(19)
(11) EP 0 263 283 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
13.04.1988  Patentblatt  1988/15

(21) Anmeldenummer: 87112224.8

(22) Anmeldetag:  22.08.1987
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4B61F 5/44
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE DE FR GB IT NL SE

(30) Priorität: 30.09.1986 CH 3906/86

(71) Anmelder: SIG Schweizerische Industrie-Gesellschaft
CH-8212 Neuhausen am Rheinfall (CH)

(72) Erfinder:
  • Harsy, Gabor
    CH-8212 Neuhausen a.R. (CH)

(74) Vertreter: Troesch, Jacques J., Dr. sc. nat. et al
Troesch Scheidegger Werner AG Siewerdtstrasse 95
8050 Zürich
8050 Zürich (CH)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Drehgestell und Schienenfahrzeug


    (57) Das Drehgestell für ein Schienenfahrzeug umfasst minde­stens zwei Radsätze und mindestens eine passive Lenk­einrichtung (30). Diese verbindet jeweils zwei Radsätze (3, 3ʹ) schwenkbar miteinander. Sie weist einen dritten, mit Anlenkpunkt (31) versehenen Steuerhebel (32) zum schwenkbaren Verbinden mit einem Wagenkasten auf. Die Gelenkpunkte (38, 39) für das Verschwenken der Rad­sätze (3, 3ʹ) sind auf der einen Seite der Längsmittel­ebene (4) des Drehgestells (2, 2ʹ) angeordnet und der Anlenkpunkt (31) für den Wagenkasten auf der andern Seite der Längsmittelebene (4) oder in dieser selbst. Dieses Drehgestell ist insbesondere für kleine Kurven­radien befahrende Fahrzeuge, wie Strassen- und Stadt­bahnwagen vorteilhaft, da die in den Dreh- und Gelenk­punkten der Lenkeinrichtung verwendeten gummielasti­schen Elemente optimale Verhältnisse bezüglich deren Verdrehwinkel aufweisen.




    Beschreibung


    [0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Drehgestell für ein Schienenfahrzeug mit mindestens zwei Radsätzen und mindestens einer passiven Lenkeinrichtung, welche je­weils zwei Radsätze schwenkbar miteinander verbindet und einen dritten, mit Anlenkpunkt versehenen Steuer­hebel zum schwenkbaren Verbinden mit einem Wagenkasten aufweist sowie ein Schienenfahrzeug.

    [0002] Bei Schienenfahrzeugen mit Drehgestellen sind aktive und passive Lenkeinrichtungen für deren Radsatzsteuerung bekannte Mittel, um die bei Kurvenfahrt auftretenden Gleitvorgänge zwischen Rad und Schiene zu eliminieren.

    [0003] Insbesondere das Befahren enger Gleisbögen, wie sie z.B. bei Strassen- und Stadtbahnen vorkommen, stellt für die Bandagen der Radsätze eine hohe thermische Be­lastung dar, welche sich in Form von erhöhtem Verschleiss, einhergehend mit dem als lästig empfundenen "Kurven­quietschen", bemerkbar macht.

    [0004] Als aktive Lenkeinrichtung ist im Stande der Technik die in der DE-PS 31 19 164 gezeigte Ausführung bekannt, deren horizontal angeordnetes Gestänge im Normalbetrieb mittels einer Kolben-Zylinder-Einheit über eine Steuer­einheit betätigt wird, die ihren Impuls durch einen Geber erhält, welcher das Spiel des Spurkranzes eines Rades zur Schieneninnenkante erfasst.

    [0005] Passive Lenkeinrichtungen hingegen leiten ihre Verstell­bewegung unmittelbar vom Ausdrehwinkel ab, wie er sich in genügender Grösse nur bei Kurvenfahrt durch den sich re­lativ zum Drehgestell bewegenden Wagenkasten ergibt.

