[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Recken eines
metallischen Werkstückes in einer Schmiedepresse, insbesondere in einer Freiformschmiedepresse,
wobei das Werkstück zwischen dem Obersattel und dem Untersattel der Schmiedepresse
- in Streckrichtung bzw. in Längsrichtung des Werkstückes gesehen - jeweils um einen
Biß versetzt bzw. verschoben und gegebenenfalls um die Längsachse gedreht wird.
[0002] Bekanntlich ist das älteste Verfahren zur Formgebung und zum Recken von metallischen
Werkstücken das Freiformschmieden, welches sich durch eine Reihe von Vorteilen auszeichnet.
Einer dieser Vorteile des Freiformschmiedens ist in der großen Flexibilität zu sehen,
da mit relativ einfachen Schmiedewerkzeugen vielfältige Produktformen unterschiedlichster
Größenordnung aus metallischen Werkstücken sehr exakt hergestellt werden können. Auch
lassen sich bei richtiger Wahl der Umformparameter in Verbindung mit einer geeigneten
Wärmebehandlung des Werkstückes deutliche Verbesserungen der durch den Gießprozeß
bedingten Werkstoffeigenschaften erreichen. Eine wichtige Forderung an die Qualität
eines Schmiedeproduktes ist eine gleichmäßig gute Durchschmiedung des Werkstückkerns,
um Lunker und sonstige qualitätsmindernde Einschlüsse im Werkstück zu beseitigen.
In der bisherigen Praxis wird ein Werkstück zunächst ausgeschmiedet bzw. verformt
und erst anschließend auf Fehlerfreiheit untersucht. Stellt sich nun bei der anschließenden
Prüfung des ausgeschmiedeten und verformten Werkstückes heraus, daß die vom Gießprozeß
des Werkstückes herrührenden Lunker und sonstigen Einschlüsse durch den Schmiedeprozeß
nicht beseitigt werden konnten, so muß das Schmiedestück als Ausschuß verworfen werden,
was mit hohen Material- und Energiekosten verbunden ist.
[0003] Ferner weisen die oberflächennahen Zonen des Werkstückes beim Verformen bzw. Strecken
aufgrund der Wärmeabgabe an das Schmiedepreßwerkzeug und die Umgebung eine höhere
Fließspannung auf als die darunterliegenden Zonen. Dies hat zur Folge, daß die oberflächennahen
Zonen des Werkstücks aufgrund ihrer erhöhten Fließspannung einer plastischen Verformung
viel stärker entgegenwirken als die inneren Zonen, was sehr leicht zu Rißbildungen
an der Oberfläche und den oberflächennahen Zonen des fertig geschmiedeten Werkstückes
führen kann.
[0004] Die Gefahr von Rißbildungen und Rissen in den oberflächennahen Zonen des fertig geformten
und gestreckten Schmiedewerkstückes ist insbesondere dann sehr groß, wenn das Werkstück
in einer Schmiedepresse, wie sie beispielsweise in der deutschen Auslegeschrift 19
26 638 beschrieben und dargestellt ist, beim Strecken jeweils um eine ganze Bißbreite
versetzt bzw. verschoben wird. Insbesondere die Fig. 3 dieser Druckschrift zeigt,
daß die äußeren Kanten des Ober- und Untersattels genau über die jeweils vorhergehenden
Bißränder bzw. Bißkanten gefahren werden, wobei dann an diesen Stellen, wo die Kanten
der Schmiedewerkzeuge mit den Bißrändern des jeweils vorhergehenden Bisses bei der
Streckung des Werkstückes zusammentreffen, bei sensiblen und/oder hochlegierten Werkstoffen
auf Grund des hohen Spannungs- und Formänderungszustandes leicht Risse auftreten können.
Darüberhinaus kann mit diesem bekannten Freiformschmiedeprozeß, bei dem das Werkstück
jeweils um eine ganze Bißbreite versetzt bzw. verschoben wird, die für die Qualität
des Schmiedeproduktes jeweils geforderte, gleichmäßig gute Durchschmiedung des Werkstückkerns
nicht erreicht und Lunker wie auch sonstige qualitätsmindernde Einschlüsse im Schmiedestück
nicht ausreichend beseitigt werden.
