[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines wenigstens teilweise amorphen
Legierungsstücks.
[0002] Amorphe (nichtkristalline, verglaste oder glasartige) Legierungsstücke werden nach
dem gegenwärtigen Stand der Technik (z.B. Basler Zeitung 4. Dez. 1985, S. 46) durch
ausserordentlich rasches Abschrecken einer geeigneten, metallischen Schmelze erzeugt.
Damit beim Abschrecken nicht Kristallisation, sondern Verglasung erfolgt, sind Abkühlraten
in der Grössenordnung von 1000°C/ms erforderlich. Um derart hohe Abkühlraten zu erreichen,
wird die Schmelze üblicherweise durch Düsen auf eine rasch rotierende Kühlwalze gespritzt.
Dieses Verfahren ist bekannt unter dem Namen "melt spinning". Die Produkte dieses
und ähnlicher bekannter Verfahren sind Folien oder Bänder mit einer Dicke von einigen
10 Mikrometern. Wegen des grundsätzlich inversen Zusammenhangs zwischen Dicke und
Abkühlrate lässt sich erstere bei den Schmelzabschreckverfahren nicht oder zumindest
nicht wesentlich vergrössern.
[0003] Als Alternativverfahren zur Herstellung amorpher Legierungsdrähte in mm-Stärke ist
vorgeschlagen worden (L. Schultz in "Amorphous Metals and Nonequilibrium Processing",
ed. by M. von Allmen, Editions de Physique, Les Ulis 1984), sehr dünne Folien aus
reinem kristallinem Nickel (Ni) und aus reinem kristallinem Zirkon (Zr) abwechselnd
als Laminat aufeinanderzuschichten, spiralförmig zu wickeln, dann wie bei der üblichen
Drahtherstellung durch ein Ziehwerkzeug zu ziehen und anschliessend bei niedriger
Temperatur zu tempern. Beim Kaltziehen und Tempern durchmischen sich die Elemente
Ni und Zr, wobei Verglasung durch eine Festkörperreaktion eintritt. Das Verfahren
ist jedoch kompliziert und nur für Mischungen unterschiedlich rasch diffundierender
Elemente mit stark negativer Mischwärme anwendbar. Die durch Diffusion entstehende
amorphe Legierung ist meist porös und daher mechanisch schwach. Dies gilt mindestens
teilweise auch für ein verwandtes Verfahren, bei dem eine Mischung elementarer kristalliner
Pulver durch intensives Mahlen und Kaltverformen in einer Kugelmühle zur Durchmischung
und Verglasung gebracht wird.
[0004] Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, anzugeben, wie man in einfacher
Weise grosse sowie harte und porenfreie Legierungsstücke erzeugen kann.
[0005] Die erfindungsgemässe Lösung dieser Aufgabe ist Gegenstand des Patentanspruchs 1.
Bevorzugte Ausführungsarten sind in den Ansprüchen 2 bis 10 umschrieben.
[0006] Die Erfindung beruht auf der überraschenden Erkenntnis, dass geeignete Legierungen
in eine metastabile Kristallmodifikation versetzt und durch Tempern spontan (ohne
irgendwelche zusätzliche Massnahmen) und ohne ma kroskopische Diffusion (d.h. Diffusion
über viele Atomdurchmesser) verglast werden können. Unter einer metastabilen Kristallmodifikation
versteht man eine zwar unter geeigneten Bedingungen beliebig langlebige, aber nicht
dem thermodynamischen Gleichgewicht entsprechende Kristallstruktur.
[0007] Das erfindungsgemässe Verfahren ermöglicht die Herstellung durchgehend (vollständig)
amorpher Legierungsstücke mit Dicken im cm Bereich. Es lassen sich so Werkstücke
in praktisch verwertbaren Dimensionen, anstatt wie bisher nur dünne Folien, erzeugen.
Der Grund liegt darin, dass die Verglasung nicht durch das nur bei dünnen Schichten
mögliche rasche Schmelzabschrecken, sondern durch (langes) Tempern als Festkörperreaktion
erreicht wird. Da das erfindungsgemässe Verfahren auf dem Tempern einer homogenen
metastabilen Kristallmodifikation anstatt eines inhomogenen Laminates beruht, erfolgt
das Verglasen ohne makroskopische Diffusion, so dass das entstehende amorphe Produkt
porenfrei ist.
[0008] Um durch blosses Tempern eine Verglasung zu erreichen, muss die Legierung bzw. der
zu verglasende Teil der Legierung gemäss der Erfindung zunächst in den speziellen
Zustand einer matastabilen Kristallmodifikation gebracht werden. Diese kann aus einem
bei hohen Temperaturen stabilen Misch- oder Verbindungskristall bestehen, welcher
bei niedrigen Temperaturen unterkühlt und somit metastabil ist. Die Herstellung der
metastabilen Kristallmodifikation kann durch einen Abschreckvorgang erfolgen, wobei
die dafür erforderlichen Abkühlraten jedoch typischerweise viele Grössenordnungen
kleiner sind, als diejenigen, die beim bekannten Verglasen durch Schmelzabschrecken
erforderlich sind.
