Gebiet der Erfindung
[0001] Die Erfindung betrifft einen Radialwellendichtring, insbesondere für schnelldrehende,
exzentrisch umlaufende Wellen, welcher mit seiner radial aussenliegenden Partie in
dem die Welle umgebenden Maschinenteil statisch dichtend fixiert ist und mit einer
sich an einem radialen Steg anschliessenden flexiblen Dichtlippe die Welle elastisch
umschliesst,
- wobei die Elastomer-Dichtlippe über Federmittel an die Lauffläche der Welle angedrückt
ist,
- und wobei die Dichtung mit einer in den Ring einvulkanisierten Stirnwandversteifung
versehen ist.
[0002] Bei Anwendung in Kurbel- oder Exzenterantrieben unterliegen derartige Dichtungen
einer kreisenden oder annähernd kreisenden Bewegung. Wird die entsprechende Maschine
mit sehr hoher Drehzahl betrieben, so treten in dieser Dichtung derart grosse Massenkräfte
auf, dass sich die Dichtlippe örtlich von der Welle abheben kann. Es entsteht ein
Spalt, Schmieröl fliesst aus und der Zweck der Wellendichtung ist nicht mehr erfüllt.
Stand der Technik
[0003] Um Abhilfe zu schaffen, ist es bekannt, die radiale Steifigkeit durch einvulkanisierte
Metallringe zu erhöhen oder die Vorspannung der Ringfeder, die in der Regel die Dichtlippe
anpresst, zu vergrössern. Durch diese Massnahmen wird jedoch die Elastizität der
Dichtung kleiner. Die Anpassungsfähigkeit der Dichtung bei Wellenverlagerungen nimmt
ab. Zudem haben solche Dichtungen im Mittel höhere Anpresskräfte zwischen dem stehenden
Dichtring und der rotierenden Welle, was zu Erwärmung und zu erhöhtem Verschleiss
und damit zu reduzierter Lebendauer führt.
[0004] Eine andere Lösung sieht vor, den Dichtring auf den Exzenter selbst anzuordnen, wobei
der Dichtring rotiert und die Dichtlippe gegenüber dem nicht rotierenden, jedoch
kreisenden Teil dichtet. Verschiedene Stellen des Dichtringes liegen hier auf unterschiedlichen
Radien zur raumfesten Drehachse und unterliegen daher verschieden grossen Fliehkräften.
An den aussenliegenden Partien des Dichtringes verstärkt die Fliehkraft die Dichtkraft
mehr als an den inneren Partien. Hier kann die Dichtkraft sogar mit der Fliehkraft
abnehmen, falls die Exzentrizität grösser ist als der Dichtringradius. Die Vorspannung
der Dichtlippe ist so zu wählen, dass der Dichtring in allen Betriebsfällen sicher
dichtet. Die Fliehkraft erhöht die Dichtreibung derart, dass die entstehende Reibungswärme
nicht mehr genügend abgeführt werden kann. Der Dichtring verhärtet, verschleisst,
wird undicht und kann die Welle beschädigen.
Darstellung der Erfindung
[0005] Der Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, einen Dichtring der eingangs genannten
Art zu schaffen, welcher unempfindlich gegenüber Beschleunigungen in der Ebene senkrecht
zur Längsachse ist, dabei jedoch nichts an seiner Nachgiebigkeit einbüsst.
[0006] Erfindungsgemäss wird dies dadurch erreicht, dass das radial innenliegende Ende der
Stirnwandversteifung den Drehpunkt für die auszulenkende Dichtlippe bildet, und dass
am Drehpunkt ein im wesentlichen axial verlaufendes und über den radialen Steg hinauskragendes
Gegengewicht angreift, dessen Massenkraft mindestens jener der Dichtlippe und der
darauf wirkenden Federkraft entspricht.
[0007] Die Erfindung geht hierbei davon aus, das Ausweichen oder Auslenken der Dichtung
infolge der Trägheitskräfte nicht durch zusätzlich Federkräfte, also beispielsweise
durch Versteifung der Lippen, zu verhindern, sondern die Trägheitskräfte selbst zu
nützen durch Anordnung von Gegengewichten, die der gleichen Beschleunigungskraft unterworfen
sind wie die Dichtlippe selbst. Dabei sind die Gegengewichte so zu wählen, dass die
Massenkräfte der Dichtlippe ausgeglichen sind.
[0008] Es ist von Vorteil, wenn das Gegengewicht ein Waagebalken ist, der über den Drehpunkt
hinaus bis in die eigentliche Dichtebene in das Elastomer einvulkanisiert ist. Hierdurch
bilden Dichtlippe und Gegengewicht eine in sich steife Einheit mit eindeutiger Abstützung
am radial innenliegenden Ende der Stirnwandversteifung.
