(19)
(11) EP 0 231 864 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
12.08.1987  Patentblatt  1987/33

(21) Anmeldenummer: 87101123.5

(22) Anmeldetag:  27.01.1987
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4C21D 8/04, C22C 38/14
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE ES FR GB GR IT LI LU NL SE

(30) Priorität: 06.02.1986 DE 3603691

(71) Anmelder: Hoesch Stahl Aktiengesellschaft
D-44120 Dortmund (DE)

(72) Erfinder:
  • Drewes, Ernst Jürgen, Dr.
    D-4600 Dortmund 30 (DE)
  • Engl, Bernhard, Dr.
    D-4600 Dortmund 50 (DE)
  • Horn, Klaus Dieter
    D-4600 Dortmund (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Alterungsfreier Bandstahl


    (57) Die Erfindung besteht in der Verwendung eines kaltgewalzten Bandstahles, der eine chemische Zusammensetzung von

    bis 0,4 % zur vollständigen Abbindung der im flüssigen Stahl enthaltenen Elemente Stickstoff, Schwefel und Kohlenstoff,

    Rest Eisen und erschmelzungsbedingte Ver­unreinigungen

    aufweist und im geglühten, nicht dressierten Zustand eine Streck­grenze von weniger als 150 N/mm², einen Kennwert der senk­rechten Anisotropie (rm) von mehr als 1,7, eine Bruchdehnung (A₈₀) von mehr als 38 % und einen mittleren Verfestigungsexponenten (nm) von mehr als 0,22 aufweist, als Werkstoff für alterungsfreie Bleche mit hervorragender Kaltumformbarkeit.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft die Verwendung eines kaltgewalzten Bandstahles als Werkstoff für alterungsfreie Bleche mit her­vorragender Kaltumformbarkeit.

    [0002] Zur Erzielung besonders guter mechan. Eigenschaften, insbe­sondere eines hohen Wertes der senkrechten Anisotropie rm für Tiefziehbeanspruchungen und eines hohen Verfestigungs­exponenten nm bei Streckziehvorgängen von kaltgewalztem Band­stahl wurden die sog. IF - (= interstitial free) - Stähle ent­wickelt, vgl. ʺWerkstoffkunde der gebräuchlichen Stähleʺ, Teil 1, S. 253, Verlag Stahleisen l977. In diesen sind die störenden Elemente C und N durch einen Zusatz von Titan oder Niob stabil abgebunden.

    [0003] Im einzelnen ist aus der EP-PS 120 976 ein Ti-haltiger Tief­ziehstahl bekannt, der sehr niedrige Kohlenstoffgehalte (0,004 %) aufweist, weil bei hohem Kohlenstoffgehalt das kaltgewalzte Blech hohe Streckgrenzen, niedrige Dehnungen und niedrige r-Werte aufweist, und daß dementsprechend der Kohlenstoffgehalt auf max. 0,015 % zu begrenzen ist. In gleicher Weise wird in der DE-OS 32 34 574 darauf hingewiesen, daß die Menge des im Stahl gebildeten Titankarbides ansteigt, wenn Kohlenstoff in Mengen über 0,015 % enthalten ist, was zu einer beträcht­lichen Anhebung der Rekristallisationstemperatur der erhal­tenen Bänder führt, weshalb der Kohlenstoffgehalt auf höchstens 0,015 % zu begrenzen ist. Auch nach dem in der US-PS 36 07 456 beschriebenen Verfahren zur Herstellung eines Tiefziehstahles darf bei einem Titangehalt von 0,15 bis 0,30 % der Kohlen­stoffgehalt nicht höher als 0,020, vorzugsweise 0,010 % sein. Darüber hinaus darf der Schwefelgehalt dieses bekannten Tief­ziehstahles nicht höher als 0,030 % liegen.

    [0004] Ein Stahl mit ausgezeichneter Umformbarkeit ist nach der US-PS 3 522 110 nur dann herstellbar, wenn der Kohlenstoff­gehalt bei Ti-Gehalten von 0,02 bis 0,5 % auf max. 0,02 % C begrenzt wird. Zur Erreichung dieses Zieles wird eine Vakuum­entgasungsbehandlung vorgeschlagen. Des weiteren wird auch in der US-PS 1 192 794 eine Begrenzung des Kohlenstoffge­haltes aof 0,02 % unter Anwendung einer Vakuumentgasung ge­fordert.

