[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Drehgestell für ein Schienenfahrzeug mit mindestens
zwei Radsätzen und mindestens einer passiven Lenkeinrichtung, welche jeweils zwei
Radsätze schwenkbar miteinander verbindet und einen dritten, mit Anlenkpunkt versehenen
Steuerhebel zum schwenkbaren Verbinden mit einem Wagenkasten aufweist sowie ein Schienenfahrzeug.
[0002] Bei Schienenfahrzeugen mit Drehgestellen sind aktive und passive Lenkeinrichtungen
für deren Radsatzsteuerung bekannte Mittel, um die bei Kurvenfahrt auftretenden Gleitvorgänge
zwischen Rad und Schiene zu eliminieren.
[0003] Insbesondere das Befahren enger Gleisbögen, wie sie z.B. bei Strassen- und Stadtbahnen
vorkommen, stellt für die Bandagen der Radsätze eine hohe thermische Belastung dar,
welche sich in Form von erhöhtem Verschleiss, einhergehend mit dem als lästig empfundenen
"Kurvenquietschen", bemerkbar macht.
[0004] Als aktive Lenkeinrichtung ist im Stande der Technik die in der DE-PS 31 19 164 gezeigte
Ausführung bekannt, deren horizontal angeordnetes Gestänge im Normalbetrieb mittels
einer Kolben-Zylinder-Einheit über eine Steuereinheit betätigt wird, die ihren Impuls
durch einen Geber erhält, welcher das Spiel des Spurkranzes eines Rades zur Schieneninnenkante
erfasst.
[0005] Passive Lenkeinrichtungen hingegen leiten ihre Verstellbewegung unmittelbar vom
Ausdrehwinkel ab, wie er sich in genügender Grösse nur bei Kurvenfahrt durch den sich
relativ zum Drehgestell bewegenden Wagenkasten ergibt.
[0006] So wurde bereits mit der CH-PS 183 368 versucht, eine horizontal zwischen Wagenkasten
und Drehgestell angeordnete und deren relative Ausdrehbewegung nutzende Lenkeinrichtung
zu schaffen. Bei dieser horizontal angeordneten Version des Lenkgestänges befindet
sich der Anlenkpunkt des Wagenkastens jeweils innenliegend, d.h. sein Abstand von
der gemeinsamen Längsmittelebene des Wagenkastens/Drehgestells ist kleiner als der
entsprechende Abstand des drehgestellseitigen Festpunktes, um den die Ausdrehbewegung
des Gestänges erfolgt.
[0007] Rückblickend gesehen vermochte sich diese Ausführungsform in früheren Jahren noch
nicht durchzusetzen, da den Vorteilen (höhere Standzeiten der Radsätze) ebenso grosse
Nachteile (Verschleiss in den Drehpunkten der Lenkeinrichtung) entgegen standen.
[0008] Mit der heute zur Verfügung stehenden Technologie ist es jedoch unter Verwendung
von gummielastischen Elementen in den Drehpunkten einer Lenkeinrichtung möglich, diese
wartungsfrei auszuführen.
[0009] Eine solche Lösung wird beispielsweise in der CH-PS 609 292 gezeigt, wo gummielastische
Elemente in den Drehpunkten einer horizontal angeordneten Lenkeinrichtung Verwendung
finden. Hierbei befindet sich der Anlenkpunkt des Wagenkastens jeweils aussenliegend,
d.h. sein Abstand von der Längsmittelebene ist grösser als der entsprechende Abstand
des drehgestellseitigen Festpunktes, um den die Ausdrehbewegung des Gestänges erfolgt.
[0010] Eine weitere, ebenfalls horizontal angeordnete Lenkeinrichtung wird in der CH-PS
644 806 gezeigt, welche in bezug auf den drehgestellseitigen Festpunkt einen innenliegenden
Anlenkpunkt des Wagenkastens aufweist. Ansonsten zeigt sich diese Ausführung dadurch
ausserordentlich aufwendig, dass mittels je eines Gelenkvierecks und entsprechend
vermehrten Drehpunkten versucht wird, eine unlineare Hebelbewegung für die Lenkung
der Radsätze zu erzeugen. Hierdurch soll auf geraden Strecken ein stabiler Fahrzeuglauf
und mit zunehmender Streckenkrümmung eine progressiv zunehmende Hebelübersetzung
erreicht werden.