[0009] Es ist zweckmässig, wenn der Waagebalken ringzylindrisch ausgebildet ist, in der
Ebene des Drehpunktes geschlossen ist und beidseitig des Drehpunktes in Umfangsrichtung
mehrfach geschlitzt ist, wobei die Schlitze in ihrer axialen Erstreckung so bemessen
und angeordnet sind, dass einerseits der Waagebalken in der Ebene der Längsachse zusammen
mit der Dichtlippe eine biegesteife Einheit bildet, und andererseits der Waagebalken
in der Ebene senkrecht zur Längsachse biegeweich ist. Dadurch ist die Möglichkeit
gegeben, die Gegengewichte als einteiliges Element zu fertigen und in den Dichtring
einzuvulkanisieren.
Kurze Beschreibung der Zeichnung
[0010] In der Zeichnung sind zwei Ausführungsbeispiele der Erfindung schematisch dargestellt.
Es zeigen:
[0011]
Fig. 1 einen Längsschnitt durch eine Exzenteranordnung;
Fig. 2 einen Längsschnitt durch den erfindungsgemässen Radialwellendichtring;
Fig. 3 die Abwicklung eines Zylinderschnittes durch den Dichtring auf der Höhe des
Drehpunktes am radial inneren Ende der Stirnwandversteifung;
Fig. 4 eine Ausführungsvariante des Dichtringes.
[0012] Gleiche Elemente sind in den verschiedenen Figuren mit gleichen Bezugszeichen versehen.
Es sind nur die für das Verständnis der Erfindung wesentlichen Elemente gezeigt. Nicht
dargestellt sind beispielsweise jene Mittel, die dafür sorgen, dass die vom Exzenter
betätigten Mittel eine blosse Kreisbewegung, nicht jedoch eine Drehbewegung ausführen.
Wege zur Ausführung der Erfindung
[0013] In Fig. 1 ist mit 1 eine Antriebswelle bezeichnet, die einen Exzenterbund 2 aufweist.
Auf diesem Bund ist eine Büchse 3 eines scheibenförmigen Maschinenteils 4 mittels
eines Wälzlagers 5 gelagert. Bei diesem Maschinenteil kann es sich beispielsweise
um die Läuferscheibe eines Spiralverdichters handeln. Das Wälzlager 5 ist nach beiden
Seiten hin flüssigkeitsdicht durch Ringdichtungen 6 abgedichtet.
[0014] Bei diesen Dichtungen handelt es sich um Radialwellendichtringe, die gemäss Fig.
2 im wesentlichen aus einem L-förmigen Elastomer, beispielsweise Nitrilkautschuk mit
einvulkanisierter, stählerner Stirnwandversteifung 8 bestehen. Im gezeigten Beispiel
ist diese Versteifung 8 ebenfalls von L-förmiger Ausbildung, wobei der axiale Schenkel
8ʹ der radial aussenliegende Teil ist und somit den Sitz des Ringes in der Büchse
3 des Maschinenteils 4 bildet.
[0015] Der radiale Schenkel 8ʺ bildet die eigentliche Versteifung und reicht mit seinem
radial inneren Ende bis in den axialen Schenkel des Elastomers. Dieser axiale Schenkel
weist die eigentliche Dichtlippe 9 auf, welche über Federmittel 10, hier eine Ringfeder,
an den exzentrisch umlaufenden Wellenteil, hier der Bund 2, angepresst wird.
[0016] Wie bereits oben erwähnt, führt die im Maschinenteil 4 statisch dichtend fixierte
Dichtung 6 während des Betriebes eine kreisende Bewegung aus. Nun sind alle kreisenden
Teile, also auch die Dichtlippe 9, einer Beschleunigung unterworfen, die mit der Drehzahl
und dem Kurbelradius zunimmt. Diese Beschleunigung bewirkt eine Trägheitskraft, die
die Dichtlippe einmal anzupressen und ein andermal abzuheben trachtet. Die Umfangskomponente
dieser Trägheitskraft soll hier nicht betrachtet werden, da die Dichtlippe in Umfangsrichtung
sehr steif ist und eine Bewegung in dieser Richtung nur einen kleinen Beitrag zum
Abheben der Dichtlippe leistet. Die Dichtlippe muss in radialer Richtung nachgiebig
sein, damit sie ihre Aufgabe, Achsverlagerungen auszugleichen und Verschleiss zu
kompensieren, erfüllen kann.