    [0006] So wurde bereits mit der CH-PS 183 368 versucht, eine horizontal zwischen Wagenkasten und Drehgestell angeordnete und deren relative Ausdrehbewegung nutzen­de Lenkeinrichtung zu schaffen. Bei dieser horizontal angeordneten Version des Lenkgestänges befindet sich der Anlenkpunkt des Wagenkastens jeweils innenliegend, d.h. sein Abstand von der gemeinsamen Längsmittelebene des Wagenkastens/Drehgestells ist kleiner als der ent­sprechende Abstand des drehgestellseitigen Festpunktes, um den die Ausdrehbewegung des Gestänges erfolgt.

    [0007] Rückblickend gesehen vermochte sich diese Ausführungs­form in früheren Jahren noch nicht durchzusetzen, da den Vorteilen (höhere Standzeiten der Radsätze) ebenso gros­se Nachteile (Verschleiss in den Drehpunkten der Lenk­einrichtung) entgegen standen.

    [0008] Mit der heute zur Verfügung stehenden Technologie ist es jedoch unter Verwendung von gummielastischen Elementen in den Drehpunkten einer Lenkeinrichtung möglich, diese wartungsfrei auszuführen.

    [0009] Eine solche Lösung wird beispielsweise in der CH-PS 609 292 gezeigt, wo gummielastische Elemente in den Drehpunkten einer horizontal angeordneten Lenkeinrichtung Verwendung finden. Hierbei befindet sich der Anlenkpunkt des Wagenkastens jeweils aussenliegend, d.h. sein Ab­stand von der Längsmittelebene ist grösser als der ent­sprechende Abstand des drehgestellseitigen Festpunktes, um den die Ausdrehbewegung des Gestänges erfolgt.

    [0010] Eine weitere, ebenfalls horizontal angeordnete Lenk­einrichtung wird in der CH-PS 644 806 gezeigt, welche in bezug auf den drehgestellseitigen Festpunkt einen innenliegenden Anlenkpunkt des Wagenkastens aufweist. Ansonsten zeigt sich diese Ausführung dadurch ausser­ordentlich aufwendig, dass mittels je eines Gelenk­vierecks und entsprechend vermehrten Drehpunkten ver­sucht wird, eine unlineare Hebelbewegung für die Len­kung der Radsätze zu erzeugen. Hierdurch soll auf gera­den Strecken ein stabiler Fahrzeuglauf und mit zunehmen­der Streckenkrümmung eine progressiv zunehmende Hebel­übersetzung erreicht werden.

    [0011] Mittlerweile haben praktische Betriebserfahrungen mit passiven Lenkeinrichtungen der zuvor beschriebenen Bau­arten jedoch gezeigt, dass der Einfluss des Sinuslaufs bei der Geradeausfahrt eines Schienenfahrzeuges für das Auslösen einer Radsatzsteuerung keine Einfluss­grösse darstellt, da die sich hieraus ergebenden Aus­drehwinkel zwischen Drehgestell und Wagenkasten für einen entsprechenden Impuls viel zu gering sind.

    [0012] Für eine passive Lenkeinrichtung der vorgenannten Bau­arten ergibt sich vielmehr eine generelle Einschränkung bei der Verwendung von gummielastischen Elementen, her­rührend aus deren zulässigen Ausdrehwinkel, die im Sinne einer Ueberbeanspruchung bzw. Dauerhaltbarkeit vorge­gebene Werte nicht ständig überschreiten dürfen.

    [0013] Daher hat die vorliegende Erfindung zur Aufgabe, ein Drehgestell mit einer passiven Lenkeinrichtung für Schie­nenfahrzeuge, insbesondere für kleine Kurvenradien be­fahrende Fahrzeuge, wie Strassen- und Stadtbahnwagen zu schaffen, wobei mindestens eine Lenkeinrichtung der­art annähernd horizontal zwischen Drehgestell und Wagen­kasten angeordnet ist, und deren relative Ausdrehbewe­gungen als Verstellgrösse für die Radsatzsteuerung ge­nutzt werden,dass für die in den Dreh- und Gelenkpunkten der gesuchten Lenkeinrichtung verwendeten gummielasti­schen Elemente optimale Verhältnisse bezüglich deren Verdrehwinkel herrschen.

