(19)
(11) EP 0 254 820 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.02.1988  Patentblatt  1988/05

(21) Anmeldenummer: 87106359.0

(22) Anmeldetag:  30.04.1987
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4C06B 45/10, C06B 23/00, C06B 21/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE DE FR GB SE

(30) Priorität: 26.07.1986 DE 3625412

(71) Anmelder: Messerschmitt-Bölkow-Blohm Gesellschaft mit beschränkter Haftung
D-81663 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Kleinschmidt, Ernst, Dr.
    D-8898 Schrobenhausen (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung eines kunststoffgebundenen Explosivstoffs


    (57) Zur Herstellung eines kunststoffgebundenen Explosivstoffs werden der Explosivstoff, ein Kunststoffpulver mit einem Gehalt an einem Material mit hoher spezifischer Oberfläche, wie Ruß, sowie ein Lösungsmittel mit einem Kneter vermischt.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung eines kunststoffgebundenen Explosivstoffs, insbesondere in granulierter Form, bei dem der Explosivstoff, der Kunststoff und ein Lösungsmittel für den Kunststoff vermischt werden, worauf das Lösungsmittel entfernt und die zurückbleibende Masse gegebenenfalls granuliert wird.

    [0002] Ein derartiges Verfahren ist bereits bekannt. Es wird als "Slurry-Verfahren" bezeichnet. Dabei wird der Explosivstoff in wässriger Suspension vorgelegt und der in einem organischen Lösungsmittel gelöste Kunststoff zugegeben. Das Ganze wird vermischt, worauf das Lösungsmittel und das Wasser entfernt werden und die zurückbleibende Masse granuliert wird. Um die elektrostatische Aufladung des Granulats zu verhindern und die Verpreßbarkeit zu erleichtern, können während oder nach dem Mischen Anitstatika und Gleitmittel, wie Ruß oder Graphit, zugegeben werden.

    [0003] Bei dem "Slurry-Verfahren" sind große Spezialgeräte erforderlich, da die Explosivstoffsuspension und die Kunststofflösung große Volumina einnehmen. Auch ist der Zeitaufwand, um den Kunststoff zu lösen und das Lösungsmittel und das Wasser zu entfernen, beträchtlich.

    [0004] Das Pressen des Granulats zu Explosivstoffladungen hat bei der Erweichungstemperatur des Kunststoffs, also bei relativ hoher Temperatur, zu erfolgen.

    [0005] Ferner ist es bekannt, anstelle von Kunststoff Wachs als Bindemittel einzusetzen. Dabei wird ein Wachs-Explosivstoff-Gemisch oberhalb des Schmelzpunkts des Wachses von etwa 60 bis 100°C in einem Kneter gemischt. Zwar kann dadurch das Volumen des Gemischs auf ein Vielfaches, z. B. das 20-fache gegenüber dem Slurry-Verfahren reduziert und ein handelsüberlicher Kneter, wie ein Planetenmischer, eingesetzt werden, jedoch ist aufgrund des niedrigen Schmelzpunktes des Wachses die Einsatztemperatur der daraus hergestellten Explosivstoffladungen begrenzt.

    [0006] Um die Verarbeitung von Kautschuk zu vereinfachen, ist es bekannt, den Kautschuk in Pulverform überzuführen. Dem Problem der Eigenklebrigkeit und dem sogenannten "cold flow" des Kautschuks wird dabei dadurch begegnet, daß in dem Kautschuk ein Füllstoff dispergiert wird ("Füllstoffhaltiges Kautschukpulver BUNA EM", Hüls-Hauszeitschrift "Der Lichtbogen" Juni 1984 der Fa. Chemische Werke Hüls AG). Als Füllstoff wird dabei Ruß oder Kieselsäure verwendet.

    [0007] Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren bereitzustellen, mit dem die Herstellung kunststoffgebundener Explosivstoffe insbesondere hinsichtlich des apparativen Aufwandes vereinfacht wird.

    [0008] Dies wird erfindungsgemäß dadurch erreicht, daß als Kunststoff ein vorgefertigtes Pulver aus einem Gemisch aus Kunststoff und einem Material hoher spezifischer Oberfläche verwendet wird. Ein derartiges Pulver besitzt keine Eigenklebrigkeit und kann mit dem Explosivstoff nach Zugabe einer geringen Menge eines Lösungsmittels für den Kunststoff problemlos vermischt werden, d. h. es kann ein handelsüblicher Kneter oder ein sonstiger Zwangsmischer verwendet werden.

    [0009] Als Kunststoff wird vorzugsweise ein thermoplastischer Kunststoff verwendet, insbesondere ein Kautschuk, wie Styrol-Butadien-Kautschuk.

    [0010] Das Material hoher spezifischer Oberfläche ist ein Material mit einer spezifischen Oberfläche von mindestens 5, vorzugsweise mindestens 20 m2/g. Die Teilchen des Kunststoffpulvers, in die dieses Material dispergiert ist, besitzen vorzugsweise eine Teilchengröße von weniger als 1000 u.m, vorzugsweise weniger als 500 u.m. Besonders bevorzugt ist eine eng begrenzte Teilchengrößenverteilung z. B. zwischen 50 und 500 I.Lm.