[0009] Als Ausgangsprodukt kann für das erfindungsgemässe Verfahren eine durch konventionelle
metallurgische Techniken, z.B. durch Zusammenschmelzen oder Giessen hergestellte,
homogene Legierung verwendet werden. Beispielsweise kann eine binäre Legierung verwendet
werden, wobei die Zusammensetzung so zu wählen ist, dass im binären Legierungssystem
eine metastabile kristalline Lösung oder Verbindung der gewählten Zusammensetzung
existiert, welche bei Temperaturen unterhalb der Glastemperatur eine höhere Freie
Energie aufweist als die Glasphase, sich aber trotzdem bei Raumtemperatur darstellen
lässt. Dafür in Frage kommen Systeme mit stabilen Hochtemperatur- oder Hochdruck-Lösungen
oder -verbindungen, (wovon es Dutzende bis Hunderte gibt), sowie Systeme mit Lösungen
oder Verbindungen, die bei allen Temperaturen metastabil sind, sich jedoch durch Schmelzabschrecken
herstellen lassen. Besonders günstig sind Lösungskristalle mit hoher Gitterverspannung
(Spannungsenergie), wie sie bei Kombinationen von Elementen mit merklich unterschiedlichen
Atomradien auftreten. Unterkühlte Hochtemperaturphasen lassen sich durch Aufheizen
über eine charakteristische Uebergangstemperatur und anschliessendes Abschrecken,
etwa in Wasser, herstellen. Andere Möglichkeiten der Herstellung metastabiler Kristallmodifikationen
liegen in der Anwendung hohen Druckes oder chemischer Abscheideverfahren.
[0010] Im folgenden werden Ausführungsbeispiele des erfindungsgemässen Verfahrens anhand
der Zeichnungen erläutert. Es zeigen:
Fig. 1 das Phasendiagramm des Systems Cr-Ti (Chrom-Titan), worin Cr₂Ti und Alpha
bei Raumtemperatur stabile Phasen, und Beta ein (bei niedriger Temperatur metastabiler)
Hochtemperatur - Lösungsristall ist,
Fig. 2 die Freie Enthalpie (auch Gibbs'sche Freie Energie genannt) als Funktion der
Zusammensetzung im System Cr-Ti bei 600 und 800°C, worin a die amorphe und ce die Gleichgewichtskonfiguration bezeichnen, und senkrechte Pfeile mögliche Umwandlungen
andeuten.
[0011] Ein Ausführungsbeispiel des erfindungsgemässen Verfahrens zur Herstellung amorpher
Cr-Ti Legierungsstücke umfasst drei Schritte: In einem ersten Schritt werden chemisch
reine Cr und Ti Pulver im Atom-Verhältnis 40:60 abgewogen und zusammengeschmolzen.
Die Kristallstruktur der entstehenden Legierung entspricht dem thermodynamischen
Gleichgewicht (Cr₂Ti + Alpha, vgl. Fig. 1). Als nächstes werden einige mm grosse Stücke
der Legierung im Lichtbogen oder durch einen Laserstrahl unter Schutzgas für einige
Sekunden auf 1200°C erhitzt und dann in Wasser abgeschreckt. Dabei bildet sich ein
bei Raumtemperatur metastabiler Hochtemperatur- Lösungskristall (Beta-Cr₄₀Ti₆₀).
Im letzten Schritt werden die Stücke bei 600°C (unterhalb der Glastemperatur von ca.
650°C) im Vakuum während etwa 48 Stunden getempert, wobei sie spontan und vollständig
verglasen. Die Verglasung äussert sich u.a. durch ein Ansteigen des elektrischen Widerstandes,
der Elastizität sowie der Härte, (letztere von ca. 6 auf ca. 10 GPa Meyer-Ritzhärte).
Ein Vorteil des Verfahrens ist, dass eine mechanische Bearbeitung des Werkstücks nicht
im harten Glaszustand, sondern bereits im wesentlich weicheren Beta-Zustand erfolgen
kann.
[0012] Die metastabile Kristallmodifikation kann auch direkt aus einer Legierungsschmelze
hergestellt werden, indem z. B. eine Schmelze aus Cr-Ti im Atom-Verhältnis 40:60 langsam
mit einer Abkühlrate von 10°C/s auf 1200°C ab gekühlt und dann rasch mit einer Abkühlrate
von einigen 100°C/s auf 600°C abgeschreckt wird, worauf die Temperung bei der Endtemperatur
des Abschreckvorgangs von 600°C erfolgt.