[0005] Soweit bereits im Stand der Technik mit Bißversatz bzw. insbesondere kleinen Vorschüben
gearbeitet wurde, ergaben sich Qualitätsverbesserungen nur zufällig, da der Bißversatz
nicht gezielt eingesetzt und in keinem Fall die sich beim Verformungsprozeß erge
bende Längung bzw. Streckung des Werkstückes berücksichtigt wurde.
[0006] Die Aufgabe der Erfindung besteht daher darin, ein Verfahren und eine Vorrichtung
zum Recken eines metallischen Werkstückes in einer Schmiedepresse zu schaffen, wodurch
nicht nur in einfacher Weise Rißbildungen und Risse in den oberflächennahen Zonen
am Werkstück vermieden werden, sondern wodurch auch eine besonders gute und gleichmäßige
Durchschmiedung des Werkstückes erreicht wird, insbesondere auch des Werkstückkerns.
[0007] Die Aufgabe wird mit der Erfindung dadurch gelöst, daß das Werkstück vor der jeweiligen
Reckung bzw. dem Biß zwischen dem Obersattel und dem Untersattel der Schmiedepresse
in Werkstückstreckrichtung unter Einbeziehung der während der Verformung gemessenen
Längung des Werkstückes jeweils nur so weit versetzt bzw. verschoben wird, daß der
Bißrand des jeweils vorhergehenden Bisses am Werkstück innerhalb der Sattelränder
zu liegen kommt. Durch diese Maßnahme wird sehr vorteilhaft ein sogenanntes Überschmieden
der vorangegangenen Bißbreite und damit des jeweils vorhergehenden Bißrandes erreicht.
Durch dieses Überschmieden des jeweils vorhergehenden Bißrandes werden Rißbildungen
oder gar Brüche in den Bereichen der Bißränder bzw. am ganzen Werkstück mit Sicherheit
vermieden. Gleichzeitig wird durch das Überschmieden des jeweils vorherigen Bißrandes
gemäß der Erfindung auch sehr vorteilhaft eine gleichmäßige und besonders homogene
Durchschmiedung, insbesondere auch des Werkstückkerns erreicht und dabei Lunker und
sonstige qualitätsmindernde Einschlüsse im Schmiedeprodukt verschlossen bzw. beseitigt.
Die nach dem Verfahren der Erfindung hergestellten Schmiedeprodukte weisen daher eine
hohe Qualität auf, und es fallen keine Schmiedeprodukte mehr an, die als Ausschuß
verworfen werden müßten.
[0008] Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung wird das Werkstück vor der
Reckung zwischen dem Obersattel und dem Untersattel in Werkstückstreckrichtung jeweils
soweit versetzt bzw. verschoben, daß der Bißrand des jeweils vorhergehenden Bisses
etwa in der Mitte zwischen den Sattelrändern zu liegen kommt. Wie praktische Versuche
gezeigt haben, handelt es sich bei diesen erfindungsgemäßen Maßnahmen, insbesondere
hinsichtlich der Qualität und der pro Zeiteinheit hergestellten Freiformschmiedeprodukte
um einen optimalen Bißversatz.
[0009] Mit großem Vorteil wird nur bei jeder zweiten Überschmiedung mit exakt positioniertem
Bißversatz gearbeitet, wobei vorzugsweise die exakte Positionierung darin besteht,
daß der neue Bißrand auf die Mitte des vorherigen Bisses gelegt wird.
[0010] Ferner ist vorgesehen, daß der Bißrand nach viermaliger Versetzung des Werkstückes
in Streckrichtung die Sattelränder erreicht und dabei eine viermalige Überschmiedung
erfährt, wobei vorzugsweise die Werkstückbißbreite (b) etwa 25 % von der Werkzeugflächenbißbreite
(B) beträgt.