[0011] Mittlerweile haben praktische Betriebserfahrungen mit passiven Lenkeinrichtungen
der zuvor beschriebenen Bauarten jedoch gezeigt, dass der Einfluss des Sinuslaufs
bei der Geradeausfahrt eines Schienenfahrzeuges für das Auslösen einer Radsatzsteuerung
keine Einflussgrösse darstellt, da die sich hieraus ergebenden Ausdrehwinkel zwischen
Drehgestell und Wagenkasten für einen entsprechenden Impuls viel zu gering sind.
[0012] Für eine passive Lenkeinrichtung der vorgenannten Bauarten ergibt sich vielmehr
eine generelle Einschränkung bei der Verwendung von gummielastischen Elementen, herrührend
aus deren zulässigen Ausdrehwinkel, die im Sinne einer Ueberbeanspruchung bzw. Dauerhaltbarkeit
vorgegebene Werte nicht ständig überschreiten dürfen.
[0013] Daher hat die vorliegende Erfindung zur Aufgabe, ein Drehgestell mit einer passiven
Lenkeinrichtung für Schienenfahrzeuge, insbesondere für kleine Kurvenradien befahrende
Fahrzeuge, wie Strassen- und Stadtbahnwagen zu schaffen, wobei mindestens eine Lenkeinrichtung
derart annähernd horizontal zwischen Drehgestell und Wagenkasten angeordnet ist,
und deren relative Ausdrehbewegungen als Verstellgrösse für die Radsatzsteuerung
genutzt werden,dass für die in den Dreh- und Gelenkpunkten der gesuchten Lenkeinrichtung
verwendeten gummielastischen Elemente optimale Verhältnisse bezüglich deren Verdrehwinkel
herrschen.
[0014] Die jeweils vor- und nachlaufenden Radsätze eines Drehgestells sollen m.a.W. durch
die relative Ausdrehbewegung zwischen Wagenkasten und Drehgestell infolge Kurvenfahrt
mittels mindestens einem, vorzugsweise horizontal angeordneten Gestänge zwangsweise
auf den Kurvenmittelpunkt hin ausgerichtet werden.
[0015] Die Erfindung löst diese Aufgabe gemäss dem Wortlaut des Anspruchs 1, indem sie aufgrund
ihrer besonderen Anordnung die an sich bekannten Vorteile einer Lenkeinrichtung (Vermeidung
der Bogenlaufgeräusche, höhere Standzeiten der Radsätze) bietet und gleichzeitig die
bislang mit der Verwendung derartiger Einrichtungen einhergehenden Nachteile (hoher
Verschleiss in den Drehpunkten) zu verhindern in der Lage ist.
[0016] Die Erfindung wird anschliessend anhand einer Zeichnung beispielsweise erläutert
sowie deren Wirkung und Funktionsweise beschrieben.
[0017] Es zeigen:
Fig. 1 eine schematische Darstellung eines, im Gleisbogen stehenden Drehgestell-Schienenfahrzeuges
in Draufsicht,
Fig. 2 eine schematische Darstellung der Radialstellung zweier Radsätze eines Drehgestells
in Draufsicht,
Fig. 3 eine schematische Darstellung verschiedener Lenkeinrichtungen und deren Wirkungen
bezüglich dem Verdrehwinkel ihrer gummielastischen Elemente,
Fig. 4 eine Lenkeinrichtung für die Radialstellung zweier Radsätze eines Drehgestells
in Draufsicht.
[0018] Bei einem gemäss Fig. 1 im Gleisbogen stehenden Drehgestell-Schienenfahrzeug werden
je ein Drehgestell 2, 2ʹ um einen Ausdrehwinkel α in Abhängigkeit eines Kurvenradius
R und eines Drehzapfenabstandes 2a* unter einem Wagenkasten 1 verschwenkt. Für den
hieraus resultierenden Ausdrehwinkel α eines Drehgestells 2, 2ʹ ergibt sich die Beziehung:
α = arc sin

.
