[0001] Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf eine Röntgenstrahlenquelle zur Erzeugung
von Röntgenstrahlen, die für medizinisch diagnostische und therapeutische Zwecke
sowie materialphysikalische Analysen und Untersuchungen geeignet ist.
[0002] Es ist bekannt, Röntgenstrahlung für medizinisch diagnostische Zwecke in Röntgenröhren
zu erzeugen, und zwar durch die Abbremsung von Elektronen im Feld der Anode. Die
resultierende Bremsstrahlung überdeckt dabei einen Bereich zwischen 20 keV und 100
keV. Die Benutzung einer konventionellen Röntgenröhre für medizinische Zwecke erscheint
nicht gerade ideal, da nur ein Teil der erzeugten Strahlung für den gewünschten Effekt
benutzt werden kann. Wegen des kontinuierlichen Strahlenspektrums wird das bestrahlte
Objekt, sei es zum Prüfen, Analysieren, zur diagnostischen Bildgebung oder zur Strahlentherapie,
nicht nur dem gewünschten Energiebereich, sondern auch Strahlenanteilen ausgesetzt,
die außerhalb des gewünschten Bereiches liegen. In der dem Objekt zugeführten Dosis
sind bei der Untersuchung gleichzeitig beträchtliche Dosen von Röntgenstrahlung enthalten,
die eigentlich unerwünscht sind. Auch für therapeutische Zwecke zeigen sich diese
Nachteile.
[0003] Für materialphysikalische Untersuchungen und Analysen sind feinabstimmbare Strahlungsquellen
im Röntgenbereich von großer Bedeutung, um durch gezielte Anregung der charakteristischen
Röntgenstrahlung der zu untersuchenden Elemente Art und Konzentration zu erfahren.
Auch für festkörperanalytische Untersuchungen, wie z.B. Strukturanalysen von Gasen
auf Metalloberflächen oder auch Metallen auf Halbleitern, ist der Einsatz einer monochromatisch
abstimmbaren Strahlungsquelle im Röntgenbereich von sehr großer Bedeutung.
[0004] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Röntgenstrahlenquelle zu schaffen,
die monochromatische Röntgenstrahlung hoher Intensität und mit hohem Polarisationsgrad
aussendet.
[0005] Diese Aufgabe ist erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß ein Kristall zum Channeln von
Elektronen oder Positronen fest definierter Energie vorhanden ist, wobei die Abstrahlung
von Photonen aufgrund des Effektes, daß periodisch beschleunigte geladene Teilchen
elektromagnetische Strahlung emittieren, erfolgt und wobei die emittierten Photonen
auf Röntgenenergien gewünschter Größe durch Einstellung der Elektronen- oder Positronen-Einschußenergie
abgestimmt werden.
[0006] Bei der erfindungsgemäßen Röntgenstrahlenquelle wird der Effekt der Strahlungserzeugung
durch Channeln von geladenen Teilchen in dafür geeigneten Kristallen ausgenutzt. Es
erfolgt die gezielte Erzeugung von Röntgenstrahlung in einem engen Energiebereich,
die für die medizinisch diagnostischen und therapeutischen Zwecke sowie für die materialphysikalischen
Analysen geeignet ist. Das medizinische bzw. technische Personal am Röntgenapparat
wird geschont, wobei auf massive und teuere Abschirmmaßnahmen verzichtet werden kann.
Die Röntgenstrahlenquelle nach der Erfindung ist insbesondere im Zusammenhang mit
einem passenden Detektorsystem zur Vorsorgeuntersuchung von Herz-Kreislauferkrankungen
geeignet.
[0007] Im Rahmen der Erfindung kann die Einschußenergie der geladenen Teilchen so eingestellt
werden, daß monochromatische Röntgenstrahlung im erwünschten Bereich für medizinisch
diagnostische und therapeutische oder festkörperanalytische Zwecke erzeugt wird.
