[0001] Die Erfindung betrifft die Verwendung eines kaltgewalzten Bandstahles als Werkstoff
für alterungsfreie Bleche mit hervorragender Kaltumformbarkeit.
[0002] Zur Erzielung besonders guter mechan. Eigenschaften, insbesondere eines hohen Wertes
der senkrechten Anisotropie r
m für Tiefziehbeanspruchungen und eines hohen Verfestigungsexponenten n
m bei Streckziehvorgängen von kaltgewalztem Bandstahl wurden die sog. IF - (= interstitial
free) - Stähle entwickelt, vgl. ʺWerkstoffkunde der gebräuchlichen Stähleʺ, Teil
1, S. 253, Verlag Stahleisen l977. In diesen sind die störenden Elemente C und N durch
einen Zusatz von Titan oder Niob stabil abgebunden.
[0003] Im einzelnen ist aus der EP-PS 120 976 ein Ti-haltiger Tiefziehstahl bekannt, der
sehr niedrige Kohlenstoffgehalte (0,004 %) aufweist, weil bei hohem Kohlenstoffgehalt
das kaltgewalzte Blech hohe Streckgrenzen, niedrige Dehnungen und niedrige r-Werte
aufweist, und daß dementsprechend der Kohlenstoffgehalt auf max. 0,015 % zu begrenzen
ist. In gleicher Weise wird in der DE-OS 32 34 574 darauf hingewiesen, daß die Menge
des im Stahl gebildeten Titankarbides ansteigt, wenn Kohlenstoff in Mengen über 0,015
% enthalten ist, was zu einer beträchtlichen Anhebung der Rekristallisationstemperatur
der erhaltenen Bänder führt, weshalb der Kohlenstoffgehalt auf höchstens 0,015 %
zu begrenzen ist. Auch nach dem in der US-PS 36 07 456 beschriebenen Verfahren zur
Herstellung eines Tiefziehstahles darf bei einem Titangehalt von 0,15 bis 0,30 % der
Kohlenstoffgehalt nicht höher als 0,020, vorzugsweise 0,010 % sein. Darüber hinaus
darf der Schwefelgehalt dieses bekannten Tiefziehstahles nicht höher als 0,030 %
liegen.
[0004] Ein Stahl mit ausgezeichneter Umformbarkeit ist nach der US-PS 3 522 110 nur dann
herstellbar, wenn der Kohlenstoffgehalt bei Ti-Gehalten von 0,02 bis 0,5 % auf max.
0,02 % C begrenzt wird. Zur Erreichung dieses Zieles wird eine Vakuumentgasungsbehandlung
vorgeschlagen. Des weiteren wird auch in der US-PS 1 192 794 eine Begrenzung des Kohlenstoffgehaltes
aof 0,02 % unter Anwendung einer Vakuumentgasung gefordert.
[0005] Auch in der US 3 138 078 muß bei einem Stahl mit 0,05 bis 0,20 % Titan der Kohlenstoffgehalt
mittels Vakuumentgasung auf weniger als 0,02 % eingestellt werden und ist darüber
hinaus der Schwefelgehalt auf weniger als 0,02 % zu begrenzen.
[0006] Zusammenfassend ist dem Stand der Technik zu entnehmen, daß zur Erzielung der gewünschten,
hervorragenden Umformeigenschaften, nämlich insbesondere
- eines hohen Wertes der senkrechten Anisotropie
- eines hohen Wertes des Verfestigungsexponenten
- einer niedrigen Dehngrenze und
- hoher Bruchdehnungswerte
des Stahles sehr niedrige Kohlenstoffgehalte vorausgesetzt werden und Schwefel als
schädlich für diese Eigenschaften angesehen wird. Zur Erzielung der gewünschten niedrigen
Kohlenstoffgehalte wird daher nach dem Stand der Technik vorzugsweise eine Vakuumentgasung
vorgesehen, was einerseits den Herstellungsaufwand erhöht, und andererseits nicht
alle Stahlhersteller über eine entsprechend große Vakuum-Behandlungskapazität verfügen.
Die Absenkung des Schwefelgehaltes macht darüber hinaus besondere Entschwefelungsverfahren
erforderlich, wodurch ebenfalls der Herstellungsaufwand erhöht wird.
[0007] Ausgehend von dem dargestellten Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe
zugrunde, einen Stahl als Werkstoff für alterungsfreie Bleche mit hervorragender
Kaltumformbarkeit anzugeben, der nichts desto weniger ohne erhöhten Aufwand, d. h.
insbesondere ohne Anwendung eines Vakuumentgasungsverfahrens herstellbar ist.
