(19)
(11) EP 0 276 437 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.08.1988  Patentblatt  1988/31

(21) Anmeldenummer: 87118337.2

(22) Anmeldetag:  10.12.1987
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4G21K 1/00, H01J 35/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
DE FR GB NL

(30) Priorität: 23.12.1986 DE 3644306

(71) Anmelder: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
80333 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Knüpfer, Wolfgang, Dr.
    D-8520 Erlangen (DE)
  • Pfeiler, Manfred, Dr.
    D-8520 Erlangen (DE)
  • Huber, Max, Prof. Dr.
    D-5300 Bonn 1 (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Röntgenstrahlenquelle


    (57) Es ist ein Kristall (4) zum Channeln von Elektronen oder Po­sitronen fest definierter Energie vorhanden. Die Abstrahlung von Photonen erfolgt aufgrund des Effektes, daß periodisch beschleunigte, geladene teilchen elektromagnetische Strahlung emittieren. Die emittierten Photonen sind auf Röntgenenergien gewünschter Größe durch Einstellung der Elektronen- oder Po­sitronen-Einschußenergie abgestimmt. Die Erzeugung der Elek­tronen- oder Positronen kann in einem Beschleuniger (2) über einen Kollimator (3) erfolgen. Dem Kristall kann ein Filter­system (6) nachgeschaltet sein.




    Beschreibung


    [0001] Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf eine Röntgenstrah­lenquelle zur Erzeugung von Röntgenstrahlen, die für medizi­nisch diagnostische und therapeutische Zwecke sowie material­physikalische Analysen und Untersuchungen geeignet ist.

    [0002] Es ist bekannt, Röntgenstrahlung für medizinisch diagnostische Zwecke in Röntgenröhren zu erzeugen, und zwar durch die Abbrem­sung von Elektronen im Feld der Anode. Die resultierende Brems­strahlung überdeckt dabei einen Bereich zwischen 20 keV und 100 keV. Die Benutzung einer konventionellen Röntgenröhre für medi­zinische Zwecke erscheint nicht gerade ideal, da nur ein Teil der erzeugten Strahlung für den gewünschten Effekt benutzt wer­den kann. Wegen des kontinuierlichen Strahlenspektrums wird das bestrahlte Objekt, sei es zum Prüfen, Analysieren, zur diagno­stischen Bildgebung oder zur Strahlentherapie, nicht nur dem gewünschten Energiebereich, sondern auch Strahlenanteilen aus­gesetzt, die außerhalb des gewünschten Bereiches liegen. In der dem Objekt zugeführten Dosis sind bei der Untersuchung gleich­zeitig beträchtliche Dosen von Röntgenstrahlung enthalten, die eigentlich unerwünscht sind. Auch für therapeutische Zwecke zeigen sich diese Nachteile.

    [0003] Für materialphysikalische Untersuchungen und Analysen sind feinabstimmbare Strahlungsquellen im Röntgenbereich von großer Bedeutung, um durch gezielte Anregung der charakteristischen Röntgenstrahlung der zu untersuchenden Elemente Art und Konzen­tration zu erfahren. Auch für festkörperanalytische Untersu­chungen, wie z.B. Strukturanalysen von Gasen auf Metallober­flächen oder auch Metallen auf Halbleitern, ist der Einsatz einer monochromatisch abstimmbaren Strahlungsquelle im Rönt­genbereich von sehr großer Bedeutung.

    [0004] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Röntgenstrah­lenquelle zu schaffen, die monochromatische Röntgenstrahlung hoher Intensität und mit hohem Polarisationsgrad aussendet.

    [0005] Diese Aufgabe ist erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß ein Kristall zum Channeln von Elektronen oder Positronen fest de­finierter Energie vorhanden ist, wobei die Abstrahlung von Photonen aufgrund des Effektes, daß periodisch beschleunigte geladene Teilchen elektromagnetische Strahlung emittieren, erfolgt und wobei die emittierten Photonen auf Röntgenener­gien gewünschter Größe durch Einstellung der Elektronen- ­oder Positronen-Einschußenergie abgestimmt werden.

    [0006] Bei der erfindungsgemäßen Röntgenstrahlenquelle wird der Ef­fekt der Strahlungserzeugung durch Channeln von geladenen Teilchen in dafür geeigneten Kristallen ausgenutzt. Es er­folgt die gezielte Erzeugung von Röntgenstrahlung in einem engen Energiebereich, die für die medizinisch diagnostischen und therapeutischen Zwecke sowie für die materialphysikali­schen Analysen geeignet ist. Das medizinische bzw. technische Personal am Röntgenapparat wird geschont, wobei auf massive und teuere Abschirmmaßnahmen verzichtet werden kann. Die Röntgenstrahlenquelle nach der Erfindung ist insbesondere im Zusammenhang mit einem passenden Detektorsystem zur Vorsorge­untersuchung von Herz-Kreislauferkrankungen geeignet.

    [0007] Im Rahmen der Erfindung kann die Einschußenergie der gelade­nen Teilchen so eingestellt werden, daß monochromatische Röntgenstrahlung im erwünschten Bereich für medizinisch dia­gnostische und therapeutische oder festkörperanalytische Zwecke erzeugt wird. Dieser erwünschte Bereich liegt ungefähr zwischen 5 keV und 250 keV. Die Erzeugung dieser monochroma­tischen Röntgenstrahlung beruht auf der Channelingstrahlung, die Elektronen bzw. Positronen beim Durchlaufen von Kristal­len unter Channelingbedingungen emittieren. Unter Ausnutzung dieses physikalischen Effektes lassen sich drei charakteri­stische Eigenschaften nutzen.

    a) Die Energie der Photonen ist durch Veränderung der Energie der auf den Kristall auftreffenden Elektronen (Positronen) leicht variierbar. Die resultierende Strahlung ist viel­seitig verwendbar für medizinisch diagnostiche und thera­peutische Anwendungen sowie Elementanalyse und festkörper­analytische Untersuchungen.

    b) Das Spektrum der Photonen ist sehr engbandig und vermeidet den Nachteil bisheriger konventioneller Röntgenstrahlen­quellen, die ein breitbandiges Spektrum ermittieren.

    Als Konsequenz kann der Patient bei medizinisch diagnosti­schen Anwendungen nur mit der für ihn relevanten Strah­lungsenergie bestrahlt werden. Dies führt somit im Gegen­satz zu konventionellen Strahlungsquellen zu einer Dosis­ersparnis.

    c) Die emittierte Strahlung wird gebündelt, d.h. in Vorwärts­richtung als winkelmäßig sehr begrenzte Strahlung emit­tiert. Dies kann in Zusammenhang mit Scanprozeduren be­deutsam sein (Vermeidung mechanischer Blenden und Ver­schlüsse).



    [0008] Ein anderer wichtiger Gesichtspunkt beruht auf der Tatsache, daß die resultierende Röntgenstrahlung polarisiert ist. In der medizinischen Radiologie wurden polarisierte Röntgen­strahlen bisher nie benutzt. Hier ergibt sich die Möglich­keit, diese Strahlungseigenschaften zu erforschen. Für in­dustrielle Anwendungen von polarisierten Röntgenstrahlen wären somit die sonst üblichen aufwendigen Maßnahmen zur Polarisation überflüssig.

    [0009] Die Erfindung ist nachfolgend anhand der Zeichnung näher er­läutert. Es zeigen:

    Fig. 1a, 1b zwei Prinzipdarstellungen zur Erläuterung des Er­findungsgedankens,

    Fig. 2a, 2b zwei Varianten einer Röntgenstrahlenquelle nach der Erfindung,

    Fig. 3a, 3b Röntgendiagnostikanlagen mit Röntgenstrahlenquel­len entsprechend den Fig. 2a und 2b, und

    Fig. 4a, 4b und 4c Kurven zur Erläuterung des Erfindungsge­dankens.



    [0010] Die Erzeugung monochromatischer Röntgenstrahlung beruht auf einem Effekt, der in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der festkörperphysikalischen Grundlagenforschung intensiv un­tersucht worden ist. Dem Effekt liegt folgende Idee zugrunde: Die spektrale Intensitätsverteilung der von einer transversal beschleunigten Ladung emittierten Strahlung (technisches Bei­spiel: Synchrotron-Anlage) hängt entscheidend vom Krümmungs­radius ab. Wenn es gelingt, die beim Synchrotron notwendiger­weise makroskopischen Dimensionen durch atomare Abstände zu ersetzen, eröffnet sich die Möglichkeit, das Photonenspektrum zu vergleichsweise höheren Energien und gleichzeitig zu grös­seren Intensitäten hin zu verschieben - bei ansonsten unver­änderten Parametern.

    [0011] Nach einem Vorschlag von A. M. Kumakhov, Sov. Phys. JETP 45 (1977), Seite 791, ist diese Idee realisierbar: Elektronen (Positronen), also geladene Teilchen, die durch einen Kri­stall "channeln", erfahren hierbei eine periodisch transver­sale Beschleunigung und emittieren als Folge elektromagneti­sche Strahlung. Die Energie der emittierten Strahlung hängt eindeutig von der Energie der channelnden Teilchen ab. Die Trajektorien der channelnden Teilchen können durch gezielte Auswahl bestimmte Kristallsymmetrieebenen bzw. Kristallsym­metrieachsen in einer Ebene bzw. relativ zu einer Achse ver­laufen. Man spricht in diesem Fall von planarem Channeling bzw. axialem Channeling wie dies in Fig. 1a bzw. 1b schema­tisch dargestellt ist. In beiden Fig. ist mit B die Teilchen­bahn und mit G ein Kristallgitter bezeichnet. In beiden Fäl­ len führen channelnde Teilchen transversal zu einer Kristall­symmetrieachse eine gebundene, periodische Bewegung aus. In der Kristallphysik ist diese Bewegung durch das Vorhandensein eines transversalen Kristallfeldpotentiales bestimmt. Für Teilchenenergien (Elektronen bzw. Positronen im MeV-Bereich) ist eine quantenmechanische Beschreibung der Channelingbewe­gung notwendig. Lösungen dieser Beschreibung sind, wie in ge­bundenen quantenmechanischen Problemen üblich, nur bestimmte diskrete Energieeigenwerte, die stabilen Konfigurationen der transversalen Komponenten der Trajektorien entsprechen. Zwi­schen diesen diskreten Energieneveaus können Strahlungsüber­gänge unter Aussendung elektromagnetischer Strahlung statt­finden. Infolge des relativistischen Massenzuwachses der sich annähernd mit Lichtgeschwindigkeit in longitudinaler Richtung bewegenden Elektronen bzw. Positronen (parallel zur Kristall­symmetrieachse) erfahren die abgestrahlten Photonen eine Dopplerverschiebung.

    [0012] Die Energie ℏw der resultierenden, stark vorwärts gerichteten Strahlung hängt einmal von den Kristallfeldstärken und zum anderen von der Geschwindigkeit β= v/c ab, mit der die Elek­tronen (Positronen) durch den Kristall laufen.

    hierbei ist
    ϑ die Richtung des ausgesandten Photons relativ zur Teil­chenrichtung,
    ℏc das Produkt von Plankschem Wirkungsquantum mal Lichtge­schwindigkeit dividiert durch zwei mal π
    V₀ ist die Potentialstärke des gemittelten transversalen Kri­stallfeldpotentiales bei einem harmonischen Potentialansatz, m₀c² ist die Ruheenergie des Elektrons (Positrons).

    [0013] Für Vorwärtswinkel (ϑ ≅ o) gilt für die Abhängigkeit der Strahlungsenergie von der Teilcheneinschußenergie.
        ℏ ≅ 2 hw₀γ³/² mit γ = (1-β²)⁻ ½ = E/m₀c².

    [0014] Hierbei bezeichnet E die Teilcheneinschußenergie.

    [0015] In Tabelle 1 ist für einen bisher in der Grundlagenforschung häufig eingesetzten Kristall Si sowie für den potentiell in­teressanten Kristall Wolfram der Zusammenhang zwischen Pho­tonenergie und Teilchenenergie aufgezeichnet:



    [0016] Im Rahmen dieser Spezifikationen sind Röntgenstrahlen von 0,5 keV bis ungefähr 250 keV bestens für medizinisch-diagno­stische und therapeutische Anwendungen geeignet. Im besonde­ren ist der Bereich von 20 keV bis 100 keV vor allem für dia­gnostische Anwendungen interessant. Typisch ist der Wert von 40 keV für Standardanwendungen wie z.B. Thorax-Anwendungen. In der Strahlentherapie ist der Bereich von 10 keV bis 30 keV besonders für Tumoranwendung oder Photonaktivierungstherapie relevant. Die Behandlung tiefer liegender Tumore erfordert Energien oberhalb 30 keV bis 250 keV. Für Elementanalysen durch Röntgenuntersuchungen ist der Bereich zwischen 0,5 keV bis ungefähr 100 keV von Bedeutung. Die hier aufgezeigten numerischen Werte sollen vor allem exemplarisch gesehen wer­den. Neue Entwicklungen in der Medizin schließen selbstver­ständlich eine Erweiterung der Bereiche nicht aus.

    [0017] Die beschriebene Erzeugung von Channeling-Strahlung zeichnet drei charakteristische Eigenschaften aus:

    a) Leichte Einstellbarkeit der Photonenenergie durch Vari­ation der Elektronen(Positronen)-Einschußenergie.

    b) Monochromasie des Röntgenspektrums, das dosissparende An­wendung finden kann. Besonders von Vorteil ist die Anpas­sung der Röntgenenergie an die medizinische Fragestellung (Objektanpassung) und die Möglichkeit der Anpassung der Röntgenstrahlung an das Röntgenkonvertersystem.

    c) Die spektrale Intensitätsverteilung ist den herkömmlichen Röntgenstrahlungsquellen überlegen.



    [0018] In Fig. 2a ist schematisch eine Anlage dargestellt, mit der Röntgenstrahlung mit der Methode der Channelingstrahlung für medizinisch diagnostische und therapeutische Anwendungen sowie materialphysikalische Untersuchungen erzeugt werden kann. Diese Anlage enthält eine Elektronen(Positronen)-Quelle 1 für konti­nuierlichen bzw. Pulsbetrieb in Kombination mit dem Elektronen-­(Positronen)-Beschleuniger 2. Eine der wichtigsten Hauptanfor­derungen an den Beschleuniger ist die Bereitstellung der Elek­tronen (Positronen) bestimmter Energie und bestimmter Strom­stärke. Ein Strahlführungssystem fokussiert den Teilchenstrahl S innerhalb des sogenannten kritischen Channeling-Winkels durch einen Kollimator 3 auf den Kristall 4. Der Kristall 4 ist auf einem Goniometer befestigt, um die gezielte Einstellung be­stimmter Kristallsymmetrieachsen zu ermöglichen. Um die emit­tierte Röntgenstrahlung R vom Teilchenstrahl S zu selektieren, befindet sich nach dem Kristall 4 ein Magnet 5, der den geladenen Teilchenstrahl S aus der in Vorwärtsrichtung emit­tierten Röntgenstrahlung R ablenkt und auf einen Strahlfänger 8 führt. Mit Hilfe eines zusätzlichen Monochromatorsystems 6 kann der in der Photonen-Strahlung enthaltene Bremsstrahlungsunter­grund reduziert werden, bevor die Strahlung zum Target 7 (z.B. einem Röntgenfilm) gelangt.

    [0019] An den Beschleuniger 2 werden die Anforderungen gestellt, daß die Strahlqualität gut und die Energieunschärfe möglichst klein ist. Der Energiebereich des Beschleunigers sollte im Bereich zwischen 10 MeV und 100 MeV liegen; die genauen Daten hängen von der gewünschten Photonenenergie und dem verwende­ten Kristalltyp ab. Der Elektronen(Positronen)-Strom kann vergleichsweise niedrig sein, um trotzdem hohe Photonenflüsse zu ermöglichen. Im Mittel muß mit Stromstärken zwischen 20 µA bis 1000 µA gearbeitet werden. Der Beschleuniger 2, der in Fig. 2a gezeigt ist, ist ein Mikrotron, das so funktio­niert, daß sich die Elektronen mit wachsender Energie entlang kreisförmiger Bahnen mit anwachsenden Radien bewegen. Alle Bahnkreise berühren sich aber in einem gemeinsamen Punkt. Ge­eignete Mikrotrons werden beispielsweise von der Fa. Skanditronix mit Ringdurchmessern zwischen 150 cm bis 200 cm vertrieben. Der Elektronenstrahl ist gepulst mit Pulslängen von 2 µm bis 10 µs und Pulspausen von etwa 20 ms. Der Peak­strom beträgt rund 100 mA. Neuere Entwicklungen basierend auf supraleitender Technologie sind selbstverständlich auch gut geeignet.

    [0020] Der Beschleuniger 2 kann jedoch auch in Form eines kompakten Speicherringes angeordnet sein, wie in Fig. 2b gezeigt ist. Hier werden die Elektronen aus dem Mikrotron in den Ring längs des geraden Zwischenstückes eingefüttert, der mittels der Magnete M1 und M2 im sog. "Race track"-Prinzip arbeitet. Damit soll gewährleistet werden, daß ein bestimmter Elektro­nenstrom bei fester Energie entlang des Ringes für eine sehr lange Zeit (Größenordnung: eine Stunde) fließt, wobei eine Hochfrequenzeinheit H1 Verlustenergie für die Elektronen er­setzt, die beim Umlaufen Schwächungsverluste (z.B. im Kri­stall) erleiden. Positionsempfindliche Detektoren, die hier nicht eingezeichnet sind, dienen als Positions-Monitore zur Einhaltung der gewünschten Strahlgüte.

    [0021] Infolge der wichtigen Randbedingung, daß Teilchen nur dann channeln, wenn sie innerhalb eines kritischen Winkels φcri∼γ⁻1/2 relativ zur Kristallsymmetrieachse auftreffen, werden hohe Anforderungen an die Teilchenstrahlgüte gestellt. Da jeder Teilchenstrahl zudem eine endliche Emittanz auf­weist, sind als Kollimator 3 geeignete Fokussierungselemente wie z.B. Magnete, elektronische Blenden vorgesehen, die ge­währleisten, daß die Strahldivergenz des Teilchenstrahles beim Einfall auf den Kristall möglichst klein ist. Angestrebt werden hier Strahldivergenzen möglichst unterhalb von 0,5 mrad.

    [0022] Aufgrund des Mechanismusses zur Strahlungserzeugung bestimmt die Zeitstruktur des Elektronen(Positronen)-Strahles die Zeitstruktur der emittierten elektromagnetischen Strahlung. So können durch gezielte Wahl bestimmter Pulsfolgen des Teil­chenstrahles diese in entsprechende Photonenimpulse umgesetzt werden.

    [0023] Der Kristall 4 befindet sich auf einem Goniometer, um eine präzise Einstellung der Kristallachsen relativ zum Teilchen­strahl S zu gewährleisten. Die Steuerung des Goniometers sollte möglichst mit Hilfe eines Computers erfolgen. Die Genauigkeit der Winkeleinstellung sollte jeweils bei 0,01° für beide Winkel liegen.

    [0024] Geeignete Kristalle für die Erzeugung von Channelingstrahlung sind Kristalle mit möglichst hoher Debye-Temperatur, um ther­misch anregbare Gittervibrationen, die zu Linienverbreiterungs­effekten führen, möglichst gering zu halten. In diesem Aspekt erscheinen der Diamantkristall mit seiner wohlbekannten Kristallstruktur und der Si-Kristall gut geeignet. Letzterer hat den großen Vorteil, daß er aufgrund der hohen Reinheits­forderungen in der Mikroelektronik in hoher Qualität verfügbar ist. Schwerere Systeme wie Germanium, Nickel und Gold sind ebenso geeignet; hier macht sich vor allem die hohe Ordnungs­zahl bemerkbar, die zu höheren Kristallfeldstärken führt und somit für vergleichsweise gleiche Photonenergien den Einsatz geringer Teilchenenergien zuläßt. Sehr günstig sind Wolfram­kristalle aufgrund der sehr hohen Ordnungszahl. Binäre Systeme wie LiF, MgF₂, BN und BeO, die sich bereits für festkörper­physikalische Grundlagenstudien geeignet haben, sind ebenso für den Einsatz geeignet. Eine grobe Übersicht für die Produktion von 50 keV Photonen bei einer Kristalldicke von 20 µm und einem mittleren Elektronenstrom von 10 µA zeigt folgende Tabelle 2:



    [0025] Nach dem Goniometer mit dem Kristallsystem muß gemäß den Fig. 2a und 3a ein Ablenkmagnet 5 angebracht werden, um den Teil­chenstrahl von dem in Vorwärtsrichtung emittierten Photonen­strahl zu selektieren.

    [0026] Ein Filtersystem 6 (Fig. 2a, 2b) in Form eines Doppelmono­chromators dient zur Verbesserung des Monochromasieverhält­nisses Δ E/E der quasimonochromatischen Photonenlinie der Channelingstrahlung. Für die oben angeführten Kristalle be­ trägt E/E etwa 0.1. Eine weitere wichtige Funktion ist die Reduktion des begleitenden Bremsstrahlungsuntergrundes auf­grund von Dechannelingeffekten beim Durchgang der Elektronen durch den Kristall. Ursachen für diesen Untergrund sind eine nicht ganz perfekte Fokussierung des Strahles innerhalb des kritischen Channelingwinkels sowie Fehlstellen oder Verun­reinigungen (Gitterdefekte) im Kristall. Technische Konzepte für den Aufbau von Monochromatoren findet man in Proceedings of the Int. Conf. on X-ray and VUV Synchrotron Radiation In­strumentation, Stanford University, CA, in Nucl. Instr. and Meth. A246 (1986), Seiten 297 bis 309, und 365 bis 376, wobei besonders die sog. grazing incidence Spiegelanordnungen zu empfehlen sind.

    [0027] Die so erzeugte elektromagnetische Strahlung trifft auf das Target 7. Vor dem Target 7 kann ein beliebiges Objekt, lebend oder unbelebt, gestellt werden. Dieses Objekt kann irgendein zu testender oder analysierender Gegenstand sein, oder ein Patient, der röntgendiagnostisch untersucht oder röntgenthe­rapeutisch behandelt wird. Das Target 7 kann entweder ein Röntgenfilm oder ein ortsempfindlicher Empfänger für Rönt­genstrahlen sein, um nur ein paar Möglichkeiten aufzuzählen.

    [0028] In den Fig. 3a bzw. 3b ist die Gesamtanlage und Funktion der Komponenten entsprechend den Fig. 2a bzw. 2b gezeigt. Eine Kontrolleinheit 9 enthält eine Anzahl von Kontrollmodulen, die elektrisch mit den verschiedenen Komponenten der Anlage ver­bunden sind. So liefert z.B. Modul 10 die elektrische Versor­gung des Beschleunigers 2. Modul 11 versorgt elektrisch die Magnete und Fokussierelemente, die Module 12, 13 sind verant­wortlich für die Goniometersteuerung, Kristallmonochomator­steuerung und das Vakuumsystem 15. Im Falle von Fig. 3b ver­sorgt Modul 11 auch die Hochfrequenzeinheit H1 mit elektri­scher Energie. Die Anlagen, die den Fig. 3a, 3b zugrundeliegen, sind so dimensioniert, daß sie bequem in einem Hospital oder einem industriellen Labor untergebracht werden können. Das Vakuumsystem 15 bestehend aus einem Pumpensystem und vakuum­ sicheren Zuleitungen bzw. Gehäuseaufbauten sorgt für ein ausreichendes Vakuum im Bereich des Elektronenstrahlers.

    [0029] Die relativ hohe Richtungsbündelung der Channelingstrahlung ist geeignet, ohne Einsatz von Blendensystemen, wie das bei konventionellen Röntgenröhren üblich ist, den Strahl im Scan mode zu führen. Die Position des stark gebündelten bzw. ge­richteten Strahles ist genau bekannt im Gegensatz zum breiten Strahlprofil bei konventionellen Röntgenstrahlern.

    [0030] Die emittierten Röntgenstrahlen einer konventionellen Rönt­genröhre haben ein breites koninuierliches Energiespektrum. Wie in Fig. 4a gezeigt, sieht man ein Kontinuum an Frequenzen zusammen mit den sog. charakteristischen Linien bei bestimm­ten Frequenzen bzw. Energien. Ein ähnlich breites kontinuier­liches Energiespektrum ohne charakteristische Linien, wie in Fig. 4b gezeigt, liefert die spektrale Intensitätsverteilung eines konventionellen Synchrotron. Im Gegensatz dazu zeigt die mit Channeling erzeugte Röntgenstrahlung ein enges Fre­quenzband. Die in Fig. 4c gezeigte typische Intensitätsver­teilung ist für die diskreten Linien sehr eng; typisch klei­ner als 10 % ohne Einsatz von Filterungsmaßnahmen. Somit ist ein Patient weitgehend nur der gewünschten spektralen Inten­sität ausgesetzt. In den Figuren 4a, 4b, 4c ist jeweils auf der Ordinate die Anzahl der Photonen pro Sekunde und auf der Abszisse die Röntgenenergie in keV aufzutragen.

    [0031] Mit Hilfe der leicht einstellbaren Energie der Photonen ist es möglich, sog. Mehrspektrenmethoden in der Radiologie durch­zuführen. So ist es möglich bei geeigneter Kristallwahl gleich­zeitig quasimonochromatische Röntgenstrahlen mit 40 keV bis 50 keV bzw. 90 keV bis 100 keV zu erzeugen. Durch diese verschie­denen Energien läßt sich die gleichzeitige Darstellung von Knochen und Weichteilgewebe trotz ihrer unterschiedlichen Ab­sorptionseigenschaften bewerkstelligen. Besonders attraktiv erscheint die Realisierbarkeit des K-Kanten-Subtraktionsver­fahrens in der Angiographie, bei dem Bilder unterhalb und oberhalb der Energie der K-Absorptionskante des Kontrastmittels gemacht werden, um eine Kontrastanhebung der Aufnahmeobjekte bei einem Minimum an Strahlendosis zu erreichen.

    [0032] Dies kann speziell durch Wahl eines BN-oder BeO-Kristalles bewerkstelligt werden, indem durch spezielle Einstellung der Elektronenenergie zwei quasi monochromatische Röntgenlinien jeweils oberhalb bzw. unterhalb der K-Kantenenergie des Kontrastmittels Jod (EK ≈ 3 keV) erzeugt werden.

    [0033] Eine Subtraktion der beiden Linien nach Durchstrahlung des Objekts und Detektion in einem Detektor (z.B. NaJ (Th) - ­oder Si-Detektor) ergibt im Falle des Jods eine große Signal­differenz, im Falle von Weichteilen und Knochen praktisch eine verschwindende Signaldifferenz, wenn vor dem Objekt die Intensitäten der beiden Linien gleich groß gewählt worden sind.

    [0034] Der Gesichtspunkt der leichten Einstellbarkeit der Röntgen­energie ist von Vorteil, da mit ein und derselben Strahlen­quelle ein Einsatz in Diagnostik und Therapie möglich ist.

    [0035] Eine andere wichtige Möglichkeit ist die Erzeugung polari­sierter Strahlung. Es gibt eine Reihe medizinischer, indu­strieller und spurenanlytischer Anwendungen, bei denen pola­risierte Strahlung bedeutsam ist.

    [0036] Spurenelemente lassen sich in vivo und in vitro aufgrund ih­rer charakteristischen Röntgenstrahlung nachweisen. In vivo Messungen werden noch empfindlicher, wenn polarisierte Rönt­genstrahlen benutzt werden, da dann Streustrahlung, die in dicken Proben entsteht, ausgesondert werden kann. Der quali­tative und quantitative Nachweis verschiedener Elemente im Körper kann durch geeignete Einstellung der Röntgenenergien durchgeführt werden. So kann man mit einer Anregungsquelle Elemente wie Arsen, Quecksilber, Cadmium und andere Schwer­metalle nachweisen.

    [0037] Die Röntgenstrahlung, die erzeugt werden kann, ist stark vor­wärts gebündelt, engbandig, monochromatisch, für Scananwen­dungen geeignet und polarisiert. Alle Standardanwendungen der Röntgendiagnostik, wie z.B. im Thoraxbereich, in der Mammo­graphie, Pädiatrie etc. können gemacht werden. In der Angio­graphie ist besonders die Anwendbarkeit der K-Kanten-Subtrak­tionsangiographie bedeutsam. In der Krebsforschung können be­stimmte Elemente wie z.B. Jod, die sich bevorzugt bei be­stimmten Krebszellen anlagern, durch die gezielte Einstell­barkeit der Photonenenergie selektiv bestrahlt werden.

    [0038] Computertomographische Systeme erzeugen bekanntlich in der Medizin oder der industriellen zerstörungsfreien Prüfung ein Bild der dreidimensionalen Elektronendichteverteilung. Diese Systeme benötigen die Transmission von Röntgenstrahlen aus verschiedenen Winkeln durch das Untersuchungsobjekt. Wenn dies durch Rotation der Röntgenröhre um das Untersuchungsob­jekt realisiert wird, ergeben sich längere Zeiten pro Scan. Mittels der Erfindung können im Untersuchungsobjekt die comp­ton-gestreuten Röntgenstrahlen nach Anregung mit Scanstrahlen bestimmter eingesteller monochromatischer Energien ausgemes­sen werden. Damit ist es möglich, die dreidimensionale Ver­teilung der Elektronendichte im Untersuchungsobjekt ohne Be­wegung des Patienten oder der Strahlungsquelle zu rekonstru­ieren. Die Benutzung verschiedener Energien erlaubt zudem noch eine auf die verschiedenen Körpergewebe abgestimmte Bildgebung, wie dies aus der Standardradiographie bekannt ist.

    [0039] Eine Anlage zur Erzeugung quasimonochromatischer Röntgen­strahlung variabler Energie kann z.B. folgendermaßen arbei­ten: Mit Elektronen im Energiebereich zwischen 10 MeV und 60 MeV, die durch einen 18 µm dicken Diamantkristall im (110)-Mode channeln, lassen sich quasimonochromatische Pho­tonen zwischen 20 keV und 130 keV erzeugen. Bei einem mitt­leren Elektronenstrom von I = 20 µA und einer Strahldiverenz von 0,5 mrad FWHM am Kristall würde sich die Photonenrate zwischen 1 bis 3 × 10¹⁰ Quanten/s bewegen (siehe Tabelle 3). Die Strahlung ist stark vorwärts gebündelt unter dem Raum­winkel Δ Ω = π / γ².

    [0040] Mit Si-Kristallen sind mittlere Elektronenströme von minde­stens 100 µA einsetzbar, ohne daß der Kristall infolge der thermisch bedingten Gitterfehlstellenbildung unbrauchbar wird und das Strahlenspektrum zeitlich unstabil wird. Bei Verwen­dung von Wolframkristallen sind noch weit höhere Stromstärken anwendbar. Bei heute realisierbarem Strahlführungssystem der hier in Frage kommenden Elektronenbeschleuniger sind Strahl­divergenzen mit 0,2 mrad FWHM erzielbar. Diese würden die Photonenflüsse von Tabelle 4 um 1 bis2 Größenordnungen ver­größern.



    [0041] Angiographische Anwendungen, die mit Hilfe der Zweispektren­subtraktion, die Koronarien oder Blutgefäße allein mit Hilfe einer peripheren Kontrastmittelinjektion darstellen sollen, wären ein wesentlicher Fortschritt, da sie eine Vereinfachung der Untersuchung (Risikominderung durch Wegfall der Katheter­führungsprozedur) darstellen. Eine Erhöhung des Patienten­durchsatzes wäre zudem die Folge. Wie im US-Patent 4 432 370 beschrieben, wird dort ein K-Kanten-Subtraktionsverfahren vorgeschlagen, das die dazu erforderliche monochromatische Röntgenstrahlung mit Hilfe einer Synchrotronstrahlungsquelle und einer nachfolgenden Kristalldoppelmonochromatoranordnung verfügbar macht. Diese Synchrotronstrahlungsquelle ist durch die technisch weit einfachere und billigere Channelingstrah­lungsquelle ersetzbar, die durch Wahl der Elektronenenergien so abgestimmt sein muß, daß die dem Kontrastmittel angepaßten Strahlenenergien eingestellt werden können. Durch Wahl eines BN- bzw. BeO-Kristalls lassen sich die beiden Röntgenlinien oberhalb bzw. unterhalb 3 keV (Kontrastmittel Jod) gleichzei­tig erzeugen. Damit entfällt das beim Synchrotron notwendige und Zeit kostende Verfahren der Energievariation. Für die Dar­stellbarkeit dünnerer Gefäße mit etwa 0,5 mm φ benötigt man einen Photonenfluß von etwa 10 Quanten/cm²s in der monochro­matischen Linie bei 31 keV. Dieser Wert ergibt sich aus der geforderten Bilddosis von etwa 200 µR für Lumendarstellung mit 0,5 mm φ bei einem Signal zu Rauschverhältnis von mehr als 100. Da das Subtraktionsbild innerhalb eines Herzzyklus er­stellt werden soll, darf die Belichtungszeit ca. höchstens 15 ms betragen.

    [0042] Mit einer Channelingsstrahlungsquelle und einem Wolframkri­stall läßt sich bei einer 30 keV Röntgenlinie ein Photonen­fluß von 10¹¹ Quanten/cm²s erzeugen, wenn die Elektronenener­gie etwa γ = 30 und der mittlere Strom 100 µA betragen. Die­ser Photonenfluß liegt in der gewünschten Größenordnung. Bei einem Kristall-Detektorabstand von 2 m wird durch die Strah­lung eine Teilfläche von Δ F = 130 cm² ausgeleuchtet. Dies ist noch zu klein, um das gesamte Koronariensystem zufrieden­stellend darzustellen. Durch flächenhaftes Scannen kann je­doch der gewünschte, größere diagnostisch relevante Bereich erfaßt werden.


    Ansprüche

    1. Röntgenstrahlenquelle, dadurch gekenn­zeichnet, daß ein Kristall (4) zum Channeln von Elektronen oder Positronen definierter Energie vorhanden ist, wobei die Abstrahlung von Photonen aufgrund des Effektes, daß periodisch beschleunigte geladene Teilchen elektromagnetische Strahlung emittieren, erfolgt und wobei die emittierten Photo­nen auf Röntgenenergien gewünschter Größe durch Einstellung der Elektronen- oder Positronen-Einschußenergie abgestimmt werden.
     
    2. Röntgenstrahlenquelle nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zum Erzeugen eines Elek­tronen- oder Positronenstromes der gewünschten Energie eine Anlage mit einem Beschleuniger (2) vorhanden ist, in der die Elektronen oder Positronen in einem geschlossenen Zyklus um­laufen, in den der Channeling-Kristall eingebracht ist.
     
    3. Röntgenstrahlenquelle nach Anspruch 1 oder 2, da­durch gekennzeichnet, daß die Einschuß­energie so eingestellt ist, daß Röntgenstrahlen im Energiebe­reich zwischen 0,5 keV und 250 keV erzeugt werden.
     
    4. Röntgenstrahlenquelle nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch die Anwendung in einem bildgebenden Röntgengerät, z.B. in der Ausführungsform eines Röntgen-Fächerstrahl-Abtasters.
     




    Zeichnung






















    Recherchenbericht