Dieser erwünschte Bereich liegt ungefähr zwischen 5 keV und 250 keV. Die Erzeugung
dieser monochromatischen Röntgenstrahlung beruht auf der Channelingstrahlung, die
Elektronen bzw. Positronen beim Durchlaufen von Kristallen unter Channelingbedingungen
emittieren. Unter Ausnutzung dieses physikalischen Effektes lassen sich drei charakteristische
Eigenschaften nutzen.
a) Die Energie der Photonen ist durch Veränderung der Energie der auf den Kristall
auftreffenden Elektronen (Positronen) leicht variierbar. Die resultierende Strahlung
ist vielseitig verwendbar für medizinisch diagnostiche und therapeutische Anwendungen
sowie Elementanalyse und festkörperanalytische Untersuchungen.
b) Das Spektrum der Photonen ist sehr engbandig und vermeidet den Nachteil bisheriger
konventioneller Röntgenstrahlenquellen, die ein breitbandiges Spektrum ermittieren.
Als Konsequenz kann der Patient bei medizinisch diagnostischen Anwendungen nur mit
der für ihn relevanten Strahlungsenergie bestrahlt werden. Dies führt somit im Gegensatz
zu konventionellen Strahlungsquellen zu einer Dosisersparnis.
c) Die emittierte Strahlung wird gebündelt, d.h. in Vorwärtsrichtung als winkelmäßig
sehr begrenzte Strahlung emittiert. Dies kann in Zusammenhang mit Scanprozeduren
bedeutsam sein (Vermeidung mechanischer Blenden und Verschlüsse).
[0008] Ein anderer wichtiger Gesichtspunkt beruht auf der Tatsache, daß die resultierende
Röntgenstrahlung polarisiert ist. In der medizinischen Radiologie wurden polarisierte
Röntgenstrahlen bisher nie benutzt. Hier ergibt sich die Möglichkeit, diese Strahlungseigenschaften
zu erforschen. Für industrielle Anwendungen von polarisierten Röntgenstrahlen wären
somit die sonst üblichen aufwendigen Maßnahmen zur Polarisation überflüssig.
[0009] Die Erfindung ist nachfolgend anhand der Zeichnung näher erläutert. Es zeigen:
Fig. 1a, 1b zwei Prinzipdarstellungen zur Erläuterung des Erfindungsgedankens,
Fig. 2a, 2b zwei Varianten einer Röntgenstrahlenquelle nach der Erfindung,
Fig. 3a, 3b Röntgendiagnostikanlagen mit Röntgenstrahlenquellen entsprechend den
Fig. 2a und 2b, und
Fig. 4a, 4b und 4c Kurven zur Erläuterung des Erfindungsgedankens.
[0010] Die Erzeugung monochromatischer Röntgenstrahlung beruht auf einem Effekt, der in
den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der festkörperphysikalischen Grundlagenforschung
intensiv untersucht worden ist. Dem Effekt liegt folgende Idee zugrunde: Die spektrale
Intensitätsverteilung der von einer transversal beschleunigten Ladung emittierten
Strahlung (technisches Beispiel: Synchrotron-Anlage) hängt entscheidend vom Krümmungsradius
ab. Wenn es gelingt, die beim Synchrotron notwendigerweise makroskopischen Dimensionen
durch atomare Abstände zu ersetzen, eröffnet sich die Möglichkeit, das Photonenspektrum
zu vergleichsweise höheren Energien und gleichzeitig zu grösseren Intensitäten hin
zu verschieben - bei ansonsten unveränderten Parametern.
[0011] Nach einem Vorschlag von A. M. Kumakhov, Sov. Phys. JETP 45 (1977), Seite 791, ist
diese Idee realisierbar: Elektronen (Positronen), also geladene Teilchen, die durch
einen Kristall "channeln", erfahren hierbei eine periodisch transversale Beschleunigung
und emittieren als Folge elektromagnetische Strahlung. Die Energie der emittierten
Strahlung hängt eindeutig von der Energie der channelnden Teilchen ab. Die Trajektorien
der channelnden Teilchen können durch gezielte Auswahl bestimmte Kristallsymmetrieebenen
bzw. Kristallsymmetrieachsen in einer Ebene bzw. relativ zu einer Achse verlaufen.
