[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Kohlenstoffaser-Vorprodukts
aus Steinkohlenteerpech und die daraus nach an sich bekannten Verfahren hergestellten
Kohlenstoffasern.
[0002] Nach dem Stand der Technik werden die meisten Kohlenstoffasern durch Carbonisieren
und Graphitieren von Fasern aus Polyacrylnitril hergestellt. Diese Kohlenstoffasern
haben eine hohe Festigkeit und einen hohen Elastizitätsmodul. Ein Nachteil ist jedoch,
daß das Ausgangsprodukt teuer ist und die Carbonisierungsausbeute gering ist.
Es hat daher nicht an Versuchen gefehlt, andere Einsatzprodukte mit hohem Verkokungsrückstand
auf ihre Verwendbarkeit für die Herstellung von Kohlenstoffasern zu untersuchen. Es
wurden vor allem kohle- und mineralölstämmige Peche vorgeschlagen, die für die Herstellung
hochanisotroper Kokse bekannt sind.
[0003] Die Spinntemperaturen liegen etwa 60 bis 130 °C über dem Erweichungspunkt des verwendeten
Pechs. Bei hohen Spinntemperaturen tritt bereits eine Zersetzung des Pechs auf, wobei
das Pech zumindest teilweise in die Halbkoksstufe übergeht und erhebliche Gasmengen
entstehen. Dies stört den Spinnprozeß. Es entstehen häufige Fadenbrüche, die ein kontinuierliches
Verspinnen unmöglich machen. Um dies zu vermeiden sind Peche mit möglichst niedrigem
Erweichungspunkt erforderlich. Solche Peche haben einen geringen Gehalt an in Chinolin
oder Pyridin unlöslichen Bestandteilen. Ihr mittleres Molekulargewicht ist verhältnismäßig
gering bei einer breiten Molekulargewichtsverteilung. Dadurch wird der Verfahrensschritt,
um die Pechfaser vor der Carbonisierung unschmelzbar zu machen, schwieriger.
In der DE-OS 35 09 861 wird ein Verfahren zur Herstellung geeigneter Kohlenstoffaser-Vorprodukte
aus aromatischen, mineralölstämmigen Rückstandsölen beschrieben. Nach dem Abdestillieren
der Leichtöle wird der Rückstand einer zweistufigen Wärmebehandlung unter Drücken
von 0,13 bis 65 mbar in einem Fallfilmverdampfer unterworfen. Die Temperaturen, insbesondere
bei der zweiten Behandlungsstufe, liegen mit 450 bis 500 °C so hoch, daß die partielle
Ausbildung von Koksstrukturen nicht verhindert werden kann. Dies gilt insbesondere
bei der Verwendung von Dünnschichtverdampfern mit rotierenden Einbauten, die von den
Pechen benetzt werden, so daß die Verweilzeiten eines Teiles des Einsatzpechs unkontrollierbar
werden. Wegen der unterschiedlichen Reaktivität der Peche und der Notwendigkeit, die
nicht in anisotropes Pech umgewandelten Pechbestandteile aus dem Kohlenstoffaser-Vorprodukt
entfernen zu müssen, sind die bekannten Verfahren sehr aufwendig und oft nur unter
Laborbedingungen durchführbar.
[0004] Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Pechmaterial für die Kohlenstoffaser-Herstellung
zu erzeugen, das eine ausgezeichnete Verspinnbarkeit besitzt, das in kurzer Zeit unschmelzbar
gemacht werden kann, und aus dem Kohlenstoffasern hoher Festigkeit bei hohem Elastizitätsmodul
hergestellt werden können, wobei die geschilderten Nachteile und Probleme bei der
Herstellung des Pechmaterials nicht auftreten.