[0017] Hierzu ist es aus der MTZ Motortechnische Zeitschrift 42 (1981) 7/8, Seite 288, Bild
7 bekannt, dass der axiale Schenkel des Elastomerkörpers einen eigentlichen Drehpunkt
aufweist, um den die Auslenkung der Dichtlippe stattfinden kann.
[0018] Gemäss der Erfindung wird nun der an die Dichtlippe 9 anschliessende Teil des axialen
Elstomerschenkels so konfiguriert und in seiner Wandstärke bemessen, dass der Drehpunkt
11 unmittel bar unterhalb des radial innenliegenden Endes des radialen Schenkels
8ʺ der Versteifung 8 zu liegen kommt. An der guten Nachgiebigkeit der Dichtlippe in
radialer Richtung ändert sich dadurch nichts.
[0019] Zur Kompensation der auf die Dichtlippe 9 mitsamt Feder 10 einwirkenden Beschleunigungskräfte
wird nun jenseits des Drehpunktes 11 ein Gegengewicht 12 angeordnet. Dieses Gegengewicht,
in Form eines beispielsweise stählernen Waagebalkens, greift ebenfalls am Drehpunkt
11 an. Der Waagebalken, dessen Ausgleichsmasse mindestens jener der Dichtlippe mitsamt
Feder entspricht, verläuft in axialer Richtung und kragt somit über den radialen Schenkel
des Elastomers hinaus. Er ist über den Drehpunkt 11 hinaus weit in den axialen Schenkel
des Elastomers, d.h. bis mindestens zur Dichtebene hin, in den Kautschuk einvulkanisiert
und bildet somit zusammen mit der Dichtlippe eine steife, um den Drehpunkt kippbare
Einheit. Diese Kippmöglichkeit ist erforderlich, beispielsweise beim Taumeln der Welle
resp. des exzentrischen Bundes 2.
[0020] Das Problem wurde bis jetzt nur in der Ebene der Längsachse betrachtet. Aus der Abwicklung
nach Fig. 3 ist erkennbar, dass es sich beim Waagebalken um einen geschlossenen, zylindrischen
Metallring handelt. Geschlossen ist er allerdings nur in jener Zone unterhalb der
Stirnwandversteifung, die als Drehpunkt gilt. Diesseits und jenseits der Drehzone
ist der Ring geschlitzt. Dadurch ist er in Umfangsrichtung biegeweich und kann in
radialer Richtung auch einer nicht ganz konzentrisch umlaufenden Welle folgen.
[0021] Der Ausdruck "geschlitzt" besitzt hier Allgemeingültigkeit und steht für alle möglichen,
vorzugsweise ausgestanzten Konfigurationen, die die angestrebte Funktion erfüllen.
[0022] Der in Fig. 3 gezeigte Ringzylinder weist auf der Lippenseite Spitzen 17 auf, die
über die Dichtebene hinaus im nicht dargestellten Elastomer einvulkanisiert sind
und insbesondere der Verankerung dienen; auf der entgegengerichteten, aus dem Elastomer
herausragenden Seite befindet sich das eigentliche Gegengewicht in Form der hier
einfach gefalteten Stahleinlage 18 (Fig. 2).
[0023] Beim Dichtring gemäss Fig. 4 wird die Dichtkraft ebenfalls über eine Ringfeder 10
aufgebracht. Die Federmittel, die - verglichen mit der Dichtlippe - aus einem Werkstoff
höherer Dichte gefertigt ist, unterliegt den Trägheitskräften noch stärker. Bei sehr
hohen Beschleunigungen quer zur Achse kann somit auch diese Feder von ihrer Auflage
abheben. Dies kann durch mehrere, am Umfang verteilte Klammern 14 verhindert werden,
welche die Feder teilweise umschliessen. Diese Klammern sind vorzugsweise integrale
Bestandteile des Ringzylinders; gegebenenfalls handelt es sich um das zwischen den
Ankerspitzen 17 ausgesparte Material, das entsprechend aufgebogen ist.
[0024] Ein weiteres Problem können Kräfte darstellen, die infolge der umlaufenden Beschleunigung
im Drehpunkt 11 zum Zentrum hin gerichtet sind. Das Auflager, d.h. das radial innere
Ende der Stirnwandversteifung 8 trägt nicht eindeutig; es kann nur jene Kräfte aufnehmen,
die vom Waagebalken ausgehen und nach aussen gerichtet sind. Die nach innen gerichteten
Kräfte können ohne Gegenmassnahmen somit zu unerwünschten Verformungen im Elastomer
führen. Gemeint ist hier jene Kautschukzone, in welcher der Waagebalken unmittelbar
an der Stirnwandversteifung eingebettet ist. Die Kräfte sind demnach nicht durch
das Elastomer aufzunehmen. Im vorliegenden Fall ist am radialen Schenkel 8ʺ der Stirnwandversteifung
8 ein axial gerichteter Ansatz 15 vorgesehen. Dieser kann ringförmig über den gesamten
Umfang verlaufen. Klammerartig greifen mehrere über den Umfang verteilte Haken 16
in diesen Ansatz 15 ein. Wie die Klammern 14 sind auch diese Haken 16 vorzugsweise
integrale Bestandteile des Zylinderringes.