Man spricht in diesem Fall von planarem Channeling bzw. axialem Channeling wie dies
in Fig. 1a bzw. 1b schematisch dargestellt ist. In beiden Fig. ist mit B die Teilchenbahn
und mit G ein Kristallgitter bezeichnet. In beiden Fäl len führen channelnde Teilchen
transversal zu einer Kristallsymmetrieachse eine gebundene, periodische Bewegung
aus. In der Kristallphysik ist diese Bewegung durch das Vorhandensein eines transversalen
Kristallfeldpotentiales bestimmt. Für Teilchenenergien (Elektronen bzw. Positronen
im MeV-Bereich) ist eine quantenmechanische Beschreibung der Channelingbewegung notwendig.
Lösungen dieser Beschreibung sind, wie in gebundenen quantenmechanischen Problemen
üblich, nur bestimmte diskrete Energieeigenwerte, die stabilen Konfigurationen der
transversalen Komponenten der Trajektorien entsprechen. Zwischen diesen diskreten
Energieneveaus können Strahlungsübergänge unter Aussendung elektromagnetischer Strahlung
stattfinden. Infolge des relativistischen Massenzuwachses der sich annähernd mit
Lichtgeschwindigkeit in longitudinaler Richtung bewegenden Elektronen bzw. Positronen
(parallel zur Kristallsymmetrieachse) erfahren die abgestrahlten Photonen eine Dopplerverschiebung.
[0012] Die Energie ℏw der resultierenden, stark vorwärts gerichteten Strahlung hängt einmal
von den Kristallfeldstärken und zum anderen von der Geschwindigkeit β= v/c ab, mit
der die Elektronen (Positronen) durch den Kristall laufen.

hierbei ist
ϑ die Richtung des ausgesandten Photons relativ zur Teilchenrichtung,
ℏc das Produkt von Plankschem Wirkungsquantum mal Lichtgeschwindigkeit dividiert
durch zwei mal π
V₀ ist die Potentialstärke des gemittelten transversalen Kristallfeldpotentiales
bei einem harmonischen Potentialansatz, m₀c² ist die Ruheenergie des Elektrons (Positrons).
[0013] Für Vorwärtswinkel (ϑ ≅ o) gilt für die Abhängigkeit der Strahlungsenergie von der
Teilcheneinschußenergie.
ℏ ≅ 2 hw₀γ³/² mit γ = (1-β²)⁻
½ = E/m₀c².
[0014] Hierbei bezeichnet E die Teilcheneinschußenergie.
[0015] In Tabelle 1 ist für einen bisher in der Grundlagenforschung häufig eingesetzten
Kristall Si sowie für den potentiell interessanten Kristall Wolfram der Zusammenhang
zwischen Photonenergie und Teilchenenergie aufgezeichnet:

[0016] Im Rahmen dieser Spezifikationen sind Röntgenstrahlen von 0,5 keV bis ungefähr 250
keV bestens für medizinisch-diagnostische und therapeutische Anwendungen geeignet.
Im besonderen ist der Bereich von 20 keV bis 100 keV vor allem für diagnostische
Anwendungen interessant. Typisch ist der Wert von 40 keV für Standardanwendungen wie
z.B. Thorax-Anwendungen. In der Strahlentherapie ist der Bereich von 10 keV bis 30
keV besonders für Tumoranwendung oder Photonaktivierungstherapie relevant. Die Behandlung
tiefer liegender Tumore erfordert Energien oberhalb 30 keV bis 250 keV. Für Elementanalysen
durch Röntgenuntersuchungen ist der Bereich zwischen 0,5 keV bis ungefähr 100 keV
von Bedeutung. Die hier aufgezeigten numerischen Werte sollen vor allem exemplarisch
gesehen werden. Neue Entwicklungen in der Medizin schließen selbstverständlich eine
Erweiterung der Bereiche nicht aus.
[0017] Die beschriebene Erzeugung von Channeling-Strahlung zeichnet drei charakteristische
Eigenschaften aus:
a) Leichte Einstellbarkeit der Photonenenergie durch Variation der Elektronen(Positronen)-Einschußenergie.
b) Monochromasie des Röntgenspektrums, das dosissparende Anwendung finden kann. Besonders
von Vorteil ist die Anpassung der Röntgenenergie an die medizinische Fragestellung
(Objektanpassung) und die Möglichkeit der Anpassung der Röntgenstrahlung an das Röntgenkonvertersystem.
c) Die spektrale Intensitätsverteilung ist den herkömmlichen Röntgenstrahlungsquellen
überlegen.
