(19)
(11) EP 0 248 302 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
09.12.1987  Patentblatt  1987/50

(21) Anmeldenummer: 87107549.5

(22) Anmeldetag:  23.05.1987
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4F42B 8/14, B22F 9/04, C22C 33/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE ES FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 03.06.1986 DE 3618205

(71) Anmelder:
  • NWM de Kruithoorn B.V.
    NL-5216 JX 's-Hertogenbosch (NL)

    AT BE CH DE ES FR GB IT LI NL SE 
  • MANNESMANN Aktiengesellschaft
    D-40027 Düsseldorf (DE)

    DE SE 

(72) Erfinder:
  • Leemans, Johan Sipke
    NL-5242 KJ Rosmalen (NL)
  • Dorweiler, Heinz Josef
    D-5144 Wegberg (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Füllmittel für Zerfallgeschosse und Verfahren zu seiner Herstellung


    (57) Die Erfindung betrifft ein Füllmittel für Zerfallgeschosse bei Manöver-Munition und ein Verfahren zur Herstellung desselben.
    Derartige Zerfallgeschosse sollen auf zuverlässige Weise die folgende Sicherheitsbedingung erfüllen: Ein 40 m vor der Waffenrohrmündung von einem Rahmen aufgespanntgehaltenes Papier der Qualität 200 g/m2 darf von keinem der Stahl-pulverteilchen mehr perforiert werden. Dennoch sind bei Manövern Unfälle, insbesondere mit Augenverletzungen infolge Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes aufgetreten.
    Mit dem erfindungsgemäßen Füllmittel und/oder daraus verpreßten Preßkörpern wird der Gefahrenbereich vor der Rohrmündung ganz erheblich bis auf einen Abstand von ca. 10 m weiter verringert. Dies gelingt dadurch, daß das nach einer länger als 60 Minuten andauernden Schlagprall- und Scheuerbehandlung abgesiebte Stahlpulver eine staubfreie Kornfraktion unter 0,315 mm und eine Fülldichte zwischen etwa 3,9 und 4,6 g.cm-3 aufweist und derartig verpreßbar ist, daß die resultierende Dichte eines Preßkörpers zur Aufnahme in das Zerfall geschoß in Abhängigkeit von der Höhe und der Gestalt des Preßkörpers zwischen etwa 6,5 und 7,15 g.cm-3 liegt.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Füllmittel nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 und ein Verfahren zu seiner Herstellung.

    [0002] Ein gattungsgleiches Füllmittel ist bekannt aus der DE-PS 21 60 187 (US-PS 3,951,035). Es hat sich aus folgenden Gründen gut bewährt: Mit ihm wird auf zuverlässige Weise die gestellte primäre Sicherheitsbedingung erfüllt ( ein 40 m vor der Mündung des Waffenrohres von einem Rahmen aufgespannt gehaltenes Papier der Qualität 200 g/m2 darf von keinem der Stahl-Pulverteilchen mehr perforiert werden ); es ist ferner kostengünstig herstellbar und genügt den strengen Forderungen eines verantwortungsbewußten Umweltschutzes. Letzteres spielt angesichts der Tatsache eine wesentliche Rolle, daß ein Wiederaufsammeln des beim Beschuß zerstreuten Stahlpulvers nicht möglich ist und Manövergelände fast regelmäßig land- und/oder forstwirtschaftlich genutzt werden. Diese Nutzung wird keinesfalls beeinträchtigt, da das Stahlpulver sowohl für Weidevieh wie auch für Wild nicht nur unschädlich, sondern verträglich ist.

    [0003] Nun wurde bereits 1974 von Fällen berichtet, bei welchen durch das Füllmaterial von Zerfallgeschossen Augenverletzungen mit der Gefahr der Siderosis verursacht wurden. Seinerzeit wurde gefordert, bei Zerfallgeschössen das Füllmittel durch einen möglichst inaktiven Stoff zu ersetzen.

    [0004] Es hat nicht an Bemühungen gefehlt, diese Forderungen zu erfüllen. Ein positives Ergebnis wurde allerdings nicht erzielt, denn die betreffende Forderung darf nicht isoliert, sondern kann stets nur im Zusammenhang mit den bereits vorgenannten Bedingungen betrachtet werden. Und hierin lag der Grund, intensiv auch nach andersgearteten Lösungen zu suchen.