[0011] Nach einer weiteren vorteilhaften Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens erfolgt
der Schmiedeprozeß, insbesondere die Ausschmiedung bzw. Überschmiedung des Werkstückes,
mittels einer vollautomatischen Schmiedeprozeß-Steuerung mit Prozeßrechner, der über
ein adaptives Modell des Schmiedeprozesses die für die Steuerung der Schmiedepresse
erforderlichen Steuerwerte (Sollwerte) für jeweils eine Überschmiedung des Werkstückes
berechnet, wobei das Modell des Schmiedeprozesses mit Hilfe der über die Meßwerterfassung
gewonnenen Istwerte, inbesondere der Werkstückstreckung je Überschmiedung über eine
Parameteradaption während des Schmiedeprozeßverlaufes (online) korrigiert wird. Eine
derartige vollautomatische Schmiedeprozeß-Steuerung mit Prozeßrechner ermöglicht es,
den Schmiedeprozeß während der Fertigung des Werkstückes hinsichtlich der Schmiedewirkung,
insbesondere hinsichtlich der Wirkung jedes einzelnen Bisses, laufend und genau zu
verfolgen. Auf diese Weise können die sich auf die Güte bzw. Qualität des Schmiedestückes
auswirkenden Umformparameter während des Schmiedeprozesses praktisch ohne Zeitverzö
gerung erfaßt und daraus die nötigen Schmiedeparameter abgeleitet werden, um die jeweils
geforderten Werkstückseigenschaften am Ende der Schmiedung zu garantieren.
[0012] Für die Vorrichtung wird die Aufgabe dadurch gelöst, daß eine vollautomatische Schmiedeprozeßsteuerung
mit Prozeßrechner vorgesehen ist, sowie ein Reckgradmesser zur exakten Messung der
Streckung bzw. Längung des Werkstücks in Streckrichtung während der Verformung. Die
kontinuierliche Messung erfolgt dabei besonders betriebssicher und störunanfällig
mittels eines mechanisch- elektrischen Reckgradmessers, der mit einem, am freien Ende
des Werkstückes lösbar angebrachten Meßseil verbunden ist. Darüberhinaus kann der
Reckgradmesser aber auch als berührungsloses Meßsystem, vorzugsweise opto-elektronisch
ausgebildet sein. Berührungslose optische Meßverfahren, die sich auf moderne opto-
elektronische Halbleiterbauelemente stützen, arbeiten vorteilhaft völlig verschleißfrei
und mit äußerst geringen Meßzeiten.
[0013] Weitere Einzelheiten, Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden
Erläuterung einer schematisch dargestellten Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens
gemäß der Erfindung sowie verschiedenen weiteren graphischen Darstellungen.
[0014] Es zeigen:
Fig. 1 einen Manipulator einer Freiformschmiedepresse mit Werkstück und Reckgradmesser
in perspektivischer Darstellung,
Fig. 2 ein Werkstück mit in der Bißmitte der Schmiedepreßwerkzeuge positioniertem
Bißrand in perspektivischer Darstellung,
Fig. 3 ein Blockschaltbild einer Schmiedeprozeßsteuerung mit Prozeßrechner,
Fig. 4 und 5 Verteilungen der örtlichen Reckgrade eines Schmiedeblockes ohne und mit
Bißversatz,
Fig. 6 und 7 Formänderungsverteilungen eines Schmiedeblockes mit und ohne Bißversatzsteuerung
nach mehrfacher Überschmiedung,
Fig. 8 die Verteilung der Vergleichsformänderung für die Mittellinie eines Schmiedeblocks
mit gezieltem Bißversatz bei jeder zweiten Überschmiedung.