[0018] In Fig. 2a ist schematisch eine Anlage dargestellt, mit der Röntgenstrahlung mit
der Methode der Channelingstrahlung für medizinisch diagnostische und therapeutische
Anwendungen sowie materialphysikalische Untersuchungen erzeugt werden kann. Diese
Anlage enthält eine Elektronen(Positronen)-Quelle 1 für kontinuierlichen bzw. Pulsbetrieb
in Kombination mit dem Elektronen-(Positronen)-Beschleuniger 2. Eine der wichtigsten
Hauptanforderungen an den Beschleuniger ist die Bereitstellung der Elektronen (Positronen)
bestimmter Energie und bestimmter Stromstärke. Ein Strahlführungssystem fokussiert
den Teilchenstrahl S innerhalb des sogenannten kritischen Channeling-Winkels durch
einen Kollimator 3 auf den Kristall 4. Der Kristall 4 ist auf einem Goniometer befestigt,
um die gezielte Einstellung bestimmter Kristallsymmetrieachsen zu ermöglichen. Um
die emittierte Röntgenstrahlung R vom Teilchenstrahl S zu selektieren, befindet sich
nach dem Kristall 4 ein Magnet 5, der den geladenen Teilchenstrahl S aus der in Vorwärtsrichtung
emittierten Röntgenstrahlung R ablenkt und auf einen Strahlfänger 8 führt. Mit Hilfe
eines zusätzlichen Monochromatorsystems 6 kann der in der Photonen-Strahlung enthaltene
Bremsstrahlungsuntergrund reduziert werden, bevor die Strahlung zum Target 7 (z.B.
einem Röntgenfilm) gelangt.
[0019] An den Beschleuniger 2 werden die Anforderungen gestellt, daß die Strahlqualität
gut und die Energieunschärfe möglichst klein ist. Der Energiebereich des Beschleunigers
sollte im Bereich zwischen 10 MeV und 100 MeV liegen; die genauen Daten hängen von
der gewünschten Photonenenergie und dem verwendeten Kristalltyp ab. Der Elektronen(Positronen)-Strom
kann vergleichsweise niedrig sein, um trotzdem hohe Photonenflüsse zu ermöglichen.
Im Mittel muß mit Stromstärken zwischen 20 µA bis 1000 µA gearbeitet werden. Der Beschleuniger
2, der in Fig. 2a gezeigt ist, ist ein Mikrotron, das so funktioniert, daß sich die
Elektronen mit wachsender Energie entlang kreisförmiger Bahnen mit anwachsenden Radien
bewegen. Alle Bahnkreise berühren sich aber in einem gemeinsamen Punkt. Geeignete
Mikrotrons werden beispielsweise von der Fa. Skanditronix mit Ringdurchmessern zwischen
150 cm bis 200 cm vertrieben. Der Elektronenstrahl ist gepulst mit Pulslängen von
2 µm bis 10 µs und Pulspausen von etwa 20 ms. Der Peakstrom beträgt rund 100 mA.
Neuere Entwicklungen basierend auf supraleitender Technologie sind selbstverständlich
auch gut geeignet.
[0020] Der Beschleuniger 2 kann jedoch auch in Form eines kompakten Speicherringes angeordnet
sein, wie in Fig. 2b gezeigt ist. Hier werden die Elektronen aus dem Mikrotron in
den Ring längs des geraden Zwischenstückes eingefüttert, der mittels der Magnete M1
und M2 im sog. "Race track"-Prinzip arbeitet. Damit soll gewährleistet werden, daß
ein bestimmter Elektronenstrom bei fester Energie entlang des Ringes für eine sehr
lange Zeit (Größenordnung: eine Stunde) fließt, wobei eine Hochfrequenzeinheit H1
Verlustenergie für die Elektronen ersetzt, die beim Umlaufen Schwächungsverluste
(z.B. im Kristall) erleiden. Positionsempfindliche Detektoren, die hier nicht eingezeichnet
sind, dienen als Positions-Monitore zur Einhaltung der gewünschten Strahlgüte.
