(19)
(11) EP 0 257 216 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
02.03.1988  Patentblatt  1988/09

(21) Anmeldenummer: 87108539.5

(22) Anmeldetag:  12.06.1987
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4E01B 5/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR LI LU

(30) Priorität: 14.08.1986 DE 3627650

(71) Anmelder: Krupp Stahl AG
D-44793 Bochum (DE)

(72) Erfinder:
  • Heller, Wilhelm, Dr.-Ing.
    D-4100 Duisburg 14 (DE)
  • Schultheiss, Hans, Dipl.-Ing.
    D-8000 München 60 (DE)

(74) Vertreter: Cohausz & Florack Patentanwälte 
Postfach 33 02 29
40435 Düsseldorf
40435 Düsseldorf (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Schiene


    (57) Die Erfindung bezieht sich auf eine Schiene mit hoher Be­ständigkeit gegen Ermüdungsschäden an der Fahrkante, wie Fahrkantenausbrüche. Die erfindungsgemäße Schiene ist dadurch gekennzeichnet, daß der Schienenstahl bei einem Sauerstoffgehalt kleiner 0,0015 Gew.-% Schwefelgehalte von 0,06 bis 0,085 Gew.-% aufweist.
    Die Erfindung ist anwendbar auf alle heute üblichen Schie­nenstähle.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung bezieht sich auf eine Schiene mit hoher Beständigkeit gegen Ermüdungsschäden an der Fahrkante, wie Fahrkantenbrüche, aus Stahl.

    [0002] Die Lebendauer von Schienen wird in der Regel durch die Zugfestigkeit des Schienenstahls an sich, das Verschleiß­volumen des Schienenkopfes und die Betriebsbedingungen bestimmt. In der Vergangenheit wurde häufig die Lebens­dauer, die vom Verschleißvolumen im Schienenkopf her zu erwarten war, auch bei hoch verschleißfesten Schienen nicht erreicht, weil die Schienen aufgrund von Ermüdungsschäden vorzeitig ausgebaut werden mußten. Bei diesen Schäden han­delte es sich insbesondere um waagerechte Risse im Schie­nenkopf, Fahrkantenausbrechungen sowie um Querbrüche oder Querrisse.

    [0003] Die Fahrkantenausbrechungen treten bei höheren Beanspru­chungen, meistens im Kurvenaußenstrang der Gleise auf, insbesondere an der Innenkante der Außenschiene, weil diese durch die Spurkränze der über sie rollenden Räder besonders stark belastet wird.

    [0004] Die Fahrkantenausbrechungen, auch Shelling genannt, wer­den durch Schwingungsrisse hervorgerufen, die sich als Horizontaltrennungen in 5 bis 10 mm Tiefe unterhalb der Fahrkante bilden. In einem fortgeschrittenen Stadium knicken diese Horizontaltrennungen häufig in Querrich­tung ab und lösen dann Querbrüche aus. Die Horizontal­trennungen gehen bevorzugt aus von nichtmetallischen Ein­schlüssen, insbesondere Oxidzeilen, innerhalb des Schie­nenstahls.

    [0005] Ursache der horizontal verlaufenden Schwingungsrisse unter der Fahrkante sind die sogenannten Hertz'schen Pressungen am Aufstandspunkt des Rades auf der Schiene, die unterhalb der Schienenoberfläche Schubspannungen hervorrufen. Dabei entsteht rechnerisch in einer Tiefe von etwa 8mm ein Schub­spannungsmaximum. Seine exakte Lage ist abhängig von den Betriebsbedingungen. Befinden sich im Bereich des Schub­spannungsmaximums gröbere Oxidzeilen hoher Härte, so kann bevorzugt an der Grenzfläche Oxid-Metall infolge Kerb­wirkung und wegen des Eigenspannungsfeldes, das sich um die Zeile herum aufbaut, die Dauerschwingfestigkeit des Schienenwerkstoffes überschritten werden, so daß sich ein Schwingungsriß bildet.

    [0006] Da Fahrkantenausbrechungen zum vorzeitigen Ausbau der Schie­nen führen, also nach einer Liegezeit, zu der die Ver­schleißreserve des Schienenkopfes bei weitem noch nicht erschöpft ist, sind die Schienenhersteller und die Bahn­verwaltungen seit langem bemüht, das Auftreten dieser Fehl­erscheinungen zu unterbinden. Zur Vermeidung von Fahrkan­tenausbrechungen sind zwei Abhilfemaßnahmen bekannt ge­worden (Archiv für Eisenbahntechnik, Dezember 1973, Sei­ten 81 bis 89)
    - Erhöhung der Dauerschwingfestigkeit des Schienenstahls und
    - Verbesserung des Reinheitsgrades, bezogen auf oxidische nichtmetallische Einschlüsse.