[0008] Zur Lösung dieser Aufgabe wird ein Stahl vorgeschlagen, der eine chemische Zusammensetzung
von

bis 0,4 % zur vollständigen Abbindung der im flüssigen Stahl enthaltenen Elemente
Stickstoff, Schwefel und Kohlenstoff,
Rest Eisen und erschmelzungsbedingte Verunreinigungen
aufweist und im geglühten, nicht dressierten Zustand eine Streckgrenze von weniger
als 150 N/mm², einen Kennwert der senkrechten Anisotropie (r
m) von mehr als 1,7, eine Bruchdehnung (A₈₀) von mehr als 38 % und einen mittleren
Verfestigungsexponenten (n
m) von mehr als 0,22 aufweist. Weitere bevorzugte Ausführungsformen ergeben sich aus
den Unteransprüchen sowie den nachfolgenden Ausführungsbeispielen.
[0009] Der Vorteil der erfindungsgemäß vorgeschlagenen Verwendung ist insbesondere darin
zu sehen, daß der erfindungsgemäße Stahl mehr Kohlenstoff enthält als nach dem Stand
der Technik vorausgesetzt und z. B. für einen hervorragend kaltverformbaren Stahl
zugelassen wird, so daß auf einen aufwendigen Verfahrensschritt bei der Herstellung
von alterungsfreien Blechen mit hervorragender Kaltumformbarkeit, insbesondere auf
die Anwendung einer Vakuumbehandlung zur Kohlenstoffreduzierung verzichtet werden
kann. Darüber hinaus enthält der Stahl erfindungsgemäß einen erhöhten Schwefelgehalt,
so daß in gleicher Weise auf eine aufwendige Entschwefelungsbehandlung verzichtet
werden kann. Durch die Kombination des erhöhten Kohlenstoffgehaltes mit einem erhöhten
Schwefelgehalt in Verbindung mit dem vorgeschlagenen Titangehalt werden schließlich
mechanische Eigenschaftswerte des vorgeschlagenen Stahles erzielt, die ihn in besonderer
Weise für den vorgeschlagenen Verwendungszweck geeignet machen.
[0010] Die erfindungsgemäße Verwendung des vorgeschlagenen Stahles ist nachfolgend im Vergleich
mit einem Stahl gemäß dem Stand der Technik näher erläutert.
[0011] Es wurden die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Stähle 1 bis 6 in einem Sauerstoffblasverfahren
geschmolzen und im Strang zu Brammen gegossen. Die Brammen wurden erwärmt und in
einer Warmbandstraße zu Warmband ausgewalzt, aufgehaspelt, gebeizt, kaltgewalzt und
im Labor geglüht, jedoch nicht dressiert. Die Stähle 7 bis 14 wurden im Labor erschmolzen,
gewalzt, geglüht und ebenfalls nicht dressiert.
[0012] Bekannterweise ändern sich allgemein die Werte durch das Dressieren, welches auch
bei IF-Stählen zur Verbesserung der Planheit und zur Übertragung der Rauheit mit Dressiergraden
unter 1 % angewendet wird. Geglüht wurden die Stähle 1 bis 3 kontinuierlich in einem
Durchlaufglühofen und die Stähle 4 bis 6 diskontinuierlich im Haubenofen.
[0013] Im einzelnen sind die Werte der chemischen Zusammensetzung und der mechanischen Eigenschaften
in der Tabelle 1 zusammengefaßt.
[0014] Wie aus der Diagrammdarstellung in Fig. 1 hervorgeht, weist der Stahl 1 - mit niedrigem
C-Gehalt und S-Gehalt nach dem Stand der Technik - mechanische Eigenschaften - gemessen
im Zugversuch - auf, die für eine hervorragende Kaltumformbarkeit sprechen, d. h.
die Dehngrenze (R
po.2) und das Streckgrenzverhältnis (R
po.2/R
m) sind niedrig, während die Bruchdehnung (A₈₀) der Verfestigungsexponenten (n
m) und der Kennwert der senkrechten Anisotropie (r
m) hoch sind.
[0015] Der Stahl 2 weist einen erhöhten Kohlenstoff - mit 0,025 % bei immer noch verhältnismäßig
niedrigem S-Gehalt von 0,14 % auf. Ein solcher erhöhter C-Gehalt ergibt sich bei der
Stahlherstellung nach dem Sauerstoffblasverfahren ohne Anwendung einer zusätzlichen
Vakuumbehandlung. Die Eigenschaften des Stahles 2 sind gegenüber dem Stahl 1 - wie
im Stand der Technik festgestellt - deutlich verschlechtert, und zwar mit einer Zugfestigkeit
von 341 N/mm², einer Drehgrenze von 150 N/mm², einem Streckgrenzenverhältnis von 0,44,
einer Bruchdehnung A₈₀ von 34 %, einem mittl. Verfestigungsexponenten von 0,228 und
einem Kennwert der senkrechten mittl. Anisotropie von 1,7.