[0021] Infolge der wichtigen Randbedingung, daß Teilchen nur dann channeln, wenn sie innerhalb
eines kritischen Winkels φ
cri∼γ⁻
1/2 relativ zur Kristallsymmetrieachse auftreffen, werden hohe Anforderungen an die Teilchenstrahlgüte
gestellt. Da jeder Teilchenstrahl zudem eine endliche Emittanz aufweist, sind als
Kollimator 3 geeignete Fokussierungselemente wie z.B. Magnete, elektronische Blenden
vorgesehen, die gewährleisten, daß die Strahldivergenz des Teilchenstrahles beim
Einfall auf den Kristall möglichst klein ist. Angestrebt werden hier Strahldivergenzen
möglichst unterhalb von 0,5 mrad.
[0022] Aufgrund des Mechanismusses zur Strahlungserzeugung bestimmt die Zeitstruktur des
Elektronen(Positronen)-Strahles die Zeitstruktur der emittierten elektromagnetischen
Strahlung. So können durch gezielte Wahl bestimmter Pulsfolgen des Teilchenstrahles
diese in entsprechende Photonenimpulse umgesetzt werden.
[0023] Der Kristall 4 befindet sich auf einem Goniometer, um eine präzise Einstellung der
Kristallachsen relativ zum Teilchenstrahl S zu gewährleisten. Die Steuerung des Goniometers
sollte möglichst mit Hilfe eines Computers erfolgen. Die Genauigkeit der Winkeleinstellung
sollte jeweils bei 0,01° für beide Winkel liegen.
[0024] Geeignete Kristalle für die Erzeugung von Channelingstrahlung sind Kristalle mit
möglichst hoher Debye-Temperatur, um thermisch anregbare Gittervibrationen, die zu
Linienverbreiterungseffekten führen, möglichst gering zu halten. In diesem Aspekt
erscheinen der Diamantkristall mit seiner wohlbekannten Kristallstruktur und der Si-Kristall
gut geeignet. Letzterer hat den großen Vorteil, daß er aufgrund der hohen Reinheitsforderungen
in der Mikroelektronik in hoher Qualität verfügbar ist. Schwerere Systeme wie Germanium,
Nickel und Gold sind ebenso geeignet; hier macht sich vor allem die hohe Ordnungszahl
bemerkbar, die zu höheren Kristallfeldstärken führt und somit für vergleichsweise
gleiche Photonenergien den Einsatz geringer Teilchenenergien zuläßt. Sehr günstig
sind Wolframkristalle aufgrund der sehr hohen Ordnungszahl. Binäre Systeme wie LiF,
MgF₂, BN und BeO, die sich bereits für festkörperphysikalische Grundlagenstudien
geeignet haben, sind ebenso für den Einsatz geeignet. Eine grobe Übersicht für die
Produktion von 50 keV Photonen bei einer Kristalldicke von 20 µm und einem mittleren
Elektronenstrom von 10 µA zeigt folgende Tabelle 2:

[0025] Nach dem Goniometer mit dem Kristallsystem muß gemäß den Fig. 2a und 3a ein Ablenkmagnet
5 angebracht werden, um den Teilchenstrahl von dem in Vorwärtsrichtung emittierten
Photonenstrahl zu selektieren.
[0026] Ein Filtersystem 6 (Fig. 2a, 2b) in Form eines Doppelmonochromators dient zur Verbesserung
des Monochromasieverhältnisses Δ E/E der quasimonochromatischen Photonenlinie der
Channelingstrahlung. Für die oben angeführten Kristalle be trägt E/E etwa 0.1. Eine
weitere wichtige Funktion ist die Reduktion des begleitenden Bremsstrahlungsuntergrundes
aufgrund von Dechannelingeffekten beim Durchgang der Elektronen durch den Kristall.
Ursachen für diesen Untergrund sind eine nicht ganz perfekte Fokussierung des Strahles
innerhalb des kritischen Channelingwinkels sowie Fehlstellen oder Verunreinigungen
(Gitterdefekte) im Kristall. Technische Konzepte für den Aufbau von Monochromatoren
findet man in Proceedings of the Int. Conf. on X-ray and VUV Synchrotron Radiation
Instrumentation, Stanford University, CA, in Nucl. Instr. and Meth. A246 (1986),
Seiten 297 bis 309, und 365 bis 376, wobei besonders die sog. grazing incidence Spiegelanordnungen
zu empfehlen sind.