[0015] Eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens gemäß der Erfindung besteht nach
Figur 1 aus einem Manipulator (1) mit Zangenträger (2), der in einer in der Zeichnung
nicht näher dargestellten Schmiedepresse, insbesondere Freiformschmiedepresse, in
Achslängsrichtung (Pfeil 3) versetzbar und um die Längsachse drehbar (Pfeil 4) angeordnet
ist. Im Zangenträger (2) befindet sich ein Werkstück (5), das zwischen dem Obersattel
(6) und dem Untersattel (7) der Schmiedepresse so angeordnet ist, daß der Bißrand
(8) des vorhergehenden Bisses innerhalb der Sattelränder (9, 10) und (11, 12) zu liegen
kommt. Am freien Ende (13) ist das Werkstück (5) über ein Meßseil (14) zur Bestimmung
des Reckgrades mit der Seilspule (15) eines Reckgradmessers (16) lösbar verbunden,
der aus einem höhenverstellbaren Ständer (17) mit darauf angeordnetem Antriebsmotor
(18) als Drehgeber und einem Drehmomentenregler (19) zur Konstanthaltung des Drehmomentes
besteht.
[0016] Mit Hilfe Reckgradmessers (16) kann sehr vorteilhaft der jeweilige Reckgrad, und
zwar anhand der jeweils veränderten Länge des Meßseils (14) vor und nach der Überschmiedung
des Werkstückes genau erfaßt und über den Manipulator (1) zur Steuerung des Bißversatzes
herangezogen werden. Wesentlich ist hierbei die Aufrechterhaltung einer konstanten
Spannung des Meßseils (14), die mit Hilfe des Drehmomentreglers (19) und der daran
angeschlossenen Seilspule (15) erreicht wird. Zur Messung der Meßseillänge dient der
als Drehgeber ausgebildete Antriebsmotor (18).
[0017] Das Werkstück (5) wird vor jeder Reckung bzw. vor jedem Biß zwischen dem Obersattel
(6) und dem Untersattel (7) in Werkstücklängsrichtung mit Hilfe des Manipulators (1)
nur so weit versetzt, daß der Bißrand (8) des vorhergehenden Bisses innerhalb der
Sattelränder (9, 10) und (11, 12) zu liegen kommt. Der Bißrand (8) des Werkstückes
(5) befindet sich in der in Fig. 1 dargestellten Lage - in Streckrichtung (20) des
Werkstück es (5) gesehen - etwa im ersten Viertel
der von den Sattelrändern (11, 12) begrenzten Werkzeugflächenbißbreite (B), so daß
die Werkstückbißbreite (b) etwa 25 % der Sattelbißbreite (B) beträgt, und der Bißrand
(8) erst nach viermaliger Versetzung des Werkstückes (5) in Streckrichtung (20) den
Sattelrand (12) erreicht und dabei eine viermalige Überschmiedung erfährt. Durch diese
viermalige Überschmiedung des jeweils vorhergehenden Bißrandes (8) gemäß der Erfindung
werden nicht nur Rißbildungen oder Brüche am Schmiedeprodukt mit Sicherheit vermieden,
sondern es wird auf diese Weise auch sehr vorteilhaft eine besonders gleichmäßige
Durchschmiedung des Werkstückes erreicht, durch die eine ausschußfreie Herstellung
eines Schmiedeproduktes hoher Qualität gewährleistet wird.
[0018] Bei dem in Figur 1 dargestellten Werkstück (5) handelt es sich um die Herstellung
eines im Querschnitt rechteckfömigen Metallstabes. Es ist daher verständlich, daß
das noch ungeformte Werkstück (5) vor jeder Versetzung um die Bißbreite (b) einer
zweimaligen Reckung bzw. Verformung durch die Sattelwerkzeuge (6) und (7) der Schmiedepresse
untergezogen werden muß, wobei das Werkstück vom Manipulator (1) jeweils um 90 Grad
um die Längsachse gedreht wird. Die Herstellung von flachen oder längsorientierten
Schmiedeprodukten erfordert dagegen keine Drehung des Werkstückes.