[0005] Die Aufgabe wird dadurch gelöst, daß ein Steinkohlenteerpech durch Extraktion bei
erhöhter Temperatur und erhöhtem Druck in einem überkritischen Gas in Gegenwart eines
Schleppmittels mit Ausnahme der in Chinolin unlöslichen Bestandteile gelöst wird,
durch Absenken des Druckes oder/und Temperaturerhöhung die in Chinolin lösliche Fraktion
oder/und die in Toluol lösliche Fraktion abgeschieden werden, eine dieser Fraktionen
oder ein Gemisch aus beiden Fraktionen bei 380 bis 450 °C unter Inertgas oder einem
nicht-oxidierenden Gas unter Atmosphärendruck thermisch behandelt wird, bis daß 40
bis 65 Vol.-% in Mesophasen umgewandelt sind, und daß das isotrope Pech durch Extrahieren
des Mesophasen enthaltenden Pechs mit einem überkritischen Gas unter Verwendung eines
Schleppmittels abgetrennt wird, um ein anisotropes Pech mit einem Mesophasengehalt
von mindestens 75 Vol.-%, einem Gehalt an Pyridinunlöslichem von 20 bis 50 Gew.-%,
einem mittleren Molekulargewicht zwischen 900 und 1200 und einem Schmelzpunkt von
330 bis 360 °C zu erhalten.
[0006] Als überkritisches Gas können folgende Verbindungen oder ihre Gemische verwendet
werden: ein aliphatischer Kohlenwasserstoff, vorzugsweise mit 2 bis 5 Kohlenstoffatomen
und ein halogenhaltiger Kohlenwasserstoff mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen.
[0007] Geeignete Schleppmittel sind ein- oder mehrkernige Kohlenwasserstoffe, die gegebenenfalls
mit Alkylgruppen, insbesondere mit 1 bis 2 Kohlenstoffatomen oder einer Aminogruppe,
substituiert sind und sowohl aromatisch als auch ganz oder teilweise hydriert sein
können, ein- oder zweikernige heterocyclische Verbindungen, Alkylester aromatischer
Säuren mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen in der Alkoholkomponente oder deren Gemisch.
[0008] Die Extraktionsstufen werden bei Temperaturen zwischen 80 und 300 °C, vorzugsweise
zwischen 120 und 250 °C, bei Drücken von 80 bis 300 bar, vorzugsweise von 150 bis
250 bar, durchgeführt.
[0009] Das erhaltene Kohlenstoffaser-Vorprodukt wird mittels eines Doppelwellen-Schneckenextruders
mit einer Spinndüsenplatte, deren Lochdurchmesser 0,2 bis 0,4 mm beträgt, bei einer
Temperatur von 10 bis 50 K oberhalb des Schmelzpunktes, mit einer Abzugsgeschwindigkeit
zwischen 500 und 1200 m/min, vorzugsweise 800 bis 1000 m/min, versponnen. Die Pechfasern
werden in einem sauerstoffhaltigen Gas wie beispielsweise Luft mit einer Aufheizrate
von 15 bis 30 K/min von 250 auf 350 °C erhitzt und die Endtemperatur mindestens 3
min gehalten. Die so unschmelzbar gemachten Pechfasern werden in einem Inertgasstrom
10 bis 20 min bei 1300 bis 1700 °C carbonisiert und gegebenenfalls anschließend bei
2000 bis 2500 °C graphitiert.
[0010] Die Temperaturen für die thermische Behandlung sind einerseits hoch genug, um eine
ausreichende Reaktionsgeschwindigkeit zu gewährleisten, andererseits aber so niedrig,
daß sich keine zur Verfestigung neigende Bulkmesophase bildet. Die nachfolgende Extraktionsstufe
zur Abtrennung eines überwiegenden Teils des isotropen Pechmaterials findet ebenfalls
bei so niedrigen Temperaturen statt, bei denen sich die Pechmesophase nicht verändert.
Da die Mesophasen nur aus plastisch leicht verformbaren Sphärulen bestehen, die erst
durch die Scherkräfte im Extruder zusammenfließen, kann die Differenz zwischen Schmelztemperatur
und Spinntemperatur auf 10 bis 50 K gesenkt werden, ohne daß dabei die Abzugsgeschwindigkeit
vermindert werden muß.
[0011] Die Erfindung wird anhand der nachfolgenden Beispiele näher erläutert, ohne darauf
beschränkt zu sein.