    [0007] Die Erhöhung der Dauerschwingfestigkeit von Schienenstählen läßt sich durch Anhebung der Festigkeitseigenschaften er­reichen. Zugleich wird dadurch die Verschleißbeständigkeit verbessert. Die Lage des eingangs erwähnten Schubspannungs­maximums bleibt damit über einen längeren Zeitraum an einer Stelle als bei Schienenstahl geringerer Festigkeit. Liegt jedoch in dieser Zone eine gröbere Einschlußzeile vor, so kann der Werkstoff trotz hoher Festigkeit im Bereich der Zeitfestigkeit beansprucht werden. Eine Erhöhung der Dauer­schwingfestigkeit des Schienenwerkstoffs kann also nur dann sinnvoll sein, wenn zugleich ein guter Reinheitsgrad an oxidischen nichtmetallischen Einschlüssen eingestellt wird.

    [0008] Obwohl die Schienenhersteller und die Bahnverwaltungen in den Lieferbedingungen für Schienenstähle für Regelgüten Schwefelgehalte bis max. 0,050 Gew.-% und für höherver­schleißfeste Güten bis max. 0,030 Gew.-% zulassen, ist man dennoch bemüht, bei der Erschmelzung von Schienenstählen den Schwefelgehalt so niedrig wie möglich zu halten. Denn Schwefel ist metallurgisch gesehen bekanntermaßen ein stark seigerndes Element. Beim Vergießen kommt es in der Mitte der vergossenen und erstarrten Blöcke, die als Aus­gangsmaterial für die Schienenwalzung dienen, zu sogenann­ten "Mittenseigerungen". Gemäß den technischen Lieferbe­dingungen, z.B. UIC 860 V, sind Stärke und Ausbildung dieser Seigerungen durch Richtreihen begrenzt.

    [0009] Jedoch können weder die absolute Erhöhung der Verschleiß­festigkeit noch die Erhöhung der Dauerschwingfestigkeit noch die Einstellung guter oxidischer bzw. sulfidischer Reinheitsgrade das Auftreten von Fahrkantenausbrüchen si­cher verhindern. Auch bei sehr hoch verschleißfesten Schie­nen mit ausgezeichnetem Reinheitsgrad werden diese schäd­lichen Ausbrüche, nach wie vor, insbesondere in den Außen­strängen von engen Gleiskurven, beobachtet.

    [0010] Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Schie­ne mit verbesserter Beständigkeit gegen Ermüdungsschäden an der Fahrkante, wie Fahrkantenausbrüche, zu schaffen, die gestattet, daß das den Schienen innewohnende hohe Ver­schleißvolumen voll ausgenutzt werden kann.

    [0011] Gelöst wird diese Aufgabe dadurch, daß der Schienenstahl bei einem Sauerstoffgehalt kleiner 0,0015 Gew.-% Schwefel­gehalte von 0,06 bis 0,085 Gew.-% aufweist. Der niedrige Sauerstoffgehalt des Schienenstahls von kleiner 0,0015 Gew.-% wird vorzugsweise durch eine Vakuumdesoxidation des Stahles eingestellt.

    [0012] Das Aufschwefeln kann auf alle heute üblichen Schienenqua­litäten angewendet werden, wie sie beispielsweise in den Unteransprüchen 3 bis 6 analysenmäßig aufgeführt sind.

    [0013] Die erfindungsgemäßen Schienen sind geeignet, die Bildung von Ermüdungsschäden an der Fahrkante, insbesondere die an dem Außenstrang eines Kurvengleises auftretenden Fahr­kantenausbrechungen, zu vermeiden und somit die Lebens­dauer der Schienen wesentlich zu steigern. Bei Betriebs­versuchen in einer hochbelasteten und kurvenreichen Strecke mit engen Kurvenradien zwischen 250 und 500 m mußten Schienen der üblichen Güte UIC-90 A bereits nach einer Be­lastung von rund 150.10⁶ t wegen Fahrkantenausbrechungen ausgebaut werden, obwohl der eigentliche Verschleiß der Schienenlauffläche nur sehr gering war. Dagegen erreichten erfindungsgemäß hergestellte Schienen der Güte UIC-90 A eine Belastung von 300.10⁶ t, ohne daß Fahrkantenausbrüche zu beobachten waren.

    [0014] Mit der erfindungsgemäßen Schiene ist es somit möglich, die in heutigen Schienenprofilen, wie z.B. dem Profil UIC 60, vorhandene Verschleißreserve besser auszunutzen. Die Fahr­ kanten können weitgehend abgenutzt werden, ohne daß die Schienen wegen vorzeitiger Fahrkantenausbrüche ausgewech­selt werden müssen.