[0025] Selbstverständlich ist die Erfindung nicht auf die gezeigten und beschriebenen Ausführungsbeispiele
beschränkt. In Abweichung zur gezeigten Ring- oder Rundfeder könnten genausogut über
den Umfang verteilte Blattfedern die Anpresskraft der Dichtlippe aufbringen. Diese
sehr viel leichteren Blattfedern könnten in die Versteifungselemente integriert werden,
was den Vorteil aufweist, dass zum einen weniger Teile, zum anderen weniger Ausgleichsmasse
erforderlich wäre.
[0026] Besonders günstig wären derartige Blattfedern bei aussen dichtenden Ringen, d.h.
Anordnungen, bei denen der Dichtring auf dem Exzenter angeordnet ist und somit mitrotiert,
und bei denen die Dichtlippe am kreisenden Maschinenteil abdichtet. Es versteht sich,
dass auch derartige Anordnungen nicht aus dem Rahmen der Erfindung fallen.
[0027] Des weiteren wäre es denkbar, auf der Seite des überkragenden Waagebalkens eine an
sich bekannte Sta lippe im Elastomer zu integrieren. In Funktionsverschmelzung mit
dem steifen Balken ist die Sta lippenmasse dann als Gegengewicht wirksam.
[0028] In Abweichung zur beanspruchten Lösung könnte die Masse des Gegengewichtes auch etwas
kleiner sein als jene der Dichtlippe. Diese Lösung, bei welcher nur eine Teilkompensation
stattfindet, würde sich ggfs. bei sehr prekären Platzverhältnissen aufdrängen.
1. Radialwellendichtring, insbesondere für schnelldrehende, exzentrisch umlaufende
Wellen (1), welcher mit seiner radial aussenliegenden Partie in dem die Welle umgebenden
Maschinenteil (3, 4) statisch dichtend fixiert ist und mit einer, sich an einen radialen
Steg anschliessenden, flexiblen Dichtlippe die Welle elastisch umschliesst,
- wobei die Elastomerdichtlippe (9) über Federmittel (10) an die Lauffläche der Welle
(1, 2) angedrückt ist,
- und wobei die Dichtung (6) mit einer in den Ring einvulkanisierten Stirnwandversteifung
(8) versehen ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass das radial innenliegende Ende der Stirnwandversteifung (8) den Drehpunkt (11)
für die auszulenkende Dichtlippe (9) bildet, und dass am Drehpunkt (11) ein im wesentlichen
axial verlaufendes und über den radialen Steg hinausragendes Gegengewicht (12) angreift,
dessen Masse mindestens jener der Dichtlippe (9) und der darauf wirkenden Federmittel
(10) entspricht.
2. Dichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Gegengewicht (12) ein
Waagebalken ist, der über den Drehpunkt (11) hinaus bis in die eigentliche Dichtebene
in das Elastomer einvulkanisiert ist.
3. Dichtring nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Waagebalken ringzylindrisch
ausgebildet ist, in der Ebene des Drehpunktes (11) geschlossen ist und beidseitig
des Drehpunktes in Umfangrichtung mehrfach geschlitzt ist, wobei die Schlitze (13)
in ihrer axialen Erstreckung so bemessen und angeordnet sind, dass einerseits der
Waagebalken in der Ebene der Längsachse zusammen mit der Dichtlippe eine biegesteife
Einheit bildet, und andererseits der Waagebalken in der Ebene senkrecht zur Längsachse
biegeweich ist.
4. Dichtring nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass im Fall einer Ringfeder
als Federmittel der Waagebalken mit einer die Ringfeder zumindest teilweise umschliessenden
Klammer (14) versehen ist.
5. Dichtring nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Stirnwandversteifung
(8) einen vorzugsweise axialen Ansatz (15) aufweist, der klammerartig umgeben ist
von einem am Waagebalken angeordneten Haken (16).
6. Dichtring nach den Ansprüchen 3, 4 und 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Waagebalken
(12), die Klammern (14) und Haken (16) als einteiliges Element gefertigt und im Dichtring
einvulkanisiert sind.