[0019] Unter diesen Verhältnissen ist in Fig. 2 innerhalb eines, einen Achsabstand 2a⁺ aufweisenden
Drehgestells 2, 2ʹ die Situation für einen erforderlichen Einstellwinkel ψ je eines
Radsatzes 3, 3ʹ bei vollkommener Radialstellung infolge Ausrichtung auf einen Kurvenmittelpunkt
5 eines Gleisbogens mit dem Kurvenradius R gezeigt. Für den hieraus resultierenden
Einstellwinkel Ψ eines Radsatzees 3, 3ʹ ergibt sich die Beziehung: Ψ = arc sin

.
[0020] Das Verhältnis des Einstellwinkels Ψ zum Ausdrehwinkel α bildet schliesslich ein,
als "Passive Steering Gain" bekanntes Uebersetzungsverhältnis G für die wagenkastenseitige
Zwangssteuerung der Radsätze eines Drehgestells mittels einer passiven Lenkeinrichtung.
Für das Uebersetzungsverhältnis G ergibt sich die Beziehung: G =

.
[0021] In Fig. 3 sind die aus dem Stand der Technik her bekannten, horizontalen Lenkeinrichtungen
passiver Art 10, 20 und deren Wirkungen in bezug auf einen Verdrehwinkel φ der an
allen Dreh- und Gelenkpunkten vorgesehenen gummielastischen Elemente 9 einer erfindungsgemässen
Lenkeinrichtung 30 gegenübergestellt. Hierbei ist der besseren Uebersicht wegen von
den, beidseits einer Längsmittelebene 4 an einem Drehgestell 2, 2ʹ spiegelbildlich
angeordneten Lenkeinrichtungen jeweils nur eine Drehgestellseite mit Lenkeinrichtung
versehen, dargestellt.
[0022] Im oberen linken Quadranten der Fig. 3 ist eine eingangs zum Stande der Technik
erwähnte passive Lenkeinrichtung 10 gezeigt, welche horizontal in einem Drehgestell
2, 2ʹ angeordnet ist und einen "innenliegenden" Anlenkpunkt 11 des Wagenkastens 1
aufweist. Mit "innenliegend" ist hierbei die Relation eines Abstandes b₅ des Anlenkpunktes
11 gegenüber einem Abstand b₄ eines Festpunktes 13, um den die Ausdrehbewegung der
Lenkeinrichtung 10 erfolgt, zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4 bezeichnet. Für
eine Lenkeinrichtung 10 mit innenliegendem Anlenkpunkt 11 ergibt sich die Beziehung:
b₅ < b₄.
[0023] Die gezeigte Lenkeinrichtung 10 besteht aus einem nach innen gerichteten, nicht über
die Längsmittelebene 4 hinausragenden Steuerhebel 12, der einerseits am Drehgestell
2, 2ʹ in einem Festpunkt 13 drehbar gelagert ist und andererseits die beiden Drehpunkte
14, 15 aufweist, von denen aus je eine längsliegende Steuerstange 16, 17 die Verbindung
zu den Gelenkpunkten 18, 19 der beiden Radsätze 3, 3ʹ herstellt.
[0024] Die Wirkung einer Lenkeinrichtung 10 mit innenliegendem Anlenkpunkt 11 in bezug auf
die Verdrehwinkel φ der in allen Drehpunkten vorgesehenen gummielastischen Elemente
9 wird in einer graphischen Darstellung sichtbar, welche den Verdrehwinkel φ. der
gummielastischen Elemente 9 in Abhängigkeit derjenigen Werte zeigt, die sich aus dem
Verhältnis der Abstände

ergeben.
[0025] Das Verhältnis der Abstände

beinhaltet die Relation eines Abstandes b₁ bzw. b₂ des zugehörigen Gelenkpunktes
18 bzw. 19, als dem Angriffspunkt der betreffenden Steuerstange 16 bzw. 17 am jeweiligen
Radsatz 3 bzw. 3ʹ, gegenüber einem Abstand b₅ des innenliegenden Anlenkpunktes 11
zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4. Das Verhältnis

beschreibt die Relation eines Abstandes b₄ eines Festpunktes 13 am Drehgestell
2, 2ʹ, um den die Ausdrehbewegung der Lenkeinrichtung 10 erfolgt, gegenüber einem
Abstand b₅ eines innenliegenden Anlenkpunktes 11, zu deren gemeinsamer Längsmittelebene
4.
