(19)
(11) EP 0 218 067 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
15.04.1987  Patentblatt  1987/16

(21) Anmeldenummer: 86111683.8

(22) Anmeldetag:  22.08.1986
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4C06B 25/26, C06B 23/00, C06B 25/18
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE CH DE FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 12.09.1985 DE 3532525

(71) Anmelder: FRAUNHOFER-GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DER ANGEWANDTEN FORSCHUNG E.V.
80636 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Müller, Dietmar, Dr. Dipl.Chem
    D-7500 Karlsruhe 41 (DE)
  • Kremp, Jürgen, Dr. Dipl.Phys.
    D-5414 Vallendar (DE)

(74) Vertreter: Dipl.-Ing. Heiner Lichti Dipl.-Phys. Dr.rer.nat. Jost Lempert Dipl.-Ing. Hartmut Lasch 
Postfach 41 07 60
76207 Karlsruhe
76207 Karlsruhe (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Dreibasiges Treibladungspulver und Verfahren zu seiner Herstellung


    (57) Dreibasige Treibladungspulver bestehen aus Nitrozellulose, Nitroglyzerin oder einem gleichwirkenden Sprengöl und kristallinem Nitroguanidin, die durch Mischen miteinander und Plastifizieren des NC mittels eines Lösungsmittels, z.B. Aceton, sowie durch Kneten der Mischung und anschliessender Formgebung zu festen Treibladungspulverkörpem verarbeitet werden. Zur Verbesserung der Temperaturstabilität, insbesondere des Kaltversprödungsverhaltens, werden dem Treibladungspulver wenigstens ein organisches Titanat aus der Gruppe der Monoalkoxy-, Chelat-, Quat- (auatäre), Neoalkoxy-, Cycloheteroatom- oder der koordinierten Titanate und/ oder wenigstens ein organisches Zirkonat aus der Gruppe der Neoalkoxy-Zirkonate mit einem Anteil von ≦2%, vorzugsweise ≦0,596 zugesetzt. Durch diesen Zusatz wird ferner die chemische Stabilität des Treibladungspulvers verbessert.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein dreibasiges Treibladungspulver, bestehend aus Nitrozellulose (NC), Nitroglyzerin (NGL) oder einem gleichwirkenden Sprengöl und kristallinem Nitroguanidin (NIGU), die durch Mischen miteinander, Plastifizieren der NC mittels eines Lösungsmittels, z. B. Aceton, sowie durch Kneten der Mischung zu festen Treibladungskörpern verarbeitet werden.

    [0002] Dreibasige Treibladungspulver haben gegenüber ein- und zweibasigen Treibladungspulvern den Vorteil hoher Leistung bei geringer Rohrerosion, Eigenschaften, die vor allem auf den Gehalt an Nitroguanidin zurückzuführen sind. Dieser kann von 5% bis über 50% erreichen, wobei für den Bereich zwischen 45 und 53% beispielhaft die Typen M30, M31, NQ und MNF genannt seien. Diese Treibladungspulver werden entweder diskontinuierlich in Knetern oder kontinuierlich in Extrudern zu Formkörpern, im letztgenannten Fall zu Treibladungssträngen,verarbeitet, diese dann zu Körpern geschnitten, aus denen dann Treibladungen zusammengestellt werden. Die Plastifizierung und damit die Formbarkeit wird in erster Linie durch den Gehalt an Nitrozellulose bestimmt, die durch das Lösungsmittel, z. B. Aceton, eine Gelstruktur erhält und die anderen Komponenten einbindet.

    [0003] Die mechanische Festigkeit, insbesondere das Sprödheits- verhalten wird maßgeblich von dem in kristalliner Form eingemischten Nitroguanidin beeinflußt. Dabei hat sich insbesondere bei tiefen Temperaturen eine erhöhte Neigung zur Kaltversprödung gezeigt, und zwar auch bei üblichen Anwendungstemperaturen bis minus 40°C.

    [0004] Durch die Kaltversprödung ergibt sich beim Beschuß solcher Treibladungspulver, insbesondere solcher mit hohem NIGU-Anteil,eine sehr ungünstige Innenballistik, die bis zur Unbrauchbarkeit des Pulvers reicht.

    [0005] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, das Versprödungsverhaltenvon dreibasigen Treibladungspulvern zu verbessern, insbesondere die Kaltversprödung zu reduzieren bzw. auszuschließen.

    [0006] Diese Aufgabe wird bei einem dreibasigen Treibladungspulver des eingangs geschilderten Aufbaus gelöst durch den Zusatz wenigstens eines organischen Titanats aus der Gruppe der Monoalkoxy-, Chelat-, Quat- (quatäre), Neoalkoxy-, Cycloheteroatom- oder der koordinierten Titanate und/oder wenigstens eines organischen Zirkonats aus der Gruppe der Neoalkoxy-Zirkonate mit einem Anteil S 2%.