Beispiel 1
[0012] 100 Gew.-Teile Normalpech mit einem Gehalt an Aschebildnern von 0,23 Gew.-%, einem
Gehalt an Chinolinunlöslichem (QI) von 5,8 Gew.-%, einem Gehalt an Toluolunlöslichem
(TI) von 22,8 Gew.-% und einem Erweichungspunkt (EP) von 70 °C nach Kraemer-Sarnow
(K.-S.) werden in einen Rührautoklaven gegeben, der auf 150 °C aufgeheizt ist. Sodann
wird bei einem Druck von 180 bar ein Gemisch aus 30 Gew.-% Propan und 70 Gew.-% Toluol
als Extraktions- bzw. Schleppmittel unter Rühren durch den Autoklaven geleitet. Das
unter diesen Bedingungen überkritische Extraktionsmittel löst bis zu einer Konzentration
von 13 Gew.-% Pech auf und transportiert es aus dem Autoklaven heraus. Das mit Pech
beladenen Extraktionsmittel wird in zwei aufeinander folgende Regenerierautoklaven
übergeführt und stufenweise bis auf einen Druck von 50 bar entspannt. Die Temperatur
bei der Regenerierung beträgt 150 °C. Die bei der Entspannung wegen des Joule-Thomson-Effektes
eintretende Abkühlung wird durch Wärmezufuhr ausgeglichen. Das regenerierte Gemisch
aus Extraktions- und Schleppmittel wird im Kreislauf geführt. In dem Regenerierautoklaven
werden nach einer Extraktionszeit von 5 h folgende Pechfraktionen gewonnen:

[0013] Die Fraktion 2 wird bei 400 °C unter Stickstoff bei Normaldruck 1,5 Stunden lang
unter Rühren thermisch behandelt. Dabei entstehen 50 Vol.-% Mesophasensphärulen. Das
Mesophasenpech wird nach Abkühlen auf 150 °C bei einem Druck von 130 bar mit einem
Gemisch aus 30 Gew.-% Propan und 70 Gew.-% Toluol extrahiert. Dabei verbleibt als
Rückstand ein Pech mit einem Mesophasengehalt von 80 Vol.-%, einem Gehalt von Pyridinunlöslichem
(PI) von 32 Gew.-%, einem Schmelzpunkt von 342 °C und einem mittleren Molekulargewicht
von etwa 1000. Dieses Pech wird bei 370 °C über einen Extruder mit einer Spinndüsenplatte
mit einem Lochdurchmesser von 0,3 mm mit einer Abzugsgeschwindigkeit von 1000 m/min
versponnen. Die Pechfaser wird in Luft mit einer Aufheizrate von 20 K/min von 250
auf 350 °C erhitzt. Die Endtemperatur wird 5 min gehalten, um die Faser unschmelzbar
zu machen. Anschließend wird die Faser bei 1500 °C im Inertgasstrom 15 min carbonisiert.
Die Kohlenstoffaser mit einem Durchmesser von 9 µm hat eine Festigkeit von 2,47 kN/mm²,
einen Elastizitätsmodul von 158 kN/mm² und eine Bruchdehnung von 1,2 %.
Beispiel 2
[0014] 100 Gew.-Teile Normalpech (EP (K.-S.) = 72 °C, Aschebildner = 0,23 Gew.-%, QI = 5,8
Gew.-%, TI = 22,7 Gew.-%) werden in einen Rührautoklaven gegeben. Der Autoklav wird
auf eine Temperatur von 190 °C aufgeheizt. Bei einem Druck von 200 bar wurde ein Gemisch
aus 50 Gew.-% Waschbenzol und 50 Gew.-% Flüssiggas (LPG) als Extraktions- bzw. Schleppmittel
unter Rühren durch den Autoklaven geleitet. Während der Extraktionszeit von etwa 70
min beträgt die mittlere Beladung des Extraktionsmittels etwa 15 Gew.-%. Das mit Pech
beladene Extraktionsmittel wird in zwei aufeinander folgende Regenerierautoklaven
überführt und stufenweise auf einen Druck von 50 bar entspannt. Die Temperatur im
Regenerierautoklaven wird auf 190 °C gehalten. Das regenerierte Gemisch aus Waschbenzol
und LPG wird in den Rührautoklaven zurückgeführt. Es werden folgende Pechfraktionen
erhalten:

[0015] Die Fraktion 3 wird bei 430 °C unter Stickstoff bei Normaldruck eine Stunde lang
unter Rühren thermisch behandelt. Dabei entstehen 60 Vol.-% Mesophasensphärulen. Nach
Abkühlen auf 190 °C wird das Mesophasenpech bei einem Druck von 130 bar mit dem gleichen
Gemisch wie in der ersten Extraktionsstufe extrahiert. Dabei verbleibt als Rückstand
ein Pech mit einem Mesophasengehalt von 87 Vol.-% mit einem Gehalt an Pyridinunlöslichem
von 44 Gew.-%, einem Schmelzpunkt von 357 °C und einem mittleren Molekulargewicht
von etwa 1100. Dieses Pech wird, wie im Beispiel 1 beschrieben, bei 380 °C versponnen,
unschmelzbar gemacht und carbonisiert. Die Kohlenstoffaser mit einem Durchmesser von
7 µm hat eine Festigkeit von 2,58 kN/mm², einen Elastizitätsmodul von 153 kN/mm² und
eine Bruchdehnung von 1,0 %.