[0026] Hierdurch ergibt sich für die Grösse des Verdrehwinkels φ der gummielastischen Elemente
9 ein Bereich J, welcher oberhalb dem Verhältnis 1 liegt. Mit einer der zuvor beschriebenen
Verhältniszahlen als Eingangsgrösse, lassen sich die effektiven Verdrehwinkel φ für
die gummielastischen Elemente 9 eines jeden Drehpunktes der Lenkeinrichtung 10 mit
aussenliegendem Anlenkpunkt 11 sofort aus den Funktionskurven ablesen. Hierbei besteht
jeweils die Beziehung: φ > Ψ.
[0027] Im oberen rechten Quadranten der Fig. 3 ist eine eingangs zum Stande der Technik
erwähnte passive Lenkeinrichtung 20 gezeigt, welche horizontal in einem Drehgestell
2, 2ʹ angeordnet ist und einen "aussenliegenden" Anlenkpunkt 21 des Wagenkastens
1 aufweist. Mit "aussenliegend" ist hierbei die Relation eines Abstandes b₅ des Anlenkpunktes
21 gegenüber einem Abstand b₄ eines Festpunktes 23 am Drehgestell 2, 2ʹ, um den die
Ausdrehbewegung der Lenkeinrichtung 20 erfolgt, zu deren gemeinsamer Längsmittelebene
4 bezeichnet. Für eine Lenkeinrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt 21 ergibt
sich die Beziehung: b₅ > b₄.
[0028] Die gezeigte Lenkeinrichtung 20 besteht aus einem nach aussen gerichteten Steuerhebel
22, der einerseits am Drehgestell 2, 2ʹ in einem Festpunkt 23 drehbar gelagert ist
und andererseits die beiden Drehpunkte 24, 25 aufweist, von denen aus je eine längsliegende
Steuerstange 26, 27 die Verbindung zu den Gelenkpunkten 28, 29 der beiden Radsätze
3, 3ʹ herstellt.
[0029] Die Wirkung einer Lenkeinrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt 21 in bezug
auf die Verdrehwinkel φ der in allen Drehpunkten vorgesehenen gummielastischen Elemente
9 wird in einer graphischen Darstellung sichtbar, welche den Verdrehwinkel φ der
gummielastischen Elemente 9 in Abhängigkeit derjenigen Werte zeigt, die sich aus dem
Verhältnis der Abstände

oder

ergeben. Das Verhältnis der Abstände beinhaltet die Relation eines Abstandes b₁ bzw.
b₂ des zugehörigen Gelenkpunktes 28 bzw. 29, als dem Angriffspunkt der betreffenden
Steuerstange 26 bzw. 27 am jeweiligen Radsatz 3 bzw. 3ʹ, gegenüber einem Abstand
b₅ des aussenliegenden Anlenkpunktes 21 zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4.
Das Verhältnis

beschreibt die Relation eines Abstandes b₄ eines Festpunktes 23 am Drehgestell
2, 2ʹ, um den die Ausdrehbewegung der Lenkeinrichtung 20 erfolgt, gegenüber einem
Abstand b₅ eines aussenliegenden Anlenkpunktes 21, zu deren gemeinsamer Längsmittelebene
4.
[0030] Hierdurch ergibt sich für die Grösse des Verdrehwinkels φ der gummielastischen Elemente
9 ein Bereich A. Dieser liegt oberhalb eines Nulldurchganges mit der Beziehung φ
= α. Mit einer der zuvor beschriebenen Verhältniszahlen als Eingangsgrösse lassen
sich die effektiven Verdrehwinkel φ für die gummielastischen Elemente 9 eines jeden
Drehpunktes der Lenkeinrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt 21 sofort aus den
Funktionskurven ablesen. Hierbei besteht jeweils die Beziehung: φ > α.