    [0011] Das Material hoher spezifischer Oberfläche führt zu einem schnellen Lösen des Kunststoffs und einer homogenen Verteilung desselben auf dem Explosivstoff.

    [0012] Als Material hoher spezifischer Oberfläche wird vorzugsweise Ruß verwendet, da Ruß eine antistatische Wirkung besitzt. Auf den Einsatz weiterer Antistatika kann dann häufig verzichtet werden. Außerdem wirkt Ruß als Preßhilfsmittel, so daß trotz einer relativ hohen Erweichungstemperatur des Kunststoffs von z. B. 130 bis 200°C der Explosivstoff bei einer relativ niedrigen Temperatur, d. h. einer Temperatur unterhalb 80°C und gegebenenfalls sogar bei Raumtemperatur verpreßt werden kann.

    [0013] Das Material hoher spezifischer Oberfläche wirkt zugleich als Verfestigungsmittel in der gepreßten Ladung. D. h. es verhindert weitgehend ein Nachfedern, also eine Ausdehnung der Ladung durch Druckabbau nach dem Pressen sowie eine irreversible Quellung nach Temperaturbelastung oder bei Einfluß von Feuchtigkeit.

    [0014] Neben Ruß kann das Material hoher spezifischer Oberfläche bei dem erfindungsgemäßen Verfahren auch eine andere Art von Graphit oder z. B. Kieselsäure und dergleichen sein.

    [0015] Der Anteil des Material hoher spezifischer Oberfläche in dem vorgefertigten Kunststoffpulver beträgt in der Regel mehr als 10 Gew.-%. Häufig sind jedoch auch mehr, z. B. 40 Gew.-% oder mehr dieses Materials erforderlich, um ein nichtklebriges, rieselfähiges Pulver guter Lagerbeständigkeit zu erhalten.

    [0016] Um die Leistung der Explosivstoffladung möglichst wenig zu beeinträchtigen, soll der Anteil des Kunststoffpulvers nicht zu groß sein. Demgemäß beträgt die Menge des vorgefertigten Kunststoffpulvers, bezogen auf das Gewicht des Explosivstoffs in der Regel 2 bis 15 Gew% und im allgemeinen 3 bis 8 Gew.-%. Als vorgefertigtes Kunststoffpulver kann z. B. das von der Fa. Chemische Werke Hüls AG gelieferte Ruß-Kautschukpulver verwendet werden.

    [0017] Das Kneten erfolgt bei einer Temperatur, die zweckmäßigerweise unter der Siedetemperatur des Lösungsmittels liegt. D. h. das Kneten kann auch bei Raumtemperatur erfolgen.

    [0018] Als Explosivstoffe können bei dem erfindungsgemäßen Verfahren sämtliche gängigen Explosivstoffe verwendet werden, also z. B. Nitramine, wie Oktogen oder Hexogen, Nitroverbindungen, wie Trinitrobenzol, oder Nitratester, wie Pentaerythrittetranitrat. Weiterhin kann der kunststoffgebundene Explosivstoff Sauerstoffträger, wie Chlorate oder Perchlorate sowie Metallpulver, wie Aluminiumpulver, enthalten.

    [0019] Das zum Vermischen erforderliche Lösungsmittel hat die Aufgabe das Kunststoffpulver anzulösen. Es ist also ein Nichtlösungsmittel für den Explosivstoff und ein gutes Lösungsmittel für den Kunststoff, um die Lösungsmittelmenge so gering wie mögich zu halten. Bei Kautschuk als Kunststoff ist Toluol als Lösungsmittel besonders geeignet.

    [0020] Das Lösungsmittel wird nach dem Mischen entfernt, z. B. durch Verdampfen, vorzugsweise in Vakuum. Um das Volumen beim Mischen nicht zu groß werden zu lassen, soll die Menge des eingesetzten Lösungsmittels höchstens 50 Gew.-%, vorzugsweise höchstens 30 Gew: %, bezogen auf das Gewicht des Explosivstoffs bestragen.

    [0021] Nach dem Entfernen des Lösungsmittel bleibt bei dem erfindungsgemäßen Verfahren meist ein rieselfähiges Granulat zurück, d. h. es kann von einem gesonderten Granuliervorgang abgesehen werden, wodurch die Herstellung weiter vereinfacht wird. Falls jedoch eine kompakte Masse anfällt, kann dieselbe in üblicher Art und Weise granuliert werden.

    [0022] Das erfindungsgemäße Verfahren kann diskontinuierlich oder kontinuierlich durchgeführt werden.

    [0023] Beim diskontinuierlichen Verfahren kann ein handelsüblicher Kneter, z. B. ein Planetenmischer oder ein anderer Zwangsmischer verwendet werden. Der Explosivstoff, das vorgefertigte Kunststoffpulver und das Lösungsmittel können dabei in beliebiger Reihenfolge in den Kneter gegeben werden.

    [0024] Zur kontinuierlichen Herstellung kann ein Extruder eingesetzt werden, z. B. ein Extruder mit zwei ineinander kämmenden Schnecken.