    [0014] Die jeweils vor- und nachlaufenden Radsätze eines Dreh­gestells sollen m.a.W. durch die relative Ausdrehbewegung zwischen Wagenkasten und Drehgestell infolge Kurven­fahrt mittels mindestens einem, vorzugsweise horizontal angeordneten Gestänge zwangsweise auf den Kurvenmittel­punkt hin ausgerichtet werden.

    [0015] Die Erfindung löst diese Aufgabe gemäss dem Wortlaut des Anspruchs 1, indem sie aufgrund ihrer besonderen Anordnung die an sich bekannten Vorteile einer Lenk­einrichtung (Vermeidung der Bogenlaufgeräusche, höhere Standzeiten der Radsätze) bietet und gleichzeitig die bislang mit der Verwendung derartiger Einrichtungen einhergehenden Nachteile (hoher Verschleiss in den Dreh­punkten) zu verhindern in der Lage ist.

    [0016] Die Erfindung wird anschliessend anhand einer Zeichnung beispielsweise erläutert sowie deren Wirkung und Funk­tionsweise beschrieben.

    [0017] Es zeigen:

    Fig. 1 eine schematische Darstellung eines, im Gleis­bogen stehenden Drehgestell-Schienenfahrzeuges in Draufsicht,

    Fig. 2 eine schematische Darstellung der Radialstellung zweier Radsätze eines Drehgestells in Draufsicht,

    Fig. 3 eine schematische Darstellung verschiedener Lenkeinrichtungen und deren Wirkungen bezüglich dem Verdrehwinkel ihrer gummielastischen Elemente,

    Fig. 4 eine Lenkeinrichtung für die Radialstellung zweier Radsätze eines Drehgestells in Drauf­sicht.



    [0018] Bei einem gemäss Fig. 1 im Gleisbogen stehenden Dreh­gestell-Schienenfahrzeug werden je ein Drehgestell 2, 2ʹ um einen Ausdrehwinkel α in Abhängigkeit eines Kur­venradius R und eines Drehzapfenabstandes 2a* unter einem Wagenkasten 1 verschwenkt. Für den hieraus resul­tierenden Ausdrehwinkel α eines Drehgestells 2, 2ʹ ergibt sich die Beziehung: α = arc sin

    .

    [0019] Unter diesen Verhältnissen ist in Fig. 2 innerhalb eines, einen Achsabstand 2a⁺ aufweisenden Drehgestells 2, 2ʹ die Situation für einen erforderlichen Einstellwinkel ψ je eines Radsatzes 3, 3ʹ bei vollkommener Radial­stellung infolge Ausrichtung auf einen Kurvenmittel­punkt 5 eines Gleisbogens mit dem Kurvenradius R ge­zeigt. Für den hieraus resultierenden Einstellwin­kel Ψ eines Radsatzees 3, 3ʹ ergibt sich die Beziehung: Ψ = arc sin

    .

    [0020] Das Verhältnis des Einstellwinkels Ψ zum Ausdrehwin­kel α bildet schliesslich ein, als "Passive Steering Gain" bekanntes Uebersetzungsverhältnis G für die wa­genkastenseitige Zwangssteuerung der Radsätze eines Drehgestells mittels einer passiven Lenkeinrichtung. Für das Uebersetzungsverhältnis G ergibt sich die Be­ziehung: G =

    .

    [0021] In Fig. 3 sind die aus dem Stand der Technik her be­kannten, horizontalen Lenkeinrichtungen passiver Art 10, 20 und deren Wirkungen in bezug auf einen Ver­drehwinkel φ der an allen Dreh- und Gelenkpunkten vor­gesehenen gummielastischen Elemente 9 einer erfin­dungsgemässen Lenkeinrichtung 30 gegenübergestellt. Hierbei ist der besseren Uebersicht wegen von den, beid­seits einer Längsmittelebene 4 an einem Drehgestell 2, 2ʹ spiegelbildlich angeordneten Lenkeinrichtungen jeweils nur eine Drehgestellseite mit Lenkeinrichtung versehen, dargestellt.