    [0005] Der Erfindung liegt folglich die Aufgabe zugrunde, ein gattungsgleiches Füllmittel und ein Verfahren zu dessen Herstellung zu schaffen, mit dem sich unter Beibehalten der intestinalen Verträglichkeit der Pulverteilchen deren räumlicher Gefahrenbereich wesentlich eingeschränkt bzw. verkleinert wird.

    [0006] Gelöst wird diese Aufgabe nach der Lehre des Patentanspruchs 1 mit den in dessen kennzeichnendem Teil angegebenen erfinderischen Merkmalen und der Lehre nach dem Verfahrenshauptanspruch.

    [0007] Hiernach wird überraschenderweise der einzuhaltende Sicherheitsabstand vor der Mündung des Waffenrohres beim Beschuß von Manövermunition mit Zerfallgeschossen unter Verwendung des Stahlpulvers nach der Erfindung (verglichen mit dem bekannten Füllmittel) ganz wesentlich, und zwar von 40 auf 10 m, verringert.

    [0008] Diese sprunghafte Verbesserung ist um so erstaunlicher, als bislang in Pulver die Anwesenheit von Körnern mit einer Größe unterhalb 0,15 mm für schädlich gehalten wurde. Hierzu wird verwiesen auf die DE-PS 12 82 866. Dort wird die genannte untere Grenze damit begründet, daß ihr Unterschreiten eine zu hohe Grünfestigkeit eines aus diesem Pulver hergestellten Preßkörpers zur Folge hat, welche das geforderte Zerlegeverhalten des aus dem Eisenpulver hergestellten Preßkörpers bis zur Unbrauchbarkeit beeinträchtigt. In der eingangs zitierten DE-PS 21 60 187 (US-PS 3,951,035) wird sogar eine untere Grenze der Korngröße von 0,2 mm, vorzugsweise 0,4 mm angegeben. Durch die Erfindung wird folglich nicht nur ein technisches Vorurteil überwunden, sondern auch eine besondere Wirtschaftlichkeit erzielt; denn bei den bekannten Verfahren kann nämlich der abgesiebte Unterkornanteil nur wieder in ein Schmelzaggregat eingesetzt werden. Hier stellt erfindungsgemäß dieser Kornanteil im Bereich unter 0,25 mm die gewünschte und bevorzugte Korngröße dar.

    [0009] Bei entsprechenden bekannten Zerfallgeschossen füllen rotationssymmetrische Preßkörper aus Eisenpulver eine Kunststoffhülle, deren Außenform wegen der Zu- und Einführbarkeit der Patrone möglichst weitgehend derjenigen eines scharfen Geschosses entsprechen soll.

    [0010] Hieraus wird deutlich, daß es in einem Zerfallgeschoß neben dem kreiszylindrischen Preßkörper auch einen weiteren Preßkörper geben muß, welcher der Ogivalform im Vorderbereich des Geschosses angepaßt ist. Außerdem wird auch loses Stahlpulver verwendet.

    [0011] Zum Herstellen des Stahlpulvers und der Preßkörper gemäß der Erfindung wird folgendermaßen verfahren:

    Ein Stahlpulver, welches durch Zerstäuben einer entsprechenden Stahlschmelze, nachfolgendes reduzierendes Weichglühen zwischen 900 0 und 1050 ° C erhalten wurde, wird in einer üblichen Hämmermühle für wenigstens 1 Stunde einer Schlagprall- und Scheuerbehandlung unterworfen.



    [0012] Bisher bekannte übliche Schlagprall- und Scheuerbehandlungen des Stahlpulvers in der Hammermühle dauern ca. 15 bis 30 Minuten.

    [0013] Durch die lang andauernde Schlagprall- und Scheuerbehandlung des Stahlpulvers gemäß der Erfindung erfolgt eine Verdichtung und Glättung der einzelnen Pulverkornoberflächen derart, daß sich die Körner auch nach Beaufschlagung mit hohen Preßdrücken von z. B. 820 MPa im Preßkörper nicht mit ihren Berührungsflächen aneinander verhaken (kein Verzahnen oder Verhaken von Oberflächenrauhigkeiten) oder Aneinanderhaften, so daß der bzw. die Preßkörper des Zerfallgeschosses ihre Formbeständigkeit teilweise bereits schon durch die drallbedingten Fliehkräfte im Rohr verlieren und sofort nach Verlassen des Rohres und Aufplatzen der Kunststoffhülle als Einzelkörner vorliegen und durch hohe Luftreibung bereits auf einer Strecke von kleiner 10 m vor der Rohrmündung unwirksam werden und zu Boden fallen.