[0031] Eine vergleichende Betrachtung der Wirkung einer Lenkeinrichtung 10 mit innenliegendem
Anlenkpunkt 11 gegenüber einer Lenkeinrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt
21 zeigt für die letztgenannte Bauart deutliche Nachteile in bezug auf die Verdrehwinkel
φ der gummielastischen Elemente 9. Diese resultieren daraus, dass der Verdrehwinkel
φ, wie sich mathematisch zeigen lässt, stets einen Wert annimmt, der grösser ist als
der Ausdrehwinkel α eines Drehgestells 2, 2ʹ unter einem Wagenkasten 1 bei Kurvenfahrt.
Hierdurch ist eine Lenkeinrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt 21, insbesondere
für kleine Kurvenradien befahrende Fahrzeuge, wie Strassen- und Stadtbahnwagen, bei
den sich zwangsläufig ergebenden grossen Ausdrehwinkeln α vorzugsweise nicht anwendbar.
[0032] Im unteren rechten Quadranten der Fig. 3 ist eine erfindungsgemässe, passive Lenkeinrichtung
30 gezeigt, welche horizontal in einem Drehgestell 2, 2ʹ angeordnet ist und einen
"innenliegenden negativen" Anlenkpunkt 31 des Wagenkastens 1 aufweist, derart, dass
der Anlenkpunkt 31 über die Längsmittelebene 4 hinausragt. Mit "innenliegend negativ"
ist hierbei die Relation eines Abstandes -b₅ des Anlenkpunktes 31 gegenüber einem
AbAbstand b₄ eines Festpunktes 33 am Drehgestell 2, 2ʹ, um den die Ausdrehbewegung
der Lenkeinrichtung 30 erfolgt, zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4 bezeichnet.
Für eine Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem Anlenkpunkt 31 ergibt sich
die Beziehung: -b₅ < o.
[0033] Die erfindungsgemässe Lenkeinrichtung 30 besteht aus einem nach innen gerichteten,
über die Längsmittelebene 4 hinausragenden Steuerhebel 32, der einerseits am Drehgestell
2, 2ʹ in einem Festpunkt 33 drehbar gelagert ist und andererseits die beiden Drehpunkte
34, 35 aufweist, von denen aus je eine längsliegende Steuerstange 36, 37 die Verbindung
zu den Gelenkpunkten 38, 39 der beiden Radsätze 3, 3ʹ herstellt.
[0034] Die Wirkung einer erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem
Anlenkpunkt 31 in bezug auf die Verdrehwinkel φ der in allen Drehpunkten vorgesehenen
gummielastischen Elemente 9 wird in einer graphischen Darstellung sichtbar, welche
den Verdrehwinkel φ der gummielastischen Elemente 9 in Abhängigkeit derjenigen Werte
zeigt, die sich aus dem Verhältnis der Abstände

ergeben. Das Verhältnis der Abstände

beinhaltet die Relation eines Abstandes b₁ bzw. b₂ des zugehörigen Gelenkpunktes
38 bzw 39, als dem Angriffspunkt der betreffenden Steuerstange 36 bzw. 37 am jeweiligen
Radsatz 3 bzw. 3ʹ, gegenüber einem Abstand -b₅ des innenliegenden, negativen Anlenkpunktes
31 zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4. Das Verhältnis

beschreibt die Relation eines Abstandes b4₄ eines Festpunktes 33 am Drehgestell 2,2ʹ,
um den die Ausdrehbewegung der Lenkeinrichtung 30 erfolgt, gegenüber einem Abstand
-b₅ eines innenliegenden, negativen Anlenkpunktes 31 zu deren gemeinsamer Längsmittelebene
4.
[0035] Hierdurch ergibt sich für die Grösse des Verdrehwinkels φ der gummielastischen Elemente
9 ein Bereich N. Dieser liegt unterhalb eines Nulldurchganges mit der Beziehung φ
= α. Mit einer der zuvor beschriebenen Verhältniszahlen als Eingangsgrösse, lassen
sich die effektiven Verdrehwinkel φ für die gummielastischen Elemente 9 eines jeden
Drehpunktes der erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem
Anlenkpunkt 31 aus den Funktionskurven sofort ablesen. Hierbei besteht jeweils die
Beziehung: Ψ < φ < α.