    [0022] Im oberen linken Quadranten der Fig. 3 ist eine ein­gangs zum Stande der Technik erwähnte passive Lenkein­richtung 10 gezeigt, welche horizontal in einem Dreh­gestell 2, 2ʹ angeordnet ist und einen "innenliegen­den" Anlenkpunkt 11 des Wagenkastens 1 aufweist. Mit "innenliegend" ist hierbei die Relation eines Abstan­des b₅ des Anlenkpunktes 11 gegenüber einem Abstand b₄ eines Festpunktes 13, um den die Ausdrehbewegung der Lenkeinrichtung 10 erfolgt, zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4 bezeichnet. Für eine Lenkeinrich­tung 10 mit innenliegendem Anlenkpunkt 11 ergibt sich die Beziehung: b₅ < b₄.

    [0023] Die gezeigte Lenkeinrichtung 10 besteht aus einem nach innen gerichteten, nicht über die Längsmittelebene 4 hinausragenden Steuerhebel 12, der einerseits am Dreh­gestell 2, 2ʹ in einem Festpunkt 13 drehbar gelagert ist und andererseits die beiden Drehpunkte 14, 15 aufweist, von denen aus je eine längsliegende Steuer­stange 16, 17 die Verbindung zu den Gelenkpunkten 18, 19 der beiden Radsätze 3, 3ʹ herstellt.

    [0024] Die Wirkung einer Lenkeinrichtung 10 mit innenliegendem Anlenkpunkt 11 in bezug auf die Verdrehwinkel φ der in allen Drehpunkten vorgesehenen gummielastischen Ele­mente 9 wird in einer graphischen Darstellung sichtbar, welche den Verdrehwinkel φ. der gummielastischen Elemente 9 in Abhängigkeit derjenigen Werte zeigt, die sich aus dem Verhältnis der Abstände

    ergeben.

    [0025] Das Verhältnis der Abstände

    beinhaltet die Relation eines Abstandes b₁ bzw. b₂ des zugehörigen Gelenkpunktes 18 bzw. 19, als dem Angriffspunkt der betreffenden Steuerstange 16 bzw. 17 am jeweiligen Rad­satz 3 bzw. 3ʹ, gegenüber einem Abstand b₅ des innen­liegenden Anlenkpunktes 11 zu deren gemeinsamer Längs­mittelebene 4. Das Verhältnis

    beschreibt die Rela­tion eines Abstandes b₄ eines Festpunktes 13 am Dreh­gestell 2, 2ʹ, um den die Ausdrehbewegung der Lenkein­richtung 10 erfolgt, gegenüber einem Abstand b₅ eines innenliegenden Anlenkpunktes 11, zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4.

    [0026] Hierdurch ergibt sich für die Grösse des Verdrehwin­kels φ der gummielastischen Elemente 9 ein Bereich J, welcher oberhalb dem Verhältnis 1 liegt. Mit einer der zuvor beschriebenen Verhältniszahlen als Eingangs­grösse, lassen sich die effektiven Verdrehwinkel φ für die gummielastischen Elemente 9 eines jeden Dreh­punktes der Lenkeinrichtung 10 mit aussenliegendem An­lenkpunkt 11 sofort aus den Funktionskurven ablesen. Hierbei besteht jeweils die Beziehung: φ > Ψ.