    [0005] Auch in der US 3 138 078 muß bei einem Stahl mit 0,05 bis 0,20 % Titan der Kohlenstoffgehalt mittels Vakuumentgasung auf weniger als 0,02 % eingestellt werden und ist darüber hinaus der Schwefelgehalt auf weniger als 0,02 % zu begrenzen.

    [0006] Zusammenfassend ist dem Stand der Technik zu entnehmen, daß zur Erzielung der gewünschten, hervorragenden Umformeigen­schaften, nämlich insbesondere

    - eines hohen Wertes der senkrechten Anisotropie
    - eines hohen Wertes des Verfestigungsexponenten
    - einer niedrigen Dehngrenze und
    - hoher Bruchdehnungswerte

    des Stahles sehr niedrige Kohlenstoffgehalte vorausgesetzt werden und Schwefel als schädlich für diese Eigenschaften angesehen wird. Zur Erzielung der gewünschten niedrigen Kohlenstoffgehalte wird daher nach dem Stand der Technik vorzugsweise eine Vakuumentgasung vorgesehen, was einer­seits den Herstellungsaufwand erhöht, und andererseits nicht alle Stahlhersteller über eine entsprechend große Vakuum-­Behandlungskapazität verfügen. Die Absenkung des Schwefel­gehaltes macht darüber hinaus besondere Entschwefelungsver­fahren erforderlich, wodurch ebenfalls der Herstellungsauf­wand erhöht wird.

    [0007] Ausgehend von dem dargestellten Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, einen Stahl als Werk­stoff für alterungsfreie Bleche mit hervorragender Kalt­umformbarkeit anzugeben, der nichts desto weniger ohne erhöhten Aufwand, d. h. insbesondere ohne Anwendung eines Vakuumentgasungsverfahrens herstellbar ist.

    [0008] Zur Lösung dieser Aufgabe wird ein Stahl vorgeschlagen, der eine chemische Zusammensetzung von

    bis 0,4 % zur vollständigen Abbindung der im flüssigen Stahl enthaltenen Elemente Stickstoff, Schwefel und Kohlen­stoff,

    Rest Eisen und erschmelzungsbedingte Verunreinigungen

    aufweist und im geglühten, nicht dressierten Zustand eine Streckgrenze von weniger als 150 N/mm², einen Kennwert der senkrechten Anisotropie (rm) von mehr als 1,7, eine Bruchdeh­nung (A₈₀) von mehr als 38 % und einen mittleren Verfesti­gungsexponenten (nm) von mehr als 0,22 aufweist. Weitere bevorzugte Ausführungsformen ergeben sich aus den Unteran­sprüchen sowie den nachfolgenden Ausführungsbeispielen.

    [0009] Der Vorteil der erfindungsgemäß vorgeschlagenen Verwendung ist insbesondere darin zu sehen, daß der erfindungsgemäße Stahl mehr Kohlenstoff enthält als nach dem Stand der Technik vor­ausgesetzt und z. B. für einen hervorragend kaltverformbaren Stahl zugelassen wird, so daß auf einen aufwendigen Verfahrens­schritt bei der Herstellung von alterungsfreien Blechen mit hervorragender Kaltumformbarkeit, insbesondere auf die An­wendung einer Vakuumbehandlung zur Kohlenstoffreduzierung verzichtet werden kann. Darüber hinaus enthält der Stahl erfindungsgemäß einen erhöhten Schwefelgehalt, so daß in gleicher Weise auf eine aufwendige Entschwefelungsbehandlung verzichtet werden kann. Durch die Kombination des erhöhten Kohlenstoffgehaltes mit einem erhöhten Schwefelgehalt in Verbindung mit dem vorgeschlagenen Titangehalt werden schließlich mechanische Eigenschaftswerte des vorgeschlagenen Stahles erzielt, die ihn in besonderer Weise für den vorge­schlagenen Verwendungszweck geeignet machen.