[0019] Wie Figur 2 zeigt, kann das Werkstück (21) vor der Reckung zwischen dem Obersattel
(6) und dem Untersattel (7) der Schmiedepresse in Werkstückslängsrichtung auch jeweils
so weit versetzt werden, daß die Bißränder (22) des jeweils vorhergehenden Bisses
am Werkstück (21) etwa in der Mitte zwischen den Sattelrändern (23, 24) zu liegen
kommen. Die Bißbreite (b) am Werkstück (21) und damit der Bißversatz beträgt somit
50 % der Sattelbißbreite (B), das heißt, daß vor jeder zweiten Überschmiedung des
Werkstückes (21) die Bißränder (22) auf die Bißmitte der vorangegangenen Überschmiedung
positioniert werden. Mit (bʹ) ist die gestreckte Bißbreite am Werkstück (21) nach
der vorhergegangenen Überschmiedung des Werkstückes (21) gekennzeichnet. Die oberhalb
der Zeichnung in Fig. 2 angeführten Rechenformeln beziehen sich auf die Höhenabnahme,
die Breite und den Reckgrad des Werkstückes (21) sowie auf das Bißverhältnis bei dem
dargestellten Bißversatz von 50 %. Durch diesen aufgezeigten Bißversatz von 50 % der
Sattelbißbreite (B) werden einerseits sehr vorteilhaft Kantenrisse vermieden, und
andererseits wird hierdurch auch hinsichtlich der Durchschmiedung des Werkstückes,
insbesondere des Kernes sowie im Hinblick auf die Ausstoßmenge an fertigen Schmiedeprodukten
pro Zeiteinheit eine Optimierung erzielt. Im übrigen handelt es sich bei diesem in
Fig. 2 dargestellten Ausführungsbeispiel um die Herstellung eines flachen Schmiedeproduktes
ohne Drehung des Werkstückes.
[0020] Um einen vollautomatischen Ablauf des Schmiedeprozesses zu gewährleisten, ist gemäß
der Erfindung eine Schmiedeprozeßsteuerung mit Prozeßrechner vorgesehen. Der Schmiedeprozeß,
insbesondere die Ausschmiedung und Überschmiedung des Werkstückes erfolgt mittels
einer vollautomatischen Schmiedeprozeß-Steuerung mit Prozeßrechner nach dem in Figur
3 schematisch dargestellten Blockschaltschema. Wie aus diesem Blockschaltbild zu ersehen
ist, werden vom Prozeßrechner über ein adaptives Modell des Schmiedeprozesses die
für die Steuerung der Schmiedepresse erforderlichen Steuerwerte (Sollwerte) für jeweils
eine Überschmiedung errechnet, wobei das Modell des Schmiedeprozesses mit Hilfe der
über die Meßwerterfassung aus der Werkzeuggeschwindigkeit, der Preßkraft, der Obersattelposition,
der Manipulatorposition, den Werkstückdaten, der Werkstofftemperatur, des Stoffflusses
und der Werkstückstreckung gewonnenen Istwerte über eine Paramteradaption während
des Schmiedeprozeßablaufes (on-line) korrigiert wird. Es handelt sich bei dieser vollautomatischen
Schmiedeprozeßsteuerung gemäß der Erfindung um einen im Prinzip bekannten meßtechnischen
Vergleich zwischen den Istwertparametern und den vorgegebenen bzw. vorprogrammierten
Sollwertparametern, wobei jede Abweichung des jeweiligen Istwertes vom vorgegebenen
Sollwert erfaßt wird und in Abhängigkeit der Abweichung vom Sollwert eine entsprechende
Korrektur des Schmiedeprozeßablaufes ërfolgt. Die genaue Erfassung des Werkstückreckgrades
mit Hilfe des Reckgradmessers (vgl. Fig. 1, Ziffer 16) und die Einbeziehung des jeweils
vom Reckgradmesser erfaßten Reckgrades in die Schmiedeprozeßsteuerung gemäß der Erfindung
ist jedoch völlig neu und liefert die für die Optimierung des Schmiedeprozesses erforderlichen
Meß- und Steuerwerte. Durch diese erfindungsgemäße Schmiedeprozeßsteuerung kann der
Bißversatz jeweils optimal auf das in der Schmiedepresse zu verformende metallische
Werkstück eingestellt werden, wodurch im Vergleich zu den bisher bekannten Schmiedeprozeßsteuerungen
eine erhebliche Verbesserung der Güte und Qualität des jeweiligen Schmiedeendproduktes
erreicht wird
[0021] In den Figuren 4 und 5 wurden die Ergebnisse von praktisch durchgeführten Reckversuchen
an zwei Blöcken (25, 26) aus Kohlenstoffstahl der Qualität "C 45" in einer Freiformschmiedepresse
ausgewertet und graphisch dargestellt. Das graphische Schaubild gemäß Fig. 4 zeigt
die Verteilung und den Verlauf der örtlichen Reckgrade (λ
R) in Form einer Kurve (27) auf der Kontaktfläche Werkzeug-Werkstück, und zwar gemessen
auf der Symmetrieachse der Kontaktfläche in Längsrichtung beim Schmieden des abgesetzten
Blockes (25) ohne Bißversatz, d. h. ohne erfindungsgemäß gesteuerte Überschmiedung.