    [0027] Im oberen rechten Quadranten der Fig. 3 ist eine ein­gangs zum Stande der Technik erwähnte passive Lenk­einrichtung 20 gezeigt, welche horizontal in einem Drehgestell 2, 2ʹ angeordnet ist und einen "aussen­liegenden" Anlenkpunkt 21 des Wagenkastens 1 aufweist. Mit "aussenliegend" ist hierbei die Relation eines Ab­standes b₅ des Anlenkpunktes 21 gegenüber einem Ab­stand b₄ eines Festpunktes 23 am Drehgestell 2, 2ʹ, um den die Ausdrehbewegung der Lenkeinrichtung 20 er­folgt, zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4 bezeich­net. Für eine Lenkeinrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt 21 ergibt sich die Beziehung: b₅ > b₄.

    [0028] Die gezeigte Lenkeinrichtung 20 besteht aus einem nach aussen gerichteten Steuerhebel 22, der einerseits am Drehgestell 2, 2ʹ in einem Festpunkt 23 drehbar gela­gert ist und andererseits die beiden Drehpunkte 24, 25 aufweist, von denen aus je eine längsliegende Steuer­stange 26, 27 die Verbindung zu den Gelenkpunkten 28, 29 der beiden Radsätze 3, 3ʹ herstellt.

    [0029] Die Wirkung einer Lenkeinrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt 21 in bezug auf die Verdrehwinkel φ der in allen Drehpunkten vorgesehenen gummielastischen Ele­mente 9 wird in einer graphischen Darstellung sicht­bar, welche den Verdrehwinkel φ der gummielastischen Elemente 9 in Abhängigkeit derjenigen Werte zeigt, die sich aus dem Verhältnis der Abstände

    oder

    ergeben. Das Verhältnis der Abstände beinhaltet die Relation eines Abstandes b₁ bzw. b₂ des zugehörigen Gelenkpunktes 28 bzw. 29, als dem Angriffspunkt der betreffenden Steuerstange 26 bzw. 27 am jeweiligen Rad­satz 3 bzw. 3ʹ, gegenüber einem Abstand b₅ des aussen­liegenden Anlenkpunktes 21 zu deren gemeinsamer Längs­mittelebene 4. Das Verhältnis

    beschreibt die Rela­tion eines Abstandes b₄ eines Festpunktes 23 am Dreh­gestell 2, 2ʹ, um den die Ausdrehbewegung der Lenk­einrichtung 20 erfolgt, gegenüber einem Abstand b₅ eines aussenliegenden Anlenkpunktes 21, zu deren gemein­samer Längsmittelebene 4.

    [0030] Hierdurch ergibt sich für die Grösse des Verdrehwinkels φ der gummielastischen Elemente 9 ein Bereich A. Die­ser liegt oberhalb eines Nulldurchganges mit der Be­ziehung φ = α. Mit einer der zuvor beschriebenen Ver­hältniszahlen als Eingangsgrösse lassen sich die effek­tiven Verdrehwinkel φ für die gummielastischen Elemente 9 eines jeden Drehpunktes der Lenkeinrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt 21 sofort aus den Funktions­kurven ablesen. Hierbei besteht jeweils die Beziehung: φ > α.

    [0031] Eine vergleichende Betrachtung der Wirkung einer Lenk­einrichtung 10 mit innenliegendem Anlenkpunkt 11 ge­genüber einer Lenkeinrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt 21 zeigt für die letztgenannte Bauart deutliche Nachteile in bezug auf die Verdrehwinkel φ der gummielastischen Elemente 9. Diese resultieren daraus, dass der Verdrehwinkel φ, wie sich mathematisch zeigen lässt, stets einen Wert annimmt, der grösser ist als der Ausdrehwinkel α eines Drehgestells 2, 2ʹ unter einem Wagenkasten 1 bei Kurvenfahrt. Hierdurch ist eine Lenk­einrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt 21, ins­besondere für kleine Kurvenradien befahrende Fahrzeuge, wie Strassen- und Stadtbahnwagen, bei den sich zwangs­läufig ergebenden grossen Ausdrehwinkeln α vorzugswei­se nicht anwendbar.