    [0007] Praktische Untersuchungen an dreibasigen Treibladungspulvern des vorgenannten Aufbaus haben gezeigt, daß die Kaltversprödung bei Temperaturen bis minus 40°C völlig unterbunden werden kann und insbesondere bessere Eigenschaften erzielt werden, als sie beispielsweise durch Optimierung der Kristallform und Kristallgröße des Nitroguanidins oder auch beispielsweise durch Anlösen der NIGU-Kristalle erreicht werden können. Parallelversuche an Treibladungspulvern, deren Kaltversprödung durch Zugabe von Polymeren zu verbessern versucht wurde, führten dazu,daß gleiche Ergebnisse in der Kaltversprödung erst dann erreicht werden können, wenn das Polymer mit einem Anteil von ca. 5% zugesetzt wurde. Dabei ergeben sich aber schon bei einem Einsatz an Polymer von mehr als 2% negative Änderungen im Abbrandverhalten, die bei einem Äquivalent in der Kaltversprödung von 5% sogar zur Unbrauchbarkeit solcher polymergebundener, dreibasiger Treibladungspulver führen. Hingegen wird durch den erfindungsgemäßen Zusatz an organischen Titanaten oder Zirkonaten das Abbrandverhalten nicht verschlechtert und die Leistung gegenüber den "reinen" dreibasigen Treibladungspulvern beibehalten. Auch die chemische Stabilität des Treibladungspulvers wird in keiner Weise beeinträchtigt. Außerdem hat sich eine positive Nebenwirkung gezeigt, indem die Erosionswirkung auf die Waffe verringert wird, was auf Titanoxid-Ablagerungen beim Abbrand zurückzuführen ist. Ursache für die Verbesserung der Kaltversprödung dürfte die Tatsache sein, daß die Titanate und Zirkonate für eine bessere Haftung zwischen den plastifizierten Anteilen und den NIGU-Kristallen verantwortlich sind und dadurch die Struktur, gegebenenfalls auch die Haftung zwischen den Kristallen stabiler wird.

    [0008] Eine nennenswerte und in den meisten Fällen auch ausreichende Verbesserung der Kaltversprödung ergibt sich aufgrund praktischer Versuche bereits bei einem Anteil an organischem Titanat und/oder organischem Zirkonat von 0,2 bis 1%,vorzugsweise von 0,2 bis 0,5%.

    [0009] Es ist überraschend, daß mit einem derart geringen Zusatz eine nennenswerte Verbesserung der Kaltversprödng erreicht wird, andererseits wird verständlich, daß durch diese geringe Menge das Abbrandverhalten und die Leistung des Treibladungspulvers praktisch nicht beeinflußt wird.

    [0010] Wie bereits eingangs angedeutet, werden dreibasige Treibladungspulver im wesentlichen nach zwei Methoden hergestellt. Bei der ersten Methode werden alkoholfeuchte NC,phlegmatisiertes NGL oder das gleichwirkende Sprengöl, kristallines NIGU und ein Lösungsmittel, z. B. Aceton, auf einen diskontinuierlich arbeitenden Kneter aufgegeben, homogenisiert und plastifiziert, ggfls. die plastifizierte Masse zwischengelagert. Diese Masse wird dann zu Treibladungssträngen geformt und anschließend zu Körpern geschnitten oder granuliert. Erfindungsgemäß wird nun dieses Verfahren dahingehend modifiziert, daß das organische Titanat und / oder Zirkonat unmittelbar oder in Mischung mit dem Lösungsmittel dem Knetansatz zugegeben wird. Da es sich bei den organischen Titanaten und Zirkonaten um Flüssigkeiten handelt, lassen sie sich ohne weiteres mit den übrigen Bestandteilen homogen vermischen bzw. in einer Vormischung mit dem Lösungsmittel zugeben.

    [0011] Bei der zweiten Methode, einem kontinuierlichen Verfahren, werden die vorgenannten Komponenten auf einen Extruder gegeben und kontinuierlich zu Treibladungspulversträngen geformt. Auch mit diesem Verfahren lassen sich erfindungsgemäß aufgebaute Treibladungspulver dadurch herstellen, daß das organische Titanat und/oder Zirkonat unmittelbar oder in Mischung mit dem Lösungsmittel oder in Mischung mit diesem und dem NGL bzw. dem gleichwirkenden Sprengöl auf den Extruder aufgegeben wird.