    [0014] Nach der Schlagprall- und Scheuerbehandlung wird das Pulver auf eine Korngröße von kleiner 0,315 mm, vorzugsweise kleiner 0,25 mm abgesiebt bzw. eingestellt.

    [0015] Aus dem abgesiebten Stahlpulver des erfindungsgemäßen Kornspektrums werden mehrere z. B. fünf Prüf- bzw. Probepreßkörper erzeugt, die einer besonderen Trommelprüfung unterzogen werden, um festzustellen, ob das Stahlpulver die erfindungsgemäßen Bedingungen zur Verwendung als Füllmittel und/oder Preßkörper für Zerfallgeschosse erfüllt. Die Trommelprüfung der Probekörper mit einem Durchmesser von 20 mm, einer Dichte von 7,15 + 0,02 g/cm3 und einem Gewicht von 32,5 + 0,1 g erfolgt nach Stahl-Eisen-Prüfblatt 87-69, 1. Ausgabe Dezember 1969 mit modifizierter Prüfeinrichtung (die Wand der Drehtrommel ist als Sieb mit 1 mm-Maschenweite ausgebildet). Dabei wird gefordert, daß alle Bruchstücke des bzw. der Probekörper nach 200 bis 600 Umdrehungen, vorzugsweise etwa 400 Umdrehungen, vollständig zerfallen sind und die Trommel verlassen haben. Probekörper, die bereits nach z.B. 50 Umdrehungen zerfallen sind, haben keine ausreichende Montagefestigkeit, es besteht die Gefahr, daß sie schon bei Handhabung abreiben bzw. zerfallen. Sind die Probekörper nach z.B. 800 Trommelumdrehungen noch nicht zerfallen, besitzen sie eine zu hohe Festigkeit, und es besteht Gefahr beim Verschießen, daß das Zerfallgeschoß sich nicht innerhalb von 10 m vor der Rohrmündung zerlegt hat und Perforationen der Papierscheibe (200 g/m2) erfolgen. Ein derartiges Stahlpulver müßte dann durch Probebeschuß im praktischen Versuch auf eine noch brauchbare Verwendbarkeit überprüft werden. Wenn die Prüfbedingungen erfüllt werden, kann das Stahlpulver als Füllmittel und/oder zum Herstellen von Preßkörpern zur Aufnahme in Zerfallgeschosse gemäß der Erfindung verpreßt werden.

    [0016] Dabei hat sich ein Preßdruck im Bereich von 480 bis 820 MPa, vorzugsweise 680 MPa, als günstig erwiesen. Aufgrund der glatten Oberfläche der einzelnen Pulverkörnchen ist der erforderliche Preßdruck im Vergleich zu dem aus der eingangs genannten DE-PS 2160187 bekannten groberen Stahlpulver spürbar niedriger, so daß sich hierbei vorteilhafterweise ein geringerer energetischer Aufwand und eine weitere Schonung bzw. Verschleißminderung der Preßwerkzeuge ergibt. Die resultierende Dichte des Preßkörpers hängt von dessen Höhe und Gestalt ab und liegt zwischen 6,5 und 7,15 g/cm3. Erfahrungsgemäß wird in einer üblichen Hammermühle ein günstigeres Ergebnis bei einer Betriebsdauer von wenigstens 60 min, vorzugsweise 120 min, erzielt.

    [0017] Zur Schonung einer zu verwendenden Presse kann dem Stahlpulver als preßerleichterndes Schmiermittel Zinkstearat zugegeben werden, wobei die Menge im Bereich von etwa 0,3 bis etwa 0,55 Gew.-% , vorzugsweise jedoch 0,5 Gew.-%, beträgt.

    [0018] Falls erforderlich, kann dem zu verpressenden Stahl- pulver ohne oder mit Zinkstearat vor dem Verpressen ein Trennmittel zugegeben werden. Hierfür eignet sich insbesondere Flammruß. Dieses verhindert das Aneinanderhaften der verpreßten Pulverkörner, wobei geringe Zusätze genügen.