    [0032] Im unteren rechten Quadranten der Fig. 3 ist eine er­findungsgemässe, passive Lenkeinrichtung 30 gezeigt, welche horizontal in einem Drehgestell 2, 2ʹ angeordnet ist und einen "innenliegenden negativen" Anlenkpunkt 31 des Wagenkastens 1 aufweist, derart, dass der Anlenk­punkt 31 über die Längsmittelebene 4 hinausragt. Mit "innenliegend negativ" ist hierbei die Relation eines Abstandes -b₅ des Anlenkpunktes 31 gegenüber einem Ab­Abstand b₄ eines Festpunktes 33 am Drehgestell 2, 2ʹ, um den die Ausdrehbewegung der Lenkeinrichtung 30 erfolgt, zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4 bezeichnet. Für eine Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, nega­tivem Anlenkpunkt 31 ergibt sich die Beziehung: -b₅ < o.

    [0033] Die erfindungsgemässe Lenkeinrichtung 30 besteht aus einem nach innen gerichteten, über die Längsmittelebene 4 hinausragenden Steuerhebel 32, der einerseits am Dreh­gestell 2, 2ʹ in einem Festpunkt 33 drehbar gelagert ist und andererseits die beiden Drehpunkte 34, 35 auf­weist, von denen aus je eine längsliegende Steuerstange 36, 37 die Verbindung zu den Gelenkpunkten 38, 39 der beiden Radsätze 3, 3ʹ herstellt.

    [0034] Die Wirkung einer erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem Anlenkpunkt 31 in bezug auf die Verdrehwinkel φ der in allen Drehpunkten vorge­sehenen gummielastischen Elemente 9 wird in einer graphischen Darstellung sichtbar, welche den Verdrehwinkel φ der gummielastischen Elemente 9 in Abhängigkeit derjenigen Werte zeigt, die sich aus dem Verhältnis der Abstände

    ergeben. Das Verhältnis der Abstände

    beinhaltet die Relation eines Abstandes b₁ bzw. b₂ des zugehörigen Gelenkpunktes 38 bzw 39, als dem Angriffspunkt der betreffenden Steuerstange 36 bzw. 37 am jeweiligen Radsatz 3 bzw. 3ʹ, gegenüber einem Abstand -b₅ des innenliegenden, negativen Anlenkpunktes 31 zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4. Das Verhältnis

    beschreibt die Relation eines Abstandes b4₄ eines Festpunktes 33 am Drehgestell 2,2ʹ, um den die Ausdrehbe­wegung der Lenkeinrichtung 30 erfolgt, gegenüber einem Abstand -b₅ eines innenliegenden, negativen Anlenkpunktes 31 zu deren gemeinsamer Längsmittelebene 4.

    [0035] Hierdurch ergibt sich für die Grösse des Verdrehwinkels φ der gummielastischen Elemente 9 ein Bereich N. Dieser liegt unterhalb eines Nulldurchganges mit der Beziehung φ = α. Mit einer der zuvor beschriebenen Verhältniszahlen als Eingangsgrösse, lassen sich die effektiven Verdreh­winkel φ für die gummielastischen Elemente 9 eines jeden Drehpunktes der erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem Anlenkpunkt 31 aus den Funktionskurven sofort ablesen. Hierbei besteht jeweils die Beziehung: Ψ < φ < α.

    [0036] Eine vergleichende Betrachtung der Wirkung einer Lenk­einrichtung 20 mit aussenliegendem Anlenkpunkt 21 gegen­über einer erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem Anlenkpunkt 31 zeigt für die erfindungsgemässe Bauart deutliche Vorteile in bezug auf die Verdrehwinkel φ der gummielastischen Elemente 9. Diese resultieren daraus, dass der Verdrehwinkel φ , wie sich mathematisch zeigen lässt, stets einen Wert annimmt, der grösser ist als der Ausdrehwinkel α eines Drehgestells 2,2ʹ unter einem Wagenkasten 1 bei Kurvenfahrt.