    [0010] Die erfindungsgemäße Verwendung des vorgeschlagenen Stahles ist nachfolgend im Vergleich mit einem Stahl gemäß dem Stand der Technik näher erläutert.

    [0011] Es wurden die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Stähle 1 bis 6 in einem Sauerstoffblasverfahren geschmolzen und im Strang zu Brammen gegossen. Die Brammen wurden er­wärmt und in einer Warmbandstraße zu Warmband ausgewalzt, aufgehaspelt, gebeizt, kaltgewalzt und im Labor geglüht, jedoch nicht dressiert. Die Stähle 7 bis 14 wurden im Labor erschmolzen, gewalzt, geglüht und ebenfalls nicht dressiert.

    [0012] Bekannterweise ändern sich allgemein die Werte durch das Dressieren, welches auch bei IF-Stählen zur Verbesserung der Planheit und zur Übertragung der Rauheit mit Dressiergraden unter 1 % angewendet wird. Geglüht wurden die Stähle 1 bis 3 kontinuierlich in einem Durchlaufglühofen und die Stähle 4 bis 6 diskontinuierlich im Haubenofen.

    [0013] Im einzelnen sind die Werte der chemischen Zusammensetzung und der mechanischen Eigenschaften in der Tabelle 1 zusammen­gefaßt.

    [0014] Wie aus der Diagrammdarstellung in Fig. 1 hervorgeht, weist der Stahl 1 - mit niedrigem C-Gehalt und S-Gehalt nach dem Stand der Technik - mechanische Eigenschaften - gemessen im Zugversuch - auf, die für eine hervorragende Kaltumformbar­keit sprechen, d. h. die Dehngrenze (Rpo.2) und das Streck­grenzverhältnis (Rpo.2/Rm) sind niedrig, während die Bruchdeh­nung (A₈₀) der Verfestigungsexponenten (nm) und der Kennwert der senkrechten Anisotropie (rm) hoch sind.

    [0015] Der Stahl 2 weist einen erhöhten Kohlenstoff - mit 0,025 % bei immer noch verhältnismäßig niedrigem S-Gehalt von 0,14 % auf. Ein solcher erhöhter C-Gehalt ergibt sich bei der Stahlher­stellung nach dem Sauerstoffblasverfahren ohne Anwendung einer zusätzlichen Vakuumbehandlung. Die Eigenschaften des Stahles 2 sind gegenüber dem Stahl 1 - wie im Stand der Technik festge­stellt - deutlich verschlechtert, und zwar mit einer Zugfestig­keit von 341 N/mm², einer Drehgrenze von 150 N/mm², einem Streckgrenzenverhältnis von 0,44, einer Bruchdehnung A₈₀ von 34 %, einem mittl. Verfestigungsexponenten von 0,228 und einem Kennwert der senkrechten mittl. Anisotropie von 1,7.

    [0016] Der Stahl 3 weist gemäß der Erfindung bei einem auf 0,025 % erhöhten C-Gehalt, wie er sich ohne Anwendung einer Vakuumbe­handlung ergibt, einen ebenfalls gezielt erhöhten S-Gehalt von 0,028 % auf. Die mechanischen Eigenschaften dieses erfindungs­gemäßen, nicht vakuumbehandelten Stahles 3 sind, wie sich aus Fig. 1 ergibt, hervorragend und mit denen des vakuumbehandelten Stahles 1 vergleichbar. Das Gefüge des erfindungsgemäßen Stahles besteht aus Ferrit mit einer für einen Tiefziehstahl typischen Korngröße von rd. 15 µm und gleicht damit dem Gefüge des Stahles 1 nach dem Stand der Technik.

    [0017] Die Stähle 4 bis 6 wurden diskontinuierlich einer Haubenglühung unterworfen. Das Verhalten dieser Stähle bezüglich der mecha­nischen Eigenschaften ist sehr ähnlich wie der Stähle 1 bis 3. Die mechanischen Eigenschaften des Stahles 4 mit dem nach bis­herigem Erkenntnisstand erforderlichen niedrigen C-Gehalt sind hervorragend.