    [0025] Vorzugsweise wird der Explosivstoff mit dem zum Lösen des Kunststoffs erforderlichen Lösungsmittel in einem vorgeschalteten Arbeitsgang versetzt. Der mit dem Lösungsmittel phlegmatisierte Explosivstoff, das Kunststoffpulver sowie bei Bedarf weiteres Lösungsmittel können mit geeigneten Dosiervorrichtungen zugeführt werden. Durch Dosieren der Ausgangsstoffe wird die . gewünschte Zusammensetzung des Explosivstoffgranulates gewährleistet. Das Lösungsmittel kann durch in den Verfahrensgang integrierte Evakuiereinheiten bzw. durch Trocknen in einem nachgeschalteten Arbeitsgang entfernt werden.

    [0026] Zugute kommt dem kontinuierlichen Verfahren also die hohe Dosiergenauigkeit des vorgefertigten Kunststoffpulvers sowie das schnelle. Lösen des Kunststoffpulvers.

    [0027] Das erfindungsgemäß hergestellte Explosivstoffgranulat ist zur Herstellung von Explosivstoffladungen hervorragend geeignet, da es bei einer Temperatur von weniger als 80°C; vorzugsweise weniger als 40°C verpreßbar ist. Der Druck beim Pressen beträgt dabei 500 bis 3500, vorzugs-weise 1.200 bis 2.500 bar.

    [0028] Dennoch ist die so hergestellte Ladung auch bei hohen Temperaturen einsetzbar, d. h. der thermische Einsatzbereich der Ladungen wird von der Erweichungstemperatur des Kunststoffs bestimmt, welche bei 1600C und mehr liegen kann.

    Beispiel



    [0029] In einen Planetenmischer werden 95 Gewichtsteile Oktogen, 5 Gewichtsteile handelsübliches Ruß-Kautschuk-Pulver der Fa. Chemische Werke Hüls AG und 30 Gewichtsteile Toluol gegeben und bei iOO °C homogen vermischt. Nach Entfernen des Toluols durch Abdampfen im Vakuum erhält man ein rieselfähiges Granulat.

    [0030] Das Granulat wird bei Raumtemperatur mit einem Druck von 2000 bar zu Ladungen gepreßt. Die Ladungen weisen eine Dichte auf, die mehr als 97 % der theoretisch maximalen Dichte beträgt. Der Oberflächenwiderstand der Ladungen liegt bei ca. 106 Ohm, also weit unterhalb der kritischen Grenze für die antistatische Aufladung.

    [0031] Die Ladungen oder Formkörper werden wechselweise auf + 150°C und - 40°C temperiert. Nach Beendigung von 5 Zyklen und Temperieren der Körper auf Raumtemperatur sind deren Abmessungen um weniger als 0,1 % verändert. Auch sind die Körper frei von Rissen.


    Ansprüche

    I. Verfahren zur Herstellung eines kunststoffgebundenen Explosivstoffs, bei dem der Explosivstoff, der Kunststoff und ein Lösungsmittel für den Kunststoff vermischt werden, worauf das Lösungsmittel entfernt und die zurückbleibende Masse gegebenenfalls granuliert wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Kunststoff als vorgefertigtes Pulver aus einem Gemisch aus dem Kunststoff und einem Material mit einer hohen spezifischen Oberfläche von mindestens 5 m2/g eingesetzt wird und das Vermischen des Explosivstoffs, des Lösungsmittels und des vorgefertigten Pulvers durch Kneten erfolgt.
     
    2. Verfahren nach Anspruch I, dadurch gekennzeichnet, daß als Material hoher spezifischer Oberfläche ein Material mit einer spezifischen Oberfläche von wenigstens 20 m2/g verwendet wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch I oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Teilchengröße des vorgefertigten Kunststoffpulvers weniger als 1000 um beträgt.
     
    4. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das vorgefertigte Kunststoffpulver mindestens 10 Gew.-% des Materials hoher spezifischer Oberfläche enthält.
     
    5. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß als Material hoher spezifischer Oberffäche Ruß verwendet wird.
     
    6. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekenzeichnet, daß als Kunststoff ein Kautschuk verwendet wird.
     
    7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß der Kautschuk ein Styrol-Butadien-Kautschuk ist.
     
    8. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Menge des eingesetzten Kunststoffpulvers 2 bis 15 Gew.- %, bezogen auf den Explosivstoff, beträgt.
     
    9. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Menge des eingesetzten Lösungsmittels höchstens 50 Gew.-%, bezogen auf den Explosivstoff, beträgt.
     
    IO.Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß zum Kneten ein Planetenmischer verwendet wird.
     
    ILVerfahren nach einem der Ansprüche I bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß zum Kneten ein Extruder verwendet wird.
     
    12.Verfahren nach Anspruch II, dadurch gekennzeichnet, daß der Explosivstoff vor der Zufuhr zum Extruder zunächst mit wenigstens einem Teil des Lösungsmittels versetzt wird
     
    13.Verwendung des nach einem der vorstehenden Ansprüche hergestellten kunststoffgebundenen Explosivstoffs zum Pressen von Ladungen bei einer Temperatur unterhalb 80°C.