    [0019] Nachstehend wird ein Beispiel einer Siebanalyse eines nach der Schlagprall- und Scheuerbehandlung aus der Hammermühle abgezogenen Stahlpulvers mitgeteilt:



    [0020] Dieses Stahlpulver hat eine Fülldichte von 4,36 g/cm3. Die Siebanalyse läßt sich z.B. durch Modifizieren der Stahlschmelze-Zerstäubungsparameter, der Schlagprall- und Scheuerbehandlung oder durch zwischenzeitliches Aussieben bestimmter Kornanteile zum Erzielen zweckgebundener Eigenschaften anpassend verändern.

    [0021] Aufgrund seiner besonderen Beschaffenheit ( hohe Verdichtung und glatte Oberfläche der einzelnen Pulverkörnchen, gleichmäßige Teilchenform, gezielt eingestellte Korngrößenverteilung, hohe Fülldichte, gute Verpreßbarkeit und hoher chemischer Reinheitsgrad) ist das Stahlpulver gemäß der Erfindung nicht nur als Füllmittel ( eingerüttelt ), sondern insbesondere auch zur Herstellung von Preßkörpern für Zerfallgeschosse im Kaliber 20 mm sowie auch für größere Kaliber vorzugsweise 35 mm oder 40 mm geeignet.


    Ansprüche

    1. Füllmittel für Zerfallgeschosse bei Manövermunition, welches im wesentlichen aus Pulver eines kohlenstoffarmen unlegierten Stahls besteht und durch Zerstäuben einer entsprechenden Stahlschmelze, nachfolgendes reduzierendes Weichglühen zwischen etwa 900 ° und 1050 0 C, eine anschließende Schlagprall- und Scheuerbehandlung sowie auf letztere folgendes Absieben erhalten wird,
    d a durch gekennzeichnet , daß das nach einer länger als 60 Minuten andauernden Schlagprall- und Scheuerbehandlung abgesiebte Stahlpulver eine Korngröße unter 0,315 mm und eine Fülldichte zwischen etwa 3,9 und 4,6 g.cm-3 aufweist und derartig verpreßbar ist,
    daß die resultierende Dichte eines Preßkörpers zur Aufnahme in das Zerfallgeschoß in Abhängigkeit von der Höhe und der Gestalt des Preßkörpers zwischen etwa 6,5 und 7,15 g. cm-3 liegt.
     
    2. Verfahren zum Herstellen eines Stahlpulvers als Füllmittel für Zerfallgeschosse bei Manövermunition nach Anspruch 1, dadurch gekenn-zeichnet, daß die Schlagprall- und Scheuerbehandlung des Stahlpulvers länger als 60 Minuten, vorzugsweise etwa 120 Minuten lang durchgeführt bzw. so lange fortgesetzt wird, bis ein aus probeweise abgesiebtem Stahlpulver erzeugter Probepreßkörper bei einer Trommelprüfung nach Stahl-Eisen-Prüfblatt 87-69, 1. Ausgabe Dezember 1969, mit modifizierter Prüfeinrichtung nach 200 bis 600 Umdrehungen, vorzugsweise etwa 400 Umdrehungen, dermaßen zerfallen ist, daß alle Bruchstücke die Trommel durch deren als Sieb vorgegebener Maschenweite ausgebildete Wand hindurch verlassen haben, und dann das derart zerkleinerte und abgesiebte Stahlpulver der Hauptcharge jeweils mit einem Druck von wenigstens 480 MPa bis höchstens 820 MPa, vorzugsweise etwa 680 MPa, zu einem Preßkörper zur Aufnahme in das Zerfallgeschoß verpreßbar ist.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Schlagprall-und Scheuerbehandlung in einer üblichen Hammermühle erfolgt.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 2- oder 3, gekennzeichnet durch einen Zusatz zum Stahlpulver vor dem Verpressen, insbesondere Zinkstearat, als preßerleichterndes Schmiermittel.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 4, gekennzeichnet durch eine Zugabe von 0,3 bis 0,55 Gew-%, vorzugsweise 0,5 Gew-% Zinkstearat.
     
    6. Verfahren nach einem der Ansprüche 2 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß dem Stahlpulver vor dem Verpressen ein Trennmittel, insbesondere Flammruß, zugegeben wird.