[0013] Um die vorteilhaften Eigenschaften sowohl der amorphen wie der kristallinen Beschaffenheit
für bestimmte Anwendungen zu kombinieren, können auch Stücke aus nur teilweise amorphem
und teilweise kristallinem Material hergestellt werden. Stücke, die im Innern kristallin
sind und eine amorphe Oberflächenschicht haben, lassen sich dadurch herstellen, dass
man nur die Oberflächenschicht eines Legierungsstücks in die metastabile Kristallmodifikation
versetzt und das ganze Stück dann tempert. Das Verfahren kann dabei gleich wie oben
erläutert, jedoch mit langsamerem Abschrecken (ggf. ohne Wasser) durchgeführt werden.
Von dem auf 1200°C erhitzten Legierungsstück kühlt dann nur eine Oberflächenschicht
rasch genug ab, dass die metastabile Beta-Modifikation bestehen bleibt, während sich
im Innern des Werkstückes die dem thermodynamischen Gleichgewicht entsprechende Kristallstruktur
(Cr₂Ti + Alpha-Ti) bildet. Beim anschliessenden Tempern wird demzufolge nur die Oberflächenschicht
verglast und das Innere bleibt kristallin.
[0014] Das erfindungsgemässe Verfahren kann im Cr-Ti System auch mit anderer Zusammensetzung
als 40:60 durchgeführt werden. Beispielsweise kann eine Zusammensetzung von Cr und
Ti im Atomverhältnis 30:70 gewählt werden. Der Verglasungsvorgang ist dabei zwar
langsamer (längeres Tempern erforderlich), dafür aber reversibel, indem sich durch
Erhitzen der durch das beschriebene Verfahren erhaltenen amorphen Cr-Ti-Legierung
auf eine über der Glastemperatur liegende Temperatur von z.B. 800°C (und ggf. tempern
bei dieser höheren Temperatur) wieder der metastabile Beta-Kristall erzeugen lässt.
Zur Veranschaulichung zeigt Figur 2 die Freie Energie der beteiligten Phasen als
Funktion der Zusammensetzung bei 600 und 800°C, wobei Pfeile verschiedene mögliche
Umwandlungen symbolisieren.
[0015] Das erfindungsgemässe Verfahren kann auch mit anderen Legierungen als Cr-Ti durchgeführt
werden. Diese können binär, ternär oder auch komplexer sein. Beispiele von binären
und ternären Systemen, die sich für das erfindungsgemässe Verfahren eignen sind Kobalt-Niob,
Kupfer-Titan, Eisen-Titan, Mangan-Titan, iob-Nickel sowie Eisen-Chrom-Titan. Allgemein
werden vorzugsweise Legierungen verwendet, die mindestens eines der Elemente Si,
Al, Ti, V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu, Zr, Nb, Mo, Pd, Ag, Hf, Ta, W, Pt oder Au enthalten.
1. Verfahren zur Herstellung eines wenigstens teilweise amorphen Legierungsstücks,
dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens ein Teil einer Legierung zunächst in eine
metastabile Kristallmodifikation versetzt, und diese anschliessend so getempert wird,
dass sie verglast.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die metastabile Modifikation
aus einem nur bei hohen Temperaturen stabilen Misch- oder Verbindungskristall besteht.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung mindestens
zwei Elemente mit merklich unterschiedlichen Atomradien enthält.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung
mindestens eines der Elemente Si, Al, Ti, V, Cr, Mn, Fe, Co, Ni, Cu, Zn, Zr, Nb, Mo,
Pd, Ag, Hf, Ta, W, Pt, Au enthält.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierungszusammensetzung
so gewählt wird, dass die durch das Verglasen erhaltene amorphe Legierung bzw. der
amorphe Legierungsteil durch Erhitzen über die Glastemperatur wieder in die metastabile
Kristallmodifikation zurückversetzbar ist.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die metastabile
Kristallmodifikation bei einer unter der Glastemperatur liegenden Temperatur getempert
wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Temperatur, bei der
die metastabile Kristallmodifikation getempert wird, um eine Toleranz von vorzugsweise
mindestens einigen °C unter der Glastemperatur liegt.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung
bzw. der Teil der Legierung durch Erhitzen und anschliessendes Abschrecken in die
metastabile Kristallmodifikation versetzt wird.
9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass das Erhitzen der Legierung
in einem Lichtbogen oder einem Laserstrahl, vorzugsweise unter Schutzgas, erfolgt.
10. Verfahren nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass das Abschrecken
der Legierung mittels einer Flüssigkeit, z.B. Wasser, erfolgt.