[0027] Die so erzeugte elektromagnetische Strahlung trifft auf das Target 7. Vor dem Target
7 kann ein beliebiges Objekt, lebend oder unbelebt, gestellt werden. Dieses Objekt
kann irgendein zu testender oder analysierender Gegenstand sein, oder ein Patient,
der röntgendiagnostisch untersucht oder röntgentherapeutisch behandelt wird. Das
Target 7 kann entweder ein Röntgenfilm oder ein ortsempfindlicher Empfänger für Röntgenstrahlen
sein, um nur ein paar Möglichkeiten aufzuzählen.
[0028] In den Fig. 3a bzw. 3b ist die Gesamtanlage und Funktion der Komponenten entsprechend
den Fig. 2a bzw. 2b gezeigt. Eine Kontrolleinheit 9 enthält eine Anzahl von Kontrollmodulen,
die elektrisch mit den verschiedenen Komponenten der Anlage verbunden sind. So liefert
z.B. Modul 10 die elektrische Versorgung des Beschleunigers 2. Modul 11 versorgt
elektrisch die Magnete und Fokussierelemente, die Module 12, 13 sind verantwortlich
für die Goniometersteuerung, Kristallmonochomatorsteuerung und das Vakuumsystem 15.
Im Falle von Fig. 3b versorgt Modul 11 auch die Hochfrequenzeinheit H1 mit elektrischer
Energie. Die Anlagen, die den Fig. 3a, 3b zugrundeliegen, sind so dimensioniert, daß
sie bequem in einem Hospital oder einem industriellen Labor untergebracht werden können.
Das Vakuumsystem 15 bestehend aus einem Pumpensystem und vakuum sicheren Zuleitungen
bzw. Gehäuseaufbauten sorgt für ein ausreichendes Vakuum im Bereich des Elektronenstrahlers.
[0029] Die relativ hohe Richtungsbündelung der Channelingstrahlung ist geeignet, ohne Einsatz
von Blendensystemen, wie das bei konventionellen Röntgenröhren üblich ist, den Strahl
im Scan mode zu führen. Die Position des stark gebündelten bzw. gerichteten Strahles
ist genau bekannt im Gegensatz zum breiten Strahlprofil bei konventionellen Röntgenstrahlern.
[0030] Die emittierten Röntgenstrahlen einer konventionellen Röntgenröhre haben ein breites
koninuierliches Energiespektrum. Wie in Fig. 4a gezeigt, sieht man ein Kontinuum an
Frequenzen zusammen mit den sog. charakteristischen Linien bei bestimmten Frequenzen
bzw. Energien. Ein ähnlich breites kontinuierliches Energiespektrum ohne charakteristische
Linien, wie in Fig. 4b gezeigt, liefert die spektrale Intensitätsverteilung eines
konventionellen Synchrotron. Im Gegensatz dazu zeigt die mit Channeling erzeugte Röntgenstrahlung
ein enges Frequenzband. Die in Fig. 4c gezeigte typische Intensitätsverteilung ist
für die diskreten Linien sehr eng; typisch kleiner als 10 % ohne Einsatz von Filterungsmaßnahmen.
Somit ist ein Patient weitgehend nur der gewünschten spektralen Intensität ausgesetzt.
In den Figuren 4a, 4b, 4c ist jeweils auf der Ordinate die Anzahl der Photonen pro
Sekunde und auf der Abszisse die Röntgenenergie in keV aufzutragen.
[0031] Mit Hilfe der leicht einstellbaren Energie der Photonen ist es möglich, sog. Mehrspektrenmethoden
in der Radiologie durchzuführen. So ist es möglich bei geeigneter Kristallwahl gleichzeitig
quasimonochromatische Röntgenstrahlen mit 40 keV bis 50 keV bzw. 90 keV bis 100 keV
zu erzeugen. Durch diese verschiedenen Energien läßt sich die gleichzeitige Darstellung
von Knochen und Weichteilgewebe trotz ihrer unterschiedlichen Absorptionseigenschaften
bewerkstelligen. Besonders attraktiv erscheint die Realisierbarkeit des K-Kanten-Subtraktionsverfahrens
in der Angiographie, bei dem Bilder unterhalb und oberhalb der Energie der K-Absorptionskante
des Kontrastmittels gemacht werden, um eine Kontrastanhebung der Aufnahmeobjekte bei
einem Minimum an Strahlendosis zu erreichen.