    [0018] Der Stahl 5 mit einem auf 0,018 % erhöhten C-Gehalt infolge der Einsparung einer Vakuumbehandlung zeigt, wie in Fig. 2 dargestellt, deutlich verschlechterte mechanische Eigen­schaften mit einer Zugfestigkeit von 330 N/mm², einer Dehngrenze Rpo.2 von 136 N/mm², einem Streckgrenzenverhältnis von 0,41, einer Bruchdehnung A₈₀ von 38 %, einem mittleren Verfestigungs­exponenten nm von 0,239 und einem Kennwert der senkrechten Anisotropie rm von 1,70 auf. Der erfingungsgemäße Stahl 6 weist infolge der Einsparung einer Vakuumbehandlung einen auf 0,023 % erhöhten C-Gehalt und den gezielt erhöhten Schwefelge­halt von 0,028 % nach der Erfindung auf. Die hervorragenden Eigenschaften sind mit denen des vakuumbehandelten Stahles 4 vergleichbar.

    [0019] In Fig. 3 ist die Wirkung des zunehmenden Gehaltes an Schwefel bei einem unterschiedlichem Niveau an Kohlenstoff auf die mechanischen Eigenschaften anhand der Stähle 7 bis 14 darge­stellt. Aus der graphischen Darstellung ist deutlich ersicht­lich, daß bei einer Erhöhung des Kohlenstoffgehaltes von 0,005 über 0,015 auf 0,022 %, z. B. durch eine Einsparung einer Vakuumbehandlung, bei niedrigem Schwefelgehalt, z. B. wie nach dem heutigen Stand der Technik üblich unter 0,02 % S, die Eigenschaften des Tiefziehstahles deutlich verschlechtert werden. Erst durch die erfindungsgemäße, gezielte Erhöhung des Schwefelgehaltes auf Werte oberhalb von 0,02 % sind bei einem auf mehr als 0,015 % erhöhten Kohlenstoffgehalt Eigenschafts­verbesserungen zu erzielen, die zu den gewünschten Werten her­vorragender Kaltumformbarkeit führen.


    Ansprüche

    1. Verwendung eines kaltgewalzten Bandstahles, der eine chemische Zusammensetzung von

    bis 0,4 % zur vollständigen Abbindung der im flüssigen Stahl enthaltenen Elemente Stickstoff, Schwefel und Kohlenstoff,

    Rest Eisen und erschmelzungsbedingte Verunreini­gungen

    aufweist und im geglühten, nicht dressierten Zustand eine Streckgrenze von weniger als 150 N/mm², einen Kennwert der senkrechten Anisotropie (rm) von mehr als 1,7, eine Bruch­dehnung (A₈₀) von mehr als 38 % und einen mittleren Ver­festigungsexponenten (nm) von mehr als 0,22 aufweist, als Werkstoff für alterungsfreie Bleche mit hervorragender Kalt­umformbarkeit.
     
    2. Verwendung eines Stahles nach Anspruch 1 mit einem Kohlen­stoffgehalt von 0,020 bis 0,040 % für den Zweck nach An­spruch 1.
     
    3. Verwendung eines Stahles nach Anspruch 1 mit einem Schwefel­gehalt von 0,03 bis 0,05 % für den Zweck nach Anspruch 1.
     
    4. Verwendung eines Stahles nach Anspruch 1 mit einem Schwefel­gehalt von (

    % C) bis 0,05 % für den Zweck nach Anspruch 1.
     
    5. Verwendung eines Stahles nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei der Stahl nach dem Kaltwalzen kontinuierlich geglüht wird.
     
    6. Verwendung eines Stahles nach einem der Ansprüche 1 bis 5, wobei der kaltgewalzte und kontinuierlich geglühte Stahl unmittelbar anschließend in einem Schmelzbad metallisch beschichtet wird.
     
    7. Verwendung eines Stahles nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei der Stahl nach dem Kaltwalzen nach dem Haubenglühver­fahren geglüht wird.
     




    Zeichnung