Das graphische Schaubild gemäß Fig. 5 dagegen zeigt die Verteilung und den Verlauf
der örtlichen Reckgrade (λ
R)in Form einer Kurve (28) entlang der Kontaktfläche Werkzeug-Werkstück beim Schmieden
des abgesetzten Blockes (26) mit Bißversatz, d. h. mit Überschmiedung gemäß der Erfindung.
[0022] Wie aus der Darstellung der Versuchsergebnisse in den Figuren 4 und 5 klar zu ersehen
ist, traten beim Schmieden ohne Bißversatz des Stahlblockes (25) extrem große örtliche
Reckgrade (λ
R = 6 - Verlauf der Kurve (27) gemäß Fig. 4) auf, während beim Schmieden des Stahlblockes
(26) mit Bißversatz nur örtliche Reckgrade von maximal λ
R = 2 (Verlauf der Kurve (28) in Fig. 5) auftraten. Während die im graphischen Schaubild
gemäß Fig. 4 extrem hohen Reckgrade beim Freiformschmieden von metallischen Werkstücken
ohne Bißversatz, insbesondere beim Schmieden hochlegierter Stahlblöcke, sehr leicht
zu Oberflächen- und Kantenrissen führen können, werden dagegen durch die sehr niedrigen
Reckgrade gemäß Fig. 5 beim Schmieden von beliebigen metallischen Werkstücken mit
Bißversatz jegliche Oberflächen- und Kantenrisse mit Sicherheit vermieden.
[0023] Die in den Figuren 6 und 7 dargestellten Schaubilder zeigen die Formänderungsverteilung
im Kern eines metallischen Werkstückes nach einer ein- bis zehnmaligen Überschmiedung,
bezogen auf die auf 100 % normierte Blocklängsachse,und zwar einmal mit Bißversatzsteuerung
gemäß der Erfindung (Fig. 6) und einmal ohne Bißversatzsteuerung (Fig. 7). Wie ein
Vergleich der Figuren eindeutig erkennen läßt, wird durch die erfindungsgemäße Bißversatzsteuerung
bei der Überschmiedung eine sehr gleichmäßig verlaufende, homogene Formänderungsverteilung
des Werkstückkerns erreicht (Fig. 6, Ziffer 29), wohingegen die Überschmiedung des
Werkstückes ohne Bißversatzsteuerung zu einer sehr ungleichmäßig verlaufenden Formänderungsverteilung
der Werkstückkerne (Fig. 7, Ziffer 30) führt.