[0036] Eine vergleichende Betrachtung der Wirkung einer Lenkeinrichtung 20 mit aussenliegendem
Anlenkpunkt 21 gegenüber einer erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem,
negativem Anlenkpunkt 31 zeigt für die erfindungsgemässe Bauart deutliche Vorteile
in bezug auf die Verdrehwinkel φ der gummielastischen Elemente 9. Diese resultieren
daraus, dass der Verdrehwinkel φ , wie sich mathematisch zeigen lässt, stets einen
Wert annimmt, der grösser ist als der Ausdrehwinkel α eines Drehgestells 2,2ʹ unter
einem Wagenkasten 1 bei Kurvenfahrt.
[0037] Eine vergleichende Betrachtung der Wirkung einer Lenkeinrichtung 10 mit innenliegendem
Anlenkpunkt 11 gegenüber einer erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem,
negativem Anlenkpunkt 31 zeigt für die erfindungsgemässe Bauart ebenfalls Vorteile
in bezug auf den Verdrehwinkel φ der gummielastischen Elemente 9. Diese werden deutlich
sichtbar durch die Lage des Bereichs N im Koordinatensystem bzw. dessen drei Grenzkurven.
Mit einer der zuvor beschriebenen Verhältniszahlen als Eingangsgrösse, lassen sich
die effektiven Verdrehwinkel φ für die gummielastischen Elemente 9 eines jeden Drehpunktes
einer erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 denjenigen einer Lenkeinrichtung 20 sofort
gegenüberstellen. Hierbei ergeben sich für eine erfindungsgemässe Lenkeinrichtung
30 in bezug auf die Ausdrehwinkel φ der gummielastischen Elemente 9 bedeutend kleinere
Werte, so dass sich die erfindungsgemässe Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem
Anlenkpunkt 31 in besonderer Weise für kleine Kurvenradien befahrende Fahrzeuge, wie
Strassen- und Stadtbahnwagen, bei den sich zwangsläufig ergebenden grossen Ausdrehwinkeln
α, eignet.
[0038] Hierdurch erfüllt die erfindungsgemässe Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem
Anlenkpunkt 31 ein seit langem, bestehendes, unbefriedigtes Bedürfnis, indem sie aufgrund
ihrer besonderen Anordnung die an sich bekannten Vorteile einer Lenkeinrichtung (Vermeidung
der Bogenlaufgeräusche und höhere Standzeiten der Radsätze) bietet und gleichzeitig
die bislang mit der Verwendung derartiger Einrichtungen einhergehenden Nachteile (hoher
Verschleiss in den Drehpunkten) zu verhindern in der Lage ist.
[0039] Fig. 4 dient der Erläuterung der Funktionsweise einer erfindungsgemässen Lenkeinrichtung
30 mit innenliegendem, negativem Anlenkpunkt 31.
[0040] Beim Durchfahren eines Gleisbogens werden gemäss Fig. 1 die beiden Drehgestelle 2,2ʹ
in bekannter Weise gegenüber dem Wagenkasten 1, in der Draufsicht gesehen, je im entgegengesetzten
Drehsinn um ihre vertikale Drehachse ausgeschwenkt. Bei einer angenommenen Fahrtrichtung
gemäss Pfeil 8 werden z.B. in einer Linkskurve das Drehgestell 2 um einen Auslenkwinkel
α gegen den Uhrzeigersinn und das Drehgestell 2ʹ um den gleichen Auslenkwinkel α im
Uhrzeigersinn ausgeschwenkt, wobei durch den in Fig. 4 sichtbaren Anlenkpunkt 31 eine
horizontal zwischen Wagenkasten 1 und Drehgestell 2,2ʹ angeordnete Lenkeinrichtung
30 in Tätigkeit gesetzt wird. Hierbei dreht sich der am Drehgestell 2,2' in einem
Festpunkt 33 drehbar gelagerte Steuerhebel 32 um den Einstellwinkel φ gegen den Uhrzeigersinn
und betätigt die beiden längsliegenden Steuerstangen 36,37 jeweils auf Zug. Hierdurch
erfolgt zwangsweise die radiale Einstellung der beiden Radsätze 3,3ʹ jeweils um den
Einstellwinkel Ψ , wobei der Radsatz 3 gegen den Uhrzeigersinn und der Radsatz 3ʹ
mit dem Uhrzeigersinn auf den Kurvenmittelpunkt 5 hin ausgerichtet wird. Für den Auslenkvorgang
besteht bezüglich der Winkelverhältnisse bei der gezeigten Lenkeinrichtung 30 mit
innenliegendem, negativem Anlenkpunkt die Beziehung: Ψ < φ < α.