    [0015] Als Vormaterial für das Walzen der erfindungsgemäßen Schie­nen werden vorzugsweise rechteckige Stranggußquerschnitte verwendet. Dadurch kann die bei den hohen Schwefel-Gehalten zu erwar­tende nachteilige Nebenwirkung der Seigerungen in den von den Lieferbedingungen für Schienen verlangten Grenzen ge­halten werden, da über das Vergießen im Strangguß eine gleichmäßigere Verteilung bei gleichzeitig kleinerer Größe der einzelnen Sulfide erreicht wird. Die bei Einsatz von rechteckigen Stranggußquerschnitten vorliegende gestreckte Mittenseigerung mit Schwefelanreicherungen kann unschädlich gemacht werden, indem man den Vorblock nicht wie bisher üblich so zu Schienen auswalzt, daß die Seigerungszone in der Symmetrieebene der Schienen liegt, sondern daß sie um 90° versetzt horizontal in Schienenstegmitte zu liegen kommt.

    [0016] Dazu wird das Vormaterial mit rechteckigem Querschnitt so zu dem jeweiligen Schienenprofil gewalzt, daß die Schmal­seiten nicht auf die Fahrfläche und die Fußunterseite der Schiene zu liegen kommen, sondern die Seitenflächen der Schiene bilden. Die im Vormaterial vorliegenden Mittensei­gerungen beschränken sich so auf eine schmale Zone im Schienensteg, ohne in den Kopf oder den Fuß der Schiene zu reichen, so daß das Gebrauchsverhalten der Schiene, insbesondere deren Bruchsicherheit, nicht beeinträchtigt wird.

    [0017] Da die in Bogenstranggießanlagen unten liegende Breitseite von rechteckigen Stranggußquerschnitten einen besseren oxidischen Reinheitsgrad aufweist als die obere Breit­ seite, wird vorteilhafterweise so gewalzt, daß die untere Breitseite zum Schienenkopf wird.

    [0018] In Fig. 1 ist ein bogenförmiger Abschnitt einer Schiene in perspektivischer Ansicht dargestellt mit Schienen­kopf 1, Fahrfläche 2, Fahrkante 3, Schienensteg 4 und Schienenfuß 5.


    Ansprüche

    1. Schiene mit hoher Beständigkeit gegen Ermüdungs­schäden an der Fahrkante, wie Fahrkantenausbrüche, aus Stahl,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß der Schienenstahl bei einem Sauerstoffgehalt kleiner 0,0015 Gew.-% Schwefelgehalte von 0,06 bis 0,085 Gew.-% aufweist.
     
    2. Schiene nach Anspruch 1,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß der Schienenstahl nach der Erschmelzung unter Vakuum auf Sauerstoffgehalte kleiner 0,0015 Gew.-% desoxidiert ist.
     
    3. Schiene nach einem der Ansprüche 1 und 2,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß der Schienenstahl entsprechend der Güte UIC-90 A (mindestens 900 N/mm² Festigkeit) aus 0,6 bis 0,8 Gew.-% Kohlenstoff, 0,10 bis 0,50 Gew.-% Silizium, 0,80 bis 1,30 Gew.-% Mangan, max. 0,05 Gew.-% Phosphor, Rest Eisen und üblichen erschmelzungsbedingten Verunreinigungen besteht.
     
    4. Schiene nach einem der Ansprüche 1 und 2,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß der Schienenstahl entsprechend der Güte UIC-90 B (mindestens 900 N/mm² Festigkeit) aus 0,55 bis 0,75 Gew.-% Kohlenstoff, 0,10 bis 0,50 Gew.-% Silizium, 1,30 bis 1,70 Gew.-% Mangan, max. 0,05 Gew.-% Phosphor, Rest Eisen und üblichen erschmelzungsbedingten Verun­reinigungen besteht.
     
    5. Schiene nach einem der Ansprüche 1 und 2,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß der Schienenstahl entsprechend der Güte S 1100 (mindestens 1100 N/mm² Festigkeit) aus 0,60 bis 0,80 Gew.-% Kohlenstoff, 0,60 bis 1,20 Gew.-% Silizium, 0,80 bis 1,30 Gew.-% Mangan, max. 0,030 Gew.-% Phosphor, 0,70 bis 1,20 Gew.-% Chrom, Rest Eisen und üblichen er­schmelzungsbedingten Verunreinigungen besteht.
     
    6. Schiene nach einem der Ansprüche 1 und 2,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß der Schienenstahl entsprechend der Güte S 1200 (mindestens 1200 N/mm² Festigkeit) aus 0,70 bis 0,80 Gew.-% Kohlenstoff, 0,80 bis 1,20 Gew.-% Silizium, 0,80 bis 1,30 Gew.-% Mangan, max. 0,030 Gew.-% Phosphor, 0,80 bis 1,20 Gew.-% Chrom, bis 0,25 Gew.-% Titan und/­oder Vanadiun, Rest Eisen und üblichen erschmelzungsbe­dingten Verunreinigungen besteht.
     




    Zeichnung