[0016] Der Stahl 3 weist gemäß der Erfindung bei einem auf 0,025 % erhöhten C-Gehalt, wie
er sich ohne Anwendung einer Vakuumbehandlung ergibt, einen ebenfalls gezielt erhöhten
S-Gehalt von 0,028 % auf. Die mechanischen Eigenschaften dieses erfindungsgemäßen,
nicht vakuumbehandelten Stahles 3 sind, wie sich aus Fig. 1 ergibt, hervorragend und
mit denen des vakuumbehandelten Stahles 1 vergleichbar. Das Gefüge des erfindungsgemäßen
Stahles besteht aus Ferrit mit einer für einen Tiefziehstahl typischen Korngröße von
rd. 15 µm und gleicht damit dem Gefüge des Stahles 1 nach dem Stand der Technik.
[0017] Die Stähle 4 bis 6 wurden diskontinuierlich einer Haubenglühung unterworfen. Das
Verhalten dieser Stähle bezüglich der mechanischen Eigenschaften ist sehr ähnlich
wie der Stähle 1 bis 3. Die mechanischen Eigenschaften des Stahles 4 mit dem nach
bisherigem Erkenntnisstand erforderlichen niedrigen C-Gehalt sind hervorragend.
[0018] Der Stahl 5 mit einem auf 0,018 % erhöhten C-Gehalt infolge der Einsparung einer
Vakuumbehandlung zeigt, wie in Fig. 2 dargestellt, deutlich verschlechterte mechanische
Eigenschaften mit einer Zugfestigkeit von 330 N/mm², einer Dehngrenze R
po.2 von 136 N/mm², einem Streckgrenzenverhältnis von 0,41, einer Bruchdehnung A₈₀ von
38 %, einem mittleren Verfestigungsexponenten n
m von 0,239 und einem Kennwert der senkrechten Anisotropie r
m von 1,70 auf. Der erfingungsgemäße Stahl 6 weist infolge der Einsparung einer Vakuumbehandlung
einen auf 0,023 % erhöhten C-Gehalt und den gezielt erhöhten Schwefelgehalt von 0,028
% nach der Erfindung auf. Die hervorragenden Eigenschaften sind mit denen des vakuumbehandelten
Stahles 4 vergleichbar.
[0019] In Fig. 3 ist die Wirkung des zunehmenden Gehaltes an Schwefel bei einem unterschiedlichem
Niveau an Kohlenstoff auf die mechanischen Eigenschaften anhand der Stähle 7 bis 14
dargestellt. Aus der graphischen Darstellung ist deutlich ersichtlich, daß bei einer
Erhöhung des Kohlenstoffgehaltes von 0,005 über 0,015 auf 0,022 %, z. B. durch eine
Einsparung einer Vakuumbehandlung, bei niedrigem Schwefelgehalt, z. B. wie nach dem
heutigen Stand der Technik üblich unter 0,02 % S, die Eigenschaften des Tiefziehstahles
deutlich verschlechtert werden. Erst durch die erfindungsgemäße, gezielte Erhöhung
des Schwefelgehaltes auf Werte oberhalb von 0,02 % sind bei einem auf mehr als 0,015
% erhöhten Kohlenstoffgehalt Eigenschaftsverbesserungen zu erzielen, die zu den gewünschten
Werten hervorragender Kaltumformbarkeit führen.
1. Verwendung eines kaltgewalzten Bandstahles, der eine chemische Zusammensetzung
von

bis 0,4 % zur vollständigen Abbindung der im flüssigen Stahl enthaltenen Elemente
Stickstoff, Schwefel und Kohlenstoff,
Rest Eisen und erschmelzungsbedingte Verunreinigungen
aufweist und im geglühten, nicht dressierten Zustand eine Streckgrenze von weniger
als 150 N/mm², einen Kennwert der senkrechten Anisotropie (r
m) von mehr als 1,7, eine Bruchdehnung (A₈₀) von mehr als 38 % und einen mittleren
Verfestigungsexponenten (n
m) von mehr als 0,22 aufweist, als Werkstoff für alterungsfreie Bleche mit hervorragender
Kaltumformbarkeit.
2. Verwendung eines Stahles nach Anspruch 1 mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,020
bis 0,040 % für den Zweck nach Anspruch 1.
3. Verwendung eines Stahles nach Anspruch 1 mit einem Schwefelgehalt von 0,03 bis
0,05 % für den Zweck nach Anspruch 1.
4. Verwendung eines Stahles nach Anspruch 1 mit einem Schwefelgehalt von (

% C) bis 0,05 % für den Zweck nach Anspruch 1.
5. Verwendung eines Stahles nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei der Stahl nach
dem Kaltwalzen kontinuierlich geglüht wird.
6. Verwendung eines Stahles nach einem der Ansprüche 1 bis 5, wobei der kaltgewalzte
und kontinuierlich geglühte Stahl unmittelbar anschließend in einem Schmelzbad metallisch
beschichtet wird.
7. Verwendung eines Stahles nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei der Stahl nach
dem Kaltwalzen nach dem Haubenglühverfahren geglüht wird.