[0041] Eine in Fig. 4 gezeigte passive Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem
Anlenkpunkt 31 eignet sich vorzugsweise zur Anwendung bei Drehgestellen, welche die
Radialeinstellung der Radsätze mittels zweier gelenkig miteinander verbundenen Halbrahmen
ermöglichen. Bei einem Drehgestell mit konventionellem Drehgestellrahmen müssen pro
Drehgestell für die zwangsweise Radialeinstellung der Radsätze zwei Lenkeinrichtungen
30 spiegelbildlich beidseits einer Längsmittelebene 4 angeordnet werden, wobei die
Relativbewegungen der sich radial einstellenden Radsätze in der Radsatzführung bzw.
Primärfederung aufgenommen werden können. Bei Drehgestellen, welche mehr als zwei
Radsätze aufweisen, wirkt die erfindungsgemässe Lenkeinrichtung auf den jeweils vor-
und nachlaufenden Radsatz eines Drehgestells.
[0042] Alle in der Beschreibung und/oder den Figuren dargestellten Einzelteile und Einzelmerkmale
sowie deren Permutationen, Kombinationen und Variationen sind erfinderisch und zwar
für n Einzelteile und Einzelmerkmale mit den Werten n = 1 bis n → ∞ .
1. Drehgestell für ein Schienenfahrzeug mit mindestens zwei Radsätzen und mindestens
einer passiven Lenkeinrichtung (30), welche jeweils zwei Radsätze (3, 3ʹ) schwenkbar
miteinander verbindet und einen dritten, mit Anlenkpunkt (31) versehenen Steuerhebel
(32) zum schwenkbaren Verbinden mit einem Wagenkasten (1) aufweist, vorzugsweise
nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Gelenkpunkte
(38, 39) für das Verschwenken der Radsätze (3, 3ʹ) auf der einen Seite der Längsmittelebene
(4) des Drehgestells (2, 2ʹ) liegen und der Anlenkpunkt (31) für den Wagenkasten
(1) auf der andern Seite der Längsmittelebene (4) oder in dieser selbst liegt.
2. Drehgestell, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, gekennzeichnet durch
zwei spiegelbildlich zur Längsmittelebene (4) angeordnete Lenkeinrichtungen (30).
3. Drehgestell, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, mit mindestens drei
Radsätzen, dadurch gekennzeichnet, dass der vor- und nachlaufende Radsatz miteinander
über mindestens eine Lenkeinrichtung (30) schwenkbar verbunden sind.
4. Drehgestell, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet,
dass die Lenkeinrichtung (30) als Gestängeverbindung ausgebildet ist und vorzugsweise
drei Hebel aufweist, z.B. einen Steuerhebel (32) und zwei Steuerstangen (36, 37).
5. Drehgestell, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet,
dass der Steuerhebel (32) im Festpunkt (33) des Drehgestells (2, 2ʹ) schwenkbar gelagert
ist.
6. Drehgestell, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet,
dass die Steuerstangen (36, 37) je einerends in Drehpunkten (34, 35) und andernends
an Radsätzen (3, 3ʹ) in Gelenkpunkten (38, 39) gelenkig gelagert sind, wobei vorzugsweise
in allen Schwenkpunkten (31, 33, 34, 35, 38, 39) gummielastische Elemente (9) angeordnet
sind.
7. Schienenfahrzeug, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, gekennzeichnet
durch mindestens zwei Drehgestelle.
8. Schienenfahrzeug, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, gekennzeichnet
durch die Beziehung α > φ bei Kurvenfahrten.
9. Schienenfahrzeug, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet,
dass der Einstellwinkel (Ψ) eines Radsatzes (3, 3ʹ) stets kleiner ist als der Verdrehwinkel
(φ) der gummieleastischen Elemente (9) und dieser (φ) kleiner ist als der Ausdrehwinkel
(α) eines Drehgestells (2, 2ʹ) unter dem Wagenkasten (1).
10. Schienenfahrzeug, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet,
dass α und φ sich umgekehrt zueinander ändern.