[0032] Dies kann speziell durch Wahl eines BN-oder BeO-Kristalles bewerkstelligt werden,
indem durch spezielle Einstellung der Elektronenenergie zwei quasi monochromatische
Röntgenlinien jeweils oberhalb bzw. unterhalb der K-Kantenenergie des Kontrastmittels
Jod (E
K ≈ 3 keV) erzeugt werden.
[0033] Eine Subtraktion der beiden Linien nach Durchstrahlung des Objekts und Detektion
in einem Detektor (z.B. NaJ (Th) - oder Si-Detektor) ergibt im Falle des Jods eine
große Signaldifferenz, im Falle von Weichteilen und Knochen praktisch eine verschwindende
Signaldifferenz, wenn vor dem Objekt die Intensitäten der beiden Linien gleich groß
gewählt worden sind.
[0034] Der Gesichtspunkt der leichten Einstellbarkeit der Röntgenenergie ist von Vorteil,
da mit ein und derselben Strahlenquelle ein Einsatz in Diagnostik und Therapie möglich
ist.
[0035] Eine andere wichtige Möglichkeit ist die Erzeugung polarisierter Strahlung. Es gibt
eine Reihe medizinischer, industrieller und spurenanlytischer Anwendungen, bei denen
polarisierte Strahlung bedeutsam ist.
[0036] Spurenelemente lassen sich in vivo und in vitro aufgrund ihrer charakteristischen
Röntgenstrahlung nachweisen. In vivo Messungen werden noch empfindlicher, wenn polarisierte
Röntgenstrahlen benutzt werden, da dann Streustrahlung, die in dicken Proben entsteht,
ausgesondert werden kann. Der qualitative und quantitative Nachweis verschiedener
Elemente im Körper kann durch geeignete Einstellung der Röntgenenergien durchgeführt
werden. So kann man mit einer Anregungsquelle Elemente wie Arsen, Quecksilber, Cadmium
und andere Schwermetalle nachweisen.
[0037] Die Röntgenstrahlung, die erzeugt werden kann, ist stark vorwärts gebündelt, engbandig,
monochromatisch, für Scananwendungen geeignet und polarisiert. Alle Standardanwendungen
der Röntgendiagnostik, wie z.B. im Thoraxbereich, in der Mammographie, Pädiatrie
etc. können gemacht werden. In der Angiographie ist besonders die Anwendbarkeit der
K-Kanten-Subtraktionsangiographie bedeutsam. In der Krebsforschung können bestimmte
Elemente wie z.B. Jod, die sich bevorzugt bei bestimmten Krebszellen anlagern, durch
die gezielte Einstellbarkeit der Photonenenergie selektiv bestrahlt werden.
[0038] Computertomographische Systeme erzeugen bekanntlich in der Medizin oder der industriellen
zerstörungsfreien Prüfung ein Bild der dreidimensionalen Elektronendichteverteilung.
Diese Systeme benötigen die Transmission von Röntgenstrahlen aus verschiedenen Winkeln
durch das Untersuchungsobjekt. Wenn dies durch Rotation der Röntgenröhre um das Untersuchungsobjekt
realisiert wird, ergeben sich längere Zeiten pro Scan. Mittels der Erfindung können
im Untersuchungsobjekt die compton-gestreuten Röntgenstrahlen nach Anregung mit Scanstrahlen
bestimmter eingesteller monochromatischer Energien ausgemessen werden. Damit ist
es möglich, die dreidimensionale Verteilung der Elektronendichte im Untersuchungsobjekt
ohne Bewegung des Patienten oder der Strahlungsquelle zu rekonstruieren. Die Benutzung
verschiedener Energien erlaubt zudem noch eine auf die verschiedenen Körpergewebe
abgestimmte Bildgebung, wie dies aus der Standardradiographie bekannt ist.