    [0037] Eine vergleichende Betrachtung der Wirkung einer Lenk­einrichtung 10 mit innenliegendem Anlenkpunkt 11 gegenüber einer erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 mit innen­liegendem, negativem Anlenkpunkt 31 zeigt für die er­findungsgemässe Bauart ebenfalls Vorteile in bezug auf den Verdrehwinkel φ der gummielastischen Elemente 9. Diese werden deutlich sichtbar durch die Lage des Bereichs N im Koordinatensystem bzw. dessen drei Grenzkurven. Mit einer der zuvor beschriebenen Verhältniszahlen als Eingangsgrösse, lassen sich die effektiven Verdrehwinkel φ für die gummielastischen Elemente 9 eines jeden Dreh­punktes einer erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 den­jenigen einer Lenkeinrichtung 20 sofort gegenüberstellen. Hierbei ergeben sich für eine erfindungsgemässe Lenk­einrichtung 30 in bezug auf die Ausdrehwinkel φ der gummi­elastischen Elemente 9 bedeutend kleinere Werte, so dass sich die erfindungsgemässe Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem Anlenkpunkt 31 in besonderer Weise für kleine Kurvenradien befahrende Fahrzeuge, wie Strassen- und Stadtbahnwagen, bei den sich zwangsläufig ergebenden grossen Ausdrehwinkeln α, eignet.

    [0038] Hierdurch erfüllt die erfindungsgemässe Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem Anlenkpunkt 31 ein seit langem, bestehendes, unbefriedigtes Bedürfnis, indem sie aufgrund ihrer besonderen Anordnung die an sich bekannten Vorteile einer Lenkeinrichtung (Vermeidung der Bogenlaufgeräusche und höhere Standzeiten der Radsätze) bietet und gleichzeitig die bislang mit der Verwendung derartiger Einrichtungen einhergehenden Nachteile (hoher Verschleiss in den Drehpunkten) zu verhindern in der Lage ist.

    [0039] Fig. 4 dient der Erläuterung der Funktionsweise einer erfindungsgemässen Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem Anlenkpunkt 31.

    [0040] Beim Durchfahren eines Gleisbogens werden gemäss Fig. 1 die beiden Drehgestelle 2,2ʹ in bekannter Weise gegenüber dem Wagenkasten 1, in der Draufsicht gesehen, je im entgegengesetzten Drehsinn um ihre vertikale Drehachse ausgeschwenkt. Bei einer angenommenen Fahrtrichtung gemäss Pfeil 8 werden z.B. in einer Linkskurve das Drehgestell 2 um einen Auslenkwinkel α gegen den Uhrzeigersinn und das Drehgestell 2ʹ um den gleichen Auslenkwinkel α im Uhrzeigersinn ausgeschwenkt, wobei durch den in Fig. 4 sichtbaren Anlenkpunkt 31 eine horizontal zwischen Wagenkasten 1 und Drehgestell 2,2ʹ angeordnete Lenkeinrichtung 30 in Tätigkeit gesetzt wird. Hierbei dreht sich der am Drehgestell 2,2' in einem Festpunkt 33 drehbar gelagerte Steuerhebel 32 um den Einstellwinkel φ gegen den Uhrzeigersinn und betätigt die beiden längsliegenden Steuerstangen 36,37 jeweils auf Zug. Hierdurch erfolgt zwangsweise die radiale Einstellung der beiden Radsätze 3,3ʹ jeweils um den Einstellwinkel Ψ , wobei der Radsatz 3 gegen den Uhrzeigersinn und der Radsatz 3ʹ mit dem Uhrzeigersinn auf den Kurvenmittelpunkt 5 hin ausgerichtet wird. Für den Auslenkvorgang besteht bezüglich der Winkelverhältnisse bei der gezeigten Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem Anlenkpunkt die Beziehung: Ψ < φ < α.

    [0041] Eine in Fig. 4 gezeigte passive Lenkeinrichtung 30 mit innenliegendem, negativem Anlenkpunkt 31 eignet sich vorzugsweise zur Anwendung bei Drehgestellen, welche die Radialeinstellung der Radsätze mittels zweier gelenkig miteinander verbundenen Halbrahmen ermöglichen. Bei einem Drehgestell mit konventionellem Drehgestellrahmen müssen pro Drehgestell für die zwangsweise Radialeinstellung der Radsätze zwei Lenkeinrichtungen 30 spiegelbildlich beidseits einer Längsmittelebene 4 angeordnet werden, wobei die Relativbewegungen der sich radial einstellenden Radsätze in der Radsatzführung bzw. Primärfederung aufgenommen werden können. Bei Drehgestellen, welche mehr als zwei Radsätze aufweisen, wirkt die erfindungsgemässe Lenkeinrichtung auf den jeweils vor- und nachlaufenden Radsatz eines Drehgestells.

    [0042] Alle in der Beschreibung und/oder den Figuren darge­stellten Einzelteile und Einzelmerkmale sowie deren Permutationen, Kombinationen und Variationen sind erfinderisch und zwar für n Einzelteile und Einzel­merkmale mit den Werten n = 1 bis n → ∞ .


    Ansprüche

    1. Drehgestell für ein Schienenfahrzeug mit mindestens zwei Radsätzen und mindestens einer passiven Lenkein­richtung (30), welche jeweils zwei Radsätze (3, 3ʹ) schwenkbar miteinander verbindet und einen dritten, mit Anlenkpunkt (31) versehenen Steuerhebel (32) zum schwenkbaren Verbinden mit einem Wagenkasten (1) auf­weist, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprü­che, dadurch gekennzeichnet, dass die Gelenkpunkte (38, 39) für das Verschwenken der Radsätze (3, 3ʹ) auf der einen Seite der Längsmittelebene (4) des Drehgestells (2, 2ʹ) liegen und der Anlenkpunkt (31) für den Wagen­kasten (1) auf der andern Seite der Längsmittelebene (4) oder in dieser selbst liegt.
     
    2. Drehgestell, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, gekennzeichnet durch zwei spiegelbildlich zur Längsmittelebene (4) angeordnete Lenkeinrichtungen (30).
     
    3. Drehgestell, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, mit mindestens drei Radsätzen, dadurch ge­kennzeichnet, dass der vor- und nachlaufende Radsatz miteinander über mindestens eine Lenkeinrichtung (30) schwenkbar verbunden sind.
     
    4. Drehgestell, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Lenkein­richtung (30) als Gestängeverbindung ausgebildet ist und vorzugsweise drei Hebel aufweist, z.B. einen Steuer­hebel (32) und zwei Steuerstangen (36, 37).
     
    5. Drehgestell, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerhebel (32) im Festpunkt (33) des Drehgestells (2, 2ʹ) schwenk­bar gelagert ist.
     
    6. Drehgestell, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerstan­gen (36, 37) je einerends in Drehpunkten (34, 35) und andernends an Radsätzen (3, 3ʹ) in Gelenkpunkten (38, 39) gelenkig gelagert sind, wobei vorzugsweise in allen Schwenkpunkten (31, 33, 34, 35, 38, 39) gummielastische Elemente (9) angeordnet sind.
     
    7. Schienenfahrzeug, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, gekennzeichnet durch mindestens zwei Drehgestelle.
     
    8. Schienenfahrzeug, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, gekennzeichnet durch die Beziehung α > φ bei Kurvenfahrten.
     
    9. Schienenfahrzeug, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Ein­stellwinkel (Ψ) eines Radsatzes (3, 3ʹ) stets kleiner ist als der Verdrehwinkel (φ) der gummieleastischen Elemente (9) und dieser (φ) kleiner ist als der Aus­drehwinkel (α) eines Drehgestells (2, 2ʹ) unter dem Wagenkasten (1).
     
    10. Schienenfahrzeug, vorzugsweise nach mindestens einem der Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass α und φ sich umgekehrt zueinander ändern.
     




    Zeichnung