[0024] Figur 8 zeigt eine schematische Darstellung der Vergleichsformänderung (φ
V) für die Mittellinie eines Schmiedeblocks mit einem Bißversatz um s
B / 2. Die Vergleichsformänderung ist ein Maß für die erzielte lokale Umformung, mit

Es bedeuten ferner h₀, h₁ = Anfangs- bzw. Endhöhe; l₀, l₁ = Anfangs- bzw. Endlänge;
b₀, b₁ = Anfangs- bzw. Endbreite; s
B = Bißbreite; λ
R = l₁ / l₀ = Reckgrad
[0025] Beim Rechteckstich (2. Überschmiedung) wird der Querschnitt des Schmiedeblocks auf
ein Quadrat zurückgeschmiedet. Bei dieser Überschmiedung wird zugleich der gewünschte
Bißversatz, also eine Verschiebung der gedrückten Flächen gegenüber der vorangegangenen
1. Überschmiedung, eingestellt. Der Versatz wird erreicht, wenn ein dem Bißversatz
entsprechender Prozentsatz der gestreckten Bißbreite (hier etwa 50 %) der vorangegangenen
Überschmiedung nicht mehr bearbeitet wird. Zugleich muß bei dieser Überschmiedung
die Bißbreite gleich der gestreckten Bißbreite des vorangegangenen Stiches gewählt
werden. In dem darauf folgenden Quadratstich (3. Überschmiedung) wird entsprechend
den geforderten Schmiedeparametern ein "normaler" Schmiedezyklus durchgeführt. Ein
Bißversatz in jeder Überschmiedung ist nicht immer realisierbar, da die Bißbreite
entsprechend der Streckung des Schmiedeblocks ständig anwachsen müßte und somit nach
wenigen Überschmiedungen als Grenze die verfügbare Sattelbreite oder die maximale
Preßkraft erreicht würde. Desweiteren läßt sich durch diese Vorgehensweise die Forderung
nach einem konstanten Bißverhältnis während des gesamten Schmiedeablaufs nicht erfüllen.
Eine Qualitätsoptimierung im Sinne einer homogenen Kernverschmiedung und einer weitgehenden
Vermeidung von Oberflächenrissen im Wirkungsbereich der Sattelradien wird aber bereits
durch das oben beschriebene Verfahren eines Bißversatzes in jeder zweiten Überschmiedung
erreicht. Die Konsequenz des Bißversatzes ist ein einseitig fallender gestufter Schmiedeblock.
[0026] Am folgenden Zahlenbeispiel gemäß der schematischen Darstellung in Figur 8 werden
die erfindungsgemäßen Maßnahmen näher erläutert.
1. Überschmiedung (Ausgangslage, Quadrat)
h₀ = 200 mm, l₀ = 700 mm, s B = 100 mm
b₀ = 200 mm
h₁ = 160 mm, l₁ = 807 mm
λ R = l₁ / l₀ = 1,15
2. Überschmiedung (90 Grad gedreht)
h₀ = 217 mm, l₀ = (809 - 1/2 . 1,15 . 100) mm = 750 mm
b₀ = 160 mm
h₁ = 174 mm, s B = 100 . 1,15 mm = 115 mm, l₁ = 863 mm
λ R = 1,15
(Bißversatz: 1/2 . s B der vorhergehenden Überschmiedung 1/2 . λ R . s B = 57 mm)
3. Überschmiedung (90 Grad gedreht, kein Bißversatz)
h₀ = 174 mm, l₀ = 863 mm, s B = 87 mm
b₀ = 174 mm
h₁ = 140 mm, l₁ = 991 mm
λ R = 1,15
4. Überschmiedung (90 Grad gedreht, mit Bißversatz)
h₀ = 188 mm, l₀ = (991 - 1/2 . 1,145 . 87) = 941 mm
h₀ = 140 mm, s B = 87 . 1,15 = 100 mm
h₁ = 150 mm, l₁ = ... usw
(Bißversatz: 1/2 . 87 . 1,15 = 50 mm)
[0027] Durch die Bißversatzsteuerung gemäß der Erfindung wird eine besonders gleichmäßige
Durchschmiedung des metallischen Werkstückes bewirkt, was zu einer erheblichen Verbesserung
der Qualität des jeweils hergestellten Schmiedeproduktes beiträgt. Im übrigen kann
sowohl das Verfahren als auch die Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens gemäß
der Erfindung zum Recken von metallischen Werkstücken sowohl bei Kaltschmiedeprozessen
als auch bei Warmschmiedeprozessen mit Vorteil angewandt werden.