[0039] Eine Anlage zur Erzeugung quasimonochromatischer Röntgenstrahlung variabler Energie
kann z.B. folgendermaßen arbeiten: Mit Elektronen im Energiebereich zwischen 10 MeV
und 60 MeV, die durch einen 18 µm dicken Diamantkristall im (110)-Mode channeln, lassen
sich quasimonochromatische Photonen zwischen 20 keV und 130 keV erzeugen. Bei einem
mittleren Elektronenstrom von I = 20 µA und einer Strahldiverenz von 0,5 mrad FWHM
am Kristall würde sich die Photonenrate zwischen 1 bis 3 × 10¹⁰ Quanten/s bewegen
(siehe Tabelle 3). Die Strahlung ist stark vorwärts gebündelt unter dem Raumwinkel
Δ Ω = π / γ².
[0040] Mit Si-Kristallen sind mittlere Elektronenströme von mindestens 100 µA einsetzbar,
ohne daß der Kristall infolge der thermisch bedingten Gitterfehlstellenbildung unbrauchbar
wird und das Strahlenspektrum zeitlich unstabil wird. Bei Verwendung von Wolframkristallen
sind noch weit höhere Stromstärken anwendbar. Bei heute realisierbarem Strahlführungssystem
der hier in Frage kommenden Elektronenbeschleuniger sind Strahldivergenzen mit 0,2
mrad FWHM erzielbar. Diese würden die Photonenflüsse von Tabelle 4 um 1 bis2 Größenordnungen
vergrößern.

[0041] Angiographische Anwendungen, die mit Hilfe der Zweispektrensubtraktion, die Koronarien
oder Blutgefäße allein mit Hilfe einer peripheren Kontrastmittelinjektion darstellen
sollen, wären ein wesentlicher Fortschritt, da sie eine Vereinfachung der Untersuchung
(Risikominderung durch Wegfall der Katheterführungsprozedur) darstellen. Eine Erhöhung
des Patientendurchsatzes wäre zudem die Folge. Wie im US-Patent 4 432 370 beschrieben,
wird dort ein K-Kanten-Subtraktionsverfahren vorgeschlagen, das die dazu erforderliche
monochromatische Röntgenstrahlung mit Hilfe einer Synchrotronstrahlungsquelle und
einer nachfolgenden Kristalldoppelmonochromatoranordnung verfügbar macht. Diese Synchrotronstrahlungsquelle
ist durch die technisch weit einfachere und billigere Channelingstrahlungsquelle
ersetzbar, die durch Wahl der Elektronenenergien so abgestimmt sein muß, daß die dem
Kontrastmittel angepaßten Strahlenenergien eingestellt werden können. Durch Wahl eines
BN- bzw. BeO-Kristalls lassen sich die beiden Röntgenlinien oberhalb bzw. unterhalb
3 keV (Kontrastmittel Jod) gleichzeitig erzeugen. Damit entfällt das beim Synchrotron
notwendige und Zeit kostende Verfahren der Energievariation. Für die Darstellbarkeit
dünnerer Gefäße mit etwa 0,5 mm φ benötigt man einen Photonenfluß von etwa 10 Quanten/cm²s
in der monochromatischen Linie bei 31 keV. Dieser Wert ergibt sich aus der geforderten
Bilddosis von etwa 200 µR für Lumendarstellung mit 0,5 mm φ bei einem Signal zu Rauschverhältnis
von mehr als 100. Da das Subtraktionsbild innerhalb eines Herzzyklus erstellt werden
soll, darf die Belichtungszeit ca. höchstens 15 ms betragen.
[0042] Mit einer Channelingsstrahlungsquelle und einem Wolframkristall läßt sich bei einer
30 keV Röntgenlinie ein Photonenfluß von 10¹¹ Quanten/cm²s erzeugen, wenn die Elektronenenergie
etwa γ = 30 und der mittlere Strom 100 µA betragen. Dieser Photonenfluß liegt in
der gewünschten Größenordnung. Bei einem Kristall-Detektorabstand von 2 m wird durch
die Strahlung eine Teilfläche von Δ F = 130 cm² ausgeleuchtet. Dies ist noch zu klein,
um das gesamte Koronariensystem zufriedenstellend darzustellen. Durch flächenhaftes
Scannen kann jedoch der gewünschte, größere diagnostisch relevante Bereich erfaßt
werden.