    [0012] Die Verbesserung in der Kaltversprödung der erfindungsgemäß zusammengesetzten und hergestellten Treibladungspulver wurde durch Belastung von zylindrischen Probekörpern in Achsrichtung und quer dazu mittels eines definierten Fallgewichtes mit definierter Auftreffgeschwindigkeit ähnlich dem Fallhammer-Test zur Messung des mechanischen Entzündungsverhaltens festgestellt. Die Treibladungskörper wurden bei plus 21°C und minus 40°C mit einem Fallgewicht von 1kg bei einer Fallhöhe von 0,2 bis 0,5 m belastet.Es wurden Treibladungspulver-Körper mit 7-Loch-Geometrie untersucht (Durchmesser der Körper 8,6 mm und Länge 19,8 mm bzw. Durchmesser 8,0 mm und Länge 19,0 mm. Gewicht der Einzelkörper 1,30 g bis 1,45 g). Aus den bei Erreichen der Grenzbelastung entstehenden Bruchstücken kann man auf das Kaltversprödungsverhalten schließen. Dreibasige Treibladungspulver üblichen Aufbaus, auch solche mit optimierter NIGU-Kristallform und -größe und Original-Vergleichspulver zeigen bei Erreichen der Grenzbelastung Bruchstücke unterschiedlicher Größe und Geometrie mit insbesondere großem Feinanteil und dünnwandigen Stegen, während erfindungsgemäß zusammengesetzte Treibladungspulver bei der gleichen Grenzbelastung nicht zu Bruch gingen, ja nicht einmal Rißbildungen zeigten. Zur weiteren Beurteilung dienten auch Untersuchungen in der ballistischen Bombe mit speziellen Einbauten.

    [0013] Neben der Verbesserung im Kaltversprödungsverhalten konnte durch Lagerungsversuche bei 90°C festgestellt werden, daß auch der Gewichtsverlust, der ein Maß für die chemische Stabilität des Treibladungspulvers ist, sehr gering war. Der Gewichtsverlust bewegte sich bei allen untersuchten Proben mit einem Zusatz zwischen 0,2 bis 0,5% an Titanat in etwa gleichen Grenzen und er war überraschenderweise geringer als beim "reinen" Treibladungspulver, woraus zu schließen ist, daß die Zugabe organischer Titanate bzw. Zirkonate die chemische Stabilität sogar etwas verbessert, wohingegen durch Zusatz von Polymeren bis zu 2% ein nennenswert höherer Gewichtsverlust eintritt.

    [0014] In den nachfolgenden Tabellen sind einige typische Beispiele für dreibasige Treibladungspulver mit verschiedenen Zusätzen wiedergegeben, bei denen die oben genannten Eigenschaften beobachtet werden konnten.






    Ansprüche

    1. Deibasiges Treibladungspulver, bestehend aus Nitrozellulose (NC), Nitroglyzerin (NGL) oder einem gleichwirkenden Sprengöl und kristallinem Nitroguanidin (NIGU), die durch Mischen miteinander und Plastifizieren der NC mittels eines Lösungsmittels, z. B. Aceton, sowie durch Kneten der Mischung zu festen Treibladungskörpern verarbeitet werden,
    gekennzeichnet durch
    den Zusatz wenigstens eines organischen Titanats aus der Gruppe der Monoalkoxy-, Chelat-, Quat-, (quatäre), Neoalkoxy-, Cycloheteroatom- oder der koordinierten Titanate und/oder wenigstens eines organischen Zirkonats aus der Gruppe der Neoalkoxy-Zirkonate mit einem Anteil von 5 2%.
     
    2. Treibladungspulver nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch einen Anteil an organischem Titanat und/oder organischem Zirkonat von 0,2 bis 1,0%, vorzugsweise von o,2 bis 0,5%.
     
    3. Verfahren zur Herstellung eines dreibasigen Treibladungspulvers nach Anspruch 1 oder 2, wobei alkoholfeuchte NC, phlegmatisiertes NGL oder das gleichwirkende Sprengöl, kristallines NIGU und ein Lösungsmittel, z. B. Aceton, auf einen diskontinuierlich arbeitenden Kneter aufgegeben und homogenisiert werden, die plastifizierte Masse zwischengelagert und danach zu einem Treibladungskörper geformt wird, dadurch gekennzeichnet, daß das organische Titanat und/oder Zirkonat unmittelbar oder in Mischung mit dem Lösungsmittel dem Knetansatz zugegeben wird.
     
    4. Verfahren zur Herstellung eines dreibasigen Treibladungspulvers nach Anspruch 1 oder 2, wobei alkoholfeuchte NC, phlegmatisierte NGL oder das gleichwirkende Sprengöl, kristallines NIGU und ein Lösungsmittel, z.B. Aceton, einem Extruder aufgegeben und kontinuierlich zu einem Treibladungsstrang geformt werden, dadurch gekennzeichnet, daß das organische Titanat und/oder Zirkonat unmittelbar oder in Mischung mit dem Lösungsmittel oder in Mischung mit diesem und dem NGL bzw. dem gleichwirkenden Sprengöl auf den Extruder aufgegeben wird.
     





    Recherchenbericht