1. Verfahren zur Herstellung eines Kohlenstoffaser-Vorprodukts aus Steinkohlenteerpech,
dadurch gekennzeichnet, daß ein Steinkohlenteerpech durch Extraktion bei erhöhter Temperatur und erhöhtem
Druck in einem überkritischen Gas in Gegenwart eines Schleppmittels mit Ausnahme der
in Chinolin unlöslichen Bestandteile gelöst wird, durch Absenken des Drucks oder/und
Temperaturerhöhung die in Chinolin lösliche Fraktion oder/und die Toluol lösliche
Fraktion abgeschieden werden, eine dieser Fraktionen oder ein Gemisch aus beiden Fraktionen
bei 380 bis 450 °C unter Inertgas oder einem nicht-oxidierenden Gas unter Atmosphärendruck
thermisch behandelt wird, bis daß 40 bis 65 Vol.-% in Mesophasen umgewandelt sind,
und daß das isotrope Pech durch Extrahieren des Mesophasen enthaltenden Pechs mit
einem überkritischen Gas unter Verwendung eines Schleppmittels abgetrennt wird, um
ein anisotropes Pech mit einem Mesophasengehalt von mindestens 75 Vol.-%, einem Gehalt
an Pyridinunlöslichem von 20 bis 50 Gew.-%, einem mittleren Molekulargewicht von 900
bis 1200 und einem Schmelzpunkt von 330 bis 360 °C zu erhalten.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als überkritisches Gas eine der folgenden Verbindungen oder ihrer Gemische oberhalb
ihrer kritischen Temperatur und ihres kritischen Druckes verwendet wird: ein aliphatischer
Kohlenwasserstoff, vorzugsweise mit 2 bis 5 Kohlenstoffatomen, ein olefinischer Kohlenwasserstoff,
vorzugsweise mit 2 bis 5 Kohlenstoffatomen, ein halogenhaltiger Kohlenwasserstoff,
insbesondere mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als überkritisches Gas ein Flüssiggas (LPG) verwendet wird.
4. Verfahren nach Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß als Schleppmittel ein- oder mehrkernige Kohlenwasserstoffe, die gegebenenfalls
mit Alkylgruppen, insbesondere mit 1 bis 2 Kohlenwasserstoffatomen oder einer Aminogruppe
substituiert sind und sowohl aromatische als auch ganz oder teilweise hydriert sein
können, ein- oder zweikernige heterocyclische Verbindungen, insbesondere stickstoffhaltige
heterocyclische Verbindungen, bei denen ein Kern oder beide Kerne heterocyclisch sind,
Alkylester aromatischer Säuren mit vorzugsweise 1 bis 6 Kohlenstoffatomen in der Alkoholkomponente
oder deren Gemische verwendet werden.
5. Verfahren nach Anspruch 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß als Schleppmittel Waschbenzol verwendet wird.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß das Pech bei Temperaturen im Bereich von 80 °C bis 300 °C, vorzugsweise von
120 bis 250 °C, mit einem Gemisch aus einem überkritischen Gas und einem unterkritischen
Schleppmittel behandelt wird.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß das Pech bei Drücken im Bereich von 80 bis 300 bar, vorzugsweise 150 bis 250
bar mit einem Gemisch aus einem überkritischen Gas und einem unterkritischen Schleppmittel
behandelt wird.
8. Kohlenstoffaser, dadurch gekennzeichnet, daß sie aus dem nach den Ansprüchen 1 bis 7 erzeugten anisotropen Pech bei Spinntemperaturen
von 10 bis 50 K oberhalb der Schmelztemperatur des Pechs in an sich üblicher Weise
gesponnen, unschmelzbar gemacht, carbonisiert und gegebenenfalls graphitiert sind.