, der eine große Vielzahl von möglichen halogenierten und bromierten Verbindungen zum Einsatz in oder als funktionelle Flüssigkeiten offenbart, keinerlei Angaben entnommen werden können, stellt die hier vorgenommene Auswahl eine erhebliche Bereicherung der Technik dar.

    [0016] Mit Vorteil kann man erfindungsgemäß die Brombenzolderivate und insbesondere die Dibromtoluole in Form des bei der Bromierung von Toluol anfallenden Gemisches einsetzen, wobei man diese Verbindungen oder auch diese Gemische mit Vorteil auch mit anderen bromierten Verbindungen kombinieren kann, wie insbesondere Dibromethylbenzol und/oder Dibromcumol. In dieser Weise wird es namentlich durch die Anwendung von Gemischen der erfindungsgemäß ausgewählten Verbindungen und den genannten anderen Verbindungen möglich, die Viskositäts-Temperatur-Eigenschaften der funktionellen Flüssigkeit auf das Einsatzgebiet anzupassen.

    [0017] Neben den Brombenzolderivaten kann die erfindungsgemäße schwerentflammbare, biologisch abbaubare funktionelle Flüssigkeit noch für solche funktionelle Flüssigkeiten übliche Additive und Zusätze enthalten, wobei die Brombenzolderivate vorzugsweise in einer Menge von mindestens 35 Gew.-% vorhanden sind.

    [0018] Als Additive und Zusätze dieser Art kann man beispielsweise Korrosionsschutzmittel, wie Erdalkalisulfonate, Stabilisatoren, wie Aminderivate oder phenolische Produkte, verschleißmindernde Zusätze, beispielsweise Zinkdialkyldithiophosphate, Säureakzeptoren, beispielsweise Epoxidverbindungen, Tetraphenylzinn usw., Entschäumer, wie Seifen, Silicone, Glykole, Phosphatester und dergleichen, Viskositätsindexverbesserer, wie Polymethacrylate oder Polyisobutylen und dergleichen, einsetzen. Weiterhin können die erfindungsgemäßen funktionellen Flüssigkeiten mit vielen geeigneten Produkten, wie beispielsweise Mineralölen, Glykolen etc., modifiziert werden.

    [0019] Die erfindungsgemäß eingesetzten Brombenzolderivate, die zum Teil bekannt sind, erhält man durch an sich bekanntes Bromieren von Benzol bzw. Alkylbenzol mit elementarem Brom in Gegenwart eines bekannten Halogenierungskatalysators, wie beispielsweise Eisen, Eisentrichlorid, Eisentribromid oder dergleichen. Dabei kann die Umsetzung bei Zimmertemperatur durchgeführt werden, wobei jedoch in Abhängigkeit vom jeweiligen Katalysator beispielsweise auch Temperaturen zwischen -5 und +40°C geeignet sind.

    [0020] Das folgende Herstellungsbeispiel dient der Erläuterung der Herstellung des erfindungsgemäß bevorzugt eingesetzten Dibromtoluols.

    Herstellunasbeispiel



    [0021] Man erwärmt ein Gemisch aus 174 g Toluol und 4 g Eisenpulver auf 45°C. Dann tropft man unter Rühren langsam 544,6 g (3,4 Mol) elementares Brom zu und arbeitet nach dem Anspringen der Reaktion bei 22°C weiter. Nach Beendigung der Zugabe rührt man während weiterer 30 Minuten bei 45°C, wäscht dann das Reaktionsgemisch mit je 300 ml einer 2,5 %-igen Natriumdisulfitlösung, einer 10 %-igen Natriumhydroxidlösung und Wasser und trocknet anschließend.

    [0022] Man erhält als Rohprodukt ein Gemisch aus

    Man destilliert das Gemisch und fängt die bei 103 bis 105°C/2,5 mbar übergehende Fraktion (265 g) auf, die als Dibromtoluol identifiziert werden kann. Molekulargewicht: 250 Dichte: 1,813 n20 D: 1,6025 (2,5-Dibromtoluol)

    [0023] Es lassen sich gaschromatographisch fünf Isomere unterscheiden, die in Anteilen von 48,6 %, 37,4 %, 3,2 %, 8 % und 2,8 % vorliegen.

    [0024] Siedepunkt: Gemisch 236 bis 245°C/1013 mbar (105°C/2,5 mbar) 3,5-Dibromtoluol: F.p.: 38 bis 40°C, Sdp. 246°C/1013 mbar 2,6-Dibromtoluol: Sdp. 243°C/1013 mbar 2,5-Dibromtoluol: F.p. 5,6°C, Sdp. 236°C/1013 mbar

    [0025] Die folgenden Beispiele dienen der weiteren Erläuterung der Erfindung und betreffen Rezepturen von schwerentflammbaren Hydraulikflüssigkeiten.

    B e i s p i e 1 1



    [0026] Zusammensetzung einer schwerentflammbaren Hydraulikflüssigkeit:


    B e i s p i e 1 2



    [0027] Zusammensetzung einer schwerentflammbaren Hydraulikflüssigkeit:




    B e i s p i e 1 3



    [0028] Zusammensetzung einer schwerentflammbaren Hydraulikflüssigkeit:


    B e i s p i e 1 4



    [0029] Zusammensetzung einer schwerentflammbaren Hydraulikflüssigkeit:




    B e i s p i e 1 5



    [0030] Zusammensetzung einer schwerentflammbaren Hydraulikflüssigkeit:




    Ansprüche

    1. Schwerentflammbare, biologisch abbaubare funktionelle Flüssigkeit bestehend aus oder enthaltend mindestens ein Brombenzolderivat der allgemeinen Formel (I)

    worin n für eine Zahl mit einem Wert von 1 bis 4 und x für eine Zahl mit einem Wert von 1 bis 5 stehen.
     
    2. Funktionelle Flüssigkeit nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet , daß sie als Brombenzolderivat mindestens ein Bromtoluolderivat der allgemeinen Formel (II)

    worin x für eine Zahl mit einem Wert von 1 bis 5 steht, enthält.
     
    3. Funktionelle Flüssigkeit nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet , daß sie als Bromtoluolderivat ein bei der Bromierung von Toluol anfallendes Gemisch von Bromtoluolderivaten enthält.
     
    4. Funktionelle Flüssigkeit nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet , daß sie als Bromtoluolderivat ein oder mehrere Bromtoluolderivate mit 1 bis 3 Bromatomen am Kern enthält.
     
    5. Funktionelle Flüssigkeit nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet , daß sie als Bromtoluolderivat mindestens ein Dibromtoluol enthält.
     
    6. Funktionelle Flüssigkeit nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet , daß sie als Dibromtoluol ein Gemisch aus mindestens zwei isomeren Dibromtoluolen enthält.
     
    7. Funktionelle Flüssigkeit nach mindestens einem der Ansprüche 2 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß sie das Bromtoluolderivat im Gemisch mit Dibromethylbenzol und/oder Dibromcumol enthält.
     
    8. Funktionelle Flüssigkeit nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß sie in Form einer Hydraulikflüssigkeit vorliegt, die mindestens 35 % des Bromtoluolderivats und gegebenenfalls übliche Zusätze für Hydraulikflüssigkeiten enthält.
     





    Recherchenbericht