1. Verfahren zum Recken eines metallischen Werkstückes in einer Schmiedepresse, insbesondere
in einer Freiformschmiedepresse, wobei das Werkstück zwischen dem Obersattel und dem
Untersattel der Schmiedepresse - in Streckrichtung bzw. Längsrichtung des Werkstückes
gesehen - jeweils um einen Biß versetzt bzw. verschoben und gegebenenfalls um die
Längsachse gedreht wird, dadurch gekennzeichnet, daß das Werkstück vor der jeweiligen Reckung bzw. dem Biß zwischen dem Obersattel
un d dem Untersattel der Schmiedepresse
in Werkstückstreckrichtung unter Einbeziehung der während der Verformung gemessenen
Längung des Werkstückes jeweils nur so weit versetzt bzw. verschoben wird, daß der
Bißrand des jeweils vorhergehenden Bisses am Werkstück innerhalb der Sattelränder
zu liegen kommt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Werkstück vor der Reckung zwischen dem Obersattel und dem Untersattel in
Werkstückstreckrichtung jeweils so weit versetzt bzw. verschoben wird, daß der Bißrand
des jeweils vorhergehenden Bisses etwa in der Mitte zwischen den Sattelrändern zu
liegen kommt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, daß nur bei jeder zweiten Überschmiedung mit exakt positioniertem Bißversatz gearbeitet
wird.
4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, daß der Bißrand nach viermaliger Versetzung des Werkstückes in Streckrichtung die
Sattelränder erreicht und dabei eine viermalige Überschmiedung erfährt, wobei vorzugsweise
die Werkstückbißbreite (b) etwa 25 % von der Werkzeugflächenbißbreite (B) beträgt.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, daß der Schmiedeprozeß, insbesondere die Ausschmiedung bzw. Überschmiedung des Werkstückes,
mittels einer vollautomatischen Schmiedeprozeß-Steuerung mit Prozeßrechner erfolgt,
der über ein adaptives Modell des Schmiedeprozesses die für die Steuerung der Schmiedepresse
erforderlichen Steuerwerte (Sollwerte) für jeweils eine Überschmiedung des Werkstückes
berechnet, wobei das Modell des Schmiedeprozesses mit Hilfe der über die Meßwerterfassung
gewonnenen Istwerte, insbesondere der Werkstückstreckung, je Überschmiedung über eine
Parameteradaption während des Schmiedeprozeßablaufes (online) korrigiert wird.
6. Vorrichtung zum Recken eines metallischen Werkstückes in einer Schmiedepresse,
insbesondere in einer Freiformschmiedepresse, wobei das Werkstück zwischen dem Obersattel
und dem Untersattel der Schmiedepresse - in Streckrichtung bzw. Längsrichtung des
Werkstückes gesehen - jeweils um einen Biß versetzt bzw. verschoben und gegebenenfalls
um die Längsachse gedreht wird, mit einem in Achslängsrichtung versetzbaren bzw. verschiebbaren
und um die Längsachse drehbaren Manipulator mit Zangenträger für das Werkstück, zur
Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch eine vollautomatische Schmiedeprozeßsteuerung mit Prozeßrechner, sowie durch einen
Reckgradmesser zur exakten Messung der Streckung bzw. Längung des Werkstücks (5, 21)
in Streckrichtung (20) während der Verformung.
7. Vorrichtung nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet, daß der Reckgradmesser (16) über ein am freien Ende (13) des Werkstückes (5) lösbar
angeordnetes Meßseil (14) mit dem Werkstück (5) verbunden ist.
8. Vorrichtung nach Anspruch 6 oder 7,
dadurch gekennzeichnet, daß der Reckgradmesser (16) aus einem höhenverstellbaren Ständer (17) mit darauf
angeordnetem Antriebsmotor (18) als Drehgeber und einem Drehmomentregler (19) mit